1 Familiennamen aus germanischen Sprachen Ulf Timmermann Friesische Familiennamen



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5. Berufsnamen

Zu dieser Namengruppe gehören sowohl Berufsnamen im engeren Sinne (darunter

oft sehr spezialisierte Bezeichnungen) als auch Standes- und Funktionsnamen

wie z. B. Schulz ‘Bürgermeister’ oder Vogt ‘Amtsperson mit rechtlichen

Befugnissen’. Sie sind kultur geschichtlich höchst aufschlussreich und bieten eine

außergewöhnlich große Vielfalt; unter den 20 häufigsten österreichischen Familiennamen

sind 10 Berufsbezeichnungen, in Deutschland noch mehr. In ihnen

widerspiegelt sich die Vielfalt der deutschen regionalen Varietäten (Mundarten

und ältere Schreibsprachen), z. B. Tischler, Tischer, Schreiner, Schreinert und

Fleischer, Fleischhauer, Fleischhacker, Metzger, Metzler; auch ältere Gewerbe

und Berufe leben im Namengut weiter, z. B. Schindler ‘Schindelmacher’, Pfister

‘Bäcker’, Leitgeb / Leutgeb ‘Wirt’ usw. Zu den Namen deutscher Herkunft gesellen

sich auch latinisierte Namensformen (z. B. Agricola ‘Bauer’) und jene aus

den Nachbarsprachen.

Beispiele für Berufsnamen in Österreich: Schuster, Schmied / Schmidt usw.,



Müller / Müllner, Bauer, Glaser, Koller (‘Köhler’), Brenner (‘Schnapsbrenner’),

Marcher (‘Hüter der Grenzsteine’), Kornmesser (ein Marktbeamter), Kastner /

Kästner (Verwalter des „Kornkastens“, Getreidespeichers), Wurster, Messner /

Meßner (‘Mesner’), Herter (‘Hirte’), Scherer, Fragner (‘Kleinhändler’), Kraxner

(‘Hausierer’, weil sie mit einer Krachse ‘Rückentrage’ unterwegs sind) u.v.a.

Aus dem Romanischen stammen Familiennamen wie Purtscher (< porcel-

Heinz Dieter Pohl

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lus ‘Ferkel’ + -arius, etwa ‘Schweinehirt’, ähnlich bairisch-österreichisch Fockenhuber

/ Vockenhuber / Voggenhuber ‘Schweinebauer’, zu mundartlich Fåck

‘Schwein’) und Faber (‘Schmied’) sowie Maier (< lateinisch maior (domus) ‘Bewirtschafter

eines Gutshofes, Oberster auf einem Gut u.dgl.’) usw.

Beispiele für slawische Familiennamen in Österreich stammen v.a. aus dem

Tschechischen (im Raum Wien) und (insbesondere in Kärnten) aus dem Slowenischen.

Typisch tschechisch sind u.a. Bednáø / Bednar ‘Fassbinder’, Kováø /

Kovar / Kowar usw. ‘Schmied’, Mlynáø / Mlynar / Mlinar usw. ‘Müller’, Švec /

Schwetz usw. und Ševèík / Schefcik usw. ‘Schuster’, Krejèí / Kreitschi usw. und

Krejèík / Kreitschik usw. ‘Schneider’, Kadlec / Kadletz usw., eigentlich Tkadlec

‘Weber’.


Typisch slowenische Familiennamen sind u.a. Kovaè / Kowatsch ‘Schmied’,

Mlinar und Mleènik / Mletschnik ‘Müller’, Tekalec / Tkalec ‘Weber’, Župan /

Suppan usw. und Županc / Suppanz usw. ‘Gemeindevorsteher, Bürgermeister,

Vogt’ (eigentlich ‘Gaufürst’), Klobuèar ‘Hutmacher’. Viele slowenische Familiennamen

beruhen auf deutschen Lehnwörtern wie Tišler / Tischler neben Mizar

/ Misar, Žnidar ‘Schneider’, Šribar neben Pisar ‘Schreiber’, Kramar / Kramer

‘Krämer’, Fister ‘Pfister (Bäcker)’, Pek ‘Bäck’ usw. Bemerkenswert sind ins Slowenische

entlehnte und dann umgeformte Berufsbezeichnungen wie Šusteriè /

Schusteritsch oder Müllneritsch sowie Pauritsch (zu mundartlich pav.r ‘Bauer’).

