Auf Grund des Codex Iuris Canonici



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Nach diesen Gesichtspunkten ist auch die vorliegende Ar­beit aufgebaut. Es ist der geschichtlichen Grundlegung beider Ämter ein weiter Raum gelassen. Es ist ferner bei der Dar­stellung einiger Lehren, z. B. bei der Lehre von der Stellver­tretung und der Erörterung des Jurisdiktionsbegriffes etwas näher auf die einschlägigen Sätze des römischen Rechtes ein­gegangen worden. Außerdem hat in der geschichtlichen Grundlegung eine umrißweise Darstellung des geltenden Par­tikularrechtes ihren Platz gefunden. Gerade in der Ausbil­dung einer Ordinariatsbehörde ist ja, Deutschland eigene Wege gegangen.

Das gemeine Recht hat diese partikularen Notwendigkeiten und Traditionen in weitem Umfang geschont. Im wesentli­chen freilich soll die Hierarchie der bischöflichen Gehilfen nach den Vorschriften des Codex gestaltet werden. Es ist kein Zeichen wahrer Katholizität, wenn ein Mensch im Glau­ben nur annimmt, was formell definierte Lehre ist, sonst aber mit Vorliebe „verwegene Meinungen“ teilt.4 Es entspricht auch nicht dem wahren „sentire cum Ecclesia“, wenn im Rechtsleben ein ungesunder Partikularismus gepflegt wird. Und es ist nicht alles Partikularrecht darum auch gut und schützenswert, weil es nun einmal historisch so geworden ist! Es sollen z. B. Justiz und Verwaltung möglichst getrennt werden, auch im Bereiche der Diözesanverwaltung — es braucht nicht näher betont zu werden, dass es sich nicht um eine Trennung der Gewalten als solche handelt, sondern nur um die Verteilung ihrer Ausübung an verschiedene Organe! Wie oft geschieht es aber nicht! Eine Zerspaltung des Gene­ral vikaramtes soll nach der Absicht des C.I.C. vermieden . werden: aber in manchen französischen Diözesen besteht eine Mehrzahl von Generalvikaren, in manchen deutschen wird der Generalvikar fast verdrängt durch ein Ratskollegium, in j dem er nur „primus inter pares“ ist. —

4 Vgl. can. 1324.

                1. 3

Die Stellung von G.-V. und Offizial nach gemeinem Rechte zu zeichnen ist Zweck dieser Arbeit. Auf die partikulären Verhältnisse soll, wie gesagt, nur andeutungsweise einge­gangen werden; eine erschöpfende Darstellung des Par­tikularrechtes ist auch nicht möglich wegen der Differenzie­rung des Stoffes und wegen des Mangels an zugänglichen Quellen und Vorarbeiten. Dies gilt auch von dem histori­schen Teil der Arbeit, der eben nur eine „Grundlegung“ sein will, soweit es für das Verständnis des geltenden Rechtes notwendig ist. Gerade in der historischen Durchforschung unseres Themas wird in letzter Zeit viel gearbeitet. Es ist von uns versucht worden, ein Bild vom Stand der gegenwär­tigen geschichtlichen Erkenntnisse zu geben, eine völlig ab­schließende Darstellung ist aber zur Zeit noch nicht möglich. Aus diesen Grundsätzen ist also die Einteilung der vor­liegenden Arbeit erwachsen. Die rechtsgeschichtlichen und rechtsdogmatischen Wurzeln beider Ämter, die Eck­pfeiler der Diözesankurie sind, werden zunächst unter­sucht, worauf die Darstellung von Generalvikar und Offizial nach geltendem Rechte folgt. So ergeben sich die beiden Ämter als Ausdrucksformen der einen bischöflichen Hirten­gewalt, als die Organe, durch die der Bischof in Verwaltung und Rechtspflege tätig wird.

  1. I. Teil.

Geschichtliche und dogmatische Grundlegung.

            1. I. Kapitel. Ursprung und erste Entwicklung von Generalvikar und Offizial.

§ 1. Die Entstehung des Offizials.

