Auf Grund des Codex Iuris Canonici



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Das Amt des Generalvikars stellt sich ferner dar als ein „officium minus“ (im Gegensatz zum officium maius des Bi­schofs). Es ist ferner ein „officium saeculare“, weil es nur

an Weltkleriker vergeben werden soll (can. 367 §1), sowie ein „officium eminenter sacrum“, weil die Priesterwürde als Voraussetzung gefordert ist. Es war schon die Rede von einigen Modalitäten der Verleihung: das Amt des G.-V. ist nur ein temporäres, da es in seinem Bestände vom Willen des Ordinarius abhängt (can. 366 § 2) und ein jederzeit wi­derrufliches Amt ist. An sich könnte die Amtsdauer bei der Verleihung wohl zeitlich begrenzt werden, was aber tatsäch­lich nicht geschieht. Eine eigentliche Institut!o ist nicht üblich, so wenig als bei anderen nicht benefizialen Ämtern. Schon mit der Ernennung, die schriftlich zu geschehen hat (can. 364 § 1), erhält der G.-V. ein „ius in re“, d. h. die Voll­macht, sein Amt auszuüben. Der Ernannte muß aber den Amtseid leisten (364 §2).

Das Recht zur Aufstellung eines Generalvikars haben alle Orts-Ordinarien, also alle Bischöfe, aber auch die gefreiten Äbte und Prälaten. Der dauerjid bestellte Apostolische Ad­ministrator hat gleichfalls das Recht, einen Generalvikar ein­zusetzen, was sich aus can. 315 § 1 ergibt, der ihm dieselben Rechte zuerkennt, wie die residierenden Bischöfe sie haben. Auch die Apostolischen Vikare und Präfekten sind Orts-Or­dinarien nach can. 198 § 1. Ihnen aber, die selbst nur Inhaber einer iurisdictio vicaria, wenngleich ordinaria, sind, steht nicht das Recht zu, einen eigentlichen Generalvikar zu er­nennen. Aus praktischen Gründen hat Benedikt XV. ihnen die Erlaubnis gegeben, sich einen „Vicarius Delega,tus“ aufzustellen, welcher dieselben Befugnisse haben soll, wie der Generalvikar. Kardinal van Rossum betont aber in seinem Schreiben191 ausdrücklich, daß diese Vicarii Delegati nur

practice“ dieselbe Jurisdiktion haben sollen. Also ist nicht daran gedacht, die Vicarii Delegati mit einer potestas ordi­naria auszustatten (nach can. 198 § 1). Sie haben, wie schon der Name sagt, nur delegierte Gewalt. Diese „Quasi-General- vikare“ der Missionsprälaten sind aber nicht zu verwechseln mit den Provikaren; beide Eigenschaften können in einer Person vereinigt sein, müssen es aber nicht. Es ist mit dieser Regelung eine bedeutsame Neuerung gegen früher getroffen worden, denn früher war der Generalvikar (der Titel Vica- rius Delegatus ist ganz neu) des Missionsprälaten auch im­mer zugleich dessen Provikar, d. h. er folgte dem verstorbe­nen Missionsbischof in der Leitung des Sprengels bis zur Ankunft des Nachfolgers. Daß der Provikar ordentliche, stell­vertretende Gewalt besitzt, nicht aber Delegat ist, braucht kaum besonders erwähnt zu werden.

Das Institut wurde geschaffen durch eine Breve Bene­dikts XIV. vom 26. Januar 1753192 an die Apostolischen Vikare von Indien; ausgedehnt wurden seine Bestimmungen auf sämtliche Missionssprengel durch die Encyclica „Quam ex sublimi“ vom 8. August 1755.193 Es wird den Missionsbischöfen zur Pflicht gemacht, einen G.-V. aufzustellen, der im Todes­fall des Prälaten die Leitung des Missionssprengels über­nimmt, und zwar als Delegat des Apostolischen Stuhles (de- legiatio a iure). Seine Befugnisse sollen in allem den Rechten eines Kapitelsvikars gleich sein — abgesehen davon, daß auch nach früherem Recht schon der Kapitelsvikar Ordinarius war und nicht Delegat des Papstes. Dieser „Generalvikar“ ist der Vorläufer des Provikars, welcher unter dieser Bezeichnung

