5. Berufsnamen
Zu dieser Namengruppe gehören sowohl Berufsnamen im engeren Sinne (darunter
oft sehr spezialisierte Bezeichnungen) als auch Standes- und Funktionsnamen
wie z. B. Schulz ‘Bürgermeister’ oder Vogt ‘Amtsperson mit rechtlichen
Befugnissen’. Sie sind kultur geschichtlich höchst aufschlussreich und bieten eine
außergewöhnlich große Vielfalt; unter den 20 häufigsten österreichischen Familiennamen
sind 10 Berufsbezeichnungen, in Deutschland noch mehr. In ihnen
widerspiegelt sich die Vielfalt der deutschen regionalen Varietäten (Mundarten
und ältere Schreibsprachen), z. B. Tischler, Tischer, Schreiner, Schreinert und
Fleischer, Fleischhauer, Fleischhacker, Metzger, Metzler; auch ältere Gewerbe
und Berufe leben im Namengut weiter, z. B. Schindler ‘Schindelmacher’, Pfister
‘Bäcker’, Leitgeb / Leutgeb ‘Wirt’ usw. Zu den Namen deutscher Herkunft gesellen
sich auch latinisierte Namensformen (z. B. Agricola ‘Bauer’) und jene aus
den Nachbarsprachen.
Beispiele für Berufsnamen in Österreich: Schuster, Schmied / Schmidt usw.,
Müller / Müllner, Bauer, Glaser, Koller (‘Köhler’), Brenner (‘Schnapsbrenner’),
Marcher (‘Hüter der Grenzsteine’), Kornmesser (ein Marktbeamter), Kastner /
Kästner (Verwalter des „Kornkastens“, Getreidespeichers), Wurster, Messner /
Meßner (‘Mesner’), Herter (‘Hirte’), Scherer, Fragner (‘Kleinhändler’), Kraxner
(‘Hausierer’, weil sie mit einer Krachse ‘Rückentrage’ unterwegs sind) u.v.a.
Aus dem Romanischen stammen Familiennamen wie Purtscher (< porcel-
Heinz Dieter Pohl
262
lus ‘Ferkel’ + -arius, etwa ‘Schweinehirt’, ähnlich bairisch-österreichisch Fockenhuber
/ Vockenhuber / Voggenhuber ‘Schweinebauer’, zu mundartlich Fåck
‘Schwein’) und Faber (‘Schmied’) sowie Maier (< lateinisch maior (domus) ‘Bewirtschafter
eines Gutshofes, Oberster auf einem Gut u.dgl.’) usw.
Beispiele für slawische Familiennamen in Österreich stammen v.a. aus dem
Tschechischen (im Raum Wien) und (insbesondere in Kärnten) aus dem Slowenischen.
Typisch tschechisch sind u.a. Bednáø / Bednar ‘Fassbinder’, Kováø /
Kovar / Kowar usw. ‘Schmied’, Mlynáø / Mlynar / Mlinar usw. ‘Müller’, Švec /
Schwetz usw. und Ševèík / Schefcik usw. ‘Schuster’, Krejèí / Kreitschi usw. und
Krejèík / Kreitschik usw. ‘Schneider’, Kadlec / Kadletz usw., eigentlich Tkadlec
‘Weber’.
Typisch slowenische Familiennamen sind u.a. Kovaè / Kowatsch ‘Schmied’,
Mlinar und Mleènik / Mletschnik ‘Müller’, Tekalec / Tkalec ‘Weber’, Župan /
Suppan usw. und Županc / Suppanz usw. ‘Gemeindevorsteher, Bürgermeister,
Vogt’ (eigentlich ‘Gaufürst’), Klobuèar ‘Hutmacher’. Viele slowenische Familiennamen
beruhen auf deutschen Lehnwörtern wie Tišler / Tischler neben Mizar
/ Misar, Žnidar ‘Schneider’, Šribar neben Pisar ‘Schreiber’, Kramar / Kramer
‘Krämer’, Fister ‘Pfister (Bäcker)’, Pek ‘Bäck’ usw. Bemerkenswert sind ins Slowenische
entlehnte und dann umgeformte Berufsbezeichnungen wie Šusteriè /
Schusteritsch oder Müllneritsch sowie Pauritsch (zu mundartlich pav.r ‘Bauer’).
