1 Familiennamen aus germanischen Sprachen Ulf Timmermann Friesische Familiennamen



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Tabelle 2: Ableitungen zu balt. Jurgis in Deutschland (DFA-Datenbasis 2005)

Antje Dammel

142

Im Folgenden werden einige Gruppen typisch baltischer FamN in Deutschland



nach Suffixen geordnet vorgestellt. Dafür wurden solche Suffixe ausgewählt, die

in der DFA-Datenbasis die am eindeutigsten baltischen Ergebnisse liefern. Da

Einzelnamen Streubilder ergeben würden, wurde zugunsten von Sammelkarten

zu den Suffixen entschieden.6 Dabei werden v. a. die adaptierten Varianten (z. B.



-eit) kartiert, da die originalen (z. B. -aitis) viel seltener sind. Auf diese Weise

wird deutlich, dass es eine weit größere Menge baltischer FamN in Deutschland

gibt, als die gegenwärtigen Einwanderungszahlen (s. 1) vermuten ließen. Außerdem

werden so die Zentren der Ansiedlung von Personen aus Preußisch-Litauen

(und dem Baltikum) nach 1945 gut profiliert: Alle Karten zeigen Konzentrationen

in Norddeutschland, besonders in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und

Mecklenburg-Vorpommern sowie im Ruhrgebiet.

Das Suffix -u(h)n (K. 1) weist auf litauische oder prussische Herkunft hin. In

Lettland ist es dagegen kaum vertreten (s. TRAUTMANN 1974, S. 168 f.; STALTMANE

1981, S. 84, K. 12). Das Suffix war bereits in den RufN enthalten, die die

Basis der FamN bildeten, vgl. z. B. dt. Willuhn zu pruss. Willune oder lit. Vilunas

und dt. Maruhn zu pruss. Marunas. An Adaptionen im Deutschen (s. dazu 2.3.2)

sind der Wegfall der Flexionsendung lit. -as, pruss. -e, das Dehnungs-h und teils

nhd. Diphthongierung (vgl. Maruhn / Maraun) zu verzeichnen.

Mit dem patronymischen Suffix -eit, das auch die in der Einleitung erwähnten

FamN Siemon-eit (‘christl. RufN Simon + Patr.’) und Wower-eit (‘Eichhorn +

Patr.’) enthalten, erfasst man eines der größten Bündel baltischer FamN in Deutschland.

Sie sind überwiegend (preußisch-)litauischer Herkunft; in Lettland ist das

Suffix nur dünn und entlang der Grenze zu Litauen belegt (STALTMANE 1981,

S. 84, K. 11). Während in Litauen -Graphie gilt und eine Flexionsendung

wie -is (Nom. Sg. mask.) antritt, z. B. Abrom-ait-is, überwiegt in Deutschland

klar -Schreibung, wobei das Flexionssuffix meist wegfällt, z. B. Abromeit.

Diese Adaption ist typisch für das preußisch-litauische FamN-System (SCHILLER

2008). Eine Abfrage .*(a | e)it(is)? (¡Ý 5 Tokens) ergab für -eit 889 Types / 39 502

Tokens, für -ait 34 / 475, für -aitis 24 / 252 und für -eitis 9 / 103 Types / Tokens. Bei nicht

adaptierter Diphthongschreibung bleibt also auch eher das Flexionssuffix erhalten.

6 Die Karten wurden mit dem Programm des Projekts „Deutscher Familiennamenatlas“ erstellt.

Das Belegnetz aller Karten sind zweistellige PLZ-Bezirke. Die Verteilung ist immer relativ, d. h.

den Maßstab der Flächeneinfärbung bilden die ‰-Anteile des Namentyps in einem PLZ-Bezirk,

nicht die absolute Zahl der Festnetzanschlüsse. (Genauers s. KUNZE/NÜBLING 2007 und in diesem

Band.)