seit 1786 vorkommt. Durch Dekret der Propaganda vom 20. Mai 1786 wurde bestimmt, daß der Missionsprälat sich zwei Provikare bestellen könne,,damit auch für den Todesfall des 1. Provikars (=^General vikars“) ein Stellvertreter in der Person des 2. Provikars vorhanden wäre. Hat der Bischof die Bestellung eines 2. Provikars unterlassen, so kann der 1. Pro- vikar von sich aus einen Nachfolger bestellen; die beiden Pro­vikare sollen aber nicht zusammen („non simul et cumula- tive“), sondern nur successive ihre Jurisdiktion ausüben dür­fen. Über die rechtliche Natur dieses Missionsgeneralvikars sagen die Quellen nichts: doch scheint es, als sei er nur als Delegat seines Missionsbischofs, nicht aber als Ordinarius betrachtet worden, weil er nämlich von den päpstlichen Fa­kultäten (z.B. Quinquennalien) erst nach dem Tode des Bi­schofs Gebrauch machen durfte, darin also anders wie ein gewöhnlicher G.-V. gestellt war.

Die Unterschiede und Parallelen zur Rechtslage, wie sie durch den Codex und die Verfügung vom 8. Dezember 1919 geschaffen worden ist, fallen in die Augen. Früher hatte der Mis si o ns bis chof die Pflicht, einen Gehilfen und Stellvertreter (Vicarius generalis) zu ernennen, heute hat er nur das Recht im Bedürfnisfalle einen Vicarius Delegatus zu bestellen. Frü­her war dieser Generalvikar zugleich auch Stellvertreter für den Fall der Verwaisung des Sprengels (Provikar), heute ist das nicht mehr notwendig verbunden (can. 309 §2). Früher war der Provikar nach dem Tod des Missionsbischofs Delegat a iure, heute ist er Ordinarius (can. 198 § 1). Früher bestellte der Missionsprälat selbst in der Regel den zweiten Provikar, heute bestellt der Provikar seinen Eventualnachfolger allein (can. 309 §3). Sowohl der frühere Missionsgeneralvikar als der heutige Vicarius Delegatus haben praktisch die Befug­nisse eines ordentlichen G.-V., wenn auch beide rechtlich nicht Ordinarien, sondern Delegaten sind. Da also das Recht, von diesem dogmatischen Unterschied abgesehen, den Vicarius Delegatus als wirklichen G.-V. fingiert, so wird seiner im Weiteren nicht mehr besonders gedacht werden.

Jeder Orts-Ordinarius hat da© Recht, einen G.-V. zu er­nennen, sobald er selbst nur im Besitz der bischöflichen Ju­risdiktionsgewalt ist. Völlig gleichgültig ist es dabei, ob der Bischof seine Regierungsrechte im Augenblick persönlich ausüben kann oder ob er durch Krieg, Krankheit, Konzil oder dergleichen vom Gebiet seiner Diözese entfernt gehalten wird.194 Der Bischof ist völlig frei in der Ernennung seines G.-V. Niemand, weder weltliche Gewalten noch kirchliche Instanzen, etwa dais Kapitel195 dürfen sich darin irgendwie einmischen oder können ein Recht geltend machen, gehört zu werden, geschweige denn ihre Zustimmung zu geben. Der Grundsatz, daß der Bischof seine Gehilfen frei von staatli­cher Einmischung ernennen könne, hat sich erst allmählich durchgesetzt bei den staatskirchlichen Machtgelüsten vieler Regierungen. In Preußen fiel das Beispruchsrecht der Regie­rung seit der Verfassung des Jahres 1849, in Bayern seit der Allerh. Entschl. vom 8. April 1852. In Baden, Württemberg, Hessen hielt man dagegen noch länger an einem Einspruchs­recht der Regierung gegen politisch mißliebige Kandidaten fest.196

Der Grundsatz, daß die Kirche in der Regelung ihrer inne­ren Angelegenheiten, also gerade in der Ernennung von Be­amten, völlige Freiheit haben müsse, ist dann in der modernen Gesetzgebung und den modernen Konkordaten in steigendem Maße zur Anerkennung gelangt. Das den Regierungen mit-

