V. Session Sitzung am 30. November 1977



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ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Als nächstem erteile ich dem Herrn Abg. Wedl das Wort.
Abg. WEDL: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Landtag! Bei einer vom Dr. Fessl-Institut für Marktforschung vor einiger Zeit durchgeführten Meinungsbefragung unter den Menschen, die im ländlichen Raum leben, wurde neben der Verbesserung der ärztlichen Versorgung und der Schaffung von Arbeitsplätzen von 74% der Befragten die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten als das drittwichtigste Anliegen bezeichnet, während nur 3% Bildungsmöglichkeiten für gar nicht wichtig hielten. Unter den Befragten war vor allem der Anteil der jungen Menschen im ländlichen Raum, die Bildung als vorrangig bezeichneten, besonders groß. Erfreulich daher, daß der Landtag von Niederösterreich mit der Beschlußfassung über das Erwachsenenbildungsförderungsgesetz dieser Meinung Rechnung getragen hat.

Ich möchte hier nur die Schwierigkeiten aufzeigen, die in der Vollziehung dadurch entstehen, daß die Termine für die Einreichung von Förderungen mit 1.9. viel zu früh angesetzt sind und die Verbände und Vereinigungen nicht schon ein halbes Jahr vorher ihr Budget erstellen können. Vielleicht könnte dieser kleine Schönheitsfehler im Rahmen einer Gesetzesnovellierung beseitigt werden.

Im Lande Niederösterreich selbst hat sich in letzter Zeit vor allem durch die Tätigkeit des Verbandes Niederösterreichischer Volkshochschulen in den Städten und des Niederösterreichischen Bildungs- und Heimatwerkes in den Gemeinden ein gewaltiges Bildungsangebot entwickelt. Die Städte waren schon immer bei der Organisation von Kultur- und Bildungsveranstaltungen jeder Art durch die Konzentration der Bevölkerung besser daran als die Bildungsorganisationen, die auf dem Lande tätig sind. Die Arbeit in den kleinen und Kleinstgemeinden Niederösterreichs erfordert daher eine andere Organisation und selbstverständlich auch viel mehr Mittel. Als daher vor mehr als 30 Jahren das Niederösterreichische Bildungs- und Heimatwerk mit der Aufgabe gegründet wurde, die ihm angeschlossenen volksbildnerischen und kulturellen Vereine und Einrichtungen in Niederösterreich zu beraten und zu fördern, indem es deren Tätigkeit koordiniert, den Austausch von Erfahrungen, Lehrbehelfe und Vorträge vermittelt, finanzielle Zuwendungen beschafft und ideell und materiell die Interessen seiner Mitglieder gegenüber der Öffentlichkeit und den Behörden vertritt, ahnte noch niemand, daß diese Organisation solch großen Aufschwung nehmen würde. Eine kürzlich durchgeführte Neuorganisation in Niederösterreich hat sich sehr positiv ausgewirkt, vor allem auch durch die Heranziehung von Politikern in führenden Positionen. Dadurch soll natürlich keineswegs der in den Statuten verankerte überparteiliche Charakter des Vereines verlorengehen, im Gegenteil, dadurch, daß in den Vierteln, Bezirken und Gemeinden den dort herrschenden Mehrheitsverhältnissen Rechnung getragen wurde, ist eine demokratische Willensbildung erfolgt. Das Niederösterreichische Bildungs- und Heimatwerk kann daher nicht mehr. nur einer politischen Organisation zugerechnet werden, was früher ja in großem Ausmaß der Fall war. Sicherlich wurde auch heute von manchen noch nicht verkraftet, daß Erwachsenenbildung, Musikerziehung etc. im ländlichen Raum nicht mehr das Primat einer Partei ist, sondern von den beiden politischen Parteien im Rahmen ihres Stärkeverhältnisses in Vierteln, Bezirken und Gemeinden getragen wird.

