Plenarprotokoll


Vizepräsident Eckhard Uhlenberg



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Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, Ihre Redezeit.

Ralf Witzel (FDP): … 5 Milliarden € weniger Steuereinnahmen rechnen. Deshalb können Sie sich dieses Jahr nicht allein herausgreifen.

(Beifall von der FDP)

Sie haben heute ganz andere Bedingungen: über 10 Milliarden € Steuereinnahmen mehr! Und dem muss endlich auch Ihre Haushaltspolitik in Nordrhein-Westfalen gerecht werden.

(Beifall von der FDP)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin es ja gewohnt, dass Herr Kollege Witzel auf Argumente nicht eingeht, sondern das abspult, was er sich aufgeschrieben hat. Doch ich will es trotzdem – zumindest, Herr Witzel, damit es im Sachzusammenhang steht – noch mal erklären.

Ich habe vorhin vorgetragen – dazu haben Sie nichts gesagt, haben keinerlei Versuch unternommen, das argumentativ zu widerlegen –, dass Sie einen Wunschzettel in der Größenordnung von 2 Milliarden € für diesen Landeshaushalt aufgeschrieben haben.

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist falsch! – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

– Die Zahlen habe ich eben genannt; die werde ich jetzt nicht wiederholen. Also: kalte Progression, Personalbesoldung, Stärkungspakt, Grunderwerbsteuer, Inklusion, Konnexität. Ich könnte diese Liste noch verlängern; das waren jetzt nur die wichtigsten Brocken.

(Zurufe von der FDP)

– Ihr habt eben schon zehn Minuten geredet. Vielleicht bin ich jetzt mal dran.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Zwischenrufe sind schon möglich.

(Jochen Ott [SPD]: Das wird den Herrn Witzel verwirren! – Beifall von der SPD)



Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Witzel, die größte Nummer ist, dass Sie Anträge in der Größenordnung von, ich glaube, 150 Millionen globale Minderausgaben on top auf das vorschlagen, was unser Finanzminister für diesen Landeshaushalt vorgeschlagen hat,

(Ralf Witzel [FDP]: Minderausgaben, ja!)

Aber dem Landesfinanzminister und der Koalition ins Stammbuch schreiben, dass globale Minderausgaben des Teufels sind. Wie schizophren sind Sie denn eigentlich?

(Beifall von der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Das haben wir nicht gesagt!)

Um deutlich zu machen, wo bei Ihnen nur noch Ideologie unterwegs ist:

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist unwahr, einfach nur unwahr!)

Sie haben eben zur Wirtschaftspolitik Argumente angeführt. Nehmen wir mal die Energiepolitik. Die schwarz-gelbe Bundesregierung – Sie sind nicht nur abgewählt worden, Sie sind sogar aus dem Bundestag herausgeschossen worden – hat im Jahre 2011 ein Atomverlängerungsgesetz gemacht. Und 2012 haben Sie ein dann Atomausstiegsgesetz gemacht, das jetzt dazu führt, dass Milliarden Investitionen nicht möglich sind und die großen Energiekonzerne – in Klammern: daran haben sie ein Stück weit selbst Schuld – in die Knie gehen.

Und Sie sprechen von Entfesselungseffekten für die Wirtschaft! Sie sind ideologisch verblendet! Das ist alles, was Sie sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Vielleicht mal konkret, was Sie in diesem Landeshaushalt wirtschaftspolitisch vorschlagen: Sie schlagen im Wesentlichen vor, Flughäfen, die wir nicht brauchen, und halböffentliche Einrichtungen wie zum Beispiel Messen noch stärker zu subventionieren. Das macht die FDP aus. Von Wirtschaftspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich bei Ihnen ernsthaft nichts erkennen.

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Herr Kollege Schmitz, ich will Ihnen mal deutlich sagen, was uns an der Stelle trennt. Sie haben uns vorgeworfen, dass die Rentenpläne der Grünen teurer werden als das, was CDU und SPD hierzu vorschlagen.