unter eingeräumte Erinnerungsrecht erstreckt sich bei den „officia minora“ in aller Regel nur auf Pfarrbenefizien, nicht aber auf Ämter der Diözesankurie — iso nach Art. 21 des ita­lienischen Konkordates vom 11. Februar 1929,13 und nach Art. 18 des litauischen Konkordates vom 10. Mai 1927.u Le­diglich die Anzeige der Ernennung eines Geistlichen zum G.-V. an die Staatsregierung ist vorgeschrieben nach Art. 8 des rumänischen Konkordates vom 10. Mai 1927197 und nach Art. 10, 2 des preußischen Konkordates. Ein Einspruchsrecht der Staatsregierung ist damit aber nicht gegeben, das ergibt sich ganz klar aus den Verhandlungen der parlamentarischen Verfassungskommissionen, dem Text der Gesetze und Ver­träge, der Praxis der Regierungen und der Rechtsprechung der Obergerichte.198 Die Doktrin hält dagegen meist199 an der alten staatskirchlichen Anschauung fest, wonach dem Staat ein Einspruchsrecht gegen mißliebige Kandidaten zustehe.

Der Ordinarius hat die Pflicht, einen G.-V. zu ernennen, wenn die ordnungsmäßige Regierung der Diözese dies er­fordert. Sollte er einem tatsächlichen Bedürfnis durch die Ernennung eines G.-V. nicht abhelfen wollen, so wäre es Sa­che des Apostolischen Stuhles (und zwar der Konsistorialkon- gregation nach can. 248 § 3) für Abhilfe zu sorgen. Dies hätte zu geschehen durch eine Anweisung an den Ordinarius, einen G.-V. zu ernennen, oder wenn dieser Weg nicht tunlich er­scheint, durch Bestellung eines Apostolischen Administra­tors (can. 248 §2 mit can. 312).

Ausdrücklich bestimmt can. 366 § 3, daß nur ein G.-V. be­stellt werden soll, wenn nicht die Größe der Diözese oder rituelle Verschiedenheiten die Ernennung von mehreren G.-V. anraten. In allen anderen Fällen wäre die Bestellung mehre­rer G.-V. ohne besonderes Apostolisches Indult unzulässig,

wie aus den Quellen wohl interpretiert werden muß.200 In Ländern, wo die Bestellung mehrerer Generalvikare üblich ist (z. B. in Frankreich), kann es nach den allgemeinen Nor­men des can. 5 beim bisherigen Rechtszustand bleiben, da diese Regelung zwar dem gemeinen Recht zuwiderläuft, aber nicht reprobiert ist und auf eine sehr lange Geschichte zu­rückblicken kann (siehe oben), also immemorabilis im Sinne des can. 5 ist. Eine andere Frage ist, ob wirklich diese tradi­tionelle Übung beibehalten werden muß! Und es ist zu sagen, daß die vom Codex geforderte Einzigkeit des Generalvikars in der Regel allein dem Ideal entspricht.

Im Fall der Ritenverschiedenheit läßt der Codex, wie er­wähnt, die Aufstellung mehrerer G.-V. zu. Ja, wie dies sich aus der Betrachtung der Quellen ergibt, wünscht dies die Kirche in einem solchen Falle geradezu. Der für die Unterge­benen des anderen Ritus zu bestellende G.-V. soll möglichst diesem Ritus selbst angehören und im Einverständnis mit den Gläubigen des anderen Ritus vom Bischof ernannt wer­den (eventuell auf Grund einer Vorschlagsliste oder durch Wahl) ; die Angehörigen des anderen Ritus haben dann auch die entstehenden Mehrkosten für die Besoldung des zwei­ten G.-V. zu tragen.201 Aber auch in diesem Falle ist der zweite G.-V. grundsätzlich für das Gesamtgebiet der Diö­zese bestellt; er ist in seiner Machtsphäre prinzipiell nicht beschränkt, sondern nur praktisch mit der Bearbeitung eines bestimmten Ressorts betraut. Dies ist überhaupt bei der Er­nennung mehrerer G.-V. unerläßliche Voraussetzung: ihre Stellung als Solidarberechtigte. Die Aufteilung des Diö-

zesangebietes ist zu wiederholten Malen als unzulässig er­klärt worden. Stellt der Bischof einen Generalbevollmächtig-

Iten für einen bestimmten Teil seines Gebietes auf, so ist die­ser lediglich als bischöflicher Delegat, nicht aber als G.-V. zu betrachten.202 Der innere Grund dafür liegt darin, wie schon der Name Vicarius Generalis andeutet, daß der G.-V. eine ganz umfassende Vertretungsmacht besitzt, die ihn als Alter ego des Bischofs erscheinen läßt. Wie nun der Bischof selbst Macht in der ganzen Diözese hat, überall Ordinarius loci ist, so ist auch der G.-V. Ordinarius loci (= Ordinarius totius territorii) und nicht nur einfach Ordinarius, wie z. B. der Abt, der zwar Ordinarius in einem bestimmten Bereich (seinem Kloster), aber nicht Ordinarius loci ist.