Aus anderen slawischen Sprachen stammen dann Varianten zu den genannten

wie Kowal ‘Schmied’, Szewc ‘Schuster’ (beide v.a. polnisch), kroatisch in ungarischer

Schreibung (Burgenland) z. B. Kovács ‘Schmied.



6. Übernamen

Die Gruppe der Übernamen ist wohl die größte. Manche Autoren13 zählen bis zu

14 Untergruppen auf, wobei es freilich fließende Übergange gibt. Unter einem

Übernamen versteht man einen Namen, der besondere Eigenheiten einer Person

oder der von ihr ausgeübten Tätigkeit darstellt. So zahlreich wie die körperlichen

Auffälligkeiten, charakterlichen Eigenheiten und die Tätigkeiten von Menschen

13 So u.a. NAUMANN 1994, S. 26f.

263


Familiennamen slowenischer Herkunft in Kärnten

sind, so zahlreich sind auch die aus den Übernamen gebildeten heutigen Familiennamen,

wobei – wie bei den andern Familiennamen – sich auch regionale

sprachliche Unterschiede zeigen, z. B. norddeutsch Störtebecker, süddeutsch



Stürzenbecher (Übername eines Menschen, der gerne trinkt, ‘den Becher stürzt’)

oder norddeutsch Knoop, Knopp, süddeutsch Knopf (dazu alemannisch Knöpfle,



Knöpfli, Übername eines Knopfmachers oder auch für einen kleinen, rundlichen

Menschen). Zu den Übernamen sind auch zahlreiche ursprüngliche Spott und

Spitznamen zu rechnen, wie die beiden soeben genannten Beispiele.

Die Übernamen „rekrutieren“ sich, wenn sie sich auf Berufe beziehen, aus

Wörtern von Werkzeugen (z. B. Hobel) und -stoffen (z. B. Glas) sowie Geräten

(z. B. Pflug) und Erzeugnissen (z. B. Wurst), wenn sie sich auf charakterliche Eigenschaften

beziehen, aus Wörtern für soziale Ränge (z. B. Graf für einen überheblichen

oder selbstbewussten Menschen), für Tiere (z. B. Fuchs für einen listigen

Menschen), für bestimmte Vorlieben (z. B. Trinkl, Trinks für trinkfreudige

Personen) und Verhaltensweisen (z. B. Holaus, Hollaus für einen Raufbold: ‘hol

aus’) u.v.a.m. Diese kleine Übersicht möge dies näher illustrieren:

Körperliche Kennzeichen und Körperteile 1. : Kraus / Krause / Krauskopf

usw., Strobl / Strobel (‘struppig’), Groß / Großmann usw., Klein / Kleiner

/ Kleinert, Haupt, Schiller (‘Schieler’), Schenkel. Aus dem Slowenischen:

Male / Malle ‘klein, kurz’, Glavaè, Glavar ‘Großkopf’, Velik

‘groß’, Èerni, Èernut, Èrniè usw. bzw. Tscherne usw. zu èrn ‘schwarz’,



Košat / Koschat ‘untersetzt’.

Geistige und charakterliche Eigenschaften, Gewohnheiten, Sprechweise 2. :

Schnell, Klug / Kluge, Frühauf, Bier, Zorn. Aus dem Slowenischen: Bister



/ Wister ‘schnell, klug’ (nicht zu verwechseln mit Fister aus Pfi ster

‘Bäcker), Pipp ‘Raufer’ (zu pipati ‘raufen, streiten’), Pivk / Piuk ‘Trinker’

(zu piti ‘trinken’).

