Familiennamen ostslavischer Herkunft
im Deutschen
1 Geschichtliches
Die Einwanderung slavischer Namen in das deutsche Sprachgebiet muss sehr
differenziert betrachtet werden, und der Anteil der west-, süd- und ostslavischen
Namen weist beträchtliche Unterschiede auf. Es ist nicht schwer nachzuvollziehen,
dass westslavische (darunter hauptsächlich polnische, tschechische und
sorbische) Namen den größten Anteil aufweisen, was sich daraus erklärt, dass
Deutschland einerseits die Westgrenze des westslavischen Sprachgebietes bildet
und andererseits zu unterschiedlichen Zeiten ein beliebtes Einwanderungsland
der westslavischen Nachbarn gewesen ist. Wenn nun hier der ostslavische Anteil
betrachtet werden soll, so sind es russische, weißrussische und ukrainische Namen,
die zu unterschiedlichen Zeiten nach Deutschland kamen.
Eine erste Welle war die Folge der russischen Revolution 1917. In den 1920er
Jahren lebten viele Exilrussen, größtenteils Gegner der Bolschewiken, Adlige
und Bürgerliche, im deutschen Reich, rund 360.000 allein im Raum Berlin. Aus
dieser Zeit rührt die Bezeichnung „Charlottengrad“ für Berlin-Charlottenburg.
Viele verließen Deutschland nach der Machtergreifung durch die NSDAP. Zu der
zweiten Welle zählen Kriegsgefangene und Verschleppte im Zweiten Weltkrieg,
die in Deutschland geblieben sind (etwa 200 000 bis 250 000). In diese Welle fällt
auch die sowjetische Besatzungsmacht, die russische Offiziere und Soldaten in
die DDR brachte, allerdings dürfte ihr Namenniederschlag gering sein, da diese
nicht in die Gesellschaft integriert wurden und in den 90iger Jahren das Land
wieder verließen. Dass es im Rahmen der „Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“
auch rege Beziehungen zwischen den Ländern gab, ist unbestritten, so kamen
beispielsweise durch Studenten, die nach dem Studium im Land blieben, auch
ostslavische Namen zu uns.
Eine dritte Welle bildeten Dissidenten, d. h. Intellektuelle, deren Werke gegen
die Leitlinien der Sowjetunion verstießen und die nach Westdeutschland in das
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Exil gingen. Das betrifft vor allem die Zeit zwischen 1970 und 1980. Einigen
wenigen Russlanddeutschen gelang es während des kalten Krieges, sich in der
Bundesrepublik niederzulassen. Die vierte und wohl quantitativ entscheidende
Welle begann mit der Perestroika 1986, sie erreichte ihren Höhepunkt in der Mitte
der 1990er Jahre. Der größte Teil der dabei nach Deutschland gekommenen
Ostslaven besteht aus russischen Familienangehörigen von Russlanddeutschen.
Erwähnt werden müssen aber auch die jüdischen Kontingentflüchtlinge, die
seit 1991 die Möglichkeit haben, nach Deutschland einzureisen.
Es ist aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich, sich genauer über den
Anteil ostslavischer Namen im deutschen Familiennamenschatz zu äußern. Der
Hauptgrund ist sprachlicher Natur, denn es gibt eine Reihe gesamtslavischer
Namen, die gar nicht sicher einer Einzelsprache zuzuordnen sind. Andererseits
existiert kein Gesamtkorpus von Familiennamen Deutschlands, das auswertbar
wäre. Es können hier lediglich einige Angaben zusammengetragen werden, die
unsere Vorstellungen zu präzisieren helfen. Die Ausländerstatistik (www.ausländer-
statistik.de) nennt mit Stand vom 31.12.1999 1 858672 EU-Ausländer,
außerdem 98 363 aus der Russischen Förderation, 76 785 aus der Ukraine und
7 395 aus Weißrussland (sogenannte Drittstaatler). Die meisten Statistiken über
Ausländer in Deutschland beruhen auf den im Ausländerzentralregister (AZR)
gespeicherten Daten. Das AZR wird vom Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln
geführt. Wenn die Gesamtbevölkerung für Deutschland mit 82 Millionen angesetzt
wird, so ist der Anteil der ausländischen Bevölkerung (am 31.12.2005
www.forschungsdatenzentrum.de, 11.9.07) mit 7 289 149 = 8,8 % anzusetzen.