143


Familiennamen aus dem Lettischen und Litauischen in Deutschland

Karte 2.1 zeigt die frequentesten FamN auf -eit. Typ -eit ist mit seinen 12 126

Tokens hochfrequent (und hier sind nur die Namen ab 100 Tokens inbegriffen).

Die baltischen FamN in Deutschland, die man in den Namenlexika oft vergeblich

sucht, sind damit kein zu vernachlässigendes Randphänomen, sondern zeugen

vom Jahrhunderte währenden deutsch-baltischen Kontakt.

Ob der FamN Gut(t)zeit 1 246 + 149 (Karte 2.2) dazu gehört, ist umstritten.

Die deutschen Lexika nehmen einen deutschen ÜberN nach mhd. guot + zîte an

(vgl. z. B. ZODER 1968, S. 640). Es könnte jedoch auch ein lit. Patronym Guzáitis

(neben Gùzas, vgl. VANAGAS/MACIEJAUSKIENE/RAZMUKAITE 1985, S. 750)

vorliegen, das im Deutschen als Gut(t)zeit adaptiert wurde. Ob dabei Volksetymologie

(s. u., 2.3.2) am Werk war oder eine zufällige Homonymie vorliegt, ist

nicht zu klären. Dass sich die Verdichtungsgebiete beider Karten auffällig ähneln,

stützt eine baltische Etymologie von Gut(t)zeit. Gegen eine Deutung als ÜberN

spricht auch, dass bei klarer Konzentration im nd. Raum überhaupt keine nd.

Varianten, etwa *Godtied, belegt sind. Allerdings haben alle Personen namens

Gut(t)zeit im Memelland deutsche Vornamen (vgl. OFB), was eine deutsche Etymologie

stützen aber auch auf Assimilation zurückgehen kann.



Karte 1:

frequenteste FamN (¡Ý 50 Tokens)

des Typs -u(h)n 4 153

Kartentyp: relativ, Flächen pro 2-stell.

PLZ, Graustufen 0,02–0,41 ‰

Typ -u(h)n (4 651 Tokens):



Appuhn 63, Aukthun 71, Balschun 94, Beduhn

70, Blaudszun 56, Didszun 83, Endruhn

58, Geduhn 109, Jurkuhn 50, Klabuhn 84,

Klawu(h)n 70 + 87, Kublun 70, Kur(b / p)juhn

158 + 59, Labuhn 181, Lubjuhn 113, Maguhn

78, Maraun 206, Maruhn 439, Naruhn 91,

Pardun 87, Paulu(h)n 70 + 79, Perkuhn 325,

Podschun 84 / Pod(s)zun 65 + 64, Pomplun 363,

Radschun 65, Steppuhn 192, Warschun 119,

Wauschkuhn 111, Willuhn 239

Antje Dammel

144

Auf eine Untergruppe der -eit-Namen, das sehr interessante Phänomen der



-igkeit-Namen (z. B. Tennigkeit), wird in Abschnitt 2.3.2 eingegangen.

Typ -eit setzt sich folgendermaßen zusammen (nach Tokenfrequenz sortiert,

wo möglich sind Etymologien bzw. zugrunde liegende lit. FamN angegeben):

Kal(l)weit 603 + 1 013 ‘Schmied + Patr.’; Schneidereit 826; Petereit 804 < dt.

Peter; Adomeit 640 < lit. Adomas < Adam; Buttgereit 628 < nd. Böttcher;

Broscheit, Broszeit 249 + 352 < dt. (Am)brosius; Hensel- / Enseleit 401 + 161



< dt. Hans + Dim.; Grigoleit 509 < Gregorius; Si(e)moneit 210 + 218; Lenkeit

394 < lit. lénkas ‘Pole’; Jak(o/u)beit 176 + 139 < Jakobus; Poweleit, Powilleit

185 + 124, vgl. lit. Povilas < Paulus; Balzereit 278 < dt. Balzer < Balthasar;

Mickeleit, Mikoleit 118 + 156 zu lit. Mikelis < dt. Michel, zu lit. Mykolas;

