Plenarprotokoll


Vizepräsident Eckhard Uhlenberg



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Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Warden.

Marion Warden (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen auf der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Ulrich Alda, es ist nicht ganz einfach, auf deinen Vortrag zu erwidern. Denn er bewegt sich doch haarscharf am Rande der Sachlichkeit. So will ich es einfach mal formulieren.

(Beifall von der SPD)

Ich finde es wirklich unbeschreiblich, sehr geschätzter Kollege, Gerechtigkeit mit einem „Mäntelchen“ zu bezeichnen.

In Ihrem Antrag beschreiben Sie als FDP-Fraktion in immerhin 14 Zeilen – das muss man sich einmal vorstellen – eines der anspruchsvollsten Ziele der jetzigen Bundesregierung, nämlich das in dieser Woche vom Bundeskabinett verabschiedete sogenannte Rentenpaket. 14 Zeilen für ein derart komplexes System und einen derart komplexen Gesetzentwurf. Das ist kaum zu bemessen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Dieser Gesetzentwurf dient dazu, die gesetzliche Rentenversicherung als wichtigstes Element der Alterssicherung zukunftsfähig zu machen. Kernelemente sind dabei – das wurde richtig ausgeführt – die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren, die sogenannte Mütterrente, Verbesserung der Erwerbsminderungsrente und einiges andere.

Diese Maßnahmen dienen dazu – das sehen wir anders als Ihre Fraktion –, das hohe Maß an sozialer Sicherung im Alter, das bereits heute besteht, auch in Zukunft zu erhalten und hiermit eine Gerechtigkeitslücke – das ist mehr als nur ein Mäntelchen – zu schließen.

Umfragen zeigen: Die Bürgerinnen und Bürger warten auf diese neue Regelung. Viele Menschen, die seit 45 Jahren im Berufsleben stehen, freuen sich auf den neuen Lebensabschnitt und die neue Perspektive.

Bitte beachten Sie auch: Wir schenken den Menschen nichts, was sie nicht auch in die Rentenkasse eingezahlt haben. Sie haben es sich im wahrsten Sinne des Wortes erarbeitet und damit auch verdient. Wer seit 45 Jahren – ich gehöre einer ähnlichen Generation wie Sie, Herr Alda, an – Tag für Tag in oft anstrengenden, kräftezehrenden Berufen tätig war, dem ermöglicht das neue Rentenpaket eine durch zusätzliche Versorgung und Freiheiten selbstbestimmte weitere Lebenszeit.

Für uns steht der Kabinettentwurf aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales für Gerechtigkeit und Respekt vor der Lebensleistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir sehen mit Spannung dem Verlauf der parlamentarischen Debatte entgegen, die in Kürze im Deutschen Bundestag beginnen wird. Meinem Hinweis auf die parlamentarische Zuständigkeit des Deutschen Bundestages können Sie schon entnehmen, dass unserer Meinung nach hier und heute nicht der richtige Zeitpunkt ist, das Thema „Rente“ im Landtag Nordrhein-Westfalen inhaltlich zu diskutieren.

Trotzdem möchte ich noch einige Anmerkungen zu Ihrem Antrag machen, den wir als SPD-Fraktion heute ablehnen werden:

Wir kennen selbstverständlich die Bedeutung und die Herausforderung des demografischen Wandels. Aber gerade deshalb müssen wir all unsere Kraft einsetzen, um einer älter werdenden Generation einen finanziell abgesicherten Ruhestand zu garantieren und Teilen von ihnen die Inanspruchnahme von Mitteln der Sozialhilfe – die wäre im Übrigen steuerfinanziert durch die noch arbeitende Generation – zu ersparen.

Selbstverständlich werden wir dabei die nachwachsende Generation und ihre Lebenszeit fest im Blick haben. Auch sie haben Anspruch auf eine lebenswerte sichere Zukunft. Oben auf der Tribüne sitzt eine Reihe von Schülerinnen und Schüler. Um genau die geht es nämlich. Die müssen auch eine Perspektive haben. Dessen sind wir uns als Sozialdemokraten sehr bewusst.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die Kosten des Rentenpakets sollen in diesem Jahr bei 4,4 Milliarden € liegen. Insgesamt sind das weniger als 2 % der aktuellen jährlichen Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung. Allein die neu eingeführte Mütterrente macht davon etwa drei Viertel aus. Im Jahre 2015 sollen die Kosten auf 9 Milliarden € steigen, bis zum Jahre 2020 auf 10 Milliarden € und bis 2030 auf 11 Milliarden € jährlich.