Unter den Deutschen haben aber auch etwa 7 Millionen einen Migrationshintergrund,
d.h. auch in dieser Gruppe finden sich ostslavische Namen. Das sind die
Namen derer, die schon früher eingebürgert wurden (also ehemalige Ausländer)
und nun in keiner Ausländerstatistik mehr erscheinen. So wurden beispielsweise
im Jahr 2006 allein 4 690 Personen aus der Russischen Förderation und 4 550 aus
der Ukraine eingebürgert (www.destatis.de, 11.9.07).
Der Vollständigkeit halber weisen wir darauf hin, dass natürlich auch Russlanddeutsche
russische Namen nach Deutschland gebracht haben (zum Beispiel
wenn die deutsche Frau einen russischen Mann geheiratet hat). Der Grossteil der
Angehörigen der russlanddeutschen Familien wird aber in der Gesellschaft aufgrund
ihrer deutschen Namen nicht mehr als solche identifiziert, es sei denn der
früher kyrillisch geschriebene Name wurde nicht „richtig“ ins Deutsche rückübertragen
(z.B. Schteinmann, Gejbel, Gildebrant, Gofmann, Kajzer, Sraiber, Volf
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Familiennamen ostslavischer Herkunft im Deutschen
u. a.). Die folgende Tabelle gewährt einen Einblick in die aktuelle Einwanderung
von Spätaussiedlern aus der ehemaligen UdSSR und deren Aufteilung auf die
Bundesländer.
Verteilung der Spätaussiedler und Angehörigen auf die Bundesländer nach
Herkunftsstaaten 2007 (Stand: Dezember 2007)
Bundesland Gesamt ehemalige
UdSSR Polen Rumänien Sonstige
Länder
Baden-Württemberg 707 697 6 4
Bayern 864 838 13 8 5
Berlin 284 282 1 1
Brandenburg 193 193
Bremen 49 49
Hamburg 148 147 1
Hessen 412 405 4 2 1
Mecklenburg-
Vorpommern 136 136
Niedersachsen 529 516 12 1
Nordrhein-Westfalen 1 253 1 219 32 2
Rheinland-Pfalz 281 280 1
Saarland 83 82 1
Sachsen 307 307
Sachsen-Anhalt 189 187 2
Schleswig-Holstein 194 194
Thüringen 163 163
Gesamt 5 792 5 695 70 21 6
(Quelle: www.bva.bund.de, 1.2.2008)
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2 Konzentrationsräume und Ausstrahlungsgebiete der
Familiennamen
Im Kleinen Lexikon der ethnischen Minderheiten in Deutschland wird für 1997
die Gruppe der Russinnen und Russen mit 39 967 beziffert. „Die Zuwanderung
von R. hat von 1992 (5808) bis 1995 um mehr als das Sechsfache zugenommen
(39 967)“ (S. 136). Als Migrationgründe werden sowohl politische (Ausreise
aufgrund politischer Diskriminierung/Verfolgung) als auch religiöse (Diskriminierung
der jüdischen Bevölkerung) und ökonomisch motivierte Ursachen
(Wirtschaftsbeziehungen, Erwerbstätigkeit) genannt. Allgemeine Angaben über
Konzentrationsräume der Zuwanderung können aus der „Verteilung der Aussiedler
auf die Bundesländer 1998 bis 2004“ abgeleitet werden. Demnach finden sich
die meisten Aussiedler in Nordrhein-Westfalen (21,8 %), Bayern (14,4 %), Berlin
(14,4 %), Baden-Württemberg (12,3 %), Niedersachsen (9,2 %).
In den großen Städten (insbesondere natürlich Berlin) ist aus wirtschaftlichen
Gründen schon viel früher mit der Zuwanderung fremder Namen zu rechnen. Für
die Stadt Dresden hat ICKERT (1980) aus Stadtadressbüchern des 19. Jahrhunderts
bereits eine Fülle slavischer Familiennamen ermittelt und erklärt, darunter auch
russische (vgl. Anhang 1).
