Plenarprotokoll


Vizepräsident Oliver Keymis



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Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rohwedder. – Nun spricht Herr Minister Remmel für die Landesregierung.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst, Herr Deppe, vielen Dank an die CDU-Fraktion, dass sie diesen inhaltlichen Antrag auf die Tagesordnung gesetzt hat. Einschränkend muss ich vielleicht bemerken, obwohl ich mein Archiv nicht vollständig durchblättert habe, dass es einer der wenigen inhaltlichen Anträge der CDU-Fraktion aus den letzten dreieinhalb Jahren zu diesem Thema ist. Aber sei es drum.

(Zuruf von der CDU: Ach!)

Eine zentrale Zukunftsfrage wird hier angesprochen, und es ist richtig, dass sie im Landtag auf der Tagesordnung steht. Es ist eine der drei oder vier wesentlichen Zukunftsfragen.

Es kommt zum ersten Mal in der Menschheit vor, dass wir sozusagen in Sichtweite haben, dass bestimmte Rohstoffe zukünftigen Generationen nicht mehr zur Verfügung stehen werden, wenn wir so weitermachen wie bisher. Man muss sich das einmal überlegen. Das Öl gab es schon immer in der langen Menschheitsgeschichte, aber innerhalb von 200 Jahren ist es quasi verbrannt und weg.

Als weiteres Beispiel nenne ich Phosphor. Das ist ein wichtiger Stoff für unsere Landbewirtschaftung. Expertinnen und Experten sagen, dass wir noch 30 Jahre verfügbare Ressourcen haben werden. Danach wird es schwieriger, weil der dann gewonnene Phosphor mit Stoffen belastet sein wird, die uns wahrscheinlich Schwierigkeiten bereiten werden.

Wie sieht es mit Kupfer aus? Auch hier lautet die Prognose, dass wir nur noch 20 oder 30 Jahre Kupferreserven haben werden. Dann ist es vorbei.

Um mehr Menschen auf diesem Erdball diese Rohstoffe weiterhin zu gewährleisten, ist daher die Frage zentral wichtig, wie wir mit unseren Rohstoffen umgehen und wie wir sie so wiederverwerten, dass sie noch von möglichst vielen Generationen genutzt werden können.

Herr Höne, da hilft auch das übliche Gequatsche, das Sie bei diesem Tagesordnungspunkt wieder über Markt und Wettbewerb von sich gelassen haben,

(Christof Rasche [FDP]: Quatschen tun nur Minister! Quatschkopf!)

nicht wirklich weiter;

(Beifall von den GRÜNEN)

denn es hat mit dem Thema nichts zu tun. Zurzeit belohnt der Markt Wiederverwertung nicht.

(Henning Höne [FDP]: Es geht um das Wie, Herr Minister!)

Marktwirtschaft funktioniert an dieser Stelle nicht. Deswegen müssen wir über Rahmenbedingungen und darüber reden, wie es zukünftig geregelt werden soll.

Da hilft es eben nicht weiter, wenn Sie auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz verweisen, das unter Ihrer Regierung im Jahr 2012 beschlossen worden ist, weil darin keine wesentlichen Impulse gesetzt worden sind und weil dafür die Rahmenbedingungen fehlen. Deshalb müssen wir um diese Rahmenbedingungen ringen.

Die dort festgelegten Recyclingquoten sind wenig ambitioniert, und die entsprechenden Rechtsverordnungen, um es dann auch umzusetzen, liegen bis heute nicht vor. Da sind die Lücken, über die wir diskutieren müssten, um hier im Land voranzukommen.

Der Abfallwirtschaftsplan – ich will das nicht überhöhen – beschreibt nur einen kleinen Ausschnitt, nämlich die Frage, welche Anlagenkapazitäten und Konfigurationen für den öffentlichen Siedlungsabfall wir in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stellen müssen, um Entsorgungssicherheit zu gewährleisten.

Doch die Frage des Recyclings und des Rohstoffmanagements geht weit darüber hinaus. Gut drei Viertel unserer Abfälle sind gar keine Siedlungsabfälle. Dann ist schon die Frage zu stellen: Wie kommen wir dahin, dass diese Abfälle auch wiederverwertet werden? Wie kommen wir dahin, dass Elektronikschrott bei uns wiederverwertet und nicht in Drittweltländer exportiert wird? Wir haben dazu bisher kein Regime. Allein die Tatsache, dass wir eine Tonne Bergbaugold ersetzen könnten, wenn wir hier 40 Handys zusammensammeln würden, veranlasst doch, dafür zu sorgen, dass solche Rohstoffe bei uns tatsächlich wiedergewonnen werden.