Die Finanzierung sichert die Große Koalition auf Bundesebene durch stabile Beitragssätze. – Sie haben das eben schon kurz angeführt. Wir bewerten das anders als Ihre Fraktion. – Danach werden die Beitragssätze in der allgemeinen Rentenversicherung festgelegt, und das verhindert, dass die Beiträge aufgrund der Rücklagen in den Rentenkassen gesenkt werden. Die Mehrausgaben für das Rentenpaket können dann aus den Rücklagen finanziert werden.

Zudem wird der Bundeszuschuss für die Rentenversicherung aus Steuermitteln ab dem Jahre 2019 erhöht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stabilität der Rentenversicherung hat sich nicht zuletzt in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt. Die Stabilität wird auch mit dem neuen Rentenpaket gesichert sein. In den letzten Jahren hat sich in der Arbeitswelt viel zugunsten älterer Menschen verbessert; aber wir sind dabei noch nicht am Ziel. Das vorliegende Rentenpaket wird daher ein weiterer Meilenstein in Richtung Zukunft sein.

Von daher sehen wir keinen Grund, Ihrem Antrag heute zuzustimmen. Wir werden ihn ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Warden. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Preuß.

Peter Preuß (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerechtigkeit ist ein hohes Gut. Wir können uns eine totale Gerechtigkeit malen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es in unserer Gesellschaft gerecht zugeht. Aber wir müssen immer wieder feststellen, dass es Gerechtigkeitslücken gibt. Es ist Aufgabe der Politik, diese Gerechtigkeitslücken zu schließen.

Es geht im vorliegenden Fall um Gerechtigkeit. Es geht darum, die Leistungen, die jeder Einzelne für unsere Gesellschaft in seinem Arbeitsleben erbracht hat, anzuerkennen. Es geht nicht, verehrter Herr Kollege Alda, um Experimente, sondern um Wertschätzung. Es geht darum, anzuerkennen, dass Erziehungsarbeit für die Rentenversicherung den gleichen Stellenwert wie Erwerbsarbeit hat.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Denn ohne Kinder gibt es keine Beitragszahler.

Ein wichtiger Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit ist somit folgerichtig die Mütterrente. Es ist aus heutiger Sicht nicht zu erklären, warum Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bei der Rente das Nachsehen haben sollen. In den letzten Jahren wurde immer wieder über die drohende Altersarmut gerade bei Frauen diskutiert. Ich denke: Alle sind sich einig, dass das nicht Realität werden darf. Nun werden 9 Millionen Mütter oder gegebenenfalls Väter von dieser Neuregelung völlig zu Recht profitieren.

Ebenso ist die Leistungsausweitung der Rente mit 63 und nach 45 Beitragsjahren gerecht. Denn es geht um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die über diesen langen Zeitraum ihren Beitrag geleistet haben. Auch diese Leistung muss Anerkennung finden und honoriert werden.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Es ist in der Diskussion immer wieder von Mitnahmeeffekten die Rede. Soweit ich den Gesetzentwurf gelesen habe, kann ich feststellen, dass es keine Mitnahmeeffekte geben wird. Es wird keinen Rückschritt in die Frühverrentungspolitik der 80er- und 90er-Jahre geben. Die Altersgrenze für den frühestmöglichen Zugang zur Frühverrentung bleibt erhalten.

Wäre das der Fall, gäbe es finanzielle Einbußen, an denen keinem gelegen wäre. Außerdem würde es Sperrzeiten geben. Nicht zuletzt wird die demografische Entwicklung dafür sorgen, dass insbesondere ältere Arbeitnehmer gebraucht werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Zu den Zeiten der Arbeitslosigkeit, die angerechnet werden sollen, ist festzustellen, dass die Beschäftigten nicht nur das Arbeitslosengeld, das sie erhalten, selbst, sondern auch die daraus entstehenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aus ihrem Beitrag zur Sozialversicherung finanziert haben.

