Theorien und modelle der verkehrsmittelwahl



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Abkürzungsverzeichnis


  • Abs. Absatz

  • BRD Bundesrepublik Deutschland

  • d. Verf. der Verfasser

  • f. folgende Seite

  • ff. folgende Seiten

  • ggf. gegebenenfalls

  • HH Haushalt

  • i. d. F. in der Fassung

  • JGG Jugendgerichtsgesetz

  • KONTIV Kontinuierliche Verkehrserhebung

  • mdl. mündlich

  • MIV motorisierter Individualverkehr oder motorisierte Individualverkehrsmittel

  • NRW Nordrhein-Westfalen

  • o. J. ohne Jahresangabe

  • ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr

  • ÖV Öffentlicher Verkehr oder Öffentliche Verkehrsmittel

  • PBefG Personenbeförderungsgesetz

  • Pkw Personenkraftwagen

  • sog. sogenannte

  • u. m. und mehr

  • VRR Verkehrsverbund Rhein-Ruhr

  • VRS Verkehrsverbund Rhein-Sieg


1Einleitung

1.1Problemstellung und -beschreibung


Eine der globalen Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft ist die Abwendung des Verkehrsin­farkts und die Lösung von Verkehrsproblemen. Auf dem Weg dorthin ist die Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf den Öffentlichen Nahverkehr1 und nicht-moto­risierte Verkehrsmittel ein wichtiger Schritt. Die (empirische) Verkehrsforschung hat wiederholt gezeigt, daß Erwachsene trotz wachsender Verkehrsprobleme mit motorisierten Individual­verkehrsmitteln fahren und nur unter großen Anstrengungen bereit sind, auf andere Verkehrs­mittel umzusteigen (vgl. INFAS 1994, S. 5). „So ist es denn auch kein Wunder, dass alle politischen und planerischen Anstrengungen, die Gruppe der Auto-Mobilen über Appelle an die Vernunft und über die Vermittlung von Wissen über die Folgen ihres Tuns vom (zunehmenden) Gebrauch ihres Gefährts abzuhalten, kläglich scheiterten - und es wohl auch künftig tun werden.“ (FUHRER et al. 1993, S. 77f.) Um der Bindung Erwachsener an den MIV langfristig entgegen zu wirken, ist es erforderlich bereits frühzeitig im Jugendalter das Verständnis zu wecken, Einsichten, Einstellungen und Verhaltensbereitschaften für die Nutzung nicht-motorisierter und Öffentlicher Verkehrsmittel zu vermitteln und zu verstärken. Es wird vermutet, daß in der Jugend die Grundlagen für die Verhaltensroutinen im Mobilitätsbereich gelegt werden, die sich später seitens der Verkehrspolitik und -planung nur noch mit erheblichem Aufwand verändern lassen. Die Tatsache, daß die Verkehrssozialisation der Jugendlichen zwar durch eine Autoorien­tierung der Gesellschaft geprägt ist, ihr Mobilitätsverhalten sich aber noch nicht verfestigt hat, macht sie als Zielgruppe für Untersuchungen und Maßnahmen interessant (vgl. ILS 1997, S. 1).
Im Widerspruch zu der Bedeutung der heranwachsenden Generation für die zukünftige Verkehrsentwicklung steht die vergleichsweise schmale Basis empirischer Daten über die Ver-kehrsmobilität von Jugendlichen. Nur wenige bundesweite empirische Untersuchungen umfas­sen Kinder und Jugendliche. Sofern sie Jugendliche beinhalten, werden sie meistens ab dem 14. oder 16. Lebensjahr aufwärts befragt. Aber selbst diese Altersgruppen sind in allen Studien unterrepräsentiert (vgl. INFAS 1994, S. 6). Eine Ausnahme stellt die „Kinder-KONTIV“ aus dem Jahre 1984/85 dar, die auch das Verkehrsverhalten von Kindern unter 10 Jahren beschreibt (vgl. HAUTZINGER/TASSAUX 1989, S. 111). Eine Ursache für die unterrepräsentative Betrachtung Jugendlicher liegt in ihrer hohen Mobilität und schlechten Erreichbarkeit. Die häusliche Abwesenheit von Jugendlichen wird hauptsächlich durch feste regelmäßige Verpflichtungen in den Nachmittags- und Abendstunden (sportliche Betätigung oder sonstige Vereinsaktivitäten) und spontane Freizeitaktivitäten unter eigener Regie der Jugendlichen beeinflußt. Trotz mehrfacher Kontaktversuche sind Jugendliche in der Regel zu Hause innerhalb ihrer Familie nur schwer anzutreffen. Nahezu alle Haushaltsbefragungen, sei es mittels persön­licher Interviews oder Telefoninterviews, zeichnen sich deshalb durch eine signifikante Unterer­fassung der Altersgruppen bis zwanzig aus (vgl. INFAS 1994, S. 6). Bei der Konzeptionierung dieser Untersuchung muß hierauf Rücksicht genommen werden.