Aus dem Stadtadressbuch für die Messestadt Leipzig im Jahr 1900 konnten
vierzehn russische (512 polnische, 225 tschechische, 229 sorbische) Familiennamen
ermittelt werden (WAGENBRETH/HARTUNG 1970, S. 142, vgl. Anhang 2).
Neunundvierzig Jahre später sind es bereits siebenundfünfzig russische (2559
polnische, 691 tschechische und 247 sorbische) Familiennamen (ebd.).
3 Äußere Erkennungszeichen der ostslavischen, speziell russischen
Familiennamen
Gewöhnlich erkennt man ostslavische Familiennamen im Deutschen an den Auslautsilben.
So können vor allem die Suffixe -in, -ow (-off) und –itsch als Indikatoren
für eine Zuweisung eines Namens zum Russischen angesehen werden. Allerdings
können Namen mit dem Suffix –itsch auch auf serbische bzw. kroatische
und das Suffix -off (-ov, -ev) auf bulgarische Herkunft der Namen hinweisen (vgl.
den Beitrag U. BÜTTNER in diesem Band). Nichtstandardisierte russische Familiennamen,
d.h. nicht suffigierte Formen wie bspw. der Familienname Äóäà, können,
zumal in transliterierter Form Duda (sowie Dudda), auch obersorbischer,
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Familiennamen ostslavischer Herkunft im Deutschen
polnischer oder tschechischer Herkunft sein (vgl. WENZEL 1999, S. 78 zu duda,
Plural dudy ‘Dudelsack’), dagegen weist die Form Äóäèí hin zum Russischen.
Im deutschen Telefonbuch (www.telefonbuch.de) ist der Name Duda 1761mal zu
finden, dagegen Dudin nur 24mal. Analysiert man die dazugehörigen Vornamen
(Alexander, Anna, Eugenia, Ivan, Katarina), so kann mit entsprechender Kenntnis
und auch Vorsicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Namen
Dudin um einen ostslavischen Namen handelt, wogegen Duda ein gemeinslavischer
Name ist. Als weitere Ableitungsformen nennt UNBEGAUN (1989, S. 159)
Äóäêèí und Äóäûøêèí. Letzterer tritt im deutschen Telefonbuch nicht auf, dafür
aber Dudkin, „der Dudelsackspieler“, (28mal) mit aussagekräftigen Vornamen
(Alexander, Sergej, Valentina, Viktor, Waleri, Igor, Ljubov, Natalia u.a.)
Die Suffixe -enko und -uk (-juk, -èuk) weisen auf ukrainische Namenformen
hin (vgl. den Namen des ukrainischen Präsidenten Juschtschenko: ukr. Âèêòîð
Àíäð³éîâè÷ Þùåíêî). Die Verteilung der 9961 ukrainischen Familiennamen
(token) mit dem Suffix –enko in Deutschland zeigt die folgende Graphik.
Familiennamen auf -enko (Quelle: geogen 3.0)
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Mit dem Programm geogen 3.0 ist es möglich, alle 757 unterschiedlichen Familiennamen
(types) mit dem Suffix -enko (mit der jeweiligen Häufigkeit) zu
ermitteln, die im deutschen Telefonbuch auftauchen. Im Anhang 3 sind die Familiennamen
(A-G) mit diesem Suffix exemplarisch aufgelistet.
Bei den weißrussischen Familiennamen dominieren nach GUTSCHMIDT (2007,
S. 843) in der Gegenwart die Namen mit dem Suffix -ou, -au und -eu (z.B. Dalhou,
Ljavonau und Jakouleu) bzw. ihre weiblichen Formen Dalhova, Ljavonova,
Jakouleva. Sie sind das Ergebnis der russischen Verwaltung in der Sowjetzeit,
die zu einer Umgestaltung die weißrussischen suffixlosen Familiennamen nach
russischem Vorbild führte. Formal sind sie somit nicht von den russischen Familiennamen
zu unterscheiden. Zahlreich sind auch die Familiennamen mit dem für
das Weißrussische typischen Suffix -oviè, -aviè und -eviè.
