1 Familiennamen aus germanischen Sprachen Ulf Timmermann Friesische Familiennamen



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Familiennamen aus germanischen Sprachen

Ulf Timmermann



Friesische Familiennamen

1 Allgemeines

1.1 Geografische Abgrenzung

Die Definition des für diesen Überblick in Frage kommenden Geltungsbereichs

bietet die doppelte Schwierigkeit, dass ein „Gesamtfriesland“ heute weder mit

Hilfe von politischen noch von sprachlichen Kriterien eindeutig bestimmbar ist.

Zu groß sind die Veränderungen, die sowohl in der einen als in der anderen Hinsicht

im Laufe der Zeiten eingetreten sind. „Friese“ ist vor allem ein historischer

sprachlich-ethnischer Begriff, heute aber im wesentlichen eine Sache des Zugehörigkeitsgefühls

teils auf sprachlicher Grundlage, teils aber ausschließlich auf

Grund einer Besinnung bzw. Rückbesinnung auf geschichtliche Gegebenheiten

und Traditionen. Wo letzteres nicht der Fall und die friesische Sprache erloschen

ist, kann es dennoch wie z. B. in Butjadingen, „ethnische“ Friesen geben, die sich

weder als solche fühlen noch bezeichnen, und umgekehrt existieren nicht wenige

„Neufriesen“, nicht zuletzt im Sprachgebrauch der Medien.

Das geografische Problem lässt sich am einfachsten durch den Rückgriff auf

das in seiner Ausdehnung gut bekannte friesische Sprachgebiet im Hochmittelalter

lösen, das sich an der südlichen Nordseeküste von Nord-Holland bis rechts

der Wesermündung sowie an der schleswigschen Westküste von der Eidermündung

bis zur heutigen deutsch-dänischen Grenze erstreckte und (nach deutschem

Sprachgebrauch) in Westfriesisch (ostwärts bis zur Lauwers) und Ostfriesisch –

zusammenfassend auch als Südfriesisch bezeichnet – sowie Nordfriesisch zerfällt.

In seiner Ausdehnung und nach Sprecherzahl am besten behauptet hat sich

davon das Westfriesische, das nur Nordholland an das Niederfränkische verloren

hat. Das Ostfriesische ist bis auf den kleinen Rest des Saterlands dem Niederdeutschen

gewichen. Das Nordfriesische hat die südliche Hälfte seines ursprünglichen

Gebiets an das Niederdeutschen eingebüßt und ist im Restgebiet heute Minoritätssprache.

19

1.2 Soziale Gegebenheiten



In erster Linie werden die Familiennamen solcher Personengruppen behandelt,

die in dem oben definierten Raum als eingesessen gelten können. Bei der jedenfalls

bis in die neuere Zeit hier ganz überwiegend agrarischen Wirtschaftsform

auf der Grundlage hauptsächlich bäuerlichen Landbesitzes handelt es sich dabei

vornehmlich um die Landbevölkerung, die überhaupt die Masse der Einwohner

ausmachte. Aus dieser Schicht stammt, wohl mit Ausnahme Groningens,1 zunächst

auch ein großer Teil der Bürger der im Ganzen wenigen Marktflecken und

Städte. Einheimischer Adel entwickelte sich in größerem Umfang im Mittelalter

nur im südfriesischen Bereich bis zur Jade. Er spielt hier im Hinblick auf die Familiennamen

vor allem bis in die frühe Neuzeit eine gewisse Rolle. Bei den skizzierten

Verhältnissen dürfte im allgemeinen auf dem flachen Lande, vor allem in

den wirtschaftskräftigen Marschgebieten, Zuzug oder Einheirat (zumal von Männern)

von außerhalb der jeweiligen Region die Ausnahme gewesen sein. Ein gewisser,

mehr oder weniger kontinuierlicher Zuzug von Nichtfriesen in die Flecken

und Städte (in diesen Zuammenhang gehört auch die nicht agrare Insel

Helgoland) erscheint dagegen natürlich. Mit der etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts

zunehmenden Verkehrserschließung der friesischen Räume und dem ein

Jahrhundert später einsetzenden Rückgang der Landwirtschaft sowie durch weitere,

z.T. sekundäre Faktoren wird – in Nord- und Ostfriesland noch mehr als in

Westfriesland – die alte Bevölkerungsstruktur aufgebrochen und allmählich

grundlegend verändert. Es liegt deshalb nahe, für die Beschreibung der friesischen