Meine Damen und Herren, es handelt sich eben nicht – Herr Alda, Sie haben es gesagt – um versicherungsfremde Leistungen, sondern es sind versicherungsnahe Leistungen.

(Minister Guntram Schneider: Sehr richtig!)

Es wird eingezahlt. Dafür bekommt man etwas wieder.

Von meiner Vorrednerin wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass nun das Gesetzgebungsverfahren in Berlin beginnen wird. Das bleibt abzuwarten. Die Debatte ist dort zu führen.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass der Koalitionsvertrag auch vorsieht, Erwerbsgeminderte zukünftig besser abzusichern, die private und die betriebliche Altersvorsorge zu stärken und eigenständige Alterssicherungssysteme zu erhalten sowie die Dynamisierung bei den Rehabilitationsleistungen. Alle diese Maßnahmen dienen der Gerechtigkeit und sorgen für mehr Gerechtigkeit.

Wir haben in Berlin einen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD geschlossen, der zum Thema „Rente und Rentensicherung“ klare Aussagen und Ziele formuliert. Das war im Wahlkampf versprochen und wird nun gehalten. Die Bundesregierung wird unter Kanzlerin Angela Merkel den bestehenden Koalitionsvertrag umsetzen. Das ist gut so. Das ist verlässliche Politik im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, die Redezeit.

Peter Preuß (CDU): Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Maaßen.

Martina Maaßen (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verrate Ihnen kein Geheimnis: Wir Grünen haben eine andere Vorstellung von nachhaltiger Rentenpolitik als die Große Koalition in Berlin derzeit. Ich betone „derzeit“, weil ich davon ausgehe, dass die politische Debatte sicherlich noch Veränderungen auch in unsere Richtung bringen wird.

Wir haben ein Problem mit der Finanzierung. Wir haben ein Problem mit der Generationengerechtigkeit. Wir haben ein Problem damit, dass Frauen bei der Rente mit 63 zu kurz kommen. Und was für uns noch weit schwerer wiegt: Wir haben ein Problem damit, dass weder Mütterrente noch die Rente mit 63 Maßnahmen sind, der weiter steigenden Altersarmut etwas entgegenzusetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Kommen wir zur Finanzierung: Die milliardenschweren Rentenwahlgeschenke sind nicht nachhaltig finanziert. Sie belasten jährlich – Frau Warden hat das dargelegt – mit perspektivisch 10 Milliarden €. Das kann die Rentenkasse dauerhaft nicht verkraften, obwohl sie mit 31 Milliarden € derzeit gut gefüllt ist. Die Reserven der Rentenversicherung reichen gerade mal bis Ende 2017. Dann ist die Kasse leer. Abzusehen ist, dass die Beitragssätze in den Jahren darauf steil und schockartig für die Beitragszahler ansteigen werden.

Kommen wir zur Generationengerechtigkeit. Wo werden eigentlich die Bedarfe der jungen Generation berücksichtigt? Wie viel sollen sie ab 2018 in die Rentenkasse einzahlen? Wie lange sollen sie arbeiten? Wie hoch wird ihre gesetzliche Rente einmal sein? Wird es diese in 2050 überhaupt noch geben?

Antworten hierauf bleibt die Große Koalition bisher schuldig. Herr Preuß, auch Sie müssen sich gegenüber Ihren eigenen Enkeln diesbezüglich verantworten.

(Beifall von den GRÜNEN und der FDP)

Kommen wir zur Rente mit 63. Sie kommt fast ausschließlich älteren männlichen Facharbeitern mit lückenlosen Erwerbsbiografien zugute. Akademiker sind ausgeschlossen. Menschen mit zeitweisem Hartz-IV-Bezug fallen durch. Aber vor allem Frauen haben das Nachsehen. Frauen haben häufig Brüche im Erwerbsverlauf. Kindererziehungszeiten werden bei der Rente mit 63 überhaupt nicht anerkannt.

Meine Damen und Herren, Leistungsreformen sind notwendig. Wir brauchen ein Maßnahmenbündel, welches darauf zielt, dass ältere Menschen auch tatsächlich bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können.