Abromeit 225 < Abraham; Domscheit 205; Rad(s)zuweit 205 + 101 < ‘Stellmacher

+ Patr.’; Mertineit 200 < nd. Mertin; Milkereit 196 < dt. Melchior, Mel-

Karte 2.1:

Typ -eit 12 126

Kartentyp: relativ, 2-stell. PLZ,

Graustufen 0,07–1,13 ‰

Karte 2.2:

Typ Gut(t)zeit 1 395

Kartentyp: relativ, 2-stell. PLZ,

Graustufen 0,00–0,16 ‰

145

Familiennamen aus dem Lettischen und Litauischen in Deutschland



kerts oder Mielke; Szameit 181 < lit. Žémait(ait)is ‘Niederlitauer’; Wieberneit

177; Josupeit 169 < Josup < Joseph; Jurgeleit 160 < Jurgis < Georg; Lenuweit

159; Willuweit 159 < lit. Vilius; Joneleit 157 < Jonelis zu Jonas; Loleit 151;

Kaspereit 134 < dt. Kasper; Klimkeit 131 < dt. Klemens; Tennigkeit 124 <

lit. Tenikaitis zu Tenis; Stascheit 121; Nikoleit 120 < Nikolaus; Kadereit 118;

Matzeit 116 < lit. Macys zu dt. Matthias; Kailuweit 114 < lit. Kailius ‘Kürschner’;

Jodeit 108 zu lit. Jodis; Aschmoneit 105 < lit. Ašmonaitis zu Ašmantas?

oder < dt. Aschmann < Erasmus; Urmoneit 103 zu dt. Uhrmann; Podszuweit

102 (zu lit. Podžius ‘Töpfer’), Bertuleit 101 < dt. Berthold.

Karte 3 zeigt Typ -ies (alle Fälle ¡Ý 50 Tokens, insges. 3 210 Tokens). Das Suffix

-ies geht v. a. auf die litauische Flexionsendung -ys zurück, z. B. entsprechen Bublies

und Gaidies den lit. FamN Bublys ‘Rohrdommel’ und Gaidys ‘Hahn’. Das

Graphem bezeichnet im Litauischen ein langes [i:] (s. AMBRAZAS 1997, S.

18), was die adaptierte Schreibung im Deutschen mit Dehnungs-e erklärt. Die

Gruppe enthält neben Naturnamen v. a. deadjektivische ÜberN, z. B. Kairies zum

lit. FamN Kairys ‘der Linkshänder, Linkische’ und Ruddies zu ‘rot’.

Karte 3:

Typ -ies 3 210

Kartentyp: relativ, 2-stell. PLZ,

Graustufen 0,02–0,32 ‰

Annies 70, Barsties 88, Bublies 158, G(a / e)idies

166 + 63, Gennies 68, Kairies 351, Kemsies 83,

Klischies 71, Klumbies 57, Lagies 104, L(a / e)

pschies 101 + 52, Lolies 66, Margies 85, Metschies

91, Oschlies 137, P(a / e)rplies 61 + 77,

Pukies 53, Raudies 190, Ruddies 135, Schukies



88, Sk(e / ö)ries 62 + 61, Skwirblies 58, Sprogies

53, Srugies 52, Strogies 55, Szallies 121, Thiesies

53, Trinkies 76, Waitschies 89, Waschkies

56, Woweries 54, Zeddies 85

Antje Dammel

146

Karte 4 zeigt FamN mit den baltischen Suffixen -us / -ius. Diese FamN umfassen



ebenfalls oft deadjektivische ÜberN, z. B. Budrus ‘der Wachsame’, Raudzus ‘der

Rote’, Smeilus, -ai- ‘der Naschhafte’, aber auch BerufsN wie Podszus ‘Töpfer’

und Patronyme wie Jankus zu Johannes u. a. kommen vor. Kartiert wurden die

frequentesten Fälle (insges. 2 800 Tokens).