Familiennamen die Situation vor diesen Umbrüchen als Ausgangspunkt zu

nehmen.

1.3 Entwicklung der Familiennamen



Der Begriff Familienname wird hier in der heutigen Bedeutung verstanden. Somit

fallen z. B. mit den Generationen wechselnde Patronymika nicht darunter.

Dennoch sind diese im vorliegenden Zusammenhang von überragender Bedeutung,

denn die Hauptmasse der friesischen Familiennamen insgesamt sind just

20

Ulf Timmermann



1 Siehe Niebaum 2001, S. 431.

fest gewordene Patronymika. Nach einer in den südfriesischen Quellen belegbaren,

bis ins Hochmittelalter reichenden Periode der Einnamigkeit werden allgemein

Personenbezeichnungen üblich, die aus einem Rufnamen und einem attributiven

Teil bestehen. Als Attribute belegt sind zunächst fast nur und auch später

noch ganz überwiegend Patronymika. Die Sitte mit wechselnden Patronymika

dauert fast überall unverändert bis Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts

fort, wo obrigkeitliche Erlasse die Führung eines festen Familiennamens verlangen.

In der Regel wird dazu im gegebenen Fall das vom jeweiligen Familienvater

geführte Patronymikon bestimmt. Metronymika waren in den friesischen Gebieten

schon immer selten2 und spielen für die Familiennamen keine Rolle, so dass

bei diesen etwa vorausliegende Frauennamen nicht zu erwarten sind.

In diesem Zusammenhang spielt die im friesischen Raum beharrliche Beobachtung

einer geregelten Nachbenennung eine wichtige Rolle, denn nicht zuletzt

dadurch haben sich auch in den Teilen, wo die friesische Sprache aufgegeben

wurde, zahlreiche typische Rufnamen erhalten, die – auf dem Umweg über die

Patronymika – wesentlich dazu beitragen, dass auch hier von einem „friesischen“

Familiennamenbestand gesprochen werden kann. Weitere Charakteristika im

südfriesischen, vor allem westfriesischen Gebiet sind überwiegend morphologischer

Art. Im Folgenden wird diese allgemeine Skizze für die friesischen Teilgebiete

näher ausgeführt, und zwar in wesentlichen Teilen in Übereinstimmung mit

den entsprechenden Artikeln im „Handbuch des Friesischen“.3



2 Nordfriesland

2.1 Geschichtliches

Nordfriesland gehörte mit Ausnahme des Westteils der Insel Föhr und der Insel

Amrum (sowie dem kaum bevölkerten Listland im Norden Sylts) als reichsdänischer

Enklaven zum Herzogtum Schleswig. 1771 wurde im Herzogtum die Füh-

21

Friesische Familiennamen



2 Vgl. für Nordfriesland Timmermann 1996 sowie die (entgegen dem Titel) nur lokale Ergänzung

für Föhr-West durch Faltings 1997.

3 Siehe Munske 2001. Darin für Nordfriesland: Timmermann 2001, besonders S. 391 f.;

für Ostfriesland: Ebeling 2001a, besonders S. 467–470; für Westfriesland: Ebeling 2001b,

besonders S. 176–80; jeweils mit weiterführender Literatur.

rung erblicher Familiennamen angeordnet. Weil man den Erlass nur unzureichend

befolgte, wurde er 1822 wiederholt. Eine entsprechende Anordnung für

Däne mark 1828 betraf auch die Enklaven. Nichtsdestoweniger wurde erst gegen

Mitte des 19. Jahrhunderts die Führung eines Familiennamens wenigstens in

offiziellem Zusammenhang allgemeiner üblich, während man im täglichen Leben

noch weit länger am patronymischen Prinzip festhielt.