Der Unterschied ist – in der Sache wird dazu Frau Kollegin Maaßen noch vortragen –: Die Grünen haben im Gegensatz zu Ihnen ein Finanzierungskonzept mit Milliarden Steuermehreinnahmen vorgelegt zugunsten der Menschen in diesem Land, die ungefähr 30.000 € bis 40.000 € verdienen, und haben auch gesagt, woher das Geld dafür kommen soll.

Sie sagen nicht, wo das herkommen soll, sondern Sie belasten die Beitragszahlerinnen. Das sind die, die zwischen 1.000 und 4.000 brutto verdienen. Das finde ich sozial ungerecht. Das unterscheidet uns, Herr Kollege Schmitz.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen noch einen Hinweis zu den rosa Zellen geben. Früher haben wir über rote Zellen gestritten, heute sind es rosa Zellen. Es handelt sich offensichtlich nicht um rosa Zellen, sondern um die Farbe „Cool-Down-Pink“. Ich habe mich darüber eben noch mal aufklären lassen. Diese Farbe, Herr Kollege Schmitz, ist genauso teuer wie weiße Farbe. Und die Anstriche erfolgen immer nur dann, wenn sowieso ein Anstrich erfolgen muss. – Das war also ein ganz schlechtes Beispiel, Herr Kollege. Erst sachkundig machen und dann den Vorwurf in den Raum stellen!

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Aktuelle Stunde hat wenig Neues gebracht, außer dass die FDP erneut versucht hat, ihr Potpourri abzuziehen. Dabei hat sie sich allerdings selbst entlarvt und deutlich gemacht, dass sie für den Wunschzettel in Höhe von 2 Milliarden € keine entsprechenden Gegenvorschläge darlegen kann.

(Widerspruch von Ralf Witzel [FDP])

Sie sind nicht geeignet, dieses Land zu führen. Gott sei Dank sitzen Sie auf der Oppositionsbank. Und das soll auch noch lange so bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Ich fand nicht, dass es ganz wenig Neues gab, Herr Kollege Mostofizadeh. Immerhin wissen wir, dass wir die Milchproduktion erhöhen können, dann wird das hier schon laufen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Es fehlt in der Tat ein bisschen der Ansatz. „Solide Haushaltskonsolidierung statt Steuererhöhungen – Nordrhein-Westfalen braucht seriöse Finanzpolitik!“ – wir können dieses Thema eigentlich jeden Tag diskutieren, tun das im Prinzip auch, mindestens einmal im Jahr im Rahmen der Haushaltsberatungen.

Ich möchte aber auf den eigentlichen Anlass für diese Aktuelle Stunde zurückkommen: das Interview. Damit hat sich der Herr Finanzminister eben auch noch mal auseinandergesetzt, und er hat vorgetragen, was der eigentliche Hintergrund ist.

Ich möchte auf das zurückkommen, was nicht gesagt worden ist, nämlich dass der Landesfinanzminister Nordrhein-Westfalen möglicherweise durchaus mit einem berechtigten Interesse fordert, dass die Grundsteuern erhöht werden. Denn auch da sind die Ausnahmen natürlich begrenzt.

Wir hatten 2013 im Bund mit 570 Milliarden – das durften wir gerade erfahren – Rekordsteuereinnahmen. Möglicherweise werden sie im Jahr 2014 noch höher liegen. Allein das sollte ausreichen, von allen Ländern aus – nicht nur von Nordrhein-Westfalen aus – vermehrt den Griff in die Bundeskasse zu versuchen, sprich: den Arm nach Berlin zu strecken und zu sagen: Gebt mal! – Gerade aus dem Blickwinkel NRWs ist das nicht ganz uninteressant, zumal ja die SPD jetzt mit in der Bundesregierung sitzt. Zwar besetzt die SPD nicht das Finanzressort, aber der Koalitionspartner wird ja möglicherweise die Hand öffnen, um NRW etwas zu geben.