2.3 Adaptionen im Deutschen

2.3.1 Adaptionen heute

Deutsches Namenrecht7 greift für lettische und litauische FamN mit der Einbürgerung

oder bei der Eheschließung, falls für letztere deutsches Namenrecht gewählt

wird. Bei Übergang zu deutschem Namenrecht gilt, dass die Schreibweise

unverändert bleibt: Sowohl Sondergrapheme und Diakritika als auch sexus- bzw.

7 Für Hilfe auf dem Weg durch den namenrechtlichen Paragraphendschungel danke ich Amaru

FLORES.

Karte 4:

Typ -us 2 885

Kartentyp: relativ, 2-stell. PLZ,

Graustufen 0,01–0,32 ‰

Awischus 54 / Awiszus 135, Balasus 56, Buddrus



107, But(t)kus 60 + 204, Gailus 134, Girnus 161,

Jankus 66, Kudszus 57, Lauschus 55 / Lauszus



58, Luttkus 64, Mitzkus 73, Motzkus 315,

Podszus 167, Raud(s)zus 67 + 192, Schernus 81,

Schimkus 221, Schlusnus 50, Schwellnus 132,

Sm(e / a)ilus 77 + 48, Stoschus 54, Szemkus 74,

Tobaschus 55, Wenskus 68

147


Familiennamen aus dem Lettischen und Litauischen in Deutschland

personenstandsanzeigende Endungen werden beibehalten. Es bleibt also z. B. bei

Herrn Urbonas, Frau Urboniene bzw. deren Tochter Urbonaite (§ 57 Abs. 6 DA).8

Nach der Einbürgerung ist eine Änderung des Namens möglich, wenn „dieser die

ausländische Herkunft des Namensträgers in besonderem Maße erkennen lässt

und der Antragsteller im Interesse der weiteren Eingliederung Wert auf einen

unauffälligeren Familiennamen legt.“ (Nr. 37 Abs. 2 NamÄndVwV).

Für Vertriebene und Spätaussiedler (sowie deren Angehörige) bestehen weitere

Erleichterungen, den FamN einzudeutschen (§ 381 DA). Neben einer eingedeutschten

Schreibweise können sie bei geschlechts- bzw. familienstandsanzeigenden

Namen die männliche Variante wählen und dem deutschen Namenrecht

fremde Namenbestandteile (wie Vatersnamen) ablegen. Darunter fallen wohl

auch die baltischen Flexionssuffixe. Dass unter den baltischen FamN in Deutschland

klar die Varianten ohne Flexionssuffix (z. B. -eit) gegenüber den genuinen

suffigierten (z. B. lit. -ait-is) überwiegen, geht aber meist bereits auf frühneuzeitliche

ostpreußische Adaptionen zurück (vgl. WENSKUS 1990, S. 28 f.; SCHILLER

2008), nicht erst auf die Zeit nach 1945.

2.3.2 Adaptionen in der älteren Schicht baltischer Familiennamen

Generell können Adaptionen erst in Deutschland entstanden sein (selten) oder bereits

im Baltikum bzw. in Ostpreußen (der Normalfall). Das Lettische z. B. wurde

von Deutschen verschriftet – sein Schreibsystem basierte bis 1918 stark auf dem

damaligen deutschen Schreibgebrauch (POLANSKA 2002, S. 113 f.). Viele der

Adaptionen gehen auf preußisch-litauischen Usus zurück (SCHILLER 2008), für

den das Deutsche eine ähnlich große Rolle spielte. Im Folgenden werden einige

Adaptionen vorgestellt, geordnet nach sprachlichen Ebenen und ohne Anspruch

auf Vollständigkeit.

8 Bis 1. September 1986 galt noch (§ 57 Abs. 6 DA 1985), dass beim Übergang zum deutschen

Namenrecht immer die männliche Form des Namens übernommen und unverändert beibehalten

werden musste, d. h. aus Frau Urboniene und ihrer Tochter Urbonaite (lit.) wären Frau und Tochter

Urbonas geworden, aus Frau Ozolina (lett.) Frau Ozolinš.