In meiner nunmehr zweijährigen Tätigkeit in diesem Verein konnte ich viele neue Ideen bekommen und solche auch selbst weitergeben. In Kursen und Veranstaltungen konnte ich erleben, daß die Bevölkerung sehr gerne kommt, wenn man ihr das entsprechende Anbot macht. Ich habe sehr aufmerksam verfolgt, daß in der Lehrerschaft auch viele Menschen, die keine entsprechende Vorbildung haben, sehr gerne mitarbeiten, Initiativen gesetzt haben, und daß auch in den Gemeindestuben jetzt vielfach eine andere Meinung herrscht, weil die Möglichkeit geboten wurde, bei Bürgermeisteramtstagen oder ähnlichen Veranstaltungen echten Kontakt zu den Bürgermeistern zu finden. (Abg. Romeder: Wie wichtig ein Bürgermeistertag ist!) Die Gemeinden sind und werden auch in Zukunft bei der Finanzierung von Bildungsveranstaltungen, Bereitstellung von Räumen, Publikmachung von Veranstaltungen, Gemeindenachrichten etc. eine große Aufgabe auf dem Sektor der Erwachsenenbildung auch im ländlichen Raum unternehmen müssen.

Es muß unsere Aufgabe sein, in jedem Ort, in jeder Katastralgemeinde engagierte Menschen zu finden, denen es gelingt, die Dorfgemeinschaft zu aktivieren, sie aus der Lethargie zu rütteln und mit der Meinung Schluß zu machen, Bildung ist nichts für mich, von Kultur verstehe ich nichts. Gerade hier gibt es doch Musterbeispiele, wie zum Beispiel die gelungenen und schon jahrelang durchgeführten Reihenkurse in Fels am Wagram, die Sprachkurse in Gramatneusiedl, die Arbeit der Dorfgemeinschaft Alberndorf, die Motivierung der Bevölkerung zur Mitarbeit bei der Gestaltung eines schöneren Ortsbildes. Hiezu zählen auch Dichterlesungen, wenn auch nur im kleinsten Kreis im Dorf, die Ausstellungen in den Schulen oder Gemeindeämtern oder Podiumsdiskussionen, die Theateraufführungen mit eigenen Kräften aus dem Ort und vieles andere mehr. Natürlich wollen wir auch die Schönheit, die Bräuche und Sitten anderer Länder und Völker unseren Menschen nahebringen. Die Abhaltung von Hobbykursen, Bastelkursen, Fotoausstellungen, Aufsatzwettbewerben der Jugend, Aktivierung der Senioren und damit Ausnützung von deren größerer Freizeit.

Letzten Endes aber werden alle unsere Bemühungen dann scheitern, wenn den freiwilligen Mitarbeitern nicht ein Ersatz ihrer Baraufwendungen geleistet werden kann. Hiezu war es wichtig, daß die Förderung für das Niederösterreichische Bildungs- und Heimatwerk wesentlich erhöht wurde. Wenn man auch die Subventionen für die Gemeinden auf dem Sektor der Volksbildung erhöht hat, so können diese für Kultur- bzw. Bibliothekswesen oder Erneuerungen mehr Geld aufwenden. Wenn wir daher die vorhandene Bereitschaft zur Mitarbeit unserer hunderten freiwilligen Mitarbeiter erhalten wollen, muß nicht nur auf Landesebene, sondern auch in den Bezirken und Orten die Finanzierung gesichert sein. In den Dörfern werden sicherlich die Gemeinden zum Großteil bereit sein, Mittel bereitzustellen. Die großen Aufgaben, die aber in den Bezirken liegen, können nicht vorangetrieben werden, wenn man weiß, und auch das erstmals ab heuer, daß jeder Bezirksstelle des Bildungs- und Heimatwerkes 2.000 Schilling jährlich zur Verfügung stehen werden. Jede auch noch so bescheidene Bezirksveranstaltung - es wurden ja schon etliche durchgeführt - wird Kosten von rund 10.000 Schilling verursachen, wobei sicherlich ein Teil durch Eintrittsgelder oder Spenden wieder hereinkommt. Doch noch immer bleibt genug Defizit über. Wenn es daher nicht gelingt, von den Gemeinden Ausfallshaftungen zu bekommen, können solche Veranstaltungen auch nicht mehr durchgeführt werden. Wenn man heuer erstmals eine Gesellschaft für politische Bildung mit 341.000 Schilling subventioniert, so ist das äußerst notwendig, denn ich glaube, daß nur politisch reife und gebildete Menschen auch demokratische Entscheidungen fällen können. Selbstverständlich ist aber trotz erhöhter Förderung, daß die den Bildungsvereinen zur Verfügung stehenden Mittel immer zu gering sind, weil wir uns eben nach den finanziellen Möglichkeiten richten müssen. Als es vor kurzem darum ging, den Verband der Niederösterreichischen Heimat- und Trachtenvereine, dem ich selbst angehöre bzw. dessen Ehrenmitglied ich bin, mit Millionenbeträgen vor dem Bankrott zu bewahren, haben wir auch die entsprechenden Mittel aufgebracht. Ich hoffe, daß dieser Verband am 11. Dezember in Traisen einen arbeitsfähigen Vorstand bekommt, damit seine 19.000 Mitglieder, die in über 400 Vereinigungen zusammengefaßt sind, nicht mehr verunsichert sind, wer neuer Obmann wird, und die Reorganisation abgeschlossen werden kann. Wir wollen aber nicht zuerst in Bankrott gehen, um Gelder zu bekommen, sondern wir wollen die erhöhten Mittel, um sie im ländlichen Raum oder auch im städtischen Bereich für unseren Menschen einsetzen zu können.