Verwandtschaft, Alter, Geschlecht, zwischenmenschliche Beziehungen 3. :

Alt / Alter / Altmann, Jung / Jungmann, Oheim / Ohm, Vetter / Vetters,

Freund. Aus dem Slowenischen: Stare, Starc / Starz (zu star ‘alt’), Fant

‘Bursche’, Prijatelj ‘Freund’, Koštrun (wie deutsch Kostraun, Gstrein

für einen lange ohne Nachwuchs gebliebenen, Spottname aus romanisch

castrone ‘kastrierter Bock’),

Heinz Dieter Pohl

264

Weltliche und geistliche Würdenträger 4. : Kaiser / Keyser usw., König,

Ritter, Marschall, Probst, Vogt (ursprünglich Spitznamen auf Grund des

Verhaltens der so benannten Person). Aus dem Slowenischen: Kralj /

Krall ‘König’, Knez / Knes ‘Fürst’, Škof ‘Bischof’, Vitez ‘Ritter’, Vavpot

/ Vavpet (aus valpot ‘Amtmann, Vogt’).

Tiere 5. : Adler, Falk (beide nach dem Aussehen oder dem scharfen Blick),

Fuchs / Fux / Voss usw. (‘schlau, listig’), Pfau (‘eitel’), Storch (nach dem

Gang, nach dünnen, langen Beinen u.dgl.). Aus dem Slowenischen: Orel

‘Adler’, Èap ‘Reiher’, Kozel / Kozlik ‘(Ziegen-) Bock’, Liška / Lischka

‘Fuchs’, Kos / Kues ‘Amsel’, Sokol / Sokoll ‘Falke’, Skuk ‘Unke’. – Insbesondere

Vogelnamen sind bei allen Slawen sehr beliebt; einige tschechische

Beispiele: Èížek / Cizek usw. ‘Zeisig’, Slavík / Slawik ‘Nachtigall’

(polnisch S³owik / Slowick), Kavka / Kafka ‘Dohle’, Èermák / Cermak

‘Rotkehlchen’, Sova / Sowa ‘Eule’, Sokol ‘Falke’, Strnad ‘Goldammer’,

Vrána ‘Krähe’, Havran ‘Rabe’. In Kärnten aus dem Slowenischen

Strnad / Sternat ‘Goldammer’, Kos / Kues / Kuehs ‘Amsel’ (slowenisch

kos, mundartlich kues usw.), Šoja / Schoier / Tschojer ‘Eichelhäher’,

usw., Èižej / Èižek / Schischegg / Schischek / Tschische / Tschischey

‘Zeisig’ (slowenisch èižek), Butej / Wutte / Wuttej ‘Wiedehopf’ (slowenisch

mundartlich butej), Golob / Galob / Gollob / Gallob ‘Taube’ (auch



Golobiè / Gallobitsch usw., slowenisch golob), Gavran ‘Rabe’, Sowa

‘Eule’ (slowenisch sova), Èuk / Tschuck ‘Uhu’ (slowenisch èuk), Žerjav

/ Žerjal [-³] / Scheriau / Scherjau ‘Kranich’ (slowenisch žerjav), Drosg

‘Drossel’ (slowenisch drozg), Petelin / Petelinc / Peteln / Petelinz ‘Hahn’

(slowenisch petelin).

Pfl anzen und Früchte 6. (meist Übernamen für Gärtner, Sammler u.dgl.):

Knoblauch / Knobloch / Knoblich, Pilz / Pils, Pfeffer / Pfefferkorn, Haber

/ Haberl (‘Hafer’). Aus dem Slowenischen: Èebul / Tschebull ‘Zwiebel’,

Ovsenk, Avsesik, Ovšešnik (zu oves ‘Hafer’), Pšeniènik / Pschenitschnik

(zu pšenica ‘Weizen’), Koruza ‘Mais’, Prosen (zu proso ‘Hirse’).



Speisen und Getränke 7. : Senf / Senft, Bier / Biermann, Aus dem Slowenischen:

Smetana ‘Rahm’, Krap ‘Krapfen und Karpfen’, Štrukelj / Struckel

‘Art Strudel’, Klobasa ‘Wurst’.

265

Familiennamen slowenischer Herkunft in Kärnten



Arbeitsgeräte 8. , Werkzeuge und Gefäße, Werkstoffe, Produkte: Hammer,

Hobel, Nagel, Kober / Köber (‘Korb, Tasche, Fischreuse’), Kesselring,

Hackel / Hackl. Aus dem Slowenischen: Klade, Kladnik / Kladnig (zu

klada ‘Holzblock, Klotz’), Sekul / Sekol (zu sekulja ‘Axt’), Kosche, Koschitz

(zu koš ‘Korb’), Kolovrat / Kolowrat ‘Spinnrad’.