Antje Dammel

148

Graphische Adaptionen

Sowohl das moderne Lettische als auch das moderne Litauische nutzen Diakritika,

v. a. zur Anzeige palatal(isiert)er Konsonanten, z. B. lett. , lett. und lit. <ž,

š>. Für den historischen Schreibusus, der als Grundlage der älteren Adaptionen

angenommen werden muss, gilt dies jedoch nicht oder nur eingeschränkt. Für das

Preußisch-Litauische ist z. B. von <Ÿ> und auszugehen (SCHILLER 2008).

Vokale: Vokalquantität wird überwiegend abweichend von den modernen

baltischen Schreibsystemen den Konventionen des Deutschen entsprechend angezeigt:

Vokalkürze durch graphische Konsonantengemination, z. B. Kal(l)weit

603 + 1 013 zu lit. Kalvaitis und But(t)kus 60 + 204 zu lit. Butkus; Vokallänge

durch deutsches Dehnungs-h, so z. B. bei vielen der FamN in Karte 1 auf -uhn

zu modernem lit. -un-, vgl. Willuhn zu lit. Vilunas oder pruss. Willune und die

Variation in Klawu(h)n 70 + 87 (< Nikolaus). Dasselbe gilt für den Gebrauch von

Dehnungs- bei /i:/ wie in Karte 3, Typ -ies, zu lit. -ys [i:s]. Hinsichtlich der

Vokalqualität wird lit. als dt. und lit. sehr häufig als dt.

adaptiert (s. Karte 2, Typ -eit und den Kommentar dazu).

Konsonanten: Einem im modernen Baltischen entspricht historisch im preußisch-

litauischen und lettischen Schreibusus ein . Auch die baltischen FamN in

Deutschland haben hier , das meist auf historische Verschriftungen zurückgeht,

seltener auf spätere Adaptionen, vgl. Kal(l)weit zu lit. Kalvaitis, Klawin 45 vs. Klavins

12 (zu lett. Klavinš), Wanag(as) 3 + 21 vs. Vanag(a)s 5 + 1 (zu lit. Vanagas, lett.

Vanags), Vitols 6 vs. Witols 1 (zu lett. Vitols). Die Entsprechungen zum palatalen

alveolaren Frikativ <ž> im modernen Lettischen und Litauischen sind in Tab. 3 dargestellt,

die einen Eindruck vermittelt, wie stark hier die Verschriftung variiert. Das

Spektrum umfasst die FamN lit. Raudžus ‘der Rote’, lit. Avižius zu aviža ‘Hafer’,

FamN aus lit. ne + gražús ‘nicht schön’ und den lit. FamN Podžius ‘Töpfer’: Meist

wird ž mit dem Cluster verschriftet, relativ häufig sind auch , die Schrei-

Tabelle 3: Entsprechungen von baltisch <ž> in Deutschland (DFA Datenbasis 2005)

sz Awiszus 135, Negraszus 39, Podszus 167, Poeszus 5, Raudszus 192

z Raudzus 67, Podzus 43

sch Awischus 54, Negraschus 10, Podschus 18, Raudschus 16

ß Awißus 30, Negraßus 23, Podßus 7, Raudßus 33

ss Awissus 10, Negrassus 19, Nagrassus 8, Raudssus 5

s Awisus 7

149


Familiennamen aus dem Lettischen und Litauischen in Deutschland

bung nach der Lautung und <ß> vertreten, seltener und . Beispiele

von für lett. <š> sind Bersinsch 7, Kalninsch 3, Krastinsch 2, Kruminsch

1, Liepinsch 1, Osolinsch 2 (lettische Originale s. Tab. 1).

Im Litauischen wird Palatalisierung von Konsonanten nicht wie im Lettischen

durch Diakritika, sondern durch ein folgendes rein graphisches markiert, das

im preußisch-litauischen Schreibusus häufig fehlt, was auf Einfluss des deutschen

Schreibgebrauchs oder aber Depalatalisierung zurückgehen kann (Chr.