Obgleich es an Beispielen für Beinamen verschiedener Art in den Quellen bis

zur Einführung der Familiennamen nicht mangelt, so sind Beinamen doch so gut

wie nie erblich geworden. Einzige wesentliche Ausnahme ist dem Vornamen vorangestelltes



Jung, Junge, das auf Föhr und Amrum nicht selten über mehrere

Generationen vererbt wurde, neben Vornamen und Patronymikon aber stets nur

ein zusätzliches Unterscheidungsmerkmal war und deshalb für die Verwendung

als Familienname nicht in Betracht kam. Erst gegen Ende der patronymischen

Periode kommt es unter besonderen Bedingungen vereinzelt zur Entstehung von

Familiennamen aus Beinamen4 und auch später nur gelegentlich wie z. B. Krüß

(niederdeutsch ‘Kruse’) auf Helgoland.5 Der Gebrauch von Patronymika war in

Nordfriesland so allgemein und fest verankert, dass Familiennamen Zugezogener

jedenfalls im nördlichen Festlandsgebiet sich nur selten über mehrere Generationen

erhielten.6 Ein im Spätmittelalter vereinzelt aufkommender Kleinadel konnte

sich nicht behaupten, so dass keine über längere Zeit erblichen Nobilitätsnamen

entstanden.

2.2 Morphologisches

Der morphologische Aspekt betrifft vor allem die verschiedenen Arten und

Formen des – fest gewordenen – Patronymikons und ihre Verteilung im nordfriesischen

Raum. Zu unterscheiden ist zwischen Komposit-, Flexions- und Suffixpatronymikon.

Im vorliegenden Zusammenhang kommen von den Komposit -

patronymika nur die mit ‘Sohn’ in Betracht wie z. B. Carstensen, Feddersen,



Japsen. Sie haben ihr hauptsächliches Verbreitungsgebiet auf dem nordfriesischen

Festland (unter Ausschluss von Eiderstedt), wo sie so gut wie allein herr-

22

Ulf Timmermann



4 Siehe z. B. Faltings 1997, S. 186.

5 Århammar 1995, S. 137.

6 Vgl. Carstensen 1956, S. 129 f.

schend sind, während auf den Geestinseln Sylt, Föhr und Amrum sowie auf Helgoland

und der Halbinsel Eiderstedt Flexions-, d. h. konkret Genitivpatronymika

wie z. B. Harlichs, Peters bzw. Hayen, Jappen oder Mommens, Ovens weit überwiegen.

Noch frühneuzeitlich in diesem Raum vereinzelt zu belegende Nominativpatronymika

spielen für die Familiennamen keine Rolle mehr. Von den Suffixpatronymika

sind in Nordfriesland nur solche mit -ing wie z. B. Harring, Obbing

relevant. Sie sind, schon zur Zeit der Einführung von Familiennamen ganz selten,

in der Gegend um Husum zu Hause. Keiner dieser Patronymikonstypen ist exklusiv

friesisch, sondern ebenso im niederdeutschen Raum anzutreffen und besonders

die -sen-Patronymika auch im dänischen.

Auf Sylt, Föhr und Amrum verteilen sich zum Zeitpunkt der Einführung von

Familiennamen die -s- und (ursprünglich am ehesten niederdeutschen) -(e)n-

Formen des Patronymikons so, dass solche, die von (dialektal) einsilbigen Rufnamen

wie Bo, Rörd, Sönk sowie von zweisilbigen mit ursprünglich betonter

Zweitsilbe wie Johannes, Martinus oder mit -s bzw. Konsonant + k im Auslaut

wie Nickels, Henerk gebildet sind, auf -(e)n enden, alle anderen auf -s.7 Typisch

für die Halbinsel Eiderstedt sind Genitivpatronymika mit dem hybriden Morphem



-ens, das weiter nördlich selten begegnet. Sie werden von zweisilbigen, auf

-e endenden Rufnamen wie Tete gebildet, während die von den übrigen Rufnamen

nur -s zeigen. Helgoland geht im Wesentlichen mit Eiderstedt zusammen.