Münzen 9. , Maße und Gewichte sowie Zahlen und alles, was damit zusammenhängt:

Schilling, Heller / Haller, Scheffel, Zwölfer, Habenichts. Aus

dem Slowenischen: Tolar ‘Taler’, Reven ‘arm’, Bogatec / Bogataj / Wogataj

‘Reichmann’.



Religion und Brauchtum 10. , Mythologie und Aberglaube: Teufel / Deibel /

Teifel usw., Rosenkranz, Kirchtag = Kirmes (‘Kirchweihfest’), Ungeheuer.

Aus dem Slowenischen: Hudec / Hudetz, Hudej, Zlodej ‘Teufel’, Pust

‘Fasching, Karneval’, Mesopust / Masopust ‘Fastnacht’



Zeit und Wetter 11. : Hornung (‘Februar’), Mai / May usw., Mittag, Freitag,

Sommer, Herbst, Sturm / Storm, Ungewitter, Frost. Aus dem Slowenischen:



Zíma / Sima ‘Winter’, Mraz ‘Frost’, Petek ‘Freitag’.

Literatur

DUDEN 2000: Familiennamen. Herkunft und Bedeutung (bearbeitet von Rosa und Volker Kohlheim).

Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich.

FEINIG, A.; T. FEINIG 2004/2005: Familiennamen in Kärnten und den benachbarten Regionen. Klagenfurt/

Celovec (= Studia carinthiaca XXVI).

HORNUNG, M. 2002: Lexikon österreichischer Familiennamen. Wien.

KUNZE, K. 1998: dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet.

München (2. Auflage 1999).

NAUMANN, H. 1994: Das große Buch der Familiennamen. Alter, Herkunft, Bedeutung. Augsburg.

KEBER, J. 1996: Leksikon imen. Izvor imen na Slovenskem. Celje.

KRONSTEINER, O. 1975: Die alpenslawischen Personennamen. Wien.

POHL, H. D. 2005: Slowenisches Erbe in Kärnten und Österreich: ein Überblick. In: Kärntner Jahrbuch

für Politik 2006, S. 127–160 (= 2005a).

POHL, H. D. 2005: Die Slavia submersa in Österreich: ein Überblick und Versuch einer Neubewertung.

In: Linguistica XLV, S. 129–150 (= 2005b).

UDOLPH, J.; S. FITZEK 2005: Professor Udolphs Buch der Namen. Woher sie kommen. Was sie

bedeuten. München.

267


UWE BÜTTNER

Bulgarische Familiennamen in Deutschland

1 Vorbemerkungen

Geschichtsinteressierte werden wissen, dass es zwischen Deutschland und Bulgarien

schon immer enge Beziehungen gegeben hat und damit deutsche Namen

in Bulgarien oder bulgarische Namen in Deutschland im Prinzip nichts Ungewöhnliches

darstellen. So wurde beispielsweise am 29. 04. 1879 der Deutsche

Alexander Joseph von Battenberg (Àëåêñàíäúð Éîçåô ôîí Áàòåíáåðã) von der

bulgarischen Nationalversammlung einstimmig zum Fürsten gewählt. Im Reichstagsbrandprozess

1933 wurden auch drei bulgarische Kommunisten angeklagt:

Georgi Dimitroff (Ãåîðãè Äèìèòðîâ, vgl. Äèìèòúð – Demetrius)1, Blagoi Popow

(Áëàãîé Ïîïîâ, vgl. ïîï ‘Pope, Pfarrer’) und Wassil Tanew (Âàñèë Òàíåâ,

vgl. Òàí verkürzt von Àòàíàñ u. a.).

Politikinteressierte werden wissen, dass der bulgarische Zar Simeon Sakskoburg(



g)otski (Ñèìåîí Ñàêñêîáóðãîòñêè), der vom 24. 07. 2001 bis zum

17. 08. 2005 auch bulgarischer Ministerpräsident war, der Enkel von Ferdinand



I. (* 1861 Wien – † 1948 Coburg) ist, der von 1887–1918 als bulgarischer Fürst

und Zar die Geschicke Bulgariens mitbestimmte und aus der Dynastie Sachsen-

Coburg-Gotha der Wettiner stammte.