Aus anderen slawischen Sprachen stammen dann Varianten zu den genannten
wie Kowal ‘Schmied’, Szewc ‘Schuster’ (beide v.a. polnisch), kroatisch in ungarischer
Schreibung (Burgenland) z. B. Kovács ‘Schmied.
6. Übernamen
Die Gruppe der Übernamen ist wohl die größte. Manche Autoren13 zählen bis zu
14 Untergruppen auf, wobei es freilich fließende Übergange gibt. Unter einem
Übernamen versteht man einen Namen, der besondere Eigenheiten einer Person
oder der von ihr ausgeübten Tätigkeit darstellt. So zahlreich wie die körperlichen
Auffälligkeiten, charakterlichen Eigenheiten und die Tätigkeiten von Menschen
13 So u.a. NAUMANN 1994, S. 26f.
263
Familiennamen slowenischer Herkunft in Kärnten
sind, so zahlreich sind auch die aus den Übernamen gebildeten heutigen Familiennamen,
wobei – wie bei den andern Familiennamen – sich auch regionale
sprachliche Unterschiede zeigen, z. B. norddeutsch Störtebecker, süddeutsch
Stürzenbecher (Übername eines Menschen, der gerne trinkt, ‘den Becher stürzt’)
oder norddeutsch Knoop, Knopp, süddeutsch Knopf (dazu alemannisch Knöpfle,
Knöpfli, Übername eines Knopfmachers oder auch für einen kleinen, rundlichen
Menschen). Zu den Übernamen sind auch zahlreiche ursprüngliche Spott und
Spitznamen zu rechnen, wie die beiden soeben genannten Beispiele.
Die Übernamen „rekrutieren“ sich, wenn sie sich auf Berufe beziehen, aus
Wörtern von Werkzeugen (z. B. Hobel) und -stoffen (z. B. Glas) sowie Geräten
(z. B. Pflug) und Erzeugnissen (z. B. Wurst), wenn sie sich auf charakterliche Eigenschaften
beziehen, aus Wörtern für soziale Ränge (z. B. Graf für einen überheblichen
oder selbstbewussten Menschen), für Tiere (z. B. Fuchs für einen listigen
Menschen), für bestimmte Vorlieben (z. B. Trinkl, Trinks für trinkfreudige
Personen) und Verhaltensweisen (z. B. Holaus, Hollaus für einen Raufbold: ‘hol
aus’) u.v.a.m. Diese kleine Übersicht möge dies näher illustrieren:
Körperliche Kennzeichen und Körperteile 1. : Kraus / Krause / Krauskopf
usw., Strobl / Strobel (‘struppig’), Groß / Großmann usw., Klein / Kleiner
/ Kleinert, Haupt, Schiller (‘Schieler’), Schenkel. Aus dem Slowenischen:
Male / Malle ‘klein, kurz’, Glavaè, Glavar ‘Großkopf’, Velik
‘groß’, Èerni, Èernut, Èrniè usw. bzw. Tscherne usw. zu èrn ‘schwarz’,
Košat / Koschat ‘untersetzt’.
Geistige und charakterliche Eigenschaften, Gewohnheiten, Sprechweise 2. :
Schnell, Klug / Kluge, Frühauf, Bier, Zorn. Aus dem Slowenischen: Bister
/ Wister ‘schnell, klug’ (nicht zu verwechseln mit Fister aus Pfi ster
‘Bäcker), Pipp ‘Raufer’ (zu pipati ‘raufen, streiten’), Pivk / Piuk ‘Trinker’
(zu piti ‘trinken’).
Verwandtschaft, Alter, Geschlecht, zwischenmenschliche Beziehungen 3. :
Alt / Alter / Altmann, Jung / Jungmann, Oheim / Ohm, Vetter / Vetters,
Freund. Aus dem Slowenischen: Stare, Starc / Starz (zu star ‘alt’), Fant
‘Bursche’, Prijatelj ‘Freund’, Koštrun (wie deutsch Kostraun, Gstrein
für einen lange ohne Nachwuchs gebliebenen, Spottname aus romanisch
castrone ‘kastrierter Bock’),
Heinz Dieter Pohl
264
Weltliche und geistliche Würdenträger 4. : Kaiser / Keyser usw., König,
Ritter, Marschall, Probst, Vogt (ursprünglich Spitznamen auf Grund des
Verhaltens der so benannten Person). Aus dem Slowenischen: Kralj /
Krall ‘König’, Knez / Knes ‘Fürst’, Škof ‘Bischof’, Vitez ‘Ritter’, Vavpot
/ Vavpet (aus valpot ‘Amtmann, Vogt’).