        1. I.

Um die Frage nach den historischen Grundlagen der Diö- zesankurie zu klären, müssen wir zunächst das hier vor­tragen, was bis vor einigen Jahren noch herrschende Lehre über den Ursprung des Offizials und den Charakter seiner Amtsbefugnisse war. Thomas sin,9 der Vater der kirchlichen Rechtsgeschichte, meinte, weder im Decretum Gratiani noch im Liber Extra finde sich eine Spur des Offizials oder des G.-V., der vielmehr erst im Liber Sextus begegne. Mißhellig­keiten von Bischof und Archidiakon hätten das Bedürfnis nach einem bischöflichen Beamten erzeugt; die erste Erwäh­nung des neuen Amtsträgers sei in der Vorschrift des Later. IV can. 910 (i. J. 1215) zu finden, wo der Bischof zur Ernen­nung von Gehilfen ermahnt werde. Im Liber Sextus sei dann zuerst der Terminus „Officialis“ oder „Vicarius generalis“ aufgekommen, der ein und dasselbe Amt bezeichnen wolle. Diese Lehre Thomassins von der ursprünglichen Identität von Generalvikar und Offizial wurde u.a. auch von Bene­dikt XIV11 vertreten. Er sah in der Einführung eines vom G.-V. verschiedenen Offizials nur ein transalpines Sonder­recht und erblickte in der italienischen Praxis der Einheit beider Beamten die dem „Recht angemessenere Ordnung“.

Ein Artikel in den Analecta Juris Pontificii4 behan­delte die Entstehungsgeschichte des Offizials unter einem be­sonderen Gesichtspunkt. Auch hier wird ausgegangen vom can. 6 des Lateran. IV. Die Aufstellung von Vikaren und Offi­zialen habe gar nicht im Recht der Bischöfe gelegen, da das Recht zur Schaffung solcher „Ordinarii“, die „alter ego“ des Bischofs sind, nur dem Papst, als dem einzigen Souverän in der Kirche, zustehe. Demgegenüber wäre zu sagen, daß nach heutigem Recht das Amt des Offizials nur ein „officium mi­nus“ ist, und daß grundsätzlich der Bischof zur Schaffung solcher officia minora „praeter ius commune“ berechtigt ist: der rechtlichen Bewegungsfreiheit der Bischöfe waren aber im Frühmittelalter erheblich geringere Schranken gesetzt. Der Artikel geht von Rechtsauffassungen aus, die für jene Zeit gar nicht zutreffen — und wegen dieses methodischen Fehlers sind auch die Folgerungen verkehrt. Es findet sich tatsächlich in den Quellen nicht der mindeste Anhaltspunkt für die These: die Bischöfe hätten das Amt des Offizials aus päpstlicher Bewilligung geschaffen. Als einziger Beleg wird angeführt der can. 9 Lateran. IV — aber dieses Zitat ergibt nichts, aber auch gar nichts zur Begründung der erwähnten Theorie. Der Canon mahnt nur zur Aufstellung von Gehilfen in Ausübung des bischöflichen Predigtamtes, zumal in Diöze­sen mit gemischter Sprache und gemischtem Ritus. Seelsorge­hilfe sollen also die neuen Beamten dem Bischof gewähren: gerade mit Seelsorge sollen aber der Generalvikar und der Offizial ihrem ganzen Aufgabenkreis nach nichts zu tun ha­ben! Vom Offizial (und G.-V.) ist also an unserer Stelle gar keine Rede — folglich kann in dem fraglichen Canon auch keine „päpstliche Ermächtigung gesehen“ werden, Offiziale aufzustellen.

Im wesentlichen trägt auch Wernz5 die oben genannten Anschauungen Thomassins und Benedikts XIV. noch einmal

vor. Freilich gibt er eine transalpine Entstehung des Offizials bereits im 13. Jahrhundert zu, wenngleich er ausdrücklich bemerkt dieser „Vicarii generales“ oder „Officiales“ werde im Liber Extra nicht gedacht, das Institut sei also noch nicht ins gemeine Recht jener Zeit aufgenommen worden.12 Mit sei­ner Vordatierung der Entstehungszeit des Offizials berück­sichtigt Wernz das bahnbrechende Werk von Paul Four- nier13 mit dessen Thesen wir uns noch weiter unten näher befassen müssen.