Musikinteressierte werden wissen, dass zu dem berühmten Sextett „Comedian

Harmonists“ auch der Bulgare Ari Leschnikoff (Àñïàðóõ (Àðè) Ëåøíèêîâ;

1897–1978, vgl. Àñïàðóõ ‘Name des Gründers des bulgarischen Staates’, 681;

ëåøíèê ‘Haselnuss’) gehörte. Die Bulgarin Lucy (Ludmilla Diakowska / Diakovska

/ Djakovska, vgl. äÿê ‘Schrifttumpfleger, Grammatiker im Mittelalter, Schüler

dial.’; äÿêîâ ‘Grammatiker-, Schüler-’) wurde durch die Girlgroup „No Angels“

berühmt. Viele Bulgaren und Bulgarinnen sind Mitglieder der verschiedensten

Ensembles (Fernsehballett, Oper, Theater usw.). Kunstinteressierte werden

wissen, dass es der Bulgare Christo Jawascheff / Javašev (vgl. ÿâàø ‘mild,

leicht Tabak’, ‘langsam, gemächlich, ruhig’) war, der in Berlin den Reichstag

künstlerisch verpacken ließ.

1 Siehe ausführlicher HALBACH 1999.

268


Uwe Büttner

Literaturinteressierte werden wissen, dass Rumjana Zacharieva (Ðóìÿíà Çà-



õàðèåâà, vgl. çàõàð ‘Zucker’, Çàõàðèé ‘Zacharias’ Prophet) eine bulgarische

Schriftstellerin ist, die inzwischen auch in deutscher Sprache literarische Werke

veröffentlicht. Daneben gibt es zahlreiche bulgarische Journalisten und Dolmetscher

sowie Übersetzer, die für die verschiedensten Medien (auch die „Deutsche

Welle“), Firmen und Organisationen in Deutschland tätig sind.

Und nicht zuletzt werden Sportinteressierte wissen, dass viele bulgarische

Fußballer in der Bundesliga spielen oder gespielt haben, aber auch in vielen anderen

Sportdisziplinen in Deutschland ihr Geld verdienen. Stellvertretend für diese

seien die Fußballer Krasimir Balakov (Êðàñèìèð Áàëúêîâ, vgl. áàëúê ‘dumm’),

Dimiter Berbatow ( Äèìèòúð Áåðáàòîâ, vgl. áåðáàò ‘ungewaschen, schmutzig’)

und Peter Petrow (Ïåòúð Ïåòðîâ, vgl. Ïåòúð ‘Petrus’) genannt.

Die angeführten Beispiele bestätigen den noch heute in Bulgarien populären

Spruch „íèå ñìå íà âñåêè êèëîìåòúð” (wörtl. „wir stehen bei jedem Kilometer“)

mit der übertragenen Bedeutung „wir sind überall“2, natürlich auch in

Deutschland.

In Deutschland sollen etwa 40 000 Bulgaren leben3, was im Vergleich zu anderen

ausländischen Bevölkerungsgruppen zwar eine verschwindend geringe Zahl

ist, jedoch im Hinblick auf die weiter sinkende Bevölkerungszahl im Mutterland

(z. Z. ca. 8 Mio.) in einem ganz anderen Licht erscheint. Wenn die Angaben

stimmen, leben inzwischen im Ausland zumindest genauso viele Bulgaren wie in

Bulgarien selbst.

Um die Problematik der bulgarischen Familiennamen in Deutschland besser

erfassen zu können, macht sich ein Exkurs zur Derivation und anderen Fragen bei

den bulgarischen Namen unumgänglich.

2 „Íà âñåêè êèëîìåòúð“ ist der Titel einer berühmten und damals gern gesehenen bulgarischen

Abenteuerserie vom Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre. Die 26 Teile beschreiben im

1. Teil die Ereignisse bis zur Befreiung Bulgariens vom Faschismus (09. 09. 1944) und im 2. Teil

die Ereignisse nach dem II. Weltkrieg. Im Mittelpunkt steht die Partisanen- resp. die Agententätigkeit.

In einem der Dialoge heißt es: „Íèå ñìå íà âñåêè êèëîìåòúð, îò òóê äî êðàÿ íà ñâåòà“.