SCHILLER, pers. Komm.). Sein Fehlen in den baltischen FamN in Deutschland

kann damit einerseits bereits auf das Preußisch-Litauische zurückgehen, z. B. entsprechen

dem FamN Gailius in Litauen die FamN Gail(i)us 134 + 3 und Geilus

14 in Deutschland. Es finden sich aber auch Beispiele wohl jüngerer Adaptionen

wie Biel(i)auskas 2 / 1, Dumbil(i)auskas 1 / 1, Kavaliauskas 3 – Kawalauskas 1,

Kirkil(i)onis 4 / 1.



Morphologische Adaptionen

Hier ist v. a. der Wegfall der baltischen Flexionsendungen zu nennen und damit

auch die Aufgabe der über diese Suffixe vermittelten Sexusanzeige. Beispiele

bieten die FamN, die in die Karten 1 und 2 eingegangen sind: So entspricht lit.

-unas dt. -u(h)n, lit. -aitis meist dt. -eit etc. SCHILLER 2008 zeigt für die preußisch-

litauischen FamN, dass mehrsilbige Basen wie Josupeit(-is) stärker von

diesen Kürzungen betroffen sind als einsilbige wie Gulb-is. Auch das lettische

Suffix -s / -š kann wegfallen, z. B. Klawin statt Klavinš, doch nicht so oft wie die

litauischen Suffixe. Das liegt wohl zum einen daran, dass letztere vokalhaltig und

damit auffälliger sind, zum anderen sind sie dem deutschen System fremder als

lettisch -s (vgl. die vielen deutschen FamN mit Genitiv-s).

Volksetymologische Reanalyse

Sie kann zum einen den FamN als ganzen betreffen. Zum Beispiel wird der balt.

FamN Baldzun (< Balthasar), wohl vermittelt über die graphisch integrierte Variante

Balschuhn, mit neuem „Sinn“ erfüllt zu Ballschuh. Noch interessanter ist

aber die volksetymologische Anbindung unselbständiger morphologischer Einheiten

an das deutsche System: Kombinationen aus Stammauslaut (i)k- mit den

Suffixen -at- und -aitis wurden auf diese Weise an das deutsche Suffix -ig-keit

angeknüpft, wobei die Basis bis auf graphische Anpassungen baltisch und damit

undurchsichtig blieb (s. Tab. 4). Im Deutschen entsteht so der aparte Gesamteindruck

einer Abstraktbildung zu einer ungekannten Eigenschaft.

Antje Dammel

150


Ein ähnlicher Fall liegt bei lettischen FamN vor, deren Diminutivsuffix

-in(-š) bereits in Lettland (vgl. POLANSKA 2002, S. 174–177) volksetymologisch

an das deutsche Suffix -ing angebunden wurde (Beispiele in Tab. 5). Letzteres

ist im Westfälischen, dem Dialektgebiet, das sehr viele der Ostsiedler stellte (vgl.

z. B. FEYERABEND 1985, S. 149), ein patronymisches Suffix und entwickelte sich

erst im Mecklenburg-Vorpommerschen zu Anfang des 19. Jh. zu einem Diminutiv-

Suffix. Wegen der späteren Entstehung des mecklenburgischen Diminutivs

nimmt POLANSKA an, dass die Assoziation der beiden Suffixe v. a. über die ähnliche

Lautung geknüpft wurde. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen aber doch

noch eine inhaltsseitige Verbindung hinzuzufügen: Das Suffix -ing war als patronymisches

Suffix in den Bei- und FamN der aus Westfalen stammenden Baltendeutschen

sehr frequent (vgl. FEYERABEND 1985, S. 62–64, 67). Daher muss



Tabelle 4: Die häufigsten FamN auf -igkeit in Deutschland

Häufigste FamN auf -igkeit

Deutschland Tokens



mögliche im Litauischen

zugrundeliegende FamN

Bastigkeit 106 Bastikaitis, Bastakys

Briddigkeit, Bredigkeit, Briedigkeit 31, 13, 5 Bridikis

Di(e)drigkeit 20 + 37 Didrikas (< dt. Dietrik / -rich)