II.

Es ist Paul Fournier gelungen, auf Grund eingehender Urkundenstudien das erste Auftreten von bischöflichen „Offi­ciales“ für Frankreich bereits in der zweiten Hälfte des

  1. Jahrhunderts nachzuweisen. Und zwar handelt es sich hier schon um einen „officialis“ im engeren Sinne; das Wort bedeutet hier nicht mehr bloß den „Amtsträger“ überhaupt — auch der Archidiakon konnte den Titel Offizial im weiteren Sinne führen — sondern bedeutet den bischöflichen Stellver­treter, besonders den Stellvertreter in Gerichtssachen. Seit 1170 ist die Existenz von derartigen Offizialen für Reims gesichert, seit ca. 1200 für Rouen, Cambrai, Chartres u. a., seit 1210 für Arras, Sens, Paris, Bourges, Verdun. In Eng­land ist das Vorkommen eines bischöflichen Offizials für 117314 festgestellt, ferner für 1180. Auch in Italien begegnen Offiziale, z.B. in Acerenza i. J. 1199.15 Im 13. Jahrhundert be- S kommt dann das Wort Offizial den ausschließlichen Sinn, den es heute noch hat: ein Kleriker, der kraft eines Mandates die Gerichtsbarkeit des Bischofs stellvertretend ausübt. Man

unterschied zwischen „officiales principales“ und „Officiales foranei“. Letztere waren untergeordnete bischöfliche Richter in den einzelnen Dekanaten — eine Appellation an den offi­cialis principalis war möglich. Die Gewalt des Officialis fo- raneus war nur eine delegierte, während der officialis prin­cipalis ordentliche Gewalt16 hatte und dem bischöflichen Ge­richt am Bischofssitz selbst präsidierte. In der Regel war nur ein officialis principalis aufgestellt, doch begegnen auch mit­unter mehrere, z. B. in Arras, Amiens, Paris, Reims, Sens. Auch in manchen deutschen Diözesen finden sich im An­fang des 13. Jahrhunderts mehrere „officiales“ oder „iudi- ces“, so in Speyer, Worms, Mainz.17 G es eher18 weist den Offizial als bischöflichen Richter nach für Lüttich i. J. 1204, Trier i. J.1221, Köln i.J.1252. Über die möglicherweise abwei­chende Rechtsnatur dieser bischöflichen Richter in Deutsch­land ist im weiteren Verlauf noch die Rede. Bei jenen deut­schen „officiales“ begegnet nämlich der Ausdruck „iudices delegati“ nicht allzu selten, und das würde einen Unterschied zu der französischen Auffassung bedeuten, die, wie gesagt, dem Offizial potestas ordinaria zuerkannte. Auch in Frank­reich ist übrigens in jener Zeit die Terminologie noch nicht ganz einheitlich. Wenn auch „officialis“ vorwiegt, so finden wir doch auch „iudex“, „allocatus“ „administrator curiae“ „procurator“ und „minister“. Wir können also abschließend f feststellen, daß es trotz manchen Schwankens der Termino­logie und trotz mancher Unklarheit in der Abgrenzung der Befugnisse gegen Ende des 12. Jahrhunderts in Frankreich

und England, im Anfang des 13. Jalirh. auch in Deutschland einen bischöflichen Beamten gegeben hat, der den Bischof in Ausübung der Gerichtsbarkeit vertrat.