Tiere 5. : Adler, Falk (beide nach dem Aussehen oder dem scharfen Blick),
Fuchs / Fux / Voss usw. (‘schlau, listig’), Pfau (‘eitel’), Storch (nach dem
Gang, nach dünnen, langen Beinen u.dgl.). Aus dem Slowenischen: Orel
‘Adler’, Èap ‘Reiher’, Kozel / Kozlik ‘(Ziegen-) Bock’, Liška / Lischka
‘Fuchs’, Kos / Kues ‘Amsel’, Sokol / Sokoll ‘Falke’, Skuk ‘Unke’. – Insbesondere
Vogelnamen sind bei allen Slawen sehr beliebt; einige tschechische
Beispiele: Èížek / Cizek usw. ‘Zeisig’, Slavík / Slawik ‘Nachtigall’
(polnisch S³owik / Slowick), Kavka / Kafka ‘Dohle’, Èermák / Cermak
‘Rotkehlchen’, Sova / Sowa ‘Eule’, Sokol ‘Falke’, Strnad ‘Goldammer’,
Vrána ‘Krähe’, Havran ‘Rabe’. In Kärnten aus dem Slowenischen
Strnad / Sternat ‘Goldammer’, Kos / Kues / Kuehs ‘Amsel’ (slowenisch
kos, mundartlich kues usw.), Šoja / Schoier / Tschojer ‘Eichelhäher’,
usw., Èižej / Èižek / Schischegg / Schischek / Tschische / Tschischey
‘Zeisig’ (slowenisch èižek), Butej / Wutte / Wuttej ‘Wiedehopf’ (slowenisch
mundartlich butej), Golob / Galob / Gollob / Gallob ‘Taube’ (auch
Golobiè / Gallobitsch usw., slowenisch golob), Gavran ‘Rabe’, Sowa
‘Eule’ (slowenisch sova), Èuk / Tschuck ‘Uhu’ (slowenisch èuk), Žerjav
/ Žerjal [-³] / Scheriau / Scherjau ‘Kranich’ (slowenisch žerjav), Drosg
‘Drossel’ (slowenisch drozg), Petelin / Petelinc / Peteln / Petelinz ‘Hahn’
(slowenisch petelin).
Pfl anzen und Früchte 6. (meist Übernamen für Gärtner, Sammler u.dgl.):
Knoblauch / Knobloch / Knoblich, Pilz / Pils, Pfeffer / Pfefferkorn, Haber
/ Haberl (‘Hafer’). Aus dem Slowenischen: Èebul / Tschebull ‘Zwiebel’,
Ovsenk, Avsesik, Ovšešnik (zu oves ‘Hafer’), Pšeniènik / Pschenitschnik
(zu pšenica ‘Weizen’), Koruza ‘Mais’, Prosen (zu proso ‘Hirse’).
Speisen und Getränke 7. : Senf / Senft, Bier / Biermann, Aus dem Slowenischen:
Smetana ‘Rahm’, Krap ‘Krapfen und Karpfen’, Štrukelj / Struckel
‘Art Strudel’, Klobasa ‘Wurst’.
265
Familiennamen slowenischer Herkunft in Kärnten
Arbeitsgeräte 8. , Werkzeuge und Gefäße, Werkstoffe, Produkte: Hammer,
Hobel, Nagel, Kober / Köber (‘Korb, Tasche, Fischreuse’), Kesselring,
Hackel / Hackl. Aus dem Slowenischen: Klade, Kladnik / Kladnig (zu
klada ‘Holzblock, Klotz’), Sekul / Sekol (zu sekulja ‘Axt’), Kosche, Koschitz
(zu koš ‘Korb’), Kolovrat / Kolowrat ‘Spinnrad’.