Wie es bei der Wichtigkeit des Amtes selbstverständlich ist, stellt der Codex für den zu Ernennenden eine Reihe von persönlichen Erfordernissen auf. Der Generalvikar muß Prie­ster sein, wie es der Würde und der Wichtigkeit seines Amtes, und dem allgemeinen Grundsatz entspricht, daß die übrigen Weihegrade nur Durchgangsstufen zum Priestertum sind. Wie für das Kardinalat, Kanonikat, Pfarramt erstmals durch das neue Recht der Priestercharakter vorgeschrieben ist, so auch für das Amt eines Generalvikars. Früher war es gemeinrechtlich nicht der Fall. Für Spanien hatte die Kon­stitution Clemens3 VIII. „Ecclesiastici ordinis“ vom 1. Fe­bruar 1601 den Besitz einer höheren Weihe vorgeschrieben, dasselbe hatte das Mailänder Provinzialkonzil von 1582 (in can. 67) getan;203 da»s Provinzialkonzil von Bordeaux ging darüber noch hinaus und forderte die Priesterweihe.204 Für

Köln haben die Untersuchungen von Güttsches ergeben, daß schon im Mittelalter die G.-V. meist Priester waren.205

Der G.-V. soll Weltpriester sein, da sein Amt ein „offi­cium saeculare“ ist und der Grundsatz gilt: „saecularia sae- cularibus, regularía regularijbus.“ Eine innere Unvereinbar­keit des Amtes Init dem Ordensstand, seinem Geist und seinen Pflichten liegt dagegen nicht vor, wenngleich das behauptet worden ist.206 Das ergibt sich schon daraus, daß der Vicarius Delegatus der Missionsländer fast immer Ordensmann der betreffenden Missionsgesellschaft sein wird. Im Fall, daß ei­ner Ordensgenossenschaft die Leitung einer Diözese anver­traut ist, was bei den gefreiten Abteien und Prälaturen häufig der Fall sein wird (Brasilien), gibt der Codex sogar aus­drücklich die Erlaubnis, den G.-V. aus den Reihen der Reli­giösen zu nehmen (can. 367 § 2).

Da der G.-V. das Alter ego des Bischofs ist, so gilt auch für ihn die Vorschrift eines Mindestalters von 30 Jahren, er soll, wie der Bischof, ein „vir perfectae aetatis“ sein, wie die Quel­len sagen. In gleicher Weise wird auch von ihm der Nach­weis besonderer wissenschaftlicher Leistungen und eingehen­der Kenntnis der Geschäfte verlangt. Der Doktorgrad des kanonischen Rechtes ist daher vorgeschrieben oder doch we­nigstens eine besondere Vertrautheit mit Verwaltungs- und Rechtsangelegenheiten; der G.-V. soll eben das Haupt der ganzen bischöflichen Verwaltung sein; auf seine Amtserfah­rung legt der Codex fast noch mehr Gewicht als auf die ver­waltungstechnischen und juristischen Kenntnisse des Bi­schofs (der Bischof muß Doctor theologiae aut iuris canonici sein gem. can. 331 § 1 no 5, der G.-V. dagegen Doctor theol. et iur. can. nach can. 367 § l).207 Mit der Konzession, die der j

Codex macht, daß im Notfall der akademische Grad auch durch wirkliche Erfahrung ersetzt werden könne, ist eine Milderung gegenüber dem früheren Rechte eingetreten. Hier wurde durch mehrere römische Entscheidungen ein Nicht­graduierter als ungeeignet für das Amt des G.-V. bezeichnet208 und nur für Missionsgegenden eine Ausnahme gemacht.209