Lokale bzw. regionale Untersuchungen zum Mobilitätsverhalten von Jugendlichen wurden ins­besondere in den letzten Jahren erstellt bzw. sind derzeit in Bearbeitung.2 Im folgenden werden einige Charakteristika der Verkehrsmittelnutzung Jugendlicher und mobilitätsbezogene Rah­mendaten von Jugendlichen vorgestellt. Busse und Bahnen besitzen insbesondere auf dem Schulweg einen überragenden Stellenwert. Eine differenzierte Betrachtung der Verkehrsmittel­nutzung Jugendlicher am Beispiel des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg zeigt, daß auch das Mit­fahren im Pkw einen beachtlichen Stellenwert einnimmt. Dem ÖV kommt auf dem Weg zur Arbeit/Ausbildung weniger und auf dem Freizeitweg deutlich weniger Bedeutung als auf dem Schulweg zu.



Tabelle 1: Verkehrsmittelwahl von Jugendlichen und der Bevölkerung im Gebiet des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg







Wege zur ...




Freizeitwege

Freizeitwege




Schule

Arbeit/Ausbildung

Arbeit/Ausbildung







zu Fuß

14%

14%

7%

24%

29%

Fahrrad

21%

24%

6%

28%

7%

ÖV

51%

45%

19%

19%

13%

MIV

13%

17%

68%

29%

51%




Jugendliche

Jugendliche

Gesamtbevölkerung

Jugendliche

Gesamtbe-völkerung

Quelle: eigene Darstellung; in Anlehnung an FLADE et al. 1996, S. 21

Sind Busse und Bahnen für die Wege zur Arbeit/Ausbildung und Schule noch die meist genutzten Verkehrsmittel, spielen sie in der Freizeit bei Jugendlichen eine geringere Rolle. Schon im frühen Alter wird somit die Wahl der Verkehrsmittel flexibel getroffen. Vor diesem Hintergrund muß Jugendlichen besonders im Freizeitverkehr eine größere Bedeutung als bisher beigemessen werden. Seinen größten Bedeutungsverlust erfährt der ÖV in den Jahren nach Erreichen des Führerscheinalters, wo es zum Teil zu tiefgreifenden Veränderungen der Mobili­tätsverhaltensmuster kommt. Die selbständige Autonutzung nimmt erheblich zu, während die Öffentlichen Verkehrsmittel je nach Fahrzweck z. T. massiv junge Kunden verlieren. Im Jahre 1996 wurden beispielsweise über 1,2 Millionen Führerscheine auf Probe ausgestellt, wovon ca. 63,0% an Jugendliche im Alter von 18 Jahren ausgehändigt wurden. Hinzu kommt, daß im Jahre 1991 51,7% der Jugendlichen zwischen 18 und 25 Jahren ständig und 10,1% zeitweise über einen Pkw verfügen konnten (vgl. VERKEHR IN ZAHLEN 1997, S. 128 und FLADE/ LIMBOURG 1997, S. 1).3 Diese Veränderungen in der Verkehrsmittelwahl basieren größten­teils auf Erfahrungen im Kindes- und Jugendalter, in dem Gefolge sich die Wertschätzung der einzelnen Verkehrsarten und die damit verbundenen Einstellungen, Motive, Bedürfnisse, Hoffnungen und Wünsche recht unterschiedlich entwickelt haben. Als Hintergrund für diese Veränderungen kommt vor allem folgendes in Betracht (vgl. FLADE et al. 1996, S. 21):



  • Vorbildwirkungen der Erwachsenen, die den Pkw bei der Verkehrsmittelwahl bevorzugen, den Öffentlichen Verkehr meist wenig oder gar nicht nutzen,

  • die anfangs totale und mit zunehmenden Alter immer noch partielle Abhängigkeit der Kinder und Jugendlichen, wenn es um Fortbewegung geht,

  • die Dominanz des Autoverkehrs im öffentlichen Straßenraum, verbunden mit Erlebnissen von Einschränkung, Verunsicherung oder sogar teilweiser Bedrohung sowie

  • negative Erfahrungen mit dem ÖV, was Qualität (Verbindungen, Service, Fahrzeuge, Haltestellen, etc.) und Quantität (z. B. Frequenz, Reisezeiten oder Tarife) angeht.