Die folgende Karte zeigt die Verteilung der 189 442 Familiennameneinträge
im Deutschen, die auf dem Auslaut -itsch beruhen.
Familiennamen auf -itsch (Quelle: geogen 3.0)
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Familiennamen ostslavischer Herkunft im Deutschen
Dabei ist zu beachten, dass solche Familiennamen nicht nur ostslavischen
(-è÷), sondern, wie oben bereits erwähnt, auch südslavischen Ursprungs sein
können. Bei ostslavischen Familiennamen ist dieses Suffix zwar auch bei ukrainischen
Familiennamen zu finden (z.B. Êóçüìè÷, dt. Kusmitsch 12 ; Ìèêóëè÷,
dt. Mikulitsch 1), es ist nach UNBEGAUN (1989, S. 204) aber eher typisch für das
Weissrussische (z.B. Ìèêàëàåâè÷ (Mikalaeviè); Äàâèäîâè÷, dt. Davidowitsch 3).
Erfahrene Slavisten erkennen an den zugrunde liegenden Ableitungsbasen ihre
jeweilige Herkunft: So ist z.B. der Name Mikalaevitsch auf die weißrussische
Rufnamenform ̳êàëàé zurückzuführen, die ukrainische wäre Ìèêîëà und die
russische Íèêîëàé.
Augenfällig ist bei dieser Schreibweise ihre offensichtliche Dominanz bei
FaN im Gebiet der alten Bundesländer.
4 Die Bildung ostslavischer Familiennamen unter besonderer Berücksichtigung
der russischen Namen
Der Blick in die bundesdeutsche Statistik bestätigt, dass russische Namen im
Segment der „ostslavischen Ausländer“ dominieren. Sie sollen daher hier auch
besonders berücksichtigt werden. Dabei bietet der Versuch einer Definition, was
unter einem russischen Familiennamen zu verstehen ist, bereits vielerlei Probleme,
die kürzlich von ŽURAVLEV (2005, S. 126 f.) umrissen wurden.
Die Herausbildung von Familiennamen als festgeschriebene und vererbliche
Namen für alle fand in Russland vergleichsweise spät statt und kam erst im 19.,
teilweise sogar erst im 20. Jh. zum Abschluss. Den Familiennamen gehen die
morphologisch und lexikalisch sehr vielgestaltigen individuellen und familienbezogenen
Beinamen voraus. „Eine nicht unbedeutende Rolle bei der Bildung
der Typen russischer FaN spielten die Moskauer Kanzleien, die den familienbezogenen
Beinamen die Endungen -îâ, -èí anfügten und FaN auf –îâè÷ auf –îâ
verkürzten“ (SUPERANSKAJA 1997, S. 3). Diese russischen Familiennamen werden
auch als standardisierte Familiennamen bezeichnet, dagegen sind die nichtstandardisierten
Namen (also ohne eine solche Suffigierung) zwar zahlreich, aber
vergleichsweise selten anzutreffen. So kommt z.B. in Moskau auf 2500 Ãóñåâûõ
insgesamt nur eine Familie mit dem FaN Ãóñü.
Aus über 700 000 Familiennamen ermittelte SUPERANSKAJA die Endelemente
und unterscheidet die
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„speziellen Familiennamensuffixe - – îâ/(åâ), -èí, -ñêèé(öêèé, -ñêîé, -öêîé);
die Adjektiv-Suffixe - – èé, -îé, -íîé, -èâûé, -îâû, -íûé, -èñò, -àò, -îâàò,
die Partizipial-Suffixe - – ùèé, -àííûé, -åííûé, -îâàí, -aí;
die Verbal-Suffixe - – àé, (-ÿé), -àë, -èë, -åø;
die Adverbial-Suffixe - – êî, -íî;
die zu Suffixen erstarrten Genitivendungen - – àãî, -îãî, -èõ, -ñêèõ(öêèõ),
-ûõ, -îâûõ, -íûõ, - åíûõ, -îâíûõ, -èíûõ, -åííûõ, -èííûõ, -àíûõ, -îâàòûõ,
-åâàòûõ….“ (SUPERANSKAJA 1997, S. 3 mit Nennung zahlreicher anderer
Endelemente, die auftreten können).