Wir dürfen aber bei der Vortragstätigkeit nicht die vielen Menschen vergessen, die ihre Arbeitskraft der Heimat- und Brauchtumsforschung zur Verfügung stellen. Es gibt viele Bräuche in unserem Lande, die vom Aussterben bedroht sind oder der Vergessenheit anheim zu fallen drohen. Daher müssen wir neben der Erhaltung früheren Brauchtums Anknüpfung an neue Brauchtumsformen finden. Nicht vergessen wollen wir die Trachten, die schon vielfach in Vergessenheit geraten sind, heute aber in zunehmendem Maße wieder gerne getragen werden. Wir müssen aber auch auf die Pflege des Liedes und der Volksmusik achten. Der Denkmalschutz muß ein Anliegen sein, das vor allem in den Dorfgemeinschaften zur Aktivierung der Bevölkerung im Zusammenhang und in Zusammenarbeit mit ortsbildnerischer Gestaltung führen kann. Ganz besonders sei hier die Aktion „Mein Dorf“ erwähnt, die zu einem großen Erfolg wurde und weitergeführt wird.

Vergessen seien auch nicht die ca. 100 bestehenden Heimatmuseen in Niederösterreich, von denen 36 finanziell und weitere 24 durch wissenschaftliche Beratung unterstützt werden. Die neueröffneten Heimatmuseen in Bernhardsthal, Kematen an der Ybbs, Krumbach in der Buckligen Welt, das Weinviertler Dorfmuseum Niedersulz, das Freiluftmuseum der Stadt Haag sowie das Landwirtschaftliche Museum in Prinzersdorf an der Zaya sind zu erwähnen.

Eine umfangreiche Beratungstätigkeit gab es in den Gemeinden zum Beispiel bei der Gestaltung von Jubiläumsveranstaltungen, wie solche in Traismauer, Gloggnitz, Asparn oder Sieghartskirchen stattfanden. Unvollständig wäre der Bericht, wenn nicht das Büchereiwesen erwähnt würde. Die Wanderbücherei der Bundesstelle für Erwachsenenbildung für Niederösterreich versorgt 104 Gemeinden. Nicht vergessen soll das große Bildungsangebot des Katholischen Bildungswerkes der Diözese St. Pölten werden, das über 200 Zweigstellen und 180 Referenten sowie drei regionale Bildungszentren in Lunz, Euratsfeld und Traunstein aufweist, das Katholische Bildungswerk der Erzdiözese Wien und das Niederösterreichische Jugendwerk, das in den Sommermonaten rund 400 Kinder mit Lesematerial versorgt. Einen großen Erfolg haben jedes Jahr die Jugendsingwochen, Chorleitertagungen, Ausbildungs-Seminare sowie die Familiensingwochen. Besonders zu erwähnen die Erwachsenenbildungstagung in Langenlois, wo in dreitägiger Kurstätigkeit für alle Sparten der Volksbildung die Weichen für ein arbeitsreiches Jahr gestellt werden, Meinungsaustäusche stattfinden und auch persönliche Bekanntschaften zwischen den aus allen Teilen und allen Bevölkerungsschichten kommenden ca. 120 Teilnehmern geknüpft werden. Wir wollen aber auch die schon bisher abgehaltenen ca. 150 Autorenabende sowie Feiern und Feste volkstümlicher Art in den Städten und Dörfern erwähnen.