(Henning Höne [FDP]: Einverstanden!)

Bei der Frage, wie wir den großen Teil der mineralischen Abfälle in die Wiederverwertung bringen, sind die Kommunen gefragt, das beispielsweise bei Ausschreibungen ihrer Baumaßnahmen mit aufzunehmen. Warum tun Kommunen das derzeit nicht? Sie tun es nicht, weil wir Fälle haben, in denen diese Stoffe auch mit giftigen Stoffen belastet sind, Stichwort „Mönchengladbach“. Wir haben auch Beispiele in Nordrhein-Westfalen. Das heißt, wir müssen an dieser Stelle das System verbessern, um Recycling zu ermöglichen.

Es gibt also vielfältige Aufgaben, die wir gemeinsam anpacken müssen. Deshalb bin ich dankbar, dass die CDU das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat. Allerdings muss ich einschränkend sagen: Benchmarking haben wir bereits seit 1995 im Siedlungsbereich, ein Vergleich über alle entsorgungspflichtigen Körperschaften, was wie wo eingesammelt wird. Da kann man schön ablesen, wer gut und wer schlecht ist. Das können wir gern diskutieren, aber wir brauchen keine zusätzlichen Benchmarks.

Ich bin allerdings dankbar, dass die CDU das Thema „Benchmark“ anspricht. In anderen Bereichen will sie es nicht so gern, Stichwort „Lebensmittelkontrolle“. Da wollen wir es auch gern. Ein Vergleich ist also richtig, um die bessere Lösung nach vorn zu bringen.

Ich würde mich freuen, wenn wir im Rahmen des Abfallwirtschaftsplans, der zurzeit in die Ressortabstimmung geht und dann hoffentlich Mitte des Jahres den Landtag erreicht, weitere Instrumente diskutieren könnten.

Beispielsweise könnten wir diskutieren, ob wir Ergänzungen bei der Gewerbeabfallverordnung, die zurzeit auf Bundesebene diskutiert wird, voranbringen in der Frage, ob wir gegebenenfalls in der Produkthaftung an anderer Stelle, auch europäisch, noch etwas tun müssen, ob die Ökodesignrichtlinie, die maßgeblich für die Produktgestaltung ist, in der Anwendung verbessert werden muss und ob und in welcher Weise beispielsweise DIN-Normen verändert werden müssen, DIN-Normen für Gebäude, um Gebäudeteile dann wiederverwerten zu können und nicht – wie das jetzt passiert – teilweise deponieren zu müssen.

Das sind viele Aufgaben. Deshalb danke ich für das Stichwort und für den Antrag. Ich würde mir wünschen, wenn wir daraus etwas Gemeinsames für mehr Verwertung machen könnten. – Schönen Dank für die Debatte.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Ich erlaube mir die Bemerkung, gequatscht wird im Hohen Hause an manchen Ecken, aber am Redepult wird geredet. Insofern ist das so wegzubuchen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/4830 an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss stattfinden. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist einstimmig so überwiesen, was zu erwarten war.

Ich rufe auf:

4 EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen die EU-Grundrechte-charta und darf nicht umgesetzt werden!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/4815

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Schwerd das Wort.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer auf der Tribüne und am Stream! 2006 trat die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in Kraft. Sie fordert, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Vorrat gespeichert werden muss, wann Sie mit wem telefonieren, wo Sie sich dabei aufhalten, und wann Sie welche Internetseiten besuchen.

Warum will man diese Daten speichern? Ganz einfach. Sie könnten ja irgendwann einmal kriminell werden, vielleicht sind Sie sogar ein heimlicher Terrorist. Für diesen Fall möchte der Staat gern schon einmal Ihre Daten haben, und nicht nur diese, sondern alle Daten, von allen Einwohnern dieses Landes. Dieses diene selbstverständlich unser aller Sicherheit.

Fragen Sie sich, was mit der Unschuldsvermutung ist? Nun, auf die müssen wir leider verzichten. Die Vorratsdatenspeicherung ist anlasslos. Sie können so unauffällig sein wie Sie wollen, Ihre Existenz ist Anlass genug, Ihr Kommunikationsverhalten aufzuzeichnen.