Unvereinbar ist das Amt des G.-V. mit dem Amt des Pöni- tentiarkanonikers und des Pfarrers, überhaupt eines Seel­sorgegeistlichen. Höchstens im Fall einer ganz dringenden Notwendigkeit läßt der Codex, im Unterschied vom früheren Recht, das auch dann keine Ausnahme machte, die Vereini­gung beider Funktionen in einer Hand zu. Der Grund ist im er­sten Falle der, daß jede unzulässige Vermischung von Rechts­forum und Beichtforum vermieden werden soll, der G.-V. soll über jeden Verdacht erhaben sein, als verwerte er als Ver­waltungsmann Kenntnisse, die er als Seelenführer gewonnen habe. Ein weiterer Grund ist wohl der, daß eine innere Un­vereinbarkeit besteht zwischen der Stellung eines Seelenhir­ten und dem Amt eines Jurisdiktionsträgers.210 Für die Inkom- patibilität von Pfarramt und Generalvikariat ist der Grund Ln erster Linie in der Residenzpflicht des Pf arrers zu suchen.20 Außerdem soll auch der Pfarrer nicht durch die kurialen Ge­schäfte seinem eigentlichen Wirkungsbereich, der Pfarrseel- sorge, entzogen werden. Auch hier spielt naturgemäß die Rücksicht auf das forum internum eine Rolle, wenn auch nicht im selben Grade wie beim Pönitentiar. Das Beichthören an sich ist dem G.-V. übrigens nirgends verboten oder abge­raten.

Der G.-V. darf ferner nicht mit dem Bischof verwandt sein.211 Ein besonderer Grund für dieses Verbot gerade im Fall des G.-V. ist nicht leicht einzusehen. Die besondere Ver­trauensstellung des G.-V. zum Bischof und der Rückblick auf die Frühgeschichte des Rechtsinstitutes würden eher das Gegenteil erwarten lassen: denn hier erscheinen häufig die nächsten Verwandten der Bischöfe als deren G.-V.; ganz ähn­lich wie später die wichtigsten Ämter der Kurie (Staatsse­kretariat) mit den Kardinalnepoten des jeweiligen Papstes bestezt w'urden. Es ist also auch wohl in unserm Fall nur die

allgemeine Abneigung des modernen Kirchenrechtes gegen Nepotismus in jeder Form als ratio legis anzunehmen (vgl. can. 232 § 2 u. 2 u. 3). Über die Notwendigkeit legitimer Ab­kunft ist im Gesetze nichts gesagt, sie ist daher als Qualifi­kationserfordernis auch, nicht anzunehmen. Auch der Hin­weis lauf die Notwendigkeit der legitimen Abkunft beim Bi­schof wäre nicht stichhaltig, da es sich beim Amt des G.-V. um ein „officium minus“ handelt, auf welches die Rechtssätze über die officia maiora (Bischof) und Dignitäten (Kardinal) nicht analog angewendet werden dürfen. Eine andere Streit­frage, ob der G.-V. der Diözese angehören dürfe oder nicht, ist durch can. 367 § 3 gegen die frühere Praxis entschieden: der G.-V. darf aus der eigenen Diözese, für die er bestellt wird, genommen werden. Die früheren Entscheidungen für die entgegengesetzte Praxis212 haben wohl vor allem an Ita­lien gedacht, wo es im Unterschied von den großen transal­pinen Diözesen leicht möglich war, einen geeigneten Mann in der Nachbardiözese zu finden, und wo außerdem der, durch die kleinen Verhältnisse bedingte, allzu enge Konnex der Diö- zesanen dem G.-V. vielleicht nicht immer die wünschenswerte und nötige Handlungsfreiheit ließ.

Das Amt erlischt: 1. durch Verzicht, 2. durch Amotion,

  1. durch Erlöschen der Jurisdiktion des Bischofs. Wie auf jedes Amt, so kann man auch auf das Generalvikariat aus einem gerechten Grund unter Beobachtung der Vorschriften der can. 183—191 verzichten. Der Verzicht des G.-V. bedarf der Annahme seitens des Bischofs (can. 371 mit 187 § 1). Der Grund, warum hier von den allgemeinen Regeln der Stellver­tretung abgegangen wird, liegt im Beamtencharakter des G.-V. Er übt nicht nur, wie der Mandatar des Privatrechts eine lediglich die Parteien angehende Funktion, sondern er ist Stellvertreter eines Jurisdiktionsträgers, er hat ein öffentli­ches Amt. Daher wandeln sich die allgemeinen Mandats­grundsätze hier ab. Neben diesem mehr formalen Grund, der