Endrigkeit 96 Endriekus, Endrikas / -is, Endriukaitis

< dt. Hendrik, Heinrich

Isigkeit 41 Izokas < Isaak (Chr. SCHILLER)

Jonigkeit 50 Jonikaitis < Johannes

Kinnigkeit 77 Kinderis, Kindurys

Leidigkeit 43 Leidikaitis?

Lud(w)igkeit 88 + 38 < dt. Ludwig

Matzigkeit, Mattigkeit, Motzigkeit 25, 7, 36 Mažeikas / -is, Motekaitis < Matthias

Pri(e)digkeit 7 + 71 dt. Friedrich?

Rosigkeit 60 Rožinas?

Rud(d)igkeit, Rudigkeit,

Rüd(d)igkeit

18 + 147,

1 + 4

Rudis zu ‘Erz’

Selmigkeit 36 Šelmys, Zelmikas?

Ten(n)igkeit 9 + 124 Tenikaitis, Tenis

Urbigkeit 57 Urbikas

151


Familiennamen aus dem Lettischen und Litauischen in Deutschland

es auch inhaltsseitig als ein morphologisches Element mit der Funktion FamNAnzeiger

wahrgenommen worden sein – genauso wie das lettische Suffix -in(-š)

nicht nur als Diminutiv-, sondern v. a. als Bei- bzw. FamN-Anzeiger interpretiert

worden sein muss.

Einmal Baltikum und zurück – deutsch / baltische Hybride

Dies sind Fälle, in denen deutsche FamN zunächst ins Lettische oder Litauische

integriert wurden und dann wieder zurück nach Deutschland gelangten. So zeigt

z. B. Enseleit 161 (neben Henseleit 401), das auf dt. Hensel (ein Diminutiv zu

Hans < Johannes) zurückgeht, phonologische Integration: Da die baltischen Sprachen

kein [h] kennen (vgl. JORDAN 1995, S. 41; AMBRAZAS 1997, S. 39), wurde

Hensel dort zu Ensel. Außerdem wurde der Name morphologisch angepasst und

mit dem Suffix -ait-is versehen. Im preußisch-litauischen Schreibgebrauch wurde

dann die Flexionsendung gekappt. Wie Enseleit gibt es zahlreiche weitere RufN

deutscher Herkunft, die mit baltischen Suffixen verbunden sind, z. B. Ludwigkeit

38, Mertineit 200 und Kaspereit 134. Baltische patronymische Suffixe sind aber

auch sekundär an deutsche BerufsN getreten, z. B. Beckereit 19, -at(h) 18 + 7,

Schneidereit 826, -rreit 15, -eith 4, -eitt 1, -teit 1, -at(h) 88 + 17. In deutsch-baltischen

Hybriden wie diesen spiegelt sich der intensive Sprachkontakt im Baltikum

am eindrücklichsten. Viele weitere Beispiele und Varianten finden sich im

„Ortsfamilienbuch Memelland“ (= OFB), in KENKEL 1972 (FamN-Sammlung

zum nördl. Ostpreußen mit Angaben zur ethnischen Zugehörigkeit der Namenträger)

und in WENSKUS 1990 (Memelland und nördl. Ostpreußen, mit fundierter

Diskussion).

Tabelle 5: Lettische FamN mit deutschem -ing-Suffix

Variante mit -ing-Suffix

in Deutschland (Tokens)

zu (modern) lettisch

Aboling (1) Abolinš

Ber(s/z)ing (1 + 1) Berzinš

Grauding (12) Graudinš

Kalning (17), Kalninch (1) Kalninš

Kruming (6) Kruminš

Osoling (2) Ozolinš

Zaring (1) Zarinš

Antje Dammel

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