Münzen 9. , Maße und Gewichte sowie Zahlen und alles, was damit zusammenhängt:
Schilling, Heller / Haller, Scheffel, Zwölfer, Habenichts. Aus
dem Slowenischen: Tolar ‘Taler’, Reven ‘arm’, Bogatec / Bogataj / Wogataj
‘Reichmann’.
Religion und Brauchtum 10. , Mythologie und Aberglaube: Teufel / Deibel /
Teifel usw., Rosenkranz, Kirchtag = Kirmes (‘Kirchweihfest’), Ungeheuer.
Aus dem Slowenischen: Hudec / Hudetz, Hudej, Zlodej ‘Teufel’, Pust
‘Fasching, Karneval’, Mesopust / Masopust ‘Fastnacht’
Zeit und Wetter 11. : Hornung (‘Februar’), Mai / May usw., Mittag, Freitag,
Sommer, Herbst, Sturm / Storm, Ungewitter, Frost. Aus dem Slowenischen:
Zíma / Sima ‘Winter’, Mraz ‘Frost’, Petek ‘Freitag’.
Literatur
DUDEN 2000: Familiennamen. Herkunft und Bedeutung (bearbeitet von Rosa und Volker Kohlheim).
Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich.
FEINIG, A.; T. FEINIG 2004/2005: Familiennamen in Kärnten und den benachbarten Regionen. Klagenfurt/
Celovec (= Studia carinthiaca XXVI).
HORNUNG, M. 2002: Lexikon österreichischer Familiennamen. Wien.
KUNZE, K. 1998: dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet.
München (2. Auflage 1999).
NAUMANN, H. 1994: Das große Buch der Familiennamen. Alter, Herkunft, Bedeutung. Augsburg.
KEBER, J. 1996: Leksikon imen. Izvor imen na Slovenskem. Celje.
KRONSTEINER, O. 1975: Die alpenslawischen Personennamen. Wien.
POHL, H. D. 2005: Slowenisches Erbe in Kärnten und Österreich: ein Überblick. In: Kärntner Jahrbuch
für Politik 2006, S. 127–160 (= 2005a).
POHL, H. D. 2005: Die Slavia submersa in Österreich: ein Überblick und Versuch einer Neubewertung.
In: Linguistica XLV, S. 129–150 (= 2005b).
UDOLPH, J.; S. FITZEK 2005: Professor Udolphs Buch der Namen. Woher sie kommen. Was sie
bedeuten. München.
267
UWE BÜTTNER
Bulgarische Familiennamen in Deutschland
1 Vorbemerkungen
Geschichtsinteressierte werden wissen, dass es zwischen Deutschland und Bulgarien
schon immer enge Beziehungen gegeben hat und damit deutsche Namen
in Bulgarien oder bulgarische Namen in Deutschland im Prinzip nichts Ungewöhnliches
darstellen. So wurde beispielsweise am 29. 04. 1879 der Deutsche
Alexander Joseph von Battenberg (Àëåêñàíäúð Éîçåô ôîí Áàòåíáåðã) von der
bulgarischen Nationalversammlung einstimmig zum Fürsten gewählt. Im Reichstagsbrandprozess
1933 wurden auch drei bulgarische Kommunisten angeklagt:
Georgi Dimitroff (Ãåîðãè Äèìèòðîâ, vgl. Äèìèòúð – Demetrius)1, Blagoi Popow
(Áëàãîé Ïîïîâ, vgl. ïîï ‘Pope, Pfarrer’) und Wassil Tanew (Âàñèë Òàíåâ,
vgl. Òàí verkürzt von Àòàíàñ u. a.).
Politikinteressierte werden wissen, dass der bulgarische Zar Simeon Sakskoburg(
g)otski (Ñèìåîí Ñàêñêîáóðãîòñêè), der vom 24. 07. 2001 bis zum
17. 08. 2005 auch bulgarischer Ministerpräsident war, der Enkel von Ferdinand
I. (* 1861 Wien – † 1948 Coburg) ist, der von 1887–1918 als bulgarischer Fürst
und Zar die Geschicke Bulgariens mitbestimmte und aus der Dynastie Sachsen-
Coburg-Gotha der Wettiner stammte.