Ich wollte Ihnen hier nur einen ganz kurzen Abriß all dessen geben, wo wir die Menschen zur Mitarbeit und als Teilnehmer gewinnen, wo wir ihnen Volksbildung vermitteln können. Ich kann daher nur schließen mit den Worten des Niederösterreich-Planes, wo es heißt: „Ziel jeder Kulturpolitik muß der Mensch und die Entfaltung seiner geistigen, musischen und schöpferischen Kräfte sein. Auf möglichst breiter Basis sollen den Menschen Anregungen und Möglichkeiten gegeben werden, bewußt am Kulturleben teilzunehmen. Darüber hinaus muß der schöpferische Mensch in Niederösterreich seine wahre Heimat sehen können.“ (Beifall bei der SPÖ.)


ZWEITER PRÄSIDENT BINDER: Als nächster ist der Abg. Krendl zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
Abg. KRENDL: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute mehr als je zuvor wird der junge Mensch in der Gesellschaft für die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft zu einem wichtigen Faktor. Das führt natürlich dazu, daß der Jugendliche, der in einer Phase der Unsicherheit steht, von allen Seiten umworben und damit noch mehr verunsichert wird.

Die Wirtschaft hat die Jugend als Konsumschicht entdeckt und umschmeichelt sie mit großen und verlockend billigen Angeboten an Mode, Büchern, Zeitschriften, Schallplatten und vielem mehr, einem Angebot, das auf ihr Bedürfnis nach eigener Subkultur zielt und ihr das Bewußtsein sozialer Eigenständigkeit präsentiert. Es ergibt sich dadurch in der Gesellschaft heute ein Bild, das nach oberflächlicher Betrachtung zeigt, daß der Jugendliche eigentlich bevorzugt behandelt wird. Ich wage aber zu behaupten, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß noch nie eine junge Generation sich in einer so verzweifelten Lage befunden hat als die heutige junge Generation. Was man aus der Sicht der Vergangenheit für Privilegien halten kann, ist oft in Wahrheit eine arge Überforderung des jungen Menschen. Der Jugendliche ist eben dabei, sich eine eigene Identität aufzubauen, er ist dabei Stabilität zu finden, und gerade hier setzt die Verunsicherung ein, teilweise leider bewußt gelenkt.

Ich habe in meiner Rede zu den außerschulischen Belangen im Vorjahr deutlich angeführt, in welche Schwierigkeiten damit der Jugendliche gerät oder geraten kann. Ich habe damals aber auch klarzumachen versucht, wie groß die Bedeutung der Institutionen ist, die dem Jugendlichen bei der Bewältigung aller dieser Fragen helfen können.

Diese Institutionen sind nach meiner Meinung fast die einzigen ruhenden Pole in der Entwicklungsphase, die der junge Mensch durchzumachen hat. Aus vielen politisch unumstrittenen Untersuchungen geht eindeutig hervor, daß der junge Mensch im Kreis von Gleichalterigen seine Stabilität findet. Dem Freund und Kollegen, demjenigen, der die gleichen Probleme und Ziele hat wie er selbst, dem vertraut er am meisten, und aus diesen Gründen kommen die Jugendlichen vielfach in die Jugendgruppen, in die Jugendklubs und Jugendvereinigungen. Die Wichtigkeit der Jugendvereinigungen und derjenigen, die dort als Verantwortliche und als Leiter arbeiten, ist ebenso unumstritten, aber leider sehen wir dieses Problem aus vielen Gründen nicht immer mit der gebotenen Deutlichkeit.