Das wird zum Beispiel auch von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt, wie wir jüngst zum Beispiel im Zusammenhang mit der Schulsozialarbeit erfahren durften. Das ist ein ganz interessantes Thema. Das hatten wir im Rahmen der Haushaltsberatungen auf den Tisch gebracht. Das wurde aber – ich sage mal – „niedergestimmt“. Und keine drei Monate später kommen die Grünen und sagen: Hey, wir haben etwas entdeckt! Schulsozialarbeit wird nicht finanziert! Uns fehlen 120 Millionen. Die fordern wir jetzt mal vom Bund.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist das!)

Ich erinnere an einen Antrag unserer Fraktion zu diesem Thema, den wir hier im Plenum gestellt haben, der von SPD und Grünen abgelehnt worden ist, der nichts anderes im Sinn hatte, als die Schulsozialarbeit künftig mit 120 Millionen zu sichern und das Geld dafür, wenn das Land es nicht hat, beim Bund zu fordern. – Genau das tun die regierungstragenden Fraktionen jetzt. Labelpolitik! Wunderbare Sache!

Herr Finanzminister, ich glaube, Sie machen es richtig, wenn Sie sagen, dass wir die Einnahmenseite im Bund erhöhen müssen, um in NRW dort, wo wir möglicherweise im Rahmen der Haushaltsführung nicht so klar sind, weiterhin zurechtzukommen. Das gilt zum Beispiel für die 0,8 Milliarden Defizit, die nach der Prognose unterm Strich 2020 übrig bleiben werden. Die 0,8 Milliarden bekommen Sie nicht einfach kleingerechnet – vielleicht auf dem Papier; aber einfach verschwinden werden sie nicht.

Der Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen hat dafür einen ganz klaren Pfad, den linearen Defizitabbaupfad, aufgezeichnet. Die Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen liegen jährlich – seitdem Sie in der Regierung sind – mit 500 Millionen € oberhalb dieses linearen Abbaupfads. Den Landesrechnungshof schätzen Sie doch ansonsten sehr. Sie gehen nach seinen Vorgaben vor, siehe Schul- und Studienfonds; auch das war eine Empfehlung des Landesrechnungshofs.

Ich freue mich vor allen Dingen auf die Vorschläge im Zusammenhang mit der Steuerharmonisierung auf EU-Ebene bei der Vermögensteuer, der Finanztransaktionsteuer, der Einkommensteuer, der Unternehmensbesteuerung. All diese Möglichkeiten können Sie aufgrund der Koalitionssituation in Berlin vielleicht mal versuchen einzubringen.

Vielleicht wäre es ja sogar toll gewesen, wenn der Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans jetzt im Bund Finanzminister wäre. Dann hätten wir in NRW aufgrund des besseren Drahts wahrscheinlich überhaupt kein Problem mehr. Aber man muss, Koalition hin oder her, sagen: Der Finanzminister im Bund ist Herr Schäuble. Möglicherweise wird die Kanzlerin auch noch ein Wörtchen mitzureden haben. Also: So ohne Weiteres werden wir in NRW – ähnlich wie andere Bundesländer – Bundesmittel nicht über das hinaus kassieren können, was nach dem Bundesetat vorgesehen ist und wie es die Bundesländer mit dem Bund ausgehandelt haben. Das wird eine Never-ending-Story werden, wie wir die Landesfinanzen hier in den Griff bekommen. Im Moment sehe ich da jedenfalls schwarz. – Danke schön.



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Walter-Borjans.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Witzel, es ist jedes Mal wieder schön, wenn Sie das Thema „Entfesselung“ bringen. Ich frage mich manchmal nur, ob Sie sich nicht doch in der Tür geirrt haben. Denn nebenan im „Apollo“ würde das deutlich besser ankommen.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Bernhard Paul mit den Leistungen zufrieden wäre, die Sie da bringen könnten.

