1.2Hypothese, Fragestellungen, Zielsetzung und Abgrenzung des Untersuchungsraumes
„Die Annahme ist, daß die Einstellungen und Verhaltensdispositionen Erwachsener im Kindes- und Jugendalter geformt und geprägt werden, auch die Einstellungen zum Verkehr und zu den Verkehrsmitteln sowie das spätere Verkehrsverhalten nach Erwerb eines Führerscheins.“ (FLADE 1994, S. 185)
Die Annahme, daß Erfahrungen, die mit den Verkehrsmitteln in der Kindheit bzw. Jugend gewonnen werden, sich auf das zukünftige Mobilitätsverhalten auswirken, ist in der Fachöffentlichkeit verbreitet, aber nicht unumstritten. Wenn es, wie diese Annahme zugrunde legt, möglich wäre, durch planerische Maßnahmen eine Entwicklung von jugendlichen Nutzern der Verkehrsmittel des Umweltverbundes zu Nutzern des Umweltverbundes im Erwachsenenalter anzustoßen, bietet dieser Umstand eine enorme verkehrsplanerische und verkehrspolitische Chance. Spezifiziert heißt dies, daß umweltverträgliche Verhaltensweisen wie Bus- und Bahnfahren nur dann im Erwachsenenalter weiter praktiziert werden, wenn sie in Kindheit/Jugend mit angenehmen Erfahrungen verbunden sind. Wer statt dessen oftmals in überfüllten Bussen zur Schule fahren mußte, ständig Angst vor Unfällen hatte, häufig einen unzuverlässigen ÖV erlebt hat, lange Wartezeiten an nicht überdachten Haltestellen in Kauf nehmen mußte, der wird mit 18 Jahren selbst ein Auto nutzen wollen und das so früh und so oft wie möglich. Wenn es gelingt, eine positive Wertschätzung des ÖV und seine Nutzung bereits im Kindes- und Jugendalter zu fördern und stabilisieren („ÖV-Bindung"), dürfte er auch später in der Verkehrsmittelwahl des Erwachsenen mehr als bisher berücksichtigt werden (vgl. FLADE et al. 1996, S. 20).
Vor diesem Hintergrund wird die Hypothese aufgestellt, daß die Nutzung der Öffentlichen Verkehrsmittel durch Kinder und Jugendliche bei entsprechenden Rahmenbedingungen Grundlage für eine Bindung Jugendlicher an diese darstellen kann. Die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen umfaßt dabei die Notwendigkeit sich mit den Faktoren zu befassen, die im einzelnen auf das Verkehrsmittelwahlverhalten von Jugendlichen Einfluß nehmen. Nur bei Kenntnis dieser Einflußfaktoren können den Mobilitätsansprüchen von Jugendlichen entsprechende Verkehrsangebote gegenüber gestellt werden.
Die grundlegenden Fragestellungen dieser Arbeit sind demnach, welche Einflußfaktoren die Verkehrsmittelwahl von Jugendlichen bestimmen und wie müssen Verkehrsangebote gestaltet sein, um diesen entsprechen zu können. Zur Bearbeitung dieser Fragestellungen ist es erforderlich, sich genauer mit dem Verkehrsmittelwahlverhalten (Jugendlicher) auseinanderzusetzen.
Mit dieser Arbeit wird daher die Zielsetzung verfolgt, Kenntnisse über die Einflußgrößen des Verkehrsmittelwahlverhaltens von Jugendlichen zu erlangen und das Verständnis hierüber zu fördern. Es soll zur Klärung, welche Determinanten auf das Verkehrsmittelwahlverhalten von Jugendlichen Einfluß nehmen, beigetragen werden. Darüber hinaus werden Ansätze im Bereich der Angebotsplanung und Interventionsstrategien analysiert und ihre Bedeutung für die planerische Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl dargestellt. Aufbauend auf den erzielten Ergebnissen sollen Handlungsansätze und Empfehlungen für die Planung zur Bindung Jugendlicher an den ÖPNV entwickelt werden.
Der Mensch verbringt die meiste Zeit innerhalb einer Region, in der sich sein Lebensmittelpunkt befindet. Folglich werden auch die meisten Wege und Aktivitäten in diesem Raum zurückgelegt bzw. getätigt. Dieser Sachverhalt gilt in besonderem Maße für Jugendliche, weshalb der Region als Untersuchungsraum eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. ILS 1997, S. 4). Das Ruhrgebiet als Beispielregion zu wählen, käme diesem Sachverhalt sehr nahe. Im Rahmen dieser Arbeit wird jedoch eine Einengung auf den städtischen Raum (Stadt Dortmund) vorgenommen, um den Aufwand für eine empirische Untersuchung im leistbaren Rahmen zu halten.