Die Jugend ist im Leben des Menschen eine Übergangsphase, sie ist gekennzeichnet durch eine hohe Status- und Verhaltensunsicherheit, hohe Abhängigkeit und Unselbständigkeit. Sie muß sich eigene Verhaltensmuster und Orientierungsmöglichkeiten schaffen. Die Kritikfähigkeit des Jugendlichen ist natürlich noch nicht entsprechend entwickelt und die Grundeinstellungen und Werte, die in der Herkunftsfamilie aufgebaut wurden, werden in Frage gestellt. Diese Entwicklung wird immer mehr durch die Freizeitindustrie gefördert, die Konsumgüterindustrie redet dem Jugendlichen ein, bestimmte Gebrauchsgüter besitzen zu müssen, für die er in vielfacher Hinsicht noch gar keine Verwendung hat. Dadurch entsteht wieder eine neue Konfliktsituation und der Jugendliche muß seine Entscheidung treffen und seine Unsicherheit wird noch größer. Solche Situationen erschweren es ihm natürlich sehr, stabilisierte gesellschaftliche Positionen und damit eine eigene Selbständigkeit zu gewinnen. Damit findet der junge Mensch Möglichkeiten der Stabilisierung von Einstellungen und Verhaltensmustern in der Orientierung an anderen Personen innerhalb von Gruppen. Darunter fallen natürlich neben der Familie und dem Freundeskreis auch Beziehungen in und zu Jugendorganisationen und politischen Gruppen.

Der einzige Bereich, der dem Jugendlichen offensteht, scheint der Bereich der Freizeit und des Konsums zu sein. Den Einflüssen des Elternhauses, den Anforderungen der Schule und Ausbildung, deren Stabilisierungsbemühungen, die er in Verhaltensmustern und in der Orientierung an anderen Personen und innerhalb von Gruppen zu finden glaubt, steht damit ein großes Güter- und Dienstleistungsangebot gegenüber. Der Jugendliche ist in der heutigen Zeit ein wichtiger Faktor für die Freizeitindustrie geworden. Er hat Geldmittel zur Verfügung und kann diese auch ausgeben. Und so ergibt sich über kurz oder lang eine Situation, die uns allen allmählich zu denken geben müßte. Die überwiegende Mehrheit der jungen Leute stellen passive Freizeittätigkeit in den Vordergrund. So überwiegen am häufigsten und am auffallendsten Musikhören, Fernsehen, Tanzen gehen, Gast- und Kaffeehausbesuch, Kinobesuch, Auto- oder Mopedfahren, dies gilt aber schon wieder als Statussymbol. Die große Ausnahme scheint - das ist heute schon gesagt worden - die aktive Sportausübung zu sein, die von vielen Jugendlichen als Freizeitgestaltung angegeben wird. Mehr als die Hälfte der österreichischen Jugend ist demnach sportlich aktiv. Die Beschäftigung mit einem Hobby hat bei Berufstätigen nur bei Lehrlingen und Facharbeitern eine überdurchschnittliche Bedeutung. Es geben etwa 32% diese Freizeitgestaltung an. Auf dem Lande stehen bei Arbeitern und Landwirten Tanzengehen und Gasthausbesuche an der Spitze der Freizeitaktivitäten, bei Facharbeitern ist das Gasthaus immerhin schon an zweiter Stelle. Interessant scheint die Tatsache, daß Jugendliche, die weniger Freizeit zur Verfügung haben, diese sozusagen intensiver ausnützen als jene, die mehr Freizeit

für sich haben. Gerade diese größere Freizeitspanne, vor allem an Wochenenden, läßt die Freizeitgestaltung dann unter verschiedenen Aspekten zu einem echten Problem werden. Wenn man überlegt, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß nach einer Umfrage der UNESCO 90% aller Menschen 90% ihres Wissens aus Presse, Rundfunk, Fernsehen, Film und Werbung konsumieren, wird uns klar, was uns hier eigentlich noch ins Haus steht und was zu bewältigen sein wird.