Die im Bereich der Genitivpatronymika noch um 1800 im Ganzen gesehen

seltenen -sen-Patronymika sind besonders im östlichen Eiderstedt und auf Helgoland

schon damals häufiger als auf den nördlichen Inseln. Im 19. Jahrhundert

kommt es auf diesen dann in größerem Maße zu einer Umänderung von ehemaligen

Genitiv- zu -sen-Formen, z. B. auf Föhr von Hinrichen (Schreibform für

Henerken), Ketels, Knuten zu Hinrichsen, Ketelsen, Knutsen.8

2.3 Typisches

„Typisch“ kann ein Name in unterschiedlichen und nicht selten mehrfachen Beziehungen

sein: innernordfriesisch für ein Teilgebiet, nordfriesisch im gesamtfriesischen

Rahmen, nordfriesisch oder überhaupt friesisch im Vergleich zur nie-

23

Friesische Familiennamen



7 Vgl. Faltings 1997, S. 176–184.

8 Århammar 1995, S. 135 f.

derdeutschen bzw. dänischen Nachbarschaft, und all das – meist irgendwie kombiniert

– aus lautlichen, morphologischen oder semantischen Gründen. Das entscheidende

Kriterium ist dabei in jedem Fall die Häufigkeit des Vorkommens in

den jeweiligen Vergleichsgebieten, die streng genommen natürlich nur durch

Zählung zu ermitteln ist. Wegen des dafür nötigen Aufwands unterbleibt eine solche

allerdings meist, man begnügt sich mit auf einer gewissen Erfahrung beruhenden

vagen Einschätzungen. Abgesehen von den oben genannten, teilweise

nur innernordfriesisch relevanten morphologischen Besonderheiten bei der Bildung

der Patronymika ist das für die Region im Verhältnis zur Umgebung Typische

natürlicherweise bei den den Familiennamen vorausliegenden Rufnamen zu

suchen. Weil besondere friesische Lautungen, etwa Knütj für Knut, von überregional

bekannten Rufnamen in Nordfriesland in offiziellem Zusammenhang

schon immer nach Möglichkeit vermieden wurden und somit bei den ja als offiziell

geltenden Familiennamen nur ausnahmsweise in Erscheinung treten (z. B.

auf Amrum und Föhr bei Braren für sonst Brodersen), findet sich Typisches hier

überwiegend nicht im Lautlichen, sondern vor allem im Namenbestand. Auf diesen

hat in dem Zeitraum von der Einführung der Familiennamen bis dass sie

definitiv fest wurden, die nachträgliche mehr oder weniger konsequente Verniederdeutschung

bzw. Eindeutschung mancher an sich bereits verschriftlichter friesischer

Familiennamenformen wie z. B. auf Föhr das erwähnte Hinrichsen, das

außer Henerken auch Hayen ersetzt, einschränkend gewirkt.

Einige für bestimmte nordfriesische Teilgebiete charakteristische Familiennamen

auf patronymischer Grundlage hat Århammar (ohne Spezifikation der

Kriterien) zusammengestellt:9 auf Sylt Bleicken, Bundis, Schwennen; auf Amrum



Jannen, Martinen; auf Föhr u. a. Arfsten, Bohn, Braren, Faltings, Riewerts, Roeloffs,

Rörden, Wögens („Bohn und Wögens [...] früher allerdings auch auf Sylt

und Amrum“, nach Blechenberg-Martens10 jedoch bis um 1850 auf Amrum

auch die übrigen mit Ausnahme von Faltings); auf Helgoland u. a. Aeuckens,

Harlichs, Heikens, Oelrichs, Reimers, Rickmers, Siemens, in Eiderstedt u. a. Backens,