(Beifall von der SPD)

Aber das ist nicht das Einzige, was Sie immer wiederholen. Sie wiederholen auch immer den Vorwurf bezüglich der sozialen Wohltaten. Es ist ja klar, die FDP scheint das Thema „sozial“ immer mit sehr spitzen Fingern anzufassen. Das ist für sich genommen schon einmal etwas Schwieriges.

Aber haben Sie denn auch gelesen und gehört, was Herr Professor Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft gesagt hat? Er hält die Betreuung und die Befähigung, Familie und Beruf zusammenzubekommen, für ein wichtiges Thema, und er meint, dass man in diesen Bereich auch investieren muss. Hat das vielleicht auch etwas mit sozialer Unterstützung zu tun? Oder ist das für Sie ein ganz anderes Thema?

Ein zweiter Punkt: Wenn Sie die Milliarden, die auf Bundesebene vereinbart worden sind, aufzählen, dann sind darin hoffentlich eines Tages 5 Milliarden – das ist das, worauf wir Wert legen – für die Kommunen enthalten, um die Eingliederungshilfe zu unterstützen.

Ja, das sind soziale Ausgaben. Sind es soziale Wohltaten, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass behinderte Menschen heute älter werden als früher, dass es überhaupt das Glück gibt, dass Menschen mit Behinderungen heute überleben, während sie einige Jahrzehnte zuvor nicht haben überleben können und deswegen in den 70er- und 80er-Jah-ren weniger ältere behinderte Menschen da waren? Damit sind Kosten verbunden. Ja, das sind soziale Wohltaten. Ich würde es aber nicht soziale Wohltaten, sondern soziale Verpflichtungen nennen.

Aber auch 5 Milliarden € für die Infrastruktur stehen darin. Ist es nicht das, was Herr Hüther gefordert hat?

Darin stehen auch 6 Milliarden für Bildung und Kitas. Ist das nicht die Grundlage dafür, dass wir, wie Sie so schön gesagt haben, eine enkelfähige Gesellschaft haben? Ich habe mich ja schon als Vater von vier Kindern bemüht, einen Beitrag zu leisten. Mit den Enkeln hat es noch nicht geklappt, aber das kann möglicherweise noch kommen. Das ist also das Letzte, was mich nicht aus eigener Überzeugung und aus Gesprächen mit vielen antreiben würde.

Unser Unterschied liegt darin, dass bei Ihnen immer wieder deutlich wird, dass Sie meinen, ein ausgeglichener Haushalt müsse bedeuten: Weg mit den Ausgaben, koste es, was es wolle, weg mit Aufgabenerledigung des Staates – das kann ja jemand anders besser. Das ist der tiefgreifende Auffassungsunterschied zwischen uns.

Konsolidierung – darin steckt das Wort solide –, heißt für mich, dass sich die Menschen darauf verlassen können, dass dieser Staat Aufgaben erledigt – und das in der Erkenntnis, dass sich nur Reiche einen armen Staat leisten können. Das bedeutet, dass dieser Staat in der Lage sein muss, für Infrastruktur zu sorgen. Er muss in der Lage sein, für eine portemonnaieunabhängige Bildung zu sorgen. Er muss auch in der Lage sein, für Sicherheit zu sorgen. Und er muss in der Lage sein, für Zusammenhalt zu sorgen, was im Übrigen von vielen Unternehmen in Deutschland als ein ganz wichtiger Standortfaktor angesehen wird, den es in anderen Ländern so nicht gibt.

Haushaltsausgleich heißt also: Aufgaben zu erledigen, mit denen auch Ausgaben zusammenhängen, und insoweit auch für die notwendigen Einnahmen zu sorgen. Alles andere ist nicht solide und ist somit auch keine Konsolidierung.

Ich sage noch einmal: Ich finde gut, dass Sie mit Vorschlägen gekommen sind. Wenn ich mir aber anschaue, was Sie vorgeschlagen haben – von den 71 Positionen der FDP bestehen allein die letzten zehn ausschließlich aus glatten Zehner-Millionen-Beträgen – , dann weiß man schon, dass das schlicht und ergreifend ein Griff in die Behauptung ist: Da kann man schon sparen.