Nun steigen natürlich mit fortschreitendem Wohlstand auch die Probleme der Freizeitgestaltung besonders bei jungen Menschen, bei Jugendlichen. Sicher ein wichtiger Punkt bei unseren Überlegungen. In einer Zeitschrift, herausgegeben vom Bundesministerium für Unterricht, lese ich folgendes: Der Wohlstand stellt eine vorübergehende Erfüllung tiefer menschlicher Bedürfnisse dar. Er sättigt und macht den Jugendlichen für höhere Werte interesselos.

Der übergroße Wohlstand erspart viele Anstrengungen, die aber notwendig sind zur Entbindung von Kräften, die im Menschen schlummern. So werden viele Anlagen im Menschen nicht angesprochen und daher auch nicht zur Entfaltung gebracht. Es ist aber ein Verlust für den einzelnen und für die Gemeinschaft. Es scheint also, als ob wir uns in einem Teufelskreis befinden und bewegen würden. Einerseits kämpfen wir um die Steigerung des Wohlstandes für alle Schichten, und andererseits können wir, so scheint es, diese Begleiterscheinungen nicht mehr ganz in den Griff bekommen.

Das Problem wird immer größer, je mehr Freizeit zur Verfügung steht. Daher sollten wir wirklich überlegen, ob nicht gerade den jungen Menschen mehr als bisher nahegebracht werden könnte, sich in ihrer Freizeit mehr der persönlichen Entfaltung hinzugeben, ihre persönlichen Fähigkeiten und Talente mehr als bisher zur aktiven Tätigkeit zu verwenden, ihre Fähigkeiten einzusetzen und zu entfalten für Beschäftigungen, die im Berufsleben nicht zum Zug kommen können: für Spiel, Sport, Hobby, kulturelle Betätigung und Weiterbildung, um nur einiges zu nennen. Es wäre sicher, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine lohnende Aufgabe für die im Landesjugendreferat Verantwortlichen.

Erlauben Sie mir hier eine Überlegung anzustellen. Es scheint heute vielfach so zu sein, daß die Menschen, und hier besonders die jungen Menschen, keine wirklichen Hindernisse mehr vorfinden oder zumindest vorgeben, keine vorzufinden, an denen sie ihre Kraft messen können. In weiten Bereichen wird für sie vorgesorgt; sie können, ob jung oder alt, sorglos in den Tag hineinleben, einige sorgen für sie. Dies zeigt sich nun auch bei der heutigen Jugend. Sie scheint eine privilegierte Klasse zu sein, sie braucht um nichts Lebensnotwendiges kämpfen und verfügt über ein Überangebot an nicht Lebensnotwendigem. Das gilt natürlich nicht für die gesamte Jugend, aber es trifft sicher auf einen großen Teil zu. Die Jugend wird mehr und mehr an den Empfang sozialer Wohltätigkeit und an ein Recht auf Subvention gewöhnt.

Für viele Jugendliche ist der erreichte Wohlstand nichts wert, weil sie ihn nicht selbst erreicht haben. Sie lehnen sich dagegen auf, aktiv oder passiv, auch darüber ist heute schon sehr viel gesprochen worden. Diese Jugendlichen suchen Ideale, Aufgaben und Hindernisse. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann einem jungen Menschen kaum etwas Schlimmeres antun, als ihm jede Hürde, an der er seine Fähigkeiten erproben kann, wobei er einen Sieg zu erringen hofft, wegzuräumen, bevor er diese Hürde auch nur erreicht hat. Wenn es kein Risiko des Mißlingens gibt, gibt es auch keine Chance des Gelingens. Das Leben des Jugendlichen wird fad, und jede Lust an eigenständiger und kreativer Tätigkeit wird lahm.