Musikinteressierte werden wissen, dass zu dem berühmten Sextett „Comedian
Harmonists“ auch der Bulgare Ari Leschnikoff (Àñïàðóõ (Àðè) Ëåøíèêîâ;
1897–1978, vgl. Àñïàðóõ ‘Name des Gründers des bulgarischen Staates’, 681;
ëåøíèê ‘Haselnuss’) gehörte. Die Bulgarin Lucy (Ludmilla Diakowska / Diakovska
/ Djakovska, vgl. äÿê ‘Schrifttumpfleger, Grammatiker im Mittelalter, Schüler
dial.’; äÿêîâ ‘Grammatiker-, Schüler-’) wurde durch die Girlgroup „No Angels“
berühmt. Viele Bulgaren und Bulgarinnen sind Mitglieder der verschiedensten
Ensembles (Fernsehballett, Oper, Theater usw.). Kunstinteressierte werden
wissen, dass es der Bulgare Christo Jawascheff / Javašev (vgl. ÿâàø ‘mild,
leicht Tabak’, ‘langsam, gemächlich, ruhig’) war, der in Berlin den Reichstag
künstlerisch verpacken ließ.
1 Siehe ausführlicher HALBACH 1999.
268
Uwe Büttner
Literaturinteressierte werden wissen, dass Rumjana Zacharieva (Ðóìÿíà Çà-
õàðèåâà, vgl. çàõàð ‘Zucker’, Çàõàðèé ‘Zacharias’ Prophet) eine bulgarische
Schriftstellerin ist, die inzwischen auch in deutscher Sprache literarische Werke
veröffentlicht. Daneben gibt es zahlreiche bulgarische Journalisten und Dolmetscher
sowie Übersetzer, die für die verschiedensten Medien (auch die „Deutsche
Welle“), Firmen und Organisationen in Deutschland tätig sind.
Und nicht zuletzt werden Sportinteressierte wissen, dass viele bulgarische
Fußballer in der Bundesliga spielen oder gespielt haben, aber auch in vielen anderen
Sportdisziplinen in Deutschland ihr Geld verdienen. Stellvertretend für diese
seien die Fußballer Krasimir Balakov (Êðàñèìèð Áàëúêîâ, vgl. áàëúê ‘dumm’),
Dimiter Berbatow ( Äèìèòúð Áåðáàòîâ, vgl. áåðáàò ‘ungewaschen, schmutzig’)
und Peter Petrow (Ïåòúð Ïåòðîâ, vgl. Ïåòúð ‘Petrus’) genannt.
Die angeführten Beispiele bestätigen den noch heute in Bulgarien populären
Spruch „íèå ñìå íà âñåêè êèëîìåòúð” (wörtl. „wir stehen bei jedem Kilometer“)
mit der übertragenen Bedeutung „wir sind überall“2, natürlich auch in
Deutschland.
In Deutschland sollen etwa 40 000 Bulgaren leben3, was im Vergleich zu anderen
ausländischen Bevölkerungsgruppen zwar eine verschwindend geringe Zahl
ist, jedoch im Hinblick auf die weiter sinkende Bevölkerungszahl im Mutterland
(z. Z. ca. 8 Mio.) in einem ganz anderen Licht erscheint. Wenn die Angaben
stimmen, leben inzwischen im Ausland zumindest genauso viele Bulgaren wie in
Bulgarien selbst.
Um die Problematik der bulgarischen Familiennamen in Deutschland besser
erfassen zu können, macht sich ein Exkurs zur Derivation und anderen Fragen bei
den bulgarischen Namen unumgänglich.
2 „Íà âñåêè êèëîìåòúð“ ist der Titel einer berühmten und damals gern gesehenen bulgarischen
Abenteuerserie vom Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre. Die 26 Teile beschreiben im
1. Teil die Ereignisse bis zur Befreiung Bulgariens vom Faschismus (09. 09. 1944) und im 2. Teil
die Ereignisse nach dem II. Weltkrieg. Im Mittelpunkt steht die Partisanen- resp. die Agententätigkeit.
In einem der Dialoge heißt es: „Íèå ñìå íà âñåêè êèëîìåòúð, îò òóê äî êðàÿ íà ñâåòà“.