Da steht dann: 60 Millionen – Effizienz der Landesbetriebe um 1,5 % erhöhen. Eine solche Behauptung kann ich auch aufstellen. Die Frage ist nur: Wo ist da die Substanz?

Das können wir so weitermachen: 40 Millionen – Portigon AG, Bereitstellung von Personal. Haben Sie sich einmal mit vertraglichen und rechtlichen Hintergründen beschäftigt? Auf diese Art kann ich alle möglichen Sparvorschläge zusammenstellen.

Dabei verschweigen Sie immer wieder, dass diese Konsolidierung, wie Sie es dann nennen, nicht nur durch Ausgabensenkungen zustande kommt, sondern auch durch Einnahmeerhöhungen. Wenn Sie die Studiengebühren wieder einführen und Kindergartenbeiträge erheben wollen, dann ist das keine Ausgabensenkung, sondern eine Einnahmenerhöhung.

(Ralf Witzel [FDP]: Genau!)

Dann sollte man das auch so nennen und sagen, von wem man es haben will.

Herr Schmitz, es ist ja schön, dass Sie Herrn Major zitiert haben. Sie hätten auch Herrn Churchill zitieren können mit dem berühmten Satz, dass man seine Statistiken lieber selber fälscht.

Zur Ihrer permanenten Darstellung, dass die gesamte Bevölkerung mit Verschuldung überzogen wird: Wenn Sie diese Durchschnittsbetrachtung vornehmen und so tun, als wenn die Krankenschwester in dem von Ihnen beschriebenen Maße an den Schulden beteiligt wäre, dann müssen Sie auch erzählen, wie die Krankenschwester an diese Verbindlichkeiten kommt. Sie müssten die Statistik dann aber auch so interpretieren, dass sie 120.000 € Vermögen hat, weil das der Pro-Kopf-Durchschnitt ist, und dass sie 12.000 € Forderungen an das Ausland hat, was auch der Pro-Kopf-Durchschnitt ist. Erst wenn man das so macht, dann kann man auch sagen, sie hat 25.000 € Schulden.

Zu einer solchen schrägen Darstellung, nach Bildern zu suchen, die Angst und Schrecken verbreiten, und diese dann in Verbindung zu setzen, wie es Herr Witzel gemacht hat, mit dem Thema „Der will ja ‚gute‘ Schulden machen“, sage ich: Gehen Sie doch einmal zu einem Unternehmer und erklären Sie diesem, dass jeder Kredit gleichermaßen schlecht ist. Dieser Unternehmer wird Ihnen etwas anderes erzählen. Es ist doch ein großer Unterschied, ob ich für eine Investition einen Kredit aufnehme oder ob ich für meinen Urlaub einen Kredit aufnehme.

(Beifall von der SPD)

Deswegen rate ich dazu – Herr Schmitz hat in dieser Aktuellen Stunde seine Signale an seinen Wahlkreis gesendet, Herr Lindner seine nach Berlin und die Piraten ihre ins Netz –, nachdem wir das alles einmal gemacht haben, zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Fragen zurückzukehren, die zu stellen sind, damit man diesen Haushalt konsolidiert. Und auf dem Weg sind wir. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Und was ist mit der Grunderwerbsteuer?)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion hat das Wort Herr Dr. Optendrenk.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, ich will direkt an der Stelle ansetzen, wo Sie aufgehört haben, nämlich bei der Frage, die Sie ständig unbeantwortet lassen: Was sind denn die größten Belastungen der zukünftigen Haushaltspolitik? Die größten Belastungen der zukünftigen Haushaltspolitik sind die Zinslasten für die Schulden der Vergangenheit, der Gegenwart und der von Ihnen so geplanten mittelfristigen Zukunft.