              1. III.

Nachdem wir so das erste Auftreten des Offizials in der Rechtsgeschichte verfolgt haben, ist es nötig, die von der älteren Theorie vertretene Behauptung auf ihre Richtigkeit zu prüfen, daß der Offizial in den Rechtsquellen des gemeinen kanonischen Rechtes, d. h. also in den Dekretalen Gregors IX. nicht erwähnt werde. Tatsächlich befaßt sich schon die Glosse zum Decretum Gratiani mit der Frage, ob der Bischof einen Teil seiner Befugnisse auf einen anderen übertragen könne und entscheidet „ea vero, quae iurisdictionis sunt, pot- est etiam demandare“.19 Auch die Dekretalen geben dem Bischof dieses Recht. So stellt Alexander III. 1180 das allei­nige Recht des Erzbischofs von Canterbury, bezw. seiner Suf- fragane, und ihrer Offiziale fest, Benefizien zu verleihen.20 Dasselbe Recht verlieh den Offizialen des dortigen Erzbi­schofs die Synode von Rouen 1189. Die klassische Stelle für das Vorkommen der Offiziale in den Quellen des gemeinen Rechtes um die Mitte des 13. Jahrhunderts ist die Konstitu­tion Innozenz5 IV. „Romana Ecclesia“.21 Hierin wird die Exi-

stenz eines ständigen bischöflichen Gerichtsbeamten, be­kleidet mit der Machtfülle, die er dann die ganze Folgezeit hindurch behielt, bereits im 13. Jahrhundert klar bezeugt. Diese Offiziale waren das „alter ego“ der Bischöfe, und eine Appellation von ihrem Forum war nur an den Metropoliten bezw. dessen Offizial, möglich. Es geht ferner aus dieser Stelle die Tatsache hervor — die auch anderweit geschicht­lich bezeugt ist16 — daß auch die niederen Prälaten (Archi- diakone) ihre Offiziale hatten.

IV'

Was dagegen den von der älteren Theorie immer wieder angeführten can. 9 Lateran. IV (=c. 14 u. 15 X 1, 31) anbe­trifft, der Anlaß gewesen'sein soll, daß die Bischöfe auf diese päpstliche Initiative hin zur Aufstellung von Generalvikaren und Offizialen schritten, so haben wir bereits dargetan, daß dieser Canon in unserer Frage gar nicht einschlägig ist. Wir werden noch einmal darauf zurückkommen müssen bei Un­tersuchung der Ursprünge des G.-V. Ebenso sparen wir uns die Analyse der Stellen über den Offizial, die sich im Liber Sextus finden, auf, denn mit der Streitfrage über die behaup­tete ursprüngliche Identität von G.-V. und Offizial ist die Interpretation jener Stellen aufs engste verknüpft.

V.

Wir müssen uns noch kurz mit dem Inhalt de,s Amtes be­fassen, das der Offizial bekleidete. Auf Grund eines bischöf- I liehen Mandates übt er die Jurisdiktion als Stellvertreter

sine quo alli coniudices ... in causa procedere non valebant, et alter ipsorum coniudicum officialis est episcopi supradicti, propter quod adver- sae parti poterat suspectus haberi. Unde, cum tarn episcopus quam offi­cialis praedictus, utpote idem R. in iudices postularat, et ipse famiiiaris eius est effectus, ab adversa parte possent merito recusari, decisionem ipsius causae vestrae petiit discretioni committi. Vgl. c. 66X2,28: Sed quia officialis archiep. huiusmodi exceptionem admittere denegabat, ad nostram audientiam appellarunt. Vgl. weitere Belege bei Schmalz, De instituto officialis, S. 10 f.