(„Wir stehen bei jedem Kilometer, von hier bis ans Ende der Welt.“)
3 Die Ausländerstatistik von 1999 gibt insgesamt 32 290 bulgarische Bürger an, davon 18 230
Männer und 14 060 Frauen (http: // www.auslaender-statistik.de /, 17. 07. 2009). In der Statistik
von 2006 rangieren die Bulgaren unter „Übrige“ (ebd.).
269
Bulgarische Familiennamen in Deutschland
2 Bildungsweise bulgarischer Familiennamen
Dem Verständnis der bulgarischen FaN sollen einige kurze Bemerkungen zu ihrer
Bildungsweise dienen. Die bulgarischen Namen sind als ein spezifischer Reflex
urslawischer und indoeuropäischer Tradition sowie der Kontakte mit den Nachbarländern
bzw. der Beziehungen zu den Besatzungsmächten aufzufassen und
tragen somit auch die Züge der jeweiligen Entwicklungsstufe des Landes sowie
der bulgarischen Sprache selbst.
In allen offiziellen bulgarischen Dokumenten stehen nicht nur zwei, sondern
drei Namen:
a) Vorname4 (ìàëêî / ñîáñòâåíî èìå)
b) Vatersname5 (áàùèíî èìå)6
c) Familienname (Zuname / Nachname; ôàìèëèÿ/ôàìèëíî èìå).
Vorname Vatersname Familienname
männliche Person Èâàí Ìàðèíîâ Áîãäàíîâ
weibliche Person Âåñåëèíà Ñòîÿíîâà Èâàíîâà
Tab. 1: Beispiele
4 Der bulgarischen Tradition zufolge orientiert sich die Vergabe des Vornamens an den Neugeborenen
an der Familie (Großeltern), an den Heiligen des Kirchenkalenders (vor allem Èâàí
– Johannes, Ãåîðãè – Georg, Äèìèòúð – Demetrius, Èëèÿ – Elias, Ïåòúð – Petrus, Ìèõàèë
– Michael, Íèêîëàé – Nikola/Nikolaus; 54 % aller Vornamen) und an der Entscheidung des
Taufpaten. Als Reihenfolge wird angenommen: Schwiegereltern, Geschwister in der männlichen
Linie, Taufpaten. Normalerweise bekommt ein Junge den Namen des Großvaters und ein Mädchen
den der Großmutter. Später war es dann auch möglich, dies zu tauschen, wenn nicht genügend
Kinder vorhanden waren, um alle Großeltern namentlich zu berücksichtigen. In der Gegenwart
erfolge die Taufe meist auf den Namen derjenigen Person, die das Kind aufziehen würde.
5 Der Vatersname einer jeden Person ist der Vorname des Vaters und steht stets an zweiter Stelle
des Namens. Nur in ganz wenigen Fällen steht anstelle des Vatersnamens der Muttername. Die
Suffixe -îâ(à) resp. -åâ(à) weisen auf das Geschlecht des Kindes hin. Die Mutternamen werden
mit dem Suffix -èí gebildet, vgl. Ãàíèí, Ãèíêèí, Àíäðåé÷èí. Manchmal werden diese
Namen in der Umgangssprache auch für die entsprechenden Ehemänner verwendet, meist mit
pejorativer Bedeutung, vgl. Ãèíêèíèÿò ‘der Alte von der Ginkin’ (ST. GEORGIEV 1999, S. 163).
Bei unehelichen Kindern wird usuell der Vorname der Mutter herangezogen: Äîíêà > Äîíêèí,
Ìàðà > Ìàðèí, Ïåíêà > Ïåíèí.
6 Die Bezeichnung ïðåçèìå bezieht sich auf einen Zu(satz)namen, der dem Vornamen zur besseren
Unterscheidung hinzugefügt wird. Es kann ein Vatersname (áàùèíî èìå), ein Familienname
(ôàìèëíî èìå) oder auch ein Beiname (ïðÿêîðíî èìå) sein (vgl. KOVAÈEV 1987, S. 120).
Nach ST. GEORGIEV 1999, S. 162, sind es die Namen der Eltern oder die Familiennamen.