Um die Hindernisse der gegenwärtigen und künftigen Nutzung Öffentlicher Verkehrsmittel bei Jugendlichen zu ermitteln, ist es erforderlich sich näher mit ihren Erfahrungen, Kenntnissen, Einstellungen, Motiven, Bedürfnissen und Wünschen in Bezug auf den ÖV und die anderen Verkehrsarten zu beschäftigen. Auf der Basis dieser Ergebnisse können dann Konzepte und Strategien entwickelt werden. Diese werden zu einer höheren Wertschätzung des Öffentlichen Verkehrs sowie der Bereitschaft und Motivation ihn zu nutzen, beitragen. „Dabei kommt es vor allem auf die Zukunftsperspektive an: wenn es gelingt im Kindes- und Jugendalter eine positive Einstellung zum ÖV zu unterstützen, wird der Wunsch, im Erwachsenenalter so rasch wie möglich auf das Auto ‘umzusteigen‘, weniger stark ausgeprägt sein als dies derzeit der Fall ist.“ (FLADE et al. 1996, S. 21) Die Einflußgrößen der Verkehrsmittelwahl bei Jugendlichen, die sich aus der Lebenssituation der Jugendlichen ergeben, müssen somit aufgedeckt werden. Hierzu kann auf die klassischen Analyseinstrumente der Verkehrsforschung zurückgegriffen werden. Da sich diese, wie noch zu zeigen sein wird, schwerpunktmäßig mit objektiven Einflußfaktoren auf das individuelle Verkehrsmittelwahlverhalten beschäftigt, müssen ergänzend subjektive Einfluß­größen berücksichtigt werden. Insbesondere in der Jugend ist ein starker Einfluß von mobilitäts­bezogenen Einstellungen, Motiven und Präferenzen zu erwarten, da die Lebenssituation von Jugendlichen in der Regel noch nicht so stark von den Handlungserfordernissen des Berufs- und/oder Familienlebens bestimmt wird (vgl. ILS 1997, S. 3).
Das Jugendalter ist stark vom Streben nach Abgrenzung, Selbständigkeit und Unabhängigkeit (von den Eltern, Vorgesetzten, Erwachsenen allgemein) geprägt. Hinzu kommt das Streben nach Anerkennung und Gleichberechtigung im privaten und schulischen bzw. beruflichen Alltag. Aufgrund des Loslösungsprozesses von der Familie erhält für Jugendliche eigene Mobilität mehr und mehr die Bedeutung von Unabhängigkeit und Selbständigkeit (vgl. SCHULZE 1996, S. 11). Eine erste Erfüllung scheint dieses Streben nach Abgrenzung, Selbständigkeit und Unabhängigkeit durch Erreichen des 18. Lebensjahr zu finden. Mit Erreichen der Volljährigkeit eröffnet sich die Möglichkeit, vollwertiges Mitglied in der „Autogesellschaft“ zu werden. Hier­durch wird es möglich „eine der letzen Bastionen der Erwachsenenwelt einzunehmen“ (KAL­WITZKI 1991, S. 10) und mit dem Autofahren bzw. der Pkw-Verfügung ein entscheidendes Demonstrationsmittel des Erwachsenseins zu haben. Bedeutender für das Streben nach Verfügung über ein (eigenes) Auto bei Jugendlichen, dürften aber die Erfahrungen aus den zurückliegenden Sozialisationsprozessen in Kindheit und Jugend sein. Zur Sozialisation von Mobilitätsverhalten seien kurz einige Merkmale eines „typischen“ Prozesses aufgezeigt (in An­lehnung an HEINE 1995, S. 376f.; KALWITZKI 1994, S. 15f. und KALWITZKI 1996, S. 8ff.):