(„Wir stehen bei jedem Kilometer, von hier bis ans Ende der Welt.“)

3 Die Ausländerstatistik von 1999 gibt insgesamt 32 290 bulgarische Bürger an, davon 18 230

Männer und 14 060 Frauen (http: // www.auslaender-statistik.de /, 17. 07. 2009). In der Statistik

von 2006 rangieren die Bulgaren unter „Übrige“ (ebd.).

269

Bulgarische Familiennamen in Deutschland



2 Bildungsweise bulgarischer Familiennamen

Dem Verständnis der bulgarischen FaN sollen einige kurze Bemerkungen zu ihrer

Bildungsweise dienen. Die bulgarischen Namen sind als ein spezifischer Reflex

urslawischer und indoeuropäischer Tradition sowie der Kontakte mit den Nachbarländern

bzw. der Beziehungen zu den Besatzungsmächten aufzufassen und

tragen somit auch die Züge der jeweiligen Entwicklungsstufe des Landes sowie

der bulgarischen Sprache selbst.

In allen offiziellen bulgarischen Dokumenten stehen nicht nur zwei, sondern

drei Namen:

a) Vorname4 (ìàëêî / ñîáñòâåíî èìå)

b) Vatersname5 (áàùèíî èìå)6

c) Familienname (Zuname / Nachname; ôàìèëèÿ/ôàìèëíî èìå).



Vorname Vatersname Familienname

männliche Person Èâàí Ìàðèíîâ Áîãäàíîâ

weibliche Person Âåñåëèíà Ñòîÿíîâà Èâàíîâà

Tab. 1: Beispiele

4 Der bulgarischen Tradition zufolge orientiert sich die Vergabe des Vornamens an den Neugeborenen

an der Familie (Großeltern), an den Heiligen des Kirchenkalenders (vor allem Èâàí

Johannes, Ãåîðãè – Georg, Äèìèòúð – Demetrius, Èëèÿ – Elias, Ïåòúð – Petrus, Ìèõàèë

Michael, Íèêîëàé – Nikola/Nikolaus; 54 % aller Vornamen) und an der Entscheidung des

Taufpaten. Als Reihenfolge wird angenommen: Schwiegereltern, Geschwister in der männlichen

Linie, Taufpaten. Normalerweise bekommt ein Junge den Namen des Großvaters und ein Mädchen

den der Großmutter. Später war es dann auch möglich, dies zu tauschen, wenn nicht genügend

Kinder vorhanden waren, um alle Großeltern namentlich zu berücksichtigen. In der Gegenwart

erfolge die Taufe meist auf den Namen derjenigen Person, die das Kind aufziehen würde.

5 Der Vatersname einer jeden Person ist der Vorname des Vaters und steht stets an zweiter Stelle

des Namens. Nur in ganz wenigen Fällen steht anstelle des Vatersnamens der Muttername. Die

Suffixe -îâ(à) resp. -åâ(à) weisen auf das Geschlecht des Kindes hin. Die Mutternamen werden

mit dem Suffix -èí gebildet, vgl. Ãàíèí, Ãèíêèí, Àíäðåé÷èí. Manchmal werden diese

Namen in der Umgangssprache auch für die entsprechenden Ehemänner verwendet, meist mit

pejorativer Bedeutung, vgl. Ãèíêèíèÿò ‘der Alte von der Ginkin’ (ST. GEORGIEV 1999, S. 163).

Bei unehelichen Kindern wird usuell der Vorname der Mutter herangezogen: Äîíêà > Äîíêèí,



Ìàðà > Ìàðèí, Ïåíêà > Ïåíèí.

6 Die Bezeichnung ïðåçèìå bezieht sich auf einen Zu(satz)namen, der dem Vornamen zur besseren

Unterscheidung hinzugefügt wird. Es kann ein Vatersname (áàùèíî èìå), ein Familienname

(ôàìèëíî èìå) oder auch ein Beiname (ïðÿêîðíî èìå) sein (vgl. KOVAÈEV 1987, S. 120).

Nach ST. GEORGIEV 1999, S. 162, sind es die Namen der Eltern oder die Familiennamen.