270
Uwe Büttner
Bei den Vatersnamen handelt es sich um sog. Patronymika, d. h. durch die Angabe
des väterlichen Vornamens wird die genealogische Herkunft des Trägers
mitbezeichnet. Dies geschieht durch das Anfügen der Suffixe -îâ(à) resp. -åâ(à)
an den Vornamen des Vaters.
Nach St. GEORGIEV (1999, S. 163 f.) werden mit den Suffixen -îâ / -åâ, -ñêè und
-èí jene Familiennamen gebildet, die von Bei- oder Gattungsnamen abgeleitet
werden (áú÷âà ‘Fass’, áú÷âàð ‘Böttcher’ > Áú÷âàðîâ; áóþêëèÿ ‘schnauzbärtig’
> Áóþêëèåâ; âîäåíè÷àð ‘(Wasser-)Müller’ > Âîäåíè÷àðñêè; âëàäèêà ‘Bischof’
> Âëàäèêèí). Mit den Suffixen -ñêè, -øêè und -÷êè erfolgen die Ableitungen
von Toponymen (Âàðäàð > Âàðäàðñêè; Áàòàê > Áàòàøêè; Áåëîðåê
> Áåëîðå÷êè).
Der Familienname ist traditionell der Vorname des Großvaters (väterlicherseits)
oder der Name der Familie des Vaters, durch den dieser in der Gesellschaft
bekannt ist. Durch diesen Namen werden somit drei Generationen miteinander
verbunden.7
1. Generation: Großeltern (väterlicherseits)
Èâàí Áîãäàíîâ und Âåñåëèíà Áîãäàíîâà
2. Generation: Kinder (Sohn / Tochter der Familie Bogdanov)
Bei Geburt der Kinder des Ehepaares (hier: Èâàí Áîãäàíîâ und Âåñåëè-
íà Áîãäàíîâà), erhalten die Nachkommen z. B. die Vornamen Àíãåë und
Àíãåëèíà und heißen somit Àíãåë Áîãäàíîâ resp. Àíãåëèíà Áîãäàíîâà.
Und mit Vatersnamen dann Èâàíîâ / Èâàíîâà. Es entsteht somit der komplette
Familienname des Sohnes Àíãåë Èâàíîâ Áîãäàíîâ und der Tochter
Àíãåëèíà Èâàíîâà Áîãäàíîâà.
3. Generation:8 Enkel
7 Formal betrachtet sind die Vaters- und Familiennamen Possessivadjektive, vgl. z. B. Àñåíîâà
êðåïîñò, Áîòüîâà êíèãà, Ïåí÷îâ ìîñò usw.
8 Nach der weit verbreiteten Volkstradition wurde das erstgeborene Kind, wenn es ein Junge war,
auf den Namen des Großvaters getauft, und wenn es ein Mädchen war, dann auf den der Großmutter
väterlicherseits. Das zweite Kind wiederum soll das Leben der Großeltern mütterlicherseits
fortsetzen. Die danach geborenen Kinder wurden auf den Namen eines nahen Verwandten getauft
oder auf den Namen des Paten selbst, der meistens auch ein naher Verwandter war. Von dieser
Regel wurde dann eine Ausnahme zugelassen, wenn das Kind an einem großen Feiertag das Licht
der Welt erblickt hat. In diesem Fall hat es den Namen des entsprechenden Heiligen bekommen.
Aus diesem Grunde wurde z. B. der berühmte bulg. Dichter Christo Botev, obwohl er der erstgeborene
Sohn war, auf den Namen Õðèñòî getauft, da er genau zu Weihnachten geboren wurde.
Sein nächster Bruder hat dann die väterliche Linie mit dem Namen Ïåòêî fortgesetzt.
271
Bulgarische Familiennamen in Deutschland
Wenn der Sohn oder die Tochter wiederum Kinder bekommen, wird, wie oben angedeutet,
(meist auch bei Adoptionen von Säuglingen) der Vorname des Großvaters (hier:
Èâàí) oder der Großmutter (hier: Âåñåëèíà) an den Enkel oder die Enkelin, d. h. an die
Erstgeborenen, vergeben. (Nur wenn diese Angehörigen bereits verstorben sein sollten,
werden die Namen der Großeltern mütterlicherseits herangezogen.)9 Somit ergibt sich:
Èâàí Àíãåëîâ Áîãäàíîâ resp. Âåñåëèíà Àíãåëîâà Áîãäàíîâà.