Wir Grünen wollen eine Teilrente ab dem 60. Lebensjahr, höhere Hinzuverdienstmöglichkeiten und eine Verbesserung der Erwerbsminderungsrente. Anstatt die Einnahmen zu schwächen, wollen wir diese stärken. Wir wollen Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Dies könnte sich die FDP auch einmal überlegen. Dann hätten wir weniger Probleme, den Rententopf zu füllen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Kommen wir zur Mütterrente. Rentenanwartschaften für Kinder sind richtig, eine Maßnahme des sozialen Ausgleichs. Aber bitte: Sie sind aus Steuermitteln zu finanzieren.

Jedoch hilft auch die Mütterrente, wie eben scheinbar dargelegt, nicht gegen Altersarmut. Sie wird auf die Grundsicherung im Alter und auf das Wohngeld vollständig angerechnet.

Für die Verbesserung der Absicherung von Frauen und Erziehenden sowie für langjährig Versicherte wollen wir Grünen die Garantierente in Höhe von 850 €.

(Beifall von den GRÜNEN)

Voraussetzung sind 30 Versicherungsjahre unter Anrechnung von Kindererziehungszeiten bis zu zehn Jahren.

Meine Damen und Herren, die armen Alten verlieren. Richtig und gut wäre es gewesen, sich auf eine Mindestrente und die Verbesserung der Erwerbsminderungsrente zu konzentrieren, anstatt Wahlgeschenke von CDU und SPD zu addieren.

Festzustellen ist, dass Menschen mit meist auskömmlichen Renten privilegiert werden. Die Mütterrente und die Rente mit 63 sind kein Programm gegen Altersarmut, Herr Preuß. Dieses Gerechtigkeitsmärchen muss ich Ihnen leider nehmen. Wer 45 Beitragsjahre nachweisen kann und die Mütterrente nicht zur Grundsicherung benötigt, muss in der Regel auch seine Lebensmittel nicht bei den Tafeln holen. Aber gerade das, meine Damen und Herren, sind doch die Lebenssituationen, die es zu verbessern gilt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen eine weitreichende Reformdebatte in der Rentenversicherung.

Herr Alda, erzählen Sie den 300.000 Aufstockern, den 1,7 Millionen Minijobbern und den 200.000 Leiharbeitern in NRW mal etwas von betrieblicher und privater Altersvorsorge.

Ihr Antrag lässt zukunftsfähige Vorschläge vermissen. Er ist aus meiner Sicht sehr dürftig und dient der Bekämpfung der Altersarmut nicht. Wir Grünen lehnen den Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Maaßen. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Wegner.

Olaf Wegner (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream und auf der Tribüne! Herr Alda, ich muss sagen, ich habe mich schon sehr, sehr gewundert, dass Sie vorhin Herrn Schneider, den Vorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, mit angeführt haben. Im Gegensatz zu Ihnen sehe ich bei ihm zumindest auch ganz klare Konzepte, wie wir es demnächst machen könnten. Wenn Sie sich diesen Konzepten anschließen können, bin ich direkt wieder bei Ihnen. Aber ich schätze, dazwischen liegen Welten.

Volkswirtschaftlich betrachtet ist die hier von der FDP angezettelte Debatte um die Generationengerechtigkeit eine sehr neblige. Der hier heraufbeschworene Krieg zwischen Alt und Jung ist doch ein billiges Politmärchen. „Generationengerechtigkeit“ ist ein politischer Kampfbegriff, der immer dann rausgeholt wird, wenn der eigentliche Konflikt zum Thema „Rente“ verschleiert werden soll.

Es geht bei dem Problem in der Rentenpolitik doch nicht um den Konflikt von Alt und Jung, sondern eher um den Konflikt von Arm und Reich oder – anders ausgedrückt – um die Exklusivrechte einiger weniger gegenüber der Vielzahl der Menschen. Damit meine ich jetzt natürlich nicht die Ansprüche der Rentner, sondern den Anspruch, nicht in die Rentenkasse mit einzahlen zu müssen.

Denn was passiert da in Berlin? – Es soll innerhalb eines geschlossenen Systems umverteilt werden. Die ganze Gesellschaft wird ausgeklammert. Die betrifft die Frage nicht, sondern nur die Menschen, die gezwungen sind, in die gesetzlichen Rentenversicherungen einzuzahlen. Dabei ist die Sicherung der Rente doch längst eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe geworden.