Dieses Kapitel dient der Einführung in das Thema, der Herleitung des Gegenstandbereiches der Arbeit und zur ersten Orientierung über die Konzeption der Arbeit und was die Besonderheit an der Verknüpfung von Jugend und Öffentlicher Verkehr ist. Hieran anschließend werden die Zielsetzung, die grundlegende Annahme, die Hypothese und Fragestellungen der Untersuchung sowie der Untersuchungsraum vorgestellt.
In Kapitel 2 folgt eine Auseinandersetzung mit der Jugend, wozu zuerst allgemein Jugend und ihre Stellung in der Gesellschaft sowie eine Vertiefung des Verständnisses, weshalb der Jugend in der Verkehrsplanung größeres Gewicht eingeräumt werden sollte, erläutert wird. Mit Hilfe der Auseinandersetzung von Definitionen und Abgrenzungsversuchen der Jugend, wird die Altersabgrenzung für den empirischen Teil dieser Untersuchung vorbereitet und durch die Übertragung eines Konzeptes aus der Jugendforschung (Konzept der Entwicklungsaufgaben und Statuspassagen) vollzogen. Schrittweise werden untersuchungsrelevante Aspekte eingegrenzt sowie zentrale Begriffe der Arbeit eingeführt.
Anschließend beschäftigt sich Kapitel 3 mit der Verkehrsmittelwahl als Forschungsfeld. Zunächst bedeutet dies die zentralen Begriffe Mobilität, Mobilitätsverhalten, Verkehrsmittel und Verkehrsmittelwahl zu erklären und den weiteren theoretischen Bezugsrahmen, nach der Erläuterung von Jugend, dieser Arbeit zu legen. Da ein Schwerpunkt der Arbeit auf der Verkehrsmittelwahl und ihrer Determinanten liegt, muß die Erforschung dieser Determinanten ein zentraler Bestandteil der Arbeit sein. Am Umfang des Kapitels 3 zeigt sich, daß die hierbei erzielten Untersuchungsergebnisse eine fundierte Wissensgrundlage für die Konzeptionierung der empirischen Untersuchung schaffen. Neben objektiven Determinanten, wie die Zugehörigkeit zu bestimmten Altersklassen oder das Bildungsniveau, wurden insbesondere durch die Auseinandersetzung mit den Ansätzen psychologischer Forschung subjektive Determinanten herausgearbeitet. Dies wurde speziell vor dem Hintergrund der jugendspezifischen Lebenssituation sowie den daraus resultierenden Verhaltensweisen als notwendig erachtet.
Aus den theoretischen Überlegungen ergeben sich Untersuchungsthesen, die die leitenden Fragestellungen für die empirische Analyse beinhalten und die Grundlage für Kapitel 4 schaffen. Die zusammengetragenen Erkenntnisse aus der Erforschung der Verkehrsmittelwahl sind die entscheidenden Grundlagen zur Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl, die anhand von Interventionsstrategien und der Angebotsplanung in Kapitel 4 erläutert wird. Hierbei wird der Tatsache Rechnung getragen, daß die Stadt Dortmund den Planungsraum dieser Arbeit darstellt. So weit wie möglich werden die Beeinflussungsstrategien auf Dortmund bezogen. Durch die Behandlung dieser Strategien hat sich das Verständnis erweitert, was an der Tatsache festgemacht werden kann, daß die nach Kapitel 3 aufgestellten Hypothesen vertieft bzw. durch neue ergänzt werden.
Kapitel 5 zeigt zunächst die methodische Vorgehensweise der empirischen Untersuchung auf, wozu z. B. die Definition der Grundgesamtheit, die Wahl des Auswahlverfahrens (Quota-Verfahren), die Konstruktion des Fragebogens und die Darstellung der Auswertungsmethoden zählen. Hieran anschließend werden die empirischen Ergebnisse der Untersuchung dargestellt. Neben der univariaten Auswertung der Befragung werden theoriegeleitet bivariate Ergebnisse dargestellt. Bei der Darstellung der empirischen Ergebnisse wird auf die subjektiven Determinanten der Verkehrsmittelwahl ein Schwerpunkt gelegt.
Handlungsansätze und Empfehlungen für die Planung können nicht allein auf den Erkenntnissen aus der empirischen Untersuchung zurückgeführt werden. Daher werden im abschließenden Kapitel 6 aus den Erkenntnissen der theoretischen Betrachtung zur Verkehrsmittelwahl und den planerischen Strategien zur Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl (Kapitel 3 und 4) die Handlungsansätze und Empfehlungen für die Planung entwickelt. Den Abschluß bilden eine Einschätzung des Stellenwertes der Ergebnisse, eine zusammenfassende Prüfung der Hypothesen sowie ein Ausblick.
A bbildung 1: Ablauf und Aufbau der Arbeit
Quelle: eigene Darstellung
Dostları ilə paylaş: |