(Beifall von der CDU)

Diese Zinslasten sind genau das, was auf Dauer das gefährdet, was Sie eigentlich wollen – das haben Sie eben dargestellt –, nämlich einen Staat, der stark bleibt, um auch für die Schwachen da sein zu können. Ich sage ausdrücklich: An der Stelle sind wir uns einig. Ein schwacher Staat ist ein Staat, der den Schwachen nicht mehr helfen kann. Die Schwachen brauchen den starken Staat.

Damit der starke Staat sein Geld nicht zur Bank trägt und er, wenn die Zinsen wieder steigen, nicht sagen muss „Tut mir leid, ich muss meine Altschulden bedienen“ – da sind wir genau bei Ihrem Beispiel von eben, Herr Minister –, genau deshalb ist es verantwortlich, dass wir jetzt darauf achten, keine neuen Schulden mehr zu machen, sondern erst einmal die alten zu tilgen. Denn nur so bekommen wir den Handlungsspielraum für die Zeit, wenn die Menschen in Nordrhein-Westfalen weniger werden und infolge dessen mehr Schulden auf den einzelnen Bürger entfallen; nur so bleiben wir als Staat handlungsfähig und werden die Bürgerinnen und Bürger nicht überladen.

(Beifall von der CDU)

Genau deshalb, Herr Minister, ist es so verheerend, einfach nichts zu tun und nur bei den Glaubensbekenntnissen zu bleiben. Deshalb rutschen Sie immer tiefer in die sozialistische Falle – ich bleibe dabei.

(Zurufe von der SPD)

Herr Börschel, wenn ich es Ihnen genau erklären darf: Sie haben eine wichtige Wirkung der sozialistischen Politik in der Praxis beschrieben. Wenn der Staat alles reguliert und alles abschöpft, dann haben am Ende alle weniger. Die Wahrheit ist aber auch – das ist genau wie mit der Milchförderung, über die wir eben schon diskutiert haben –: Die Kühe, die man auf der Erde melken will, darf man nicht vorher schlachten.

(Martin Börschel [SPD]: Gemeinplätze! Alles Gemeinplätze!)

Das weiß jeder Landwirt. Deshalb muss man denjenigen, die die Steuern zahlen sollen,

(Jochen Ott [SPD]: Politik für Lieschen Müller! – Stefan Zimkeit [SPD]: Ich glaube, es ist besser, wenn Sie in den Landwirtschaftsausschuss gehen!)

Anreize geben, sich anzustrengen, mehr zu erwirtschaften, und darf nicht das abschöpfen, was Sie in der Vergangenheit schon immer gefordert haben abzuschöpfen. Allen den Investitionsspielraum zu nehmen, den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen: „Die kalte Progression frisst all deine Überstundenerträge letztlich auf, es lohnt sich für dich nicht, zu arbeiten“, das ist fatal. Aber das ist genau die Wirkung, und das ist die Parallele zur sozialistischen Politik an anderer Stelle.

(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Wir erklären Ihnen mal die sozialistische Politik!)

Wenn wir uns einig sind, dass starke Schultern mehr tragen müssen als schwache, dann haben Sie daraus offensichtlich auch Ihre ganz eigene Logik abgeleitet, dass man nämlich am besten durch Untätigkeit in der Wirtschaftspolitik die Finanzkraft des Landes sinken lässt. Dann muss man nämlich weniger abgeben, dann bekommt man mehr Geld aus dem Länderfinanzausgleich, mittlerweile mehr als 500 Millionen €. Das ist auch Ihre Logik.

Man sieht dann, was das Ergebnis ist: dass Sie nämlich der Pflicht zur Meldung von statistischen Daten an das Statistische Bundesamt und das Bundesfinanzministerium nicht rechtzeitig nachkommen. Sie sollten bis zum 20.01. Ihre Meldung für das Jahr 2013 abgeben und haben das bis zum 23.01., bis zum HFA-Sitzungstag, jedenfalls nicht gemacht. Ich weiß nicht, ob Sie es mittlerweile getan haben.