Zu Endelementen schreibt sie:
Wenn man die heutigen standardisierten und nichtstandardisierten FaN als ein anthroponymisches
Ganzes betrachtet, muss man feststellen, dass zur Verdeutlichung der strukturellen
Modelle bei den FaN nicht nur das Suffix an sich, sondern auch die ihm vorangehenden Elemente
wichtig sind, eben jene Elemente, die den Abschluß der Basis des Lexems bilden. Der
Basislaut kann das Ergebnis einer vorangehenden Suffigierung sein oder aber ganz einfach
ein Phonem darstellen, das am Ende der Wurzel des Wortes steht. In Verbindung damit ist es
zweckmäßig, den Begriff Endelement (ôèíàëü) zur Bezeichnung sowohl der morphologischen
Endung mit dem vorangehenden Konsonanten als auch des Suffixes und der Endung mit den
vorangehenden Elementen einzuführen (1997, S. 6).
Nach ihrer Bedeutung werden russische Familiennamen traditionell in vier Gruppen
unterteilt, wobei die jeweilige Ableitungsbasis ausschlaggebend für die Zuordnung
ist. Sie wurden zum Beispiel nach UNBEGAUN (1989, S. 8) gebildet
aus dem Rufnamen (krestil’noje imja), 1.
aus einer Berufsbezeichnung (nazvanie professii), 2.
aus einer geographischen Bezeichnung (geografièeskoe nazvanie) und 3.
aus Beinamen bzw. Übernamen (prozvišèe). 4.
Nach UNBEGAUN (1989, S. 8) hat die Mehrheit der russischen Familiennamen
patronymischen Charakter, was fast ausschließlich durch die Suffixe -ov/-ev, aber
auch mit Hilfe von -in ausgedrückt wird.
In der slavischen Anthroponomastik hat aber auch die genetische Klassifikation,
die auf dem Kriterium der Herkunft des Familiennamens bzw. der zugrundeliegenden
Basis beruht, breite Anwendung gefunden (WENZEL 1996, S. 1275).
Es werden unterschieden:
FaN aus nomina propria, 1.1. FaN aus Rufnamen (slavische, christliche 1.
und fremde (Àáðàìöåâ, Âàëñèëüåâ), 1.2. FaN aus Völker- und Stammesbezeichnungen
(Áåëîðóñ, Ëèòîâêà), 1.3. FaN aus geographischen Na-
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Familiennamen ostslavischer Herkunft im Deutschen
men (Ðîñòîâ; Àðõàíãåëñêèé, Âîëãèí, Áåëîìîðåö).
FaN aus Appellativa, z.B. 2.1. FaN nach Stand und Beruf ( 2. Ãîí÷àðîâ,
Ïîïîâ), 2.2. Übernamen (z.B. nach körperlichen und geistigen Eigenschaften:
Ãóáà÷åâ, Ìîë÷àíîâ, Êðèâîíîñ, aber auch z.B. Bezeichnungen
für Verwandtschaft, Tiere, Pflanzen, Bekleidung, Gebäude, Fortbewegungs-
und Nahrungsmittel (….), 2.3. nach der Wohnstätte (Áðîäîâ,
Ãîðèí, Ëåñîâ) u.a.
Die Bildung russischer Familiennamen lässt sich so sehr gut beschreiben.
Unter den häufigsten russischen FaN befinden sich solche aus nomina propria
gebildeten, wobei die christlichen Taufnamen in ihrer russischen Form (aus Namen
griechischen, lateinischen Ursprungs, wie Iwanow, Petrow, Michailow u.a.)
eindeutig dominieren. Das widerspiegelt die zur Zeit der Familiennamenentstehung
bestehende Namenmode, die, wie in vielen andern Sprachen auch, durch
die Christianisierung geprägt ist.