Sie finden, eine solche Maßnahme ist Ausdruck staatlichen Misstrauens? Richtig! Wer Kommunikations- und Bewegungsdaten jedes Bürgers zur Strafverfolgung auf Vorrat speichern will, der hält auch jeden Bürger für einen potenziellen Terroristen.

(Beifall von den PIRATEN)

Gibt es denn gar keine Hoffnung? Doch, die gibt es, aber sie kommt nicht aus der Politik, sondern von den Gerichten. Im Jahr 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht die damals in Deutschland geltende Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig. Kurz darauf riefen die Verfassungsgerichtshöfe von Irland und Österreich wegen schwerer Bedenken zur Rechtmäßigkeit der EU-Richtlinie den Europäischen Gerichtshof an.

Am 12. Dezember 2013 hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs die Bedenken gegen die Vorratsdatenspeicherung bestätigt. Er hält die Richtlinie für nicht vereinbar mit der EU-Grundrechte-charta. Man kann es kaum deutlicher formulieren. Die Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen unsere Grundrechte. Anlasslose Massenüberwachung ist immer ein Angriff auf unsere Demokratie.

(Beifall von den PIRATEN)

Liebe Innenpolitiker von Union und SPD, was brauchen Sie denn noch, um zu merken, dass die Vorratsdatenspeicherung eine hochgradig freiheitsfeindliche Maßnahme ist? Erkennen Sie nicht, dass der Einstieg in die Totalüberwachung mehr schadet als nützt? Können Sie nicht erkennen, dass eine Maßnahme wie die Vorratsdatenspeicherung skrupellosen und freiheitsfeindlichen Regimen in den Hände spielt? Begreifen Sie nicht, dass es keinen Unterschied macht, ob wir anlasslos und massenhaft von der NSA oder anlasslos und massenhaft von unserem eigenen Staat überwacht werden? Wie können Sie die Praktiken der NSA kritisieren, aber gleichzeitig anlasslose Totalüberwachung fordern?

(Beifall von den PIRATEN)

Vor allem aber: Wieso ignorieren Sie sämtliche Stimmen aus Wissenschaft und Praxis, die der Vorratsdatenspeicherung weitgehende Wirkungslosigkeit attestieren? Ein Beispiel: Aus der USA kam eine Regierungskommission zur Bewertung der US-Version der Vorratsdatenspeicherung gerade erst zu folgendem Ergebnis: Wir haben nicht einen einzigen Fall der Bedrohung der Vereinigten Staaten identifiziert, bei dem die Überwachung von Telefon-Metadaten einen konkreten Unterschied bei der Aufklärung gemacht hätte.

Wir wissen zwei Dinge: Die Vorratsdatenspeicherung ist ein hochproblematischer Eingriff in unsere Grundrechte und zudem weitgehend wirkungslos. Wieso klammern sich unsere Sicherheitspolitiker dann trotzdem so versessen an die Vorratsdatenspeicherung?

Sascha Lobo hat für dieses irrationale Verhalten einen schönen Begriff gefunden: Sicherheitsesoterik! – Das passt.

(Beifall von den PIRATEN)

Offensichtlich können oder wollen unsere Sicherheitspolitiker die Realität nicht mehr wahrnehmen. Die Vorratsdatenspeicherung ist für sie zu einem Glaubensbekenntnis geworden. Fakten können dem nichts mehr anhaben.

Es müssen erst Verfassungsgerichte einschreiten, um freiheitsfeindliche Vorhaben unserer Regierungen zu verhindern. Vom Flugsicherheitsgesetz bis zur Vorratsdatenspeicherung haben die Sicherheitsesoteriker unserer sogenannten Volksparteien inzwischen eine ansehnliche Liste verfassungsfeindlicher Gesetzesvorhaben aufgehäuft. Kein Grundrechtsartikel, der noch nicht durch irgendwelche paranoiden Maßnahmen angegriffen worden wäre.

Wir Piraten sind uns sicher: Auch die aktuelle EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wird vom EU-Gerichtshof kassiert. Denn eins ist klar: Die anlasslose Totalüberwachung der Bevölkerung darf in einem demokratischen Rechtsstaat keinen Platz haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich würde mir wünschen, dass Politiker solche Gesetze gar nicht erst beschließen. Ich bitte Sie: Lassen Sie nicht die Gerichte das erledigen, wofür wir eigentlich gewählt worden sind!