Von Geburt an werden Kinder und Jugendliche auf zwei verschiedene Arten auf die Teilnahme an der automobilen Gesellschaft hin sozialisiert. Durch die biologische und soziale Abhängig­keit von ihren am MIV teilnehmenden Eltern werden sie oft bereits von Kind an, an das Auto als Verkehrsmittel gewöhnt. In den Kinderzimmern befinden sich meist mehr Spielzeugautos als andere Spielzeuge und in Kinderbüchern erfolgt meist eine positive Darstellung des Autos. Kinder werden häufig mit dem Auto zum Kindergarten oder zur Schule transportiert und Jugendliche zur Schule. Wollen sich Kinder oder Jugendliche besuchen, werden sie oft von den Eltern per Auto gebracht und wieder abgeholt. Mit Eintritt ins Fernsehalter verstärkt sich die automobile Enkulturisation4 weiterhin. Beobachtet man die Fernsehwerbung für Autos der letzen Jahre, dann fällt die außerordentliche Präsenz von Kindern auf, die für sicherheitstech­nische Neuerungen werben oder erfreut über die Umweltfreundlichkeit einer bestimmten Marke sind. Diese Einzelbeispiele lassen sich weiter fortführen. Sie wurden benannt, um zu zeigen, wie sehr die Kinder- und Jugendwelt bereits eine automobilisierte Welt ist. Kinder und Jugend­liche werden aber noch auf eine zweite Weise dazu gebracht, sich Pkw-Nutzung zu wünschen. Ihr öffentlicher Spielraum wird durch den automobilen Straßenverkehr eingeengt. Von ihren Eltern oder Erziehern werden sie dazu angehalten, daß sie auf den Autoverkehr zu achten haben. In späteren Jahren sind Jugendliche zumindestens in ihrer abendlichen Mobilität eingeschränkt, weil sie keinen Pkw zur Verfügung haben. Wo z. B. bei Besuch einer weiterführenden Schule der ÖV regelmäßig genutzt wird, stellen sich im Gedränge des Schülerverkehrs, möglicherweise in älteren Fahrzeugen mit gestreßtem Fahrpersonal, selten Erlebnisse eines attraktiven Öffentlichen Verkehrs ein. Kinder und Jugendliche erfahren über Jahre hinweg ein Gefühl der Benachteiligung, weil sie selbst keine Autofahrer sind. Mit dem Erreichen des 18. Lebensjahr kann diese jahrelange Diskriminierung mit dem Erwerb des Führerscheins aufgehoben werden.



Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß das Mobilitätsverhalten von Erwachsenen (auch) auf einem jahrelangen Lernprozeß in Kindheit und Jugend basiert. Die Entwicklung der Verhaltensweisen werden von vielen Einflüssen und Akteuren bestimmt. Insbesondere die subjektiven Einflüsse des Verkehrsmittelwahlverhaltens von Jugendlichen sind hierbei nicht bekannt. Mit Hilfe von Planung ist es möglich, daß Bewegungen im Umweltverbund als ein­fach, sicher, entspannt und angenehm erlebt werden können. Bei Kindern und Jugendlichen muß versucht werden, eine sozialisierte Bindung an den Öffentlichen Verkehr zu erreichen. Aber anstatt zum radikalen Autoverzicht aufzurufen, ist es wichtig mit Hilfe von entsprechen­den Verkehrsangeboten eine intermodale (d. h. reflektierte Wahl der Verkehrsmittel bei unter­schiedlichen Wegezwecken) und umweltfreundliche Verkehrsmittelwahl zu gewährleisten. Bisher nutzen die meisten Verkehrsunternehmen ihre Chance zur frühen Kundenbindung nicht. Das Image des Öffentlichen Nahverkehrs ist bei Jugendlichen denkbar schlecht: muffig, teuer und unbequem sei das Angebot, so beklagen viele. Der Benutzer des ÖPNV gilt als „brav-ange­paßt“, „risikoscheu“, „altmodisch“ und „humorlos“. Kriterien, von denen sich vor allem Jugend­liche distanzieren. Jugendliche besitzen heute somit oft Identifikationshemmnisse gegenüber dem ÖPNV. Da es bei Bus und Bahn - im Gegensatz zu Fluggesellschaften oder Autoherstel­lern - keine Konkurrenz zwischen den Anbietern gibt, kommt die Imagepflege häufig zu kurz. Außerdem behandeln Angestellte der Verkehrsunternehmen Kinder und Jugendliche immer noch als Plage und nicht wie eine begehrte Klientel (vgl. GWINNER 1997, S. 29).

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