  1. Für deutsche Archidiakonate nachgewiesen bei Löhr a.a.O. S. 167 und Riedner a. a. 0., S. 40.

des Bischofs aus, dessen „alter ego“ er ist. Er ist Iudex Ordi­narius, was schon sein qualifiziertes Alter andeutet (25 Jahre — delegierte Richter durften jünger sein —). Er hat als ihm wesentlichen Aufgabenkreis die streitige Gerichtsbarkeit, doch kann ihm auch ein Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit, besonders notarielle Geschäfte zugewiesen werden. In der Regel ist er ohne Kollegen. Finden sich mehrere Offiziale, so sind sie „in solidum“ beauftragt. Ob wir es bei den in Deutschland im Anfang des 13. Jahrhunderts auftretenden „iudices delegati“ mit eigentlichen Offizialen (also iudices ordinarii) zu tun haben, steht noch nicht ganz fest. Möglicher­weise ist hier ein anderer Einfluß am Werke gewesen, der sich die päpstlichen „iudices palatini“ zum Vorbild genom­men hat. Dieser Meinung sind Riedner und Hilling. Hil- ling schreibt: „Wir stoßen demnach auf die rechtsgeschicht­lich überaus wichtige und interessante Erscheinung, daß fast gleichzeitig zwei verschiedenartige Organisationen für die Ausübung der bischöflichen Gerichtsbarkeit in den deutschen Bistümern errichtet wurden. Die eine leitete ihren Ursprung von dem Westen (Frankreich) her, die andere hatte ihr Vor­bild im Süden (Rom). Beide Institutionen stimmen zwar da­rin überein, daß sie das frühmittelalterliche System des kirch­lichen Benifizialwesens aufgegeben und sich nach neuen Rechtsprinzipien organisiert haben. Sie unterscheiden sich aber dadurch von einander, daß die norddeutsche Rechts­bildung das französische System des weltlichen Beamtentums zur Grundlage genommen hat, während die süddeutsche auf der iurisdictio delegata des kanonischen Rechtes aufgebaut worden ist.“22

Es wird Aufgabe der kirchlichen Rechtsgeschichte sein, die Zusammenhänge aufzuhellen, die zwischen den süddeut­schen bischöflichen Richtern und Rom, bezw. zwischen ihnen und den französischen Offizialen, bestanden haben. Nach

Gescher23 sollen auch die französischen Einzel-Offiziale ihre letzte geschichtliche Wurzel in den päpstlichen „iudices de- legati“ haben. Mainz scheint bereits Ende des 12. Jahrhun­derts dem französischen Beispiel gefolgt zu sein, und so wäre Mainz denn die Brücke, über die sich der französische Einzel- offizial-Typ die süddeutschen Bistümer eroberte. Auf Grund der bisherigen Forschungsergebnisse kann eine abschließende Charakteristik der süddeutschen ,iudices delegati“ noch nicht gegeben werden. Jedenfalls aber steht fest, daß im 14. Jahr­hundert in Deutschland nur noch die Form des französi­schen Offizials bekannt ist. Es ist nur mehr ein einziger Offizial, wenn auch der pluralistische Titel „iudices Spiren- ses, Wormatienses etc.“ im Siegel des Gerichtes mitunter formelhaft noch lange beibehalten wird.24 Dieser Offizial ist dann auch zweifellos nicht mehr bloß delegierter Richter, j sondern iudex Ordinarius. Wichtig ist, daß der Offizial nie ein Benefizium hat, sondern ein widerruflicher Beamter ist, der ein Gehalt bezieht oder Tischgenosse des Bischofs ist.25

                1. VI.

Welches waren nun die Gründe zur Aufstellung eines Offizials? Die bisher herrschende Lehre fand die Erklärung im Kampf der Bischöfe gegen die Archidiakone. Um den Übergriffen dieser „Gehilfen“ zu steuern, die an Macht, Rang und Einkommen oft mit ihren Bischöfen wetteiferten, hätten diese sich in den Offizialen gefügige Kampfinstrumente ge­schaffen. Diese Ansicht vertraten in neuerer Zeit Hin- schius,26 Paul Fournier,27 Baumgartner,28 Hilling,29 Krieg30 u. a. Gegen sie wandte sich Eduard Fournier,31