(Beifall von den PIRATEN)

Stimmen Sie mit uns gegen die Vorratsdatenspeicherung und gegen den Einstieg in eine anlasslose Massenüberwachung. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)



Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schwerd. – Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Geyer das Wort.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Bundespolitik, wir wissen!)

Jens Geyer (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

– Nein, dieses Argument kommt jetzt nicht. Da muss ich Sie von den Piraten jetzt leider enttäuschen. –

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir bereits im vergangenen November dieses Thema ausgiebig diskutiert haben. Wir hatten am Mittwoch dieser Woche über dieses Thema am Rande gesprochen.

(Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN]: Und ignoriert!)

– Von „ignorieren“ kann auch keine Rede sein. Denn wir stellen uns diesem Thema.

Ich möchte anführen, dass ich das Rechtsgutachten des EU-Generalanwalts zur Vorratsdatenspeicherung begrüße. Es ist ein Signal, wie der Europäische Gerichtshof eventuell entscheiden könnte. Danach würde alles auf eine Überarbeitung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung hinauslaufen.

Ich begrüße des Weiteren die Entscheidung des Bundesjustizministers Maas, bis zur Urteilsverkündung keinen Gesetzentwurf vorzulegen. Letztlich müssen wir das Urteil des Europäischen Gerichtshofs abwarten, ob durch die Richtlinie die Rechte der EU-Bürger verletzt sind oder nicht. Dann ist es unsere Aufgabe, sich inhaltlich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Das wird recht bald sein.

Bis dahin sind Anträge wie die der Piraten Schaufensteranträge und der Sache nicht dienlich. Deshalb wird die SPD den Antrag ablehnen. – Vielen Dank!

(Beifall von der SPD – Olaf Wegner [PIRATEN]: Weil es ein Schaufensterantrag ist? Das ist ein geiles Argument! Das habe ich noch gar nicht gehört!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Geyer. – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Golland das Wort.

Gregor Golland (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag der Piratenfraktion soll der nordrhein-westfälische Landtag feststellen, dass die EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung gegen die Grundrechtecharta der Europäischen Union verstößt.

(Beifall von den PIRATEN)

– Klatschen Sie nicht zu früh!

Offensichtlich ist den Piraten verborgen geblieben, dass über die Vereinbarkeit von EU-Richtlinien mit europäischem Recht einzig und allein der Europäische Gerichtshof in Luxemburg befinden kann, nicht aber die Abgeordneten dieses Hauses, meine Damen und Herren. Schon aus diesem Grunde ist der vorliegende Antrag nicht zustimmungsfähig.

(Zuruf von den PIRATEN: Wenn wir das gewusst hätten!)

Was den Piratenantrag allerdings vollends ad absurdum führt, ist die Forderung an die Landesregierung, sich – so steht es unter III. des Antrags:

„… mit allen dazu geeigneten Mitteln auf allen politischen Ebenen, im Bundesrat sowie auf EU-Ebene gegen die Umsetzung der EU-Richtlinie in der derzeitigen Form und jede sonstige Art der Vorratsdatenspeicherung bzw. Mindestspeicherfrist einzusetzen.“

Damit fordern Sie das genaue Gegenteil dessen, was alle Sicherheitsfachleute in Deutschland bereits seit Jahren beklagen, nämlich den Totalverzicht auf ein für die Strafverfolgung überragend wichtiges Ermittlungswerkzeug.

Ich darf diesbezüglich aus der „Neuen Westfälischen“ vom 10.01.2014 zitieren, wo es heißt:

„Es sei ‚ein Skandal, dass Hunderte von Straftätern, die Kinderpornos … herunterladen,‘

(Zurufe von den PIRATEN: Oh!)

‚nur deshalb straffrei bleiben, weil die Polizei nicht auf ihre Verbindungsdaten zurückgreifen darf‘ sagte der NRW-Landesvorsitzende Arnold Plickert.“

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Ohne Beweis!)



Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kern?

Gregor Golland (CDU): Nein.

Vizepräsident Oliver Keymis: Keine Zwischenfrage. – Bitte schön.