Zu ukrainischen Familiennamen haben zuletzt BUÈKO und BYJAK (2007, S.
785 ff.) in deutscher Sprache geschrieben. Sie unterscheiden hinsichtlich der Motivation:
Benennungen nach Familienangehörigen, besonders dem Vater 1.
Benennungen nach auffälligen Eigenschaften, Merkmalen und Gewohn- 2.
heiten
Benennungen nach Beruf, Tätigkeit oder Amt 3.
Benennungen nach dem Herkunftsort 4.
Benennungen nach der Wohnstätte. 5.
Mit reichem Beispielmaterial illustriert UNBEGAUN (1989, S. 201 f.) die Familiennamen
ukrainischen Ursprungs, deren Formen er oftmals den russischen
Formen gegenüberstellt.
Die Bildung weissrussischer Familiennamen wird von GUTSCHMIDT (2007, S.
835 ff.) deutschsprachig vorgestellt. Die Eigenart dieser Namengruppe ergibt sich
demnach aus ihrer Stellung zwischen der russischen und der polnischen Anthroponymie.
Nach der motivierenden Basis unterscheidet GUTSCHMIDT:
Familiennamen von Personennamen 1.
Familiennamen aus Übernamen 2.
Familiennamen motiviert aus Ortsnamen 3.
Familiennamen aus Berufsbezeichnungen 4.
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Familiennamen weissrussischen Ursprungs behandelt ebenfalls UNBEGAUN
(1989, S. 227 ff.). Auch hier werden den weißrussischen (oftmals phonetisch geschriebenen)
Familiennamen die russischen Formen gegenübergestellt, was für
weiterführende Untersuchungen hilfreich ist (vgl. weißrussisch Baryseviè vs. russisch
Borisoviè).
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es bei der Bildung ostslavischer
Familiennamen von der Motivation her in den drei Sprachen große
Übereinstimmungen gibt, die Unterschiede liegen eher in der Bildung, d.h. in
den Formen der Ableitungsbasis und den verwendeten Suffixen.
5 Häufige Familiennamen, vereinzelte Familiennamen, sprachlich
interessante Familiennamen
Bei der Bestimmung der Häufigkeit bestimmter Familiennamen gehen wir den
sicherlich legitimen Weg, dass wir im Heimatland ermittelte Häufigkeitslisten
(UNBEGAUN 1989, S. 312 sowie aktueller und auf einem größeren Korpus beruhend
ŽURAWLEW 2005, S. 126 ff.) als Grundlage für eine vergleichende Ermittlung
ihrer Häufigkeit in Deutschland benutzen. Eine Zusammenstellung aller Familiennamen
in Russland existiert nicht bzw. ist nicht zugänglich. Im Folgenden nennen
wir die in Russland häufigsten Familiennamen und ihre deutschen Formen,
wie sie im deutschen Telefonbuch gefundenen wurden (nach den Daten von 2002
bei www.geogen.de). Dahinter findet sich eine Kurzerklärung zur Bedeutung der
Namen.
russ. FaN dt. Form (Häufigkeit) russ. Ausgangsform
1. Èâàíîâ Iwanow (210) RN Ivan
2. Ñìèðíîâ Smirnow (117) RN Smirnoj
3. Êóçíåö Kusnezow (16) BerN zu kuznec ‘Schmied’
4. Ïîïîâ Popow (124) BerN zu pop ‘Priester’
5. Âàñèëüåâ Wasilew (19) RN Vasilij
6. Ïåòðîâ Petrow (163) RN Petr
7. Ñîêîëîâ Sokolow (67) RN Sokol
8. Ìèõàéëîâ Michailow (68) RN Michail
9. Íîâèêîâ Nowikow (87) ÜN zu novyj .neu.