im öffentlich-rechtlichen Charakter der Stellvertretung des G.-V. (und de« Offizials) liegt, kommen für den G.-V. (kaum für den Offizial) noch andere praktische Erwägungen für die Regelung des can. 371 in Betracht. Im Interesse der Stetig­keit der Regierungsführung und der Verhinderung unlaute­rer Amtsschiebungen ist die Kirche dem Resignationsrecht der Amtsträger überhaupt nicht günstig; die Oberen, denen in aller Regel ein Beispruchsrecht zusteht, sollen ihre Zu­stimmung nur in ganz bestimmten Fällen gewähren (vgl. die const. Pius V. vom 1. April 1568: „Quanta Ecclesiae“ bei Gas- parri, Fontes I, p.225f.). Es ist ferner zu erwägen, daß der G.-V. eine erhebliche Verantwortung trägt. Hat er aber Maß­nahmen getroffen, die sich als Fehlgriff herausstellen, Un­annehmlichkeiten bringen und dergleichen, so will ihm das Recht die Flucht vor der Verantwortung nicht erleichtern durch Gewährung eines freien Resignationsrechtes. Umge­kehrt ist es denkbar, daß der Verzicht des G.-V. das Ersu­chen um ein Vertrauensvotum sein soll, das dann in der Nicht­annahme des Verzichtes durch den Bischof zu erblicken ist (ein im politischen Leben bei sogenannten Regierungskrisen sehr häufiger Fall).

Die Amotion ist jederzeit möglich, da es sich um ein ad nutum amovibles Amt handelt. Sie darf natürlich nicht aus Willkür geschehen, sondern fordert einen gerechten Grund, unter Wahrung der natürlichen Billigkeit (can. 192 § 3). Ge­gen die Amotion ist Rekurs an den Apostolischen Stuhl — aber ohne Suspensivwirkung — zulässig, sowie Klage auf Ersatz des durch die diffamatio etwa erlittenen materiellen oder moralischen Schadens.32 Ein besonderer modus proce- dendi für die Amtsenthebung des G.-V. besteht nicht. Abge­sehen von dieser „amotio brevi manu“ nach dem Ermessen des Ordinarius bestehen natürlich alle Grundsätze über die

  1. Vgl. die Entsch. der Rota vom 9. Juni 1911 Dec. XXVI no20 (Dec. S. R. Rotae III, p. 275): die Entscheidung stützt sich auf zwei ähnliche frühere Entsch. der S. C. Ep. et Reg. vom 1. Juli 1610 und 8. Oktober 1649.

strafweise Entziehung kirchlicher Ämter auch für den G.-V. zu Recht.213

Das Erlöschen der Jurisdiktion des Ordinarius durch Tod, Verzicht, Absetzung, Versetzung endet auch die Amtsgewalt des G.-V., da er als alter ego, „Schatten des Bischofs“ diesem in allen Stücken folgt. Deswegen wird auch bei Suspension der bischöflichen Regierungsgewalt die Jurisdiktion des G.-V. gleichfalls suspendiert (can. 371). Wenn der Ordinarius verhindert ist durch Gefangenschaft, Verkehrssperre oder andere Umstände, Regierungshandlungen in seiner Diözese auszuüben, so ruht die ganze Leitung der Geschäfte auf den Schultern des G.-V. Und alle seine Rechtshandlungen sind gem. can. 430 § 2 gültig, bis man sichere Kenntnis erlangt hat vom Enden der bischöflichen Gewalt; ausgenommen ist nur die Verleihung von Benefizien und Ämtern, weil wegen der besonderen Wichtigkeit dieser Materien den Rechten des Nachfolgers kein Eintrag geschehen soll. Es wird also vom Recht fingiert, daß die Gewalt des Ordinarius noch fortbe­stehe bis zu dem Zeitpunkt sicherer Kenntnis vom Ende der bischöflichen Jurisdiktion, damit der stellvertretenden Ge­walt des G.-V. die rechtliche Grundlage nicht entzogen werde.

Als die wesentlichen Bestimmungen über das Amt des G.-V7. und die Voraussetzungen seiner Verleihung ergeben sich also: das Amt ist je nach dem Grad der Stabilität als „munus“ oder als „officium“ zu bezeichnen. Die Ernennung erfolgt schriftlich, es ist vom Ernannten der Amtseid zu leisten; eine feierliche Institution findet nicht statt. Das Recht zur Aufstellung eines wirklichen G.-V. mit ordentlicher Gewalt haben die Bischöfe, die gefreiten Äbte und Prälaten, sowie die dauernd bestellten Apostolischen Administra­toren, nicht aber die Apostolischen Vikare und Präfekten,

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