Gregor Golland (CDU):

„Nach Angaben der Polizeigewerkschaft konnten in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen drei Jahren bei 348 Strafverfahren, die im Bereich der Internetkriminalität eingeleitet worden waren, die Täter ‚wegen fehlender Vorratsdatenspeicherung nicht ermittelt werden‘. Etwa ein Viertel der Verfahren im Bereich der Kinderpornografie (268 von 1.020) seien aus diesem Grunde ohne Erfolg geblieben.“

Meine Damen und Herren von den Piraten, ich lache nicht über Themen wie Kinderpornografie, wie Sie das eben getan haben.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Das ist echt eine böse Unterstellung. Das ist ganz mieser Stil!)

– Sie können zwar laut schreien, aber recht haben Sie deswegen immer noch nicht.

(Beifall von der CDU)

„Sogar die Aufklärung von Mordtaten werde durch die fehlende Möglichkeit der Vorratsdatenspeicherung erschwert.“

Einmal ganz abgesehen davon, dass jedwede Form organisierter Kriminalität, für die Deutschland längst sowohl Rückzugsraum wie Hauptbetätigungsfeld ist, da die Aufklärungsquote gering, der Verfolgungsdruck schwach und die Verurteilungen nicht abschreckend genug sind, nicht von der Vorratsdatenspeicherung erfasst werden kann.

Dies macht aus meiner Sicht eines deutlich, meine Damen und Herren: Was die Piratenfraktion mit dem vorliegenden Antrag fordert, ist nicht etwa Datenschutz, sondern Täterschutz. Und dabei werden wir nicht mitmachen.

(Beifall von der CDU – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Wie können Sie den in Ihren Reihen halten? Das ist ja unfassbar! – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Das ist ja peinlich!)

Übrigens hat auch das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung als solche keineswegs verworfen, sondern sie lediglich in ihrer früheren Ausgestaltung für unverhältnismäßig gehalten.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Mein Gott, ab in die Höhle!)

Es fehle an Datensicherheit, Transparenz und Rechtsschutz, so die Richter in ihrem Urteil vom 2. März 2010.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Deswegen sind die Reihen leer da drüben! Die können das selber nicht hören!)

Auch der von den Piraten zitierte Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, der zu der entsprechenden Richtlinie Stellung genommen hat, spricht ausdrücklich von einem vollkommen legitimen Ziel.

All das haben die Piraten in ihrem Antragstext entweder vergessen oder mutwillig unterschlagen.

Um es Ihnen noch einmal zu erklären: Bei der Vorratsdatenspeicherung werden keine Kommunikationsinhalte, sondern nur Verbindungsdaten gespeichert. Das ist das, was Sie auf Ihrem Einzelverbindungsnachweis zum Beispiel der Telekom nachlesen können,

(Zuruf von den PIRATEN: Nein, das ist viel mehr!)

also die Information, von welchem Anschluss zu welcher Zeit mit welchem anderen Anschluss kommuniziert wurde. Die Speicherung erfolgt auch nicht etwa bei den Sicherheitsbehörden, sondern einzig und allein beim Provider. Und: Die Sicherheitsbehörden sollen auch nur in eng begrenzten Fällen und auch nur bei richterlicher Anordnung Zugriff auf diese Daten haben.

Selbst Innenminister Jäger fordert die Datenspeicherung schon lange – bisher leider erfolglos.

(Zurufe von den PIRATEN)

Mit der neuen Großen Koalition sollte es jedoch endlich möglich sein, ein Stück mehr Sicherheit und Gerechtigkeit in Deutschland zu schaffen.

(Lachen von den PIRATEN)

Im Interesse der Opfer und zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger brauchen wir die Vorratsdatenspeicherung dringend und umgehend. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Zurufe von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Golland. Bleiben Sie bitte am Pult. Es gibt eine Kurzintervention, die von der Piratenfraktion für den Kollegen Schwerd beantragt wurde. – Herr Kollege Schwerd, 90 Sekunden.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Erstens: Ich finde es eine Unverschämtheit und eine bodenlose Frechheit, uns zu unterstellen, wir würden über Kinderpornografie lachen. Das ist eine Frechheit! Und ich erwarte von Ihnen dazu eine Entschuldigung!

(Beifall von den PIRATEN)

Wir haben nicht gelacht, sondern wir finden es unmöglich und übel, dass Sie dieses Argument immer wieder vorschieben, obwohl die Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen dokumentierten Kindesmissbrauch vollkommen unwirksam ist.

(Minister Ralf Jäger: Wieso das denn?)