Die SPD hat sich bei der Frage nicht mit Ruhm bekleckert und in den Koalitionsverhandlungen kampflos die richtige Richtung verlassen. Wir reden nicht davon, dass Kinderbetreuungszeiten bei Müttern endlich angerechnet werden – das war längst überfällig –, sondern von der Inkonsequenz, nur um in der Großen Koalition mitspielen zu dürfen, die Forderung, weitere Einkommen an der Rentenversicherung zu beteiligen, aufgegeben zu haben.

(Beifall von den PIRATEN)

Das reale Renteneintrittsalter in Deutschland beträgt derzeit durchschnittlich 61,2 Jahre. Der Vorschlag der Großen Koalition ist also bloß ein zaghaftes Reagieren auf die Realität.

Die Koppelung an die Beitragsjahre scheint bei erster Betrachtung fair. Auf den zweiten Blick wird allerdings sehr schnell klar, dass ein Herumdoktern am aktuellen Rentensystem in keiner Weise erfolgversprechend sein kann. Von der katastrophalen Privatisierung der Rentenversicherung durch die sogenannte Riesterrente will ich hier gar nicht reden.

In Ihrem Antrag fordern die Kolleginnen und Kollegen der FDP, dass die Rente generationengerecht und zukunftsfest gemacht werden soll. Schön und gut!. Aber welche Lösung bieten Sie an? In Ihrem Antrag finde ich nur ein „Weiter so“.

Wir Piraten setzen uns für eine nachhaltige Bekämpfung der Altersarmut ein, die eine direkte Folge der Jahrzehnte verfehlten Rentenpolitik ist. Das bisherige Rentensystem muss so umgestaltet – ich sage ganz deutlich: umgestaltet – werden, dass sich die zukünftigen Rentner wieder auf eine sichere Rente im Alter verlassen können.

(Beifall von den PIRATEN)

Um diese Ziele zu erreichen, muss das Rentensystem so umgestaltet werden, dass die Einnahmeba-sis verbreitert wird und die Stärkeren sich angemessen mit Beiträgen an der Rentenversicherung beteiligen.

(Beifall von den PIRATEN)

Alle bestehenden Rentensysteme, berufsständischen Versorgungssysteme und Pensionen im öffentlichen Dienst werden dafür zu einer Rentenkasse zusammengeführt. Alle steuerpflichtigen Einkommen und Kapitalerträge werden zur Zahlung von Rentenbeiträgen verpflichtet. Keine Berufsgruppe und keine Einkommensgruppe darf ausgenommen werden. Die Bemessungsgrenze muss entfallen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

In die Rentenkasse zahlen dann alle in Deutschland lebenden Menschen einkommensabhängig ein. Die Beiträge von Selbstständigen müssen sich dabei natürlich an den jeweiligen Unternehmenszahlen orientieren, sodass sie in ihrer Existenz nicht gefährdet werden.

Das sind Rezepte, die die Rente wieder sicher machen und wirkliche Generationenverantwortung garantieren.

(Beifall von den PIRATEN)

Zukunftsfest ist ein Weiter-so, wie ich bei allen anderen Parteien mitbekomme, nicht. Die Rentenversicherung muss endlich von allen bezahlt werden. Nur dann ist sie zukunftsfest und gerecht, und zwar generationengerecht und sozial gerecht. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Wegner. – Nun spricht Minister Schneider.

Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann nur generell davor warnen, in der Rentenpolitik Alt gegen Jung ausspielen zu wollen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der CDU)

Dies ist ein Ablenkungsmanöver von den tatsächlich vorhandenen rentenpolitischen Fragestellungen und auch gesellschaftspolitisch falsch. Natürlich müssen wir die demografische Entwicklung im Auge behalten. Sie ist aber nicht allein entscheidend für ein Rentensystem, das soziale Sicherheit gewährleistet. Wir können trotz der Tatsache, dass zukünftig immer weniger aktive Erwerbstätige das Rentensystem finanzieren müssen, davon ausgehen, dass es ein umfassendes und leistungsfähiges soziales Sicherungssystem geben kann, weil eines doch auch klar ist: Entscheidend für die Sicherung eines Rentensystems ist nicht die Anzahl der Kinder, sondern ökonomisch die Produktivität, die in einer Volkswirtschaft herrscht.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das ist der entscheidende Punkt. Was machen wir denn, wenn wir viele Kinder haben, die aber in einem erheblichen Ausmaß arbeitslos sind? Dann zahlen sie auch keine oder nur extrem geringe Beiträge. Deshalb ist die Wirtschaftspolitik von ganz entscheidender Bedeutung für die Zukunft unserer sozialen Sicherungssysteme.