Aus einer Befragung einer Werbeagentur geht hervor, daß für Jugendliche persönliche Freiheit, Demokratie und ähnliche Grundwerte nur an ganz untergeordneter Stelle stehen. Sie werden selbst von 20- bis 25jährigen kaum genannt. Was die sonstigen Verhaltensweisen betrifft, so zeigt sich bei den befragten Jugendlichen, daß sich jeder zweite männliche Jugendliche und fast jeder vierte weibliche Jugendliche bei Parties betrinken würde. Das bestätigen leider meine vorher gemachten Betrachtungen. Es ist erschreckend, daß junge Menschen wenig von Grundwerten, wie Freiheit und Demokratie, zu halten scheinen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer macht das den jungen Menschen verständlich und einprägsam klar, wenn nicht hier die Jugendvereinigungen und -organisationen einsetzen mit Hilfe der staatlichen und in den Ländern tätigen Institutionen? Wenn sie nicht einsetzen, sehe ich große Schwierigkeiten auf uns zukommen. Den Jugendlichen selbst kann man keinerlei Vorwürfe machen. Vielfach orientiert sich der junge Mensch an seiner Umwelt und an Vorbildern.

Wenn wir uns nach wie vor darauf beschränken, meine sehr verehrten Damen und Herrn, im Landesjugendreferat Fragebogenaktionen durchzuführen, aus denen hervorgeht, daß eigentlich 70% der Lehrlinge mit der Gesamtsituation zufrieden sind, nur 30 sind unzufrieden oder teilweise unzufrieden, und damit die Arbeit also erbracht ist, so scheint das dann doch ein wenig dürftig zu sein. Im übrigen ist diese Befragung sehr umstritten. Hier wird ein Bild gezeichnet, das, oberflächlich betrachtet, recht positiv erscheint.

Daß etwa 9.000 junge Menschen mit ihrem Arbeitsplatz und ihrer Ausbildung nicht zufrieden sind und daß nahezu 13.000 Lehrlinge fallweise oder regelmäßig zu Arbeiten herangezogen werden, die mit ihrer Ausbildung überhaupt nichts zu tun haben, wird völlig außer acht gelassen. Was die politische Einstellung der Eltern des Jugendlichen mit seiner Arbeitsplatzsituation zu tun hat, und im Fragebogen scheint diese Frage auf, habe ich bis heute noch nicht herausfinden können.

Wenn daher die Gewerkschaftsjugend Niederösterreichs, die schon seit langer Zeit - auch das ist heute schon gesagt worden - eine grundlegende Reform der Berufsausbildung als gerechtfertigt ansieht und an den Herrn Landeshauptmann die Frage richtet, was er eigentlich mit dieser Befragung erreichen wollte, so scheint mir das nur zu sehr berechtigt zu sein.

Wenn aus anderen Befragungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann hervorgeht, daß viele Kinder und Jugendliche nicht einmal die Person des Bundeskanzlers und des Landeshauptmannes kennen, so ist das ebenso bedenklich. Wie sollen dann solche junge Menschen die Funktion und die Aufgaben dieser Personen kennen? Und hier hilft auch sicher nicht, einen Aufsatzwettbewerb „Wenn ich Landeshauptmann wäre“ unter den Schülern zu veranstalten. (Landeshauptmann Maurer: Warum gefällt Ihnen das nicht? Ist ja so schön!) Nein, gefällt mir nicht, nein. Die Aufgaben des Landesjugendreferates, meine sehr verehrten Damen und Herren, gingen nach meiner Meinung weit tiefer. (Heiterkeit.) Teilweise hat man in Niederösterreich den Eindruck, als würde Jugendarbeit eigentlich nur so am Rande mitgemacht werden.

Nach meinen zu Beginn angestellten Betrachtungen müßte sich ein Jugendreferat mehr mit den Auswirkungen der Wohlstandsgesellschaft auf die Jugend befassen. Es ist erfreulich, daß sich viele Kurse und Seminare mit Volksbrauchtum und Jugendsingen befassen, wenn aber nur einmal im Jahr ein staatsbürgerliches Seminar stattfindet und hier nur 40 Teilnehmer angesprochen werden können, so ist das doch ein wenig bedauerlich.


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