Denn Sie können davon ausgehen, dass sich die Straftäter, die das machen, Maßnahmen überlegen werden – und Sie haben welche zur Verfügung –, die Vorratsdatenspeicherung zu umgehen. Es gibt keinerlei Beweise einer Wirksamkeit. Überall da auf der Welt, wo Vorratsdatenspeicherung im Einsatz ist, gibt es überhaupt keine nennenswerte Aufklärung dieser sogenannten Kinderpornografie.

(Zuruf von den PIRATEN: Aber Missbrauch der Daten!)

Aber es gibt sehr wohl einen Missbrauch der Daten. Es steht nämlich jedem Einzelnen frei, einen Verbindungsnachweis anzufordern oder zu speichern. Ich zum Beispiel habe keinen. Die Datensicherheit bei Providern ist sicherlich auch nicht höher als sonst irgendwo. Oder haben Sie niemals gehört, dass bei der Telekom irgendwelche Daten abhanden gekommen sind?

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Wenn Sie davon sprechen, dass unser Verfassungsgericht gesagt hat, dass unter gewissen Umständen eine Vorratsdatenspeicherung möglich wäre, dann heißt das aber auch wieder nur, dass Sie dabei sind, die vorhandenen Grenzen auszuloten gemäß dem Motto: Wir versuchen die Grenzen ein bisschen zu überschreiten, lassen uns von den Gerichten einen Rahmen des gerade noch Zulässigen zuteilen und reizen den dann mit Gesetzen total aus. Es ist einem demokratischen Rechtsstaat aber nicht würdig, dass man die Grenzen des gerade noch so Möglichen versucht auszuloten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Gregor Golland (CDU): Lieber Kollege, meine Damen und Herren, ich denke, da wird mir selbst Ralf Jäger mal zustimmen, dass wir uns hier in einem ordnungsgemäßen Rechtsrahmen bewegen

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Da bin ich gespannt!)

und dass die Große Koalition, die gemeinsam diese Vorratsdatenspeicherung umsetzen wird, sich an EU-Recht orientieren und auch daran halten wird. Da bin ich mir sicher, da mache ich mir gar keine Sorgen.

Sie sollten sich vielleicht mal bei den Betroffenen informieren, bei den Leuten, die wirklich Ahnung davon haben,

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Das sind aber jetzt nicht Sie!)

zum Beispiel bei der Polizei, bei den Fahndungsbehörden – ich habe Sie auch ausreden lassen –, die Ihnen nämlich genau sagen werden, wie wichtig das Instrument der Vorratsdatenspeicherung zur Verfolgung von schweren Straftaten ist.

Zum Glück sind Sie nicht im Bundestag vertreten. Ich denke, das Gesetz wird kommen, und damit werden wir die Sicherheitslage in Deutschland wesentlich verbessern. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU – Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Da fragt man sich, was größer ist: Ahnungslosigkeit oder Boshaftigkeit!)



Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege. – So weit Kurzintervention und Entgegnung. – Nunmehr hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gleichung, dass mit der Menge von angehäuften Daten über unsere Bürgerinnen und Bürger die Sicherheit in unserem Land steigt, ist als Dogma vieler Sicherheitspolitiker erstens im Grundsatz nicht zu belegen, Herr Golland, und zweitens verfassungsrechtlich auch nicht gedeckt.

Genauso falsch – um das gleich dazuzusagen – finde ich im Übrigen die Forderung, dass Grundrechtseingriffe, die mit Speicherung von persönlichen Daten und Zugriffen von Sicherheitsbehörden verbunden sind, grundsätzlich nicht stattfinden dürfen.

(Zuruf von den PIRATEN: Anders herum!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders in Situationen konkreter Bedrohung oder vor dem Hintergrund schrecklicher Straftaten oder terroristischer Anschläge wird die Debatte über dieses Spannungsverhältnis von Sicherheit und Freiheit irrational. Einen Vertreter dieser Irrationalität haben wir gerade gehört. Kollege Golland tut sich da ja immer sehr hervor.

(Gregor Golland [CDU] breitet beide Arme aus.)

– Herr Golland, Sie möchten doch, dass man sich mit Ihnen beschäftigt, sonst sind Sie ja schwer enttäuscht.

(Gregor Golland [CDU]: Oh!)

Wir Grüne im Landtag verstehen uns als genau das Gegenteil, nämlich als politische Stimme für Rationalität. Und das bleibt auch so.


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