(Ulrich Alda [FDP]: Hört, hört! – Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

– Wer das bestreitet, der meint nun wirklich, dass es Wunder gibt. Die gibt es bekanntlich nur in irgendwelchen Schlagern – und dann immer wieder.

(Heiterkeit von der SPD)

Beim Thema „Generationengerechtigkeit“ gibt es einen ganz entscheidenden Punkt. Die Generation, die jetzt heranwächst, muss in die Lage versetzt werden, Erwerbsarbeit in unterschiedlichsten Facetten morgen und übermorgen leisten zu können. Dies setzt Bildung und noch einmal Bildung voraus. Das ist auch der Ansatz dieser Landesregierung – von der U3-Betreuung bis zur Fort- und Weiterbildung innerhalb und außerhalb der Unternehmen. Das ist der entscheidende Punkt. Jeder Euro, der hier investiert wird, ist ein gut angelegter Euro.

Eben ist die avisierte Regelung angesprochen worden, dass Menschen mit 45 Beitragsjahren in diesem Jahr und im nächsten Jahr mit 63 ohne Abschläge in Rente gehen können. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, was es bedeutet, insbesondere im gewerblich-technischen Bereich 45 Jahre ununterbrochen zu arbeiten. Diese Menschen haben es verdient, ohne Abschläge mit 63 in Rente gehen zu können. In der Tat ist dies ein Akt sozialer Gerechtigkeit.

(Beifall von der SPD)

Ich sage Ihnen auch, dass bei der derzeitigen Rentenhöhe die Verhinderung von Abschlägen dringend geboten ist.

Im Übrigen erinnere ich daran, dass die 63 nicht immer bestehen bleiben werden. Schließlich handelt es sich um ein Treppensystem. Das Renteneintrittsalter ohne Abschläge wird sich also wieder in Richtung 65 bewegen.

Meine Damen und Herren, wir sind stolz darauf, dass bei der Erwerbsminderungsrente dringend notwendige Veränderungen vorgenommen werden. Nordrhein-Westfalen war daran nicht ganz unbeteiligt.

Nicht ganz unbeteiligt war Nordrhein-Westfalen im Übrigen auch an der Hebung des sogenannten Reha-Deckels. Wenn immer mehr Menschen in Rente gehen müssen, weil sie psychisch nicht mehr mithalten können, dann brauchen wir mehr Mittel für Rehabilitation. Auch das ist gut angelegtes Geld. Das sind keine Wahlgeschenke. So kann man die Dinge doch überhaupt nicht betrachten.

Natürlich brauchen wir eine tiefgreifende Reform der Alterssicherung. Ich persönlich gehe davon aus, dass es sich in Richtung einer allgemeinen Erwerbstätigenrente bewegen muss. Darüber muss nachgedacht werden. Darüber müssen wir sehr kreativ und sehr fachlich an vielen, vielen Stellen diskutieren.

Was das Rentensystem angeht, das wir da im Kopf haben und das jetzt Schritt für Schritt realisiert wird, kann ich Ihnen nur sagen, dass die anstehenden Reformen sehr durchdacht sind. Wir hätten uns auch vorstellen können, dass bei der Mütterrente ein Stück weit eine Steuerfinanzierung greift. Sie wissen aber, wie dies bei Koalitionen ist.

Wir werden sehen: Diese Politik wird dazu führen, dass das Land gerechter wird, dass die Menschen sozial besser abgesichert sind. Im Übrigen muss der Niedriglohnsektor natürlich geschleift werden, wenn wir Altersarmut verhindern wollen. Das ist eine Frage der Löhne, die jetzt gezahlt werden. Das ist doch völlig klar.

(Beifall von der SPD)

Da haben wir einen ganz erheblichen Nachholbedarf.

Ich bitte also darum, dem Antrag der FDP nicht zu folgen. Es wird auch in diesem Hause Zeit und Gelegenheit geben, an der einen oder anderen Stelle über Renten zu debattieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)


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