Boyens, Gerkens, Hamkens, Pay(e)ns, Tetens. Als für die Teilgebiete des

übrigen Festland-Nordfrieslands typische Familiennamen können u. a. Bahnsen,



Gotbersen, Gunwoltsen, Sönksen hinzugefügt werden. Die meisten dieser Namen

sind allerdings nicht nur innernordfriesisch lokaltypisch, sondern, wenn

24

9 Århammar 1995, S. 138 f.



10 Blechenberg-Martens 1983, S. 55 f.

Ulf Timmermann

auch nicht immer aus denselben Gründen, gleichzeitig gegenüber der Umgebung

Nordfrieslands „typisch nordfriesisch“ wo nicht gar (wie z. B. Boyens, Tetens)

„typisch friesisch“, auch wenn einigen (Arfsten, Bohn, Bundis, Gunwoltsen,

Schwennen, Wögens) eindeutig dänische Rufnamen zugrunde liegen,11 anderen

(Riewerts, Roeloffs, Rörden) niederländische.12 Festzuhalten ist jedoch, dass solche

„typischen“ Namen gewöhnlich keineswegs zu den frequentesten gehören.

Dies sind vielmehr, genau wie in der Umgebung Nordfrieslands, ganz überwiegend

von biblisch-christlichen Rufnamenformen gebildete wie (in alphabetischer

Reihenfolge) u. a. Andresen, Carstensen, Christiansen, Hansen, Jacobsen, Jensen,

Johan nsen, Lorenzen, Martensen, Nickelsen, Nissen, Paulsen, Petersen,

neben denen nur wenige germanischer Herkunft wie Brodersen, Friedrichsen,



Hinrichsen, Mommsen besonders hervortreten. Eine friesische Grundlage hat lediglich

Mommsen, während Andresen, Brodersen, Carstensen, Lorenzen, Hinrichsen,

Nickelsen niederdeutsche Rufnamenformen vorausliegen, Jensen, Nissen

dagegen dänische.



3 Ostfriesland

3.1 Geschichtliches

Der alte, von Anfang an keine politische Einheit bildende ostfriesische Raum

zwischen Lauwers und rechtem Weserufer ist nachmittelalterlich in mehrere

Herrschaftsbereiche zersplittert. Feste Familiennamen wurden erstmals 1741 in

einem kleinen Teilbereich, der Herrlichkeit Gödens (südwestlich vom heutigen

Wilhelmshaven), verordnet. In der heutigen Provinz Groningen sowie in Ostfriesland

zwischen Ems und Jadebusen (Département de l’Ems oriental) wurden

sie 1811 durch Dekret Napoleons vorgeschrieben. Die Durchführung der Bestimmung

war jedoch, zumal nach dem Ende der französischen Herrschaft 1813, sehr

zögerlich, so dass in dem dann hannoverischen Fürstentum Ostfriesland (ohne

Groningen und das wieder oldenburgische Jeverland) entsprechende Verordnungen

1826, 1828 und 1855 erlassen werden mussten. Noch in den 70er Jahren des

19. Jahrhunderts wurden Familiennamen hier, zumindest auf dem Lande als

25

Friesische Familiennamen



11 Vgl. Timmermann 1997, S. 58 ff., 69 ff., 74 ff., 114 ff., 186 ff., 255 ff.

12 Århammar 1995, S. 136 mit Anm. 27.