270


Uwe Büttner

Bei den Vatersnamen handelt es sich um sog. Patronymika, d. h. durch die Angabe

des väterlichen Vornamens wird die genealogische Herkunft des Trägers

mitbezeichnet. Dies geschieht durch das Anfügen der Suffixe -îâ(à) resp. -åâ(à)

an den Vornamen des Vaters.

Nach St. GEORGIEV (1999, S. 163 f.) werden mit den Suffixen -îâ / -åâ, -ñêè und



-èí jene Familiennamen gebildet, die von Bei- oder Gattungsnamen abgeleitet

werden (áú÷âà ‘Fass’, áú÷âàð ‘Böttcher’ > Áú÷âàðîâ; áóþêëèÿ ‘schnauzbärtig’

> Áóþêëèåâ; âîäåíè÷àð ‘(Wasser-)Müller’ > Âîäåíè÷àðñêè; âëàäèêà ‘Bischof’

> Âëàäèêèí). Mit den Suffixen -ñêè, -øêè und -÷êè erfolgen die Ableitungen

von Toponymen (Âàðäàð > Âàðäàðñêè; Áàòàê > Áàòàøêè; Áåëîðåê

> Áåëîðå÷êè).

Der Familienname ist traditionell der Vorname des Großvaters (väterlicherseits)

oder der Name der Familie des Vaters, durch den dieser in der Gesellschaft

bekannt ist. Durch diesen Namen werden somit drei Generationen miteinander

verbunden.7

1. Generation: Großeltern (väterlicherseits)

Èâàí Áîãäàíîâ und Âåñåëèíà Áîãäàíîâà

2. Generation: Kinder (Sohn / Tochter der Familie Bogdanov)

Bei Geburt der Kinder des Ehepaares (hier: Èâàí Áîãäàíîâ und Âåñåëè-

íà Áîãäàíîâà), erhalten die Nachkommen z. B. die Vornamen Àíãåë und

Àíãåëèíà und heißen somit Àíãåë Áîãäàíîâ resp. Àíãåëèíà Áîãäàíîâà.

Und mit Vatersnamen dann Èâàíîâ / Èâàíîâà. Es entsteht somit der komplette

Familienname des Sohnes Àíãåë Èâàíîâ Áîãäàíîâ und der Tochter

Àíãåëèíà Èâàíîâà Áîãäàíîâà.

3. Generation:8 Enkel

7 Formal betrachtet sind die Vaters- und Familiennamen Possessivadjektive, vgl. z. B. Àñåíîâà

êðåïîñò, Áîòüîâà êíèãà, Ïåí÷îâ ìîñò usw.

8 Nach der weit verbreiteten Volkstradition wurde das erstgeborene Kind, wenn es ein Junge war,

auf den Namen des Großvaters getauft, und wenn es ein Mädchen war, dann auf den der Großmutter

väterlicherseits. Das zweite Kind wiederum soll das Leben der Großeltern mütterlicherseits

fortsetzen. Die danach geborenen Kinder wurden auf den Namen eines nahen Verwandten getauft

oder auf den Namen des Paten selbst, der meistens auch ein naher Verwandter war. Von dieser

Regel wurde dann eine Ausnahme zugelassen, wenn das Kind an einem großen Feiertag das Licht

der Welt erblickt hat. In diesem Fall hat es den Namen des entsprechenden Heiligen bekommen.

Aus diesem Grunde wurde z. B. der berühmte bulg. Dichter Christo Botev, obwohl er der erstgeborene

Sohn war, auf den Namen Õðèñòî getauft, da er genau zu Weihnachten geboren wurde.

Sein nächster Bruder hat dann die väterliche Linie mit dem Namen Ïåòêî fortgesetzt.

271


Bulgarische Familiennamen in Deutschland

Wenn der Sohn oder die Tochter wiederum Kinder bekommen, wird, wie oben angedeutet,

(meist auch bei Adoptionen von Säuglingen) der Vorname des Großvaters (hier:

Èâàí) oder der Großmutter (hier: Âåñåëèíà) an den Enkel oder die Enkelin, d. h. an die

Erstgeborenen, vergeben. (Nur wenn diese Angehörigen bereits verstorben sein sollten,

werden die Namen der Großeltern mütterlicherseits herangezogen.)9 Somit ergibt sich:

Èâàí Àíãåëîâ Áîãäàíîâ resp. Âåñåëèíà Àíãåëîâà Áîãäàíîâà.