der zum Zweck seiner Untersuchung der Ursprungsgeschichte des Generalvikars auch die Forschungsergebnisse über den Offizialatsursprung nachzuprüfen unternahm und zu ganz neuen Resultaten gelangte auf Grund einer umfassenden Ver­wertung bisher unbekannten oder unbeachteten Materials. In seiner Besprechung schreibt F. Gescher32: „Eine unta­delige, umsichtige Methode bewahrte Fournier vor der Ge­fahr, sich durch die herrschende Lehre in den Bann ihrer Sprüche nehmen zu lassen; überall läßt er den Quellen das erste Wort — und diese sagen manchmal ganz anders aus, als es die Schule bisher gelehrt hat.“ Fournier hält also, wie gesagt, die Offiziale nicht für das Produkt eines Kampfes der Bischöfe gegen die Archidiakone. Nach ihm erfolgte ihr Ent­stehen zwangsläufig, als die wachsende Last der Prozesse beim bischöflichen Gericht einen juristisch geschulten Richter nötig machte, der den Bischof in diesem Zweig der Jurisdiktion vertreten konnte. Wichtig ist es, darauf zu ach­ten, daß um die Wende des 12. Jahrhunderts nicht nur quan­titativ die Arbeitslast der bischöflichen Gerichte gewaltig wuchs, sondern auch das Eindringen des neuen römisch-ka- nonischen Rechtes qualitativ höhere Anforderungen an den Richter stellte, das Bedürfnis nach einem fachlich besonders vorgebildeten Berufsrichter immer dringender erscheinen ließ. Riedner geht freilich in seiner Betrachtung den umge­kehrten Weg und möchte das Eindringen der romanistischen Rechtspraxis in den transalpinen Ländern aus dem Institut der Offiziale erklären. Doch wird man seiner Behauptung nicht beipflichten können: „Nicht das neue Recht brachte das neue Amt, sondern das neue Amt brachte das neue Recht.“33 Die Gründe für das siegreiche Vordringen des neuen ro­manistischen Rechtes liegen doch tiefer: in dem Übergewicht des kurialen Einflusses in Gerichtssachen bei der großen Zahl päpstlicher Delegationen und Entscheidungsanweisungen, und

in der inneren rechtsdogmatischen Überlegenheit des neuen Rechtes. Das Ergebnis Fourniers dürfte also im wesentli- j chen richtig sein: die Komplizierung der Rechtspflege durch i das neue Recht und die wachsende Geschäftslast zwangen I die Bischöfe dazu, einen fachlich vorgebildeten, hauptamtlich tätigen Richter anzustellen, den Offizial. Er ist kein „Bene- fiziat“, sondern wie der Name schon sagt: Inhaber eines offi­cium — Berufsbeamter,

Damit kommen wir aber zu einer anderen Erkenntnis. Wenn auch der Offizial seinen Ursprung in administrativen und prozessualen Bedürfnissen hat, und nicht als Kampfin­strument gegen die Archidiakone geschaffen ist, war er nicht als solches immerhin sehr zweckmäßig?! Das ist nicht zu bestreiten — und dieser Umstand hat auch wohl die ältere Doktrin zu ihrer irrigen Auffassung vom Entstehungsgrund des Offizials gebracht. Daß der neue bischöfliche Gehilfe und Stellvertreter als Beamter, ohne Benefizium, eingesetzt wurde, zeigt, daß die Bischöfe die Erfahrungen, die sie mit den Archi- diakonen gemacht hatten, nicht wiederholen wollten. Denn diese, ursprünglich Mitarbeiter und Vertreter des Bischofs auf dem platten Lande, waren zu seinen gefährlichsten Ri­valen geworden, die den Diözesanverband zu sprengen droh­ten. Tatsächlich haben die Archidiakone ihrerseits den Offi­zial als Gegner betrachtet, wie aus der bitteren Klage des Peter von Blois erhellt, der sich beklagt über das Schwin­den des archidiakonalen Ansehens und die Degradierung des alten, vom Archidiakon geleiteten Sendgerichtes durch den Offizial.34 Das Vorbild für die juristische Konstruktion der

neuen Magistratur gaben die weltlichen Höfe ab,35 wo in jener Zeit der Einfluß auf die Regierung gleichfalls von den lehenstragenden großen Vasallen auf die „Palatinen“ oder „Ministerialen“ hinüberglitt. Auch hier also sehen wir das Bestreben des Territorialherren, sich frei zu machen von den Schranken des Feudalsystems, und eine Beamtenhierarchie neuen Rechtes aufzubauen, der ein fester Lehensrückhalt fehlte. Die Nachbildung dieses weltlichen Beamtentypus auf kirchlichem Rechtsgebiet mußte den Bischöfen umso näher liegen, als sie in ihrer zweiten Eigenschaft als weltliche Für­sten solche Beamte („baillys“ und „prévôts“) einzusetzen be­reits gewöhnt waren.

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