„unnütze Anhängsel“ betrachtet,13 denn die patronymische Namengebung war

seit alters fest verwurzelt. Echte Patronymika kommen, wenn auch selten, noch

heute als Teil eines amtlichen Gesamtnamens vor, und zwar im deutschen Gebiet

in Gestalt zugelassener Zwischennamen14 und im niederländischen als unter der

Bedingung erlaubte zweite Vornamen, dass sie nicht als Familiennamen in Gebrauch

sind.15 Dass eingesessene Geschlechter wie Beninga, Wiarda z.T. bereits

jahrhundertelang einen festen Familiennamen (auf Rufnamenbasis) führen, ist

eher die Ausnahme.16 In den östlichen Teilen des alten ostfriesischen Gebiets

(Herrschaft Jever, Butjadingen mit Stadland, Land Wursten) dagegen waren Familiennamen

z.T. schon lange allgemein üblich, so im Land Wursten im Wesentlichen

bereits im 17. Jahrhundert,17 in Butjadingen zumindest um die Mitte des

18., in Gödens wie erwähnt 1741 und auf Wangerooge nachweisbar ab dem Zeitraum

177–1785,18 doch auch hier lebten daneben die Patronymika im inoffiziellen

Gebrauch noch lange weiter.

In Ostfriesland spielen Familiennamen aus Beinamen (Wohnstätten-, Herkunfts-,

Berufs- und Übernamen) auch bei der eingesessenen Landbevölkerung

eine größere Rolle als in Nordfriesland, was der stärkeren, schon früh beginnenden

Einwirkung der Nachbargebiete zuzuschreiben ist. Entsprechend haben die

meisten derartigen Familiennamen im deutschen Teil des Gebiets eine niederdeutsche

oder hochdeutsche Form (z. B. Diekmann, Saathoff, Fischer), doch begegnen

westlich gegen die Ems hin zunehmend niederländische oder niederländisch

beeinflusste Typen (z. B. de Boer, van Borssum, de Vries oder, soweit

Beiname, Meeuw19 auf Borkum). In der Provinz Groningen zeigen solche Namen

natürlicherweise niederländische Gestalt. Die Behandlung der im ostfriesischen

Raum vorkommenden Familiennamen aus Beinamen, wozu auch die an der

Ems in und um Leer und Emden nicht seltenen Herkunfts- und Wohnstättenbeinamen

auf -mann zählen, gehört somit nicht in den Rahmen dieses Beitrags. Es

muss bei alledem betont werden, dass diese Namenkategorie selbst in neuester

Zeit (um 1978) auf das Gebiet östlich der Ems bis zum ehemaligen Jeverland

26

Ulf Timmermann



13 Brons 1877, S. 138.

14 Ebeling 2001a, S. 468.

15 Haan 2002, S. 18 bzw. 19.

16 Vgl. Ebeling 1984, S. 17.

17 Werbe 1968, S. 67 f.

18 Versloot 1996, S. 40.

19 Siehe Ebeling 1984, S. 56 f mit Anmerkung 189.

gesehen gegenüber den Familiennamen aus Rufnamen von der Gesamtfrequenz

der Träger her immer noch zweitrangig ist,20 selbst wenn Städte wie Aurich, Emden

und Leer eingeschlossen sind. In der Provinz Groningen allerdings dominieren

in neuerer Zeit, bedingt nicht zuletzt durch Zuzug in die südöstlichen Moorgebiete,

Familiennamen aus Beinamen.21

Die Gentilnamen des Adels haben ganz überwiegend anthroponymische

Grundlage22 wie z. B. Cirksena, der Name des 1744 erloschenen ostfriesischen

Grafenhauses (zum Rufnamen Sirk), doch gibt es auch solche auf toponymischer

Grundlage wie bei dem spätmittelalterlichen Häuptlingsgeschlecht tom Brok im

mittleren Gesamtostfriesland oder den Freiherrn zu Inn- und Knyphausen in

Jever.


3.2 Morphologisches

Im Gegensatz zu Nordfriesland herrschen im ostfriesischen Raum insgesamt bei

den zu Familiennamen gewordenen Patronymika Genitivpatronymika auf -s bzw.