10. Ôåäîðîâ Fedorow (30) RN Feodor
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Familiennamen ostslavischer Herkunft im Deutschen
11. Ìîðîçîâ Morosow (59) ÜN zu moroz ‘Frost’
12. Âîëêîâ Wolkow (96) ÜN zu volk ‘Wolf’
13. Àëåêñååâ Alekseev (21) RN Aleksej
14. Ëåáåäåâ Lebedew (38) ÜN zu lebed’ ‘Schwan’
15. Ñåìåíîâ Semenow (29) RN Semen
16. Åãîðîâ Egorow (23) RN Egorij
17. Ïàâëîâ Pawlow (85) RN Pavel
18. Êîçëîâ Koslow (95) RN Kozel [kosel]
19. Ñòåïàíîâ Stepanow (43) RN Stefan
20. Íèêîëàåâ Nikolaew (39) RN Nikolaj
21. Îðëîâ Orlow (63) ÜN zu orel ‘Adler’
22. Àíäðååâ Andrejew (18) RN Andrej
23. Ìàêàðîâ Makarow (68) RN Makarij
24. Íèêèòèí Nikitin (97) RN Nikita
25. Çàõàðîâ Sacharow (77) RN Zachar [sachár] (Zacharias)
26. Çàéöåâ Saizew (35) ÜN zu zajac ‘Hase’
27. Ñîëîâüåâ Solowjew (21) ÜN zu solovej ‘Nachtigall’
28. Áîðèñîâ Borisow (21) RN Boris
29. ßêîâëåâ Jakowlew (64) RN Jakov
30. Ãðèãîðüåâ Grigorjew (17) RN Grigorij
31. Ðîìàíîâ Romanow (67) RN Roman
32. Âîðîáüåâ Vorobev (20) ÜN zu vorobej ‘Sperling’
33. Ñåðãååâ Sergejew (30) RN Sergej
34. Êóçüìèí Kusmin (67) RN Kuz’ma
35. Ôðîëîâ Frolow (9) RN Frol
36. Àëåêñàíäðîâ Alexandrow (55) RN Aleksandr
37. Äìèòðèåâ Dmitriew (2) RN Dmitrij
38. Êîðîëåâ Korolew (9) ÜN zu korol’ ‘König’
39. Ãóñåâ Gusew (22) ÜN zu gus’ ‘Gans’
40. Êèñåëåâ Kiselew (7) ÜN zu kisel’ ‘Kissel (Mehlspeise)’
41. Èëüèí Ilin (71) RN Il’ja
42. Ìàêñèìîâ Maximow (22) RN Maksim
43. Ïîëÿêîâ Poljakow (34) HN zu poljak ‘Pole’
44. Ñîðîêèí Sorokin (83) ÜN zu soroka ‘Elster’
45. Âèíîãðàäîâ Winogradow (14) ÜN zu vinograd ‘Wein’
46. Êîâàëåâ Kowaljew (1) BerN zu dial. kowal’ ‘Schmied’
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47. Áåëîâ Below (844) ÜN zu belyj ‘weiß, hell’
48. Ìåäâåäåâ Medwedjew (3) ÜN zu medved’ ‘Bär’
49. Àíòîíîâ Antonow (48) RN Anton(ij)
50. Òàðàñîâ Tarasow (31) RN Taras(ij)
51. Æóêîâ Schukow (35) ÜN zu žuk ‘Käfer’
Bis zur 50. Position der häufigsten Familiennamen in Russland können wir feststellen,
dass alle Namen auch im Familiennamenschatz des Deutschen vorkommen
(14 enden auf –ow, 11 auf –in). Neben den genannten Formen finden sich
jeweils noch weitere graphische Varianten, die in einer eigenständigen Untersuchung
ausgewertet werden müssen: So existieren neben Iwanow (210) noch
Iwanov (330), Iwanoff (31), Ivanov (330) und Ivanoff (23).
Interessante slavische Familiennamen dürften vor allem solche sein, die durch
prominente Namenträger international bekannt wurden. KOHLHEIM/KOHLHEIM haben
in der zweiten Auflage des Duden Familiennamenbuches (2005) dem Rechnung
getragen und Namen von ca. 700 international bekannten Persönlichkeiten
aus Literatur, Kunst, Musik, Film, Geschichte, Politik, Sport und Wissenschaft
erklärt, darunter auch fünfunddreißig russische Namen. Sie werden im Anhang
4 genannt.
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