Aber ich weiß, warum Sie es nicht gemacht haben. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich mir auch die Frage stellen, ob ich solche Zahlen nach Berlin melden möchte. Die sind nämlich hinreichend beschämend. Wenn Sie sich die aktuelle Statistik aus dem November einmal anschauen, die heute im Monatsbericht Januar 2014 vorgelegt worden ist, dann sehen Sie: Der Finanzierungssaldo der Länder beträgt insgesamt 8,5 Milliarden € bis Ende November. Und davon entfallen allein auf Nordrhein-Westfalen sage und schreibe 3,9 Milliarden €.

Ich weiß selbst: Ein Finanzierungssaldo ist nicht die Nettokreditaufnahme. Aber wir machen es gerne auch noch ein wenig deutlicher. Sie haben 3,2 Milliarden € Nettoneuverschuldung im Jahre 2013 gemacht. Nach den Prognosen der anderen Länder sind das 80 % aller Nettoneuverschuldungen aller Bundesländer in Deutschland. Das ist doch peinlich für Nordrhein-Westfalen!

Wir haben eine bessere Regierung verdient!

(Beifall von der CDU)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Optendrenk. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

2 Rente generationengerecht und zukunftsfest machen – keine Rentenexperimente auf Kosten der Beitrags- und Steuerzahler

Antrag
der Fraktion der FDP


Drucksache 16/4821

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Kollegen Alda das Wort.

Ulrich Alda*) (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlich willkommen zum Tag des Lackmustestes für die junge Generation. Was hält man hier in Nordrhein-Westfalen vom Thema Renten und Generationengerechtigkeit? Spielt man hier gar Große Koalition, oder sind es am Ende doch Schwarz-Rot oder Rot-Schwarz-Grün, die hier zusammenstehen?

Zu den Fakten: Die Bundesregierung plant in ihrem Gesetzentwurf zum Rentenversicherungs-Leistungsverbesserungsgesetz die Absenkung des Rentenzugangs auf 63 Jahre, die Erhöhung der Mütterrente, bessere Absicherung bei Erwerbsminderung und eine Dynamisierung bei den Rehabilitationsleistungen. Bis Mitte des Jahres möchte Ministerin Nahles die zwei Punkte Mütterrente und Rente mit 63 Jahren durchgesetzt haben.

Zunächst zur Mütterrente: Da sind wir auch für, ja. Ich stelle mir sogar die Frage, warum meine Frau für eines unserer Kinder keine Rente bekommt, ansonsten schon. – Nicht den Kopf schütteln: Es ist doch tatsächlich so.

Abgesehen davon, dass die geplante Mütterrente den wirklich bedürftigen Frauen nicht hilft, da diese beim Versorgungsausgleich angerechnet wird, sind wir auch hier nicht für den eingeschlagenen Weg, da die Ausweitung der Leistungen der Mütterrente eine versicherungsfremde Leistung darstellt.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Kollege Garbrecht ist jetzt nicht da. Er hat im Internet seine Auffassung veröffentlicht, dass Kinderziehung konstitutiver Bestandteil der Rentenversicherung ist. Diese Auffassung irrt. Kindererziehung ist eine gesellschaftliche Aufgabe und damit, meine Damen und Herren, Steuersache.

Im Gegenteil: Hier wird Arbeitern, Angestellten und deren Arbeitgebern eine ihnen gesetzlich zustehende Beitragssenkung vorenthalten. Widerlich ist die entsprechende Gesetzesänderung im Schweinsgalopp durchgeführt worden, und zwar unter dem Deckmäntelchen der Gerechtigkeit, ein Mäntelchen in der Größe „One size fits all“, das immer passt, wenn etwas vorgegaukelt werden soll.