-(e)n23 oder – weit weniger frequent – hybrides -(e)ns eindeutig vor. -sen-

Patronymika sind nur am linken Weserufer (Butjadingen) häufig. Auf Wangerooge

zeigen die Familiennamen aus Patronymika von ursprünglich vokalisch auslautenden

Rufnamen -n und von sonstigen -s.24 Auffallend sind auf -a endende

Familiennamen, die sich allerdings östlich der Jade ursprünglich nicht finden; sie

treten erst nach Westen hin zunehmend auf und werden in der Westhälfte des

Groninger Gebiets, wo 1947 zwischen 30 % bis an die 50 % aller Einwohner einen

solchen Namen trugen, sehr häufig.25 Der im Bereich der ostfriesischen Halbinsel

zwischen Jade und Ems typische Namenausgang ist -(e)na.Wesentlich seltener

begegnet die Kombination -inga (z. B. Poppinga) mit den Nebenformen



-enga/ -unga und das in seiner Genese nicht sicher geklärte -ma. Mit diesen Suffixen

sind Familiennamen von (bei -na und -ma gewöhnlich genitivischen) Rufnamen,

aber auch von Toponymen und Appellativen vor allem in toponymischer

27

Friesische Familiennamen



21 Vgl. Ebeling 1984, S. 24.

22 Vgl. die Übersicht über frühere ostfriesische „edle Geschlechter“ aus dem Raum zwischen

Lauwers und Ems bei Richthofen 1882, S. 1073–1086.

23 Vgl. oben in Abschnitt 2.2.

24 Versloot 1996, S. 40.

25 Siehe Karte bei Heeroma 1969, S. 179, auch wiedergegeben bei Ebeling 1984, S. 73.

Verwendung gebildet. Beispiele sind einerseits Ottena, Frederiksna, das schon

erwähnte Cirksena, Hartema, andererseits Brinkema, Krumminga bzw. Dinkela,



Mühlena.26 Selten tritt östlich der Ems bloßes -a an einen unflektierten (zweistämmigen)

Rufnamen, wie z. B. bei Wiarda, während dieser Typus schon lange

vor der Zeit der allgemeinen Familiennamen zwischen Lauwers und Ems häufig

ist.27 Für diesen Raum besonders typisch sind auch auf Rufnamen basierende Familiennamen

mit der Endung -sema, d. h. (ursprüngliches) Genitivmorphem -s-

+ Übergangslaut -e- + Suffix -ma, z. B. Roelfsema, sowie, wenn auch weniger

frequent, solche auf -ingma und -man(n), doch reicht das Gebiet der letzteren östlich

über die Ems hinaus. Im Groningerland östlich zur Ems hin haben übrigens

die Patronymika auf -(e)ns ihren Schwerpunkt, und das schon seit dem 14. Jahrhundert.

28 Zu erwähnen bleibt schließlich noch, dass in Gesamtostfriesland gelegentlich

auch Familiennamen aus Rufnamen nur mit -ing-Suffix sowie ohne

jedes Suffix (Nominativpatronymika) begegnen, und dazu, eher vereinzelt vorkommend,

solche aus bodenständigen Beinamen mit den Endungen -ker/-tjer,

-mer und -ster, z. B. Woldmer, Fahnster.29

-(n)a, wofür es in Nordfriesland bislang nur einen einzigen Beleg von 1535



(Payna Inghe) gibt, ist ursprünglich der Ausgang des altfriesischen Genitivs im

Plural (stark -a, schwach -ana/-ena; im Singular: stark -(e)s, schwach -a) und

drückte wie -ing zunächst in Despotonymika, die zumindest in den adligen Familien

bald über mehr als eine Generation hinaus als (feste) Gentilnamen fungieren

konnten, die Zugehörigkeit zu einem (ehemaligen) Familien- oder Sippenoberhaupt

aus, hatte also implizit anfänglich auch patronymische Funktion. Diese

verselbständigte sich, und -(n)a (sowie -ma) wurde zu einem generellen patronymischen