Nur relativ wenige Familiennamen enden nicht auf diese Suffixe, sondern auf



-ñêè (z. B. Ñàêàäæèéñêè, Äàëàê÷èéñêè), -ÿí (z. B. Ìàãàðäè÷ÿí) oder -èí

(z. B. Äóíèí, Âëàäèêèí) und sind dann fremder Herkunft bzw. von Toponymen

abgeleitete Personennamen (s. u.).

Wenn vom Familiennamen ein Plural gebildet wird (Èâàíîâ > Èâàíîâè;



Êàë÷åâ > Êàë÷åâè …) kann dieser zu einem Sippennamen werden und bezeichnet

dann die Gesamtheit der Familie resp. die ganze Sippe, also die Ivanovs / die



Familie Ivanov / der Ivanov-Clan u. ä.10

An den bulgarischen Hof- und Wohnungstüren sowie Briefkästen findet man

entweder nur die Pluralformen der Familiennamen, oder diese auch zusammen

mit den Vornamen, vgl. Èâàíîâè, Ðà÷åâè, Íèêîëîâè, Òåðçèåâè resp. Èâàí è



Âåñåëèíà Áîãäàíîâè, Ìàðèíà è Áîÿí Ðà÷åâè usw.

Im Bulgarischen gibt es wie im Deutschen bei den Familiennamen auch Doppelnamen

(z. B. Æàíà Íèêîëîâà-Ãúëúáîâà). Die mögliche Änderung von Namen

wird heute durch die „Verordnung zum Führen des Personenstandsregisters“

geregelt. Wenn eine Frau heiratet, nimmt sie gewöhnlich den Familiennamen

ihres Ehemannes an11, bei Scheidung wieder ihren Mädchennamen. Neuerdings

nehmen aber auch Männer12 den Namen der Ehefrau an (STAREVA 2006, S. 6).13

9 Chronologisch folgte dieser Tradition dann die Vergabe von Namen von Schutzgöttern und

Heiligen.

10 Diese Pluralformen müssen von den „normalen“ Pluralformen der Familiennamen unterschieden

werden, für die im Dt. z. B. Familie Bogdanov (ñåìåéñòâî Áîãäàíîâè), Herr und Frau

Radev (ãîñïîäèí è ãîñïîæà Ðàäåâè), die Brüder Georgiev / die Georgiev-Brüder (áðàòÿ Ãåîð-

ãèåâè), die Gebrüder Bosev (áðàòÿ Áîñåâè) oder die Schwestern Miladinov / die Miladin-ov-



Schwestern (ñåñòðè Ìèëàäèíîâè) erscheinen würden.

11 Bei den Frauennamen ist somit zwischen den Vatersnamen und den (Ehe-)Männer-Namen zu

unterscheiden. Èâàí > Èâàíîâ > Èâàíîâà (Ehefrau oder Tochter von Ivanov).

12 Wenn in der Vergangenheit ein Mann in das Haus seiner Frau zog, hatte er seinen Namen geändert

oder im Zweitnamen war der Name seiner Frau enthalten, vgl. Äèìî Ïåíèí (von Ïåíêà),

Âàñèë Ìàðèí (von Ìàðèíà; STAREVA 2006, S. 12).

13 Der Namenswechsel bei einer Hochzeit seitens der Frau wird in der bulg. Folkloristik als das

symbolische Sterben des Mädchens gedeutet, als Abschluss des einen Lebens und als Beginn

eines neuen. (STAREVA 2006, S. 11). In einigen Fällen wurde neben dem Familiennamen auch

Uwe Büttner

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Während in früheren Epochen aufgrund der Formenvielfalt, wie bereits angedeutet,

kaum ein Name doppelt vorkam, was natürlich auch mit der Bevölkerungszahl

zusammenhängt, ist heute durch den immer noch wirkenden Mechanismus

der Namensgebung (s. o.) eher das mehrfache Auftreten gleicher (Vor-,

Vaters- und Familien-)Namen typisch, was mit den unterschiedlichsten Folgen

verbunden sein kann.



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