Nur relativ wenige Familiennamen enden nicht auf diese Suffixe, sondern auf
-ñêè (z. B. Ñàêàäæèéñêè, Äàëàê÷èéñêè), -ÿí (z. B. Ìàãàðäè÷ÿí) oder -èí
(z. B. Äóíèí, Âëàäèêèí) und sind dann fremder Herkunft bzw. von Toponymen
abgeleitete Personennamen (s. u.).
Wenn vom Familiennamen ein Plural gebildet wird (Èâàíîâ > Èâàíîâè;
Êàë÷åâ > Êàë÷åâè …) kann dieser zu einem Sippennamen werden und bezeichnet
dann die Gesamtheit der Familie resp. die ganze Sippe, also die Ivanovs / die
Familie Ivanov / der Ivanov-Clan u. ä.10
An den bulgarischen Hof- und Wohnungstüren sowie Briefkästen findet man
entweder nur die Pluralformen der Familiennamen, oder diese auch zusammen
mit den Vornamen, vgl. Èâàíîâè, Ðà÷åâè, Íèêîëîâè, Òåðçèåâè resp. Èâàí è
Âåñåëèíà Áîãäàíîâè, Ìàðèíà è Áîÿí Ðà÷åâè usw.
Im Bulgarischen gibt es wie im Deutschen bei den Familiennamen auch Doppelnamen
(z. B. Æàíà Íèêîëîâà-Ãúëúáîâà). Die mögliche Änderung von Namen
wird heute durch die „Verordnung zum Führen des Personenstandsregisters“
geregelt. Wenn eine Frau heiratet, nimmt sie gewöhnlich den Familiennamen
ihres Ehemannes an11, bei Scheidung wieder ihren Mädchennamen. Neuerdings
nehmen aber auch Männer12 den Namen der Ehefrau an (STAREVA 2006, S. 6).13
9 Chronologisch folgte dieser Tradition dann die Vergabe von Namen von Schutzgöttern und
Heiligen.
10 Diese Pluralformen müssen von den „normalen“ Pluralformen der Familiennamen unterschieden
werden, für die im Dt. z. B. Familie Bogdanov (ñåìåéñòâî Áîãäàíîâè), Herr und Frau
Radev (ãîñïîäèí è ãîñïîæà Ðàäåâè), die Brüder Georgiev / die Georgiev-Brüder (áðàòÿ Ãåîð-
ãèåâè), die Gebrüder Bosev (áðàòÿ Áîñåâè) oder die Schwestern Miladinov / die Miladin-ov-
Schwestern (ñåñòðè Ìèëàäèíîâè) erscheinen würden.
11 Bei den Frauennamen ist somit zwischen den Vatersnamen und den (Ehe-)Männer-Namen zu
unterscheiden. Èâàí > Èâàíîâ > Èâàíîâà (Ehefrau oder Tochter von Ivanov).
12 Wenn in der Vergangenheit ein Mann in das Haus seiner Frau zog, hatte er seinen Namen geändert
oder im Zweitnamen war der Name seiner Frau enthalten, vgl. Äèìî Ïåíèí (von Ïåíêà),
Âàñèë Ìàðèí (von Ìàðèíà; STAREVA 2006, S. 12).
13 Der Namenswechsel bei einer Hochzeit seitens der Frau wird in der bulg. Folkloristik als das
symbolische Sterben des Mädchens gedeutet, als Abschluss des einen Lebens und als Beginn
eines neuen. (STAREVA 2006, S. 11). In einigen Fällen wurde neben dem Familiennamen auch
Uwe Büttner
272
Während in früheren Epochen aufgrund der Formenvielfalt, wie bereits angedeutet,
kaum ein Name doppelt vorkam, was natürlich auch mit der Bevölkerungszahl
zusammenhängt, ist heute durch den immer noch wirkenden Mechanismus
der Namensgebung (s. o.) eher das mehrfache Auftreten gleicher (Vor-,
Vaters- und Familien-)Namen typisch, was mit den unterschiedlichsten Folgen
verbunden sein kann.
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