Suffix in der Bedeutung von ‘Sohn’ oder auch nur des Genitivs Singular,

vgl. in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts von östlich der Ems [Aylwardus] Snelgera

= Snelgersoen = Snellegren = Snelgersma oder hundert Jahre später aus

dem Groninger Raum Ripperda = Rippertes,30 dazu 1401 Enne Edzerdesna,

28

Ulf Timmermann



26 Ebeling 2001a, S. 178 und 468f.

27 Vgl. die Übersicht bei Sipma 1952, S. 91 sowie ebd. S. 92f; dazu auch Richthofen 1882,

S. 1084 f.

28 Vgl. Sipma 1952, S. 91, 100, und Ebeling 2001b, S. 176.

29 Ebeling 2001a, S. 469.

30 Beide Gleichungen bei Sipma 1952, S. 90. Für Datierung und Quellen vgl. ebd. S. 93 bzw. S. 98.

31 Vgl. Timmermann 1998, S. 6.

Häuptling in Norden = 1404 Enne Idzerdissoen31 und (später zu Familiennamen

gewordene) attributive Formen wie Tjaarda, Wiarda. Beispiel für eine Zwischenstufe

zwischen patronymischer Benennung und der Führung eines festen Gentilnamens

als Familienname (z. B. das erwähnte Cirksena) ist 1382 Edo Wymken,

Häuptling im Jeverland, der zum Geschlecht der Papinga32 gehörte.

3.3 Typisches

Morphologische Eigenheiten, zu allererst die Endung -(e)na, machen einen Gutteil

des Typischen der ostfriesischen Familiennamen im eigentlichen Sinne aus;

noch mehr ist dies jedoch in den vorausliegenden Rufnamen zu finden, insbesondere

bei denen germanischer Herkunft.33 Auf solchen basierende Familiennamen

gehören im ostfriesischen Raum allerdings keineswegs zu den frequentesten,

denn obwohl, wie oben erwähnt, aus Rufnamen gebildete Familiennamen diejenigen

aus Beinamen überwiegen, zeigen die in frequenten Familiennamen wie



Hinrichs, Harms, Gerdes, Peters, Behrends enthaltenen Rufnamen niederdeutsche

oder jedenfalls keine als friesisch zu identifizierende Form. Der nach Anzahl

der Träger häufigste Familienname östlich der Ems bis zum Jeverland ist um

1978 – bei erheblichen regionalen Unterschieden – mit knapp 3% (30,7 ‰) das

durchaus nicht als typisch friesisch anzusprechende Janssen. In derselben Frequenzuntersuchung

begegnen Namen mehr friesischen Gepräges wie Bohlen

(3,0 ‰), Eden, Aden, Heyen, Heeren, Onken, Ulferts (1,8 ‰) erst ab Platz 26 und

bis (zum letzten ermittelten) Platz 50.34 Für ostfriesische Teilgebiete lassen sich –

allerdings nicht synchron – andere bzw. weitere friesische Familiennamen anführen,

die, weil nicht ganz selten, in gewisser Weise als charakteristisch gelten können:

für Weserfriesland etwa Tantsen (Butjadingen) bzw. Tantes (Land Wursten,

29

Friesische Familiennamen



32 Siehe Vries 2001, S. 545.

33 Literatur (unter Einschluss neuester Werke und Auflagen sowie von Sammlungen) zu ostfriesischen

Personennamen findet man z. B. im Onlinekatalog der Ostfriesischen Bibliothek. Vgl.

http://emdbs2.fho-emden.de:8080/DB=1/CLK?IKT=46&TRM=personenname oder über

http://www.ostfriesischelandschaft.de.

34 Siehe Schumacher 1980, S. 217 f.

rechts der Wesermündung) und in Wursten auch Eides, Sieb(e)s, für Wangerland

(nördlich Jever) eventuell Jarbucks, für die Stadt Emden mit dem nördlichen

Umland (Krummhörn) Poppinga, Tjaden, letzteres auch für den Raum Norden.


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