Was wir inhaltlich unterstützen könnten, es aber wegen der Finanzierung nicht tun werden, sind die Änderungen der Erwerbsminderungsrenten und der Rehabilitation. Aber diese Änderungen kommen erst in ein paar Jahren, wenn sie dann überhaupt noch zu finanzieren sind.

Kommen wir zum Hauptstreitpunkt der Koalition von SPD und CDU, der vorgezogenen Rente mit 63. Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, soll schon mit 63 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen können. Bestimmte Unterbrechungsphasen sollen dabei angerechnet werden. Für Langzeitarbeitslose gilt diese Regelung nicht. Die Möglichkeit, künftig ab 63 Jahren bereits abschlagsfrei in Rente zu gehen, läuft im Prinzip der Rente mit 67 zuwider, weil diese explizit auf das Renteneintrittsalter und nicht auf die geleisteten Beitragsjahre abhebt.

Zudem wird außer Acht gelassen, dass eine steigende Lebenserwartung auch eine längere Lebensarbeitszeit zur Folge haben muss.

(Beifall von der FDP)

Darüber war man sich auch in den Kreisen der Großen Koalition und insbesondere in der CDU mal im Klaren. Nur wegen des vorgeblichen Gerechtigkeitsmäntelchens wird hier der Wendehals arg strapaziert – ganz zu schweigen von den Unternehmenssanierern, die jetzt schon wieder Mitarbeiter entsorgen wollen, und zwar auf Kosten der Beitragszahler. So was kommt halt von so was.

Meine Damen und Herren der Großen Koalition, Sie laufen mit diesem Vorschlag gegen eine Wand aus Experten, darunter zum Beispiel Herr Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, gegen eine Wand der Presse zum Beispiel „SPIEGEL“, „FOCUS“ „Süddeutsche Zeitung“, „Handelsblatt“ – Herr Präsident, Sie erlauben mir, ich zitiere –, wo die Ministerin als „Lady Gaga“ bezeichnet wurde, und nicht zuletzt, liebe SPD, gebildet von Ihrem Ex-Kanzler Schröder und weiteren Persönlichkeiten aus Ihren Reihen.

Ihr Vorhaben kostet insgesamt 160 Milliarden €. Damit wird es für die Beitragszahler und für die Generation danach gefährlicher als die griechischen Staatsanleihen. Die Große Koalition führt die Beitragszahler, also Arbeiter, Angestellte und deren Arbeitgeber, hinter die Fichte. Der hinterhältige Trick, die Gesetze zu ändern, um den Beitragszahlern die ihnen zustehende Beitragssenkung nicht zukommen zu lassen, erinnert mehr an „Das Volk ist eh dumm“ als an Transparenz. Besonders schlimm ist aber das, was der Oberfichtenführer Erzengel Gabriel vollführt: Die Generation muss belohnt werden, die unter unsäglichen Bedingungen arbeiten muss.

Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Hier geht es nicht um die Kriegsgeneration und die Trümmerfrauen, sondern um meine Generation. Das ist die Generation der geburtenstarken Jahrgänge, die bei der Lehrstellensuche auswählen konnte und für die unter Kultusministern wie Johannes Rau zusammen mit der FDP hier in Nordrhein-Westfalen alle Möglichkeiten der Bildung geschaffen wurden, zum Beispiel die Gesamtschulen und die Gesamthochschulen – eine Generation, deren Jobkonkurrenz hinter dem Eisernen Vorhang festgehalten wurde und bei der in China noch die Kulturrevolution das Nonplusultra war.

Nein, meine Damen und Herren, die GroKo benachteiligt nicht nur die gegenwärtige junge Generation, sondern auf absehbare Zeit auch alle nachfolgenden –

(Beifall von der FDP und Michele Marsching [PIRATEN])

ein Wechsel, gezogen auf Kosten derer, die sich nicht wehren können.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fordere Sie auf, dem Antrag zuzustimmen, und danke Ihnen. Ansonsten schauen Sie in den Antrag, in dem die Alternative steht. – Danke sehr.

(Beifall von der CDU)



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