denen jede ein gewisses Mitbestimmungsrecht hat: daß die physische Person also durch ihr Votum Einfluß auf die Gestaltung der Handlungen der juristischen Person nehmen kann, welcher sie angehört. Daher die Bestimmungen des can. 101. Ein solches Mitbestimmungsrecht der Mitglieder der Diözesankurie anzunehmen, wäre geradezu absurd. Die Kurie als solche hat überhaupt keinen Willen und äußert keinen Willen und die Pfarrkonsultoren, Notare, Amtsdiener und Briefträger nehmen absolut keinen Einfluß auf die Gestaltung der administrativen Verfügungen und Urteilssprüche des Generalvikariates bezw. Offizialates! Als persona moralis eollegialis ist also die Curia dioecesana vom Recht nicht errichtet worden, und vom Ordinarius könnte ihr eine solche Persönlichkeit gar nicht verliehen werden, auch wenn der Bischof hier etwa eine „Lücke“ des Codex schließen wollte: denn Voraussetzung einer solchen speziellen Verleihung wäre, wie can. 100 § 1 ausdrücklich sagt, ein religiöser oder karitativer Zweck. Die Besorgung der bischöflichen Amtsgeschäfte kann aber nur als „finis spiritualis“, nie aber als „finis religiosus vel caritativus“ bezeichnet werden. Die These Lammeyers und Gillets: es habe die Diözesankurie die Rechtsnatur einer persona moralis collegialis, ist also mit aller Entschiedenheit abzulehnen.
Es wäre immerhin noch denkbar, das Ordinariat als eine persona moralis non collegialis, als eine Anstalt oder Stiftung, aufzufassen. Tatsächlich scheint das auch Noval98 zu meinen, wenn er schreibt: „Curia dioecesana: id est massa bonorum ex quibus honoraria solvuntur illis personis quae Episcopo . . . opem praestant in regimine totius dioecesis, ut sunt Vicarius Generalis, Officialis“. Noval scheint also die Curia für eine festdotierte Anstalt, für eine Stiftung zum Unterhalt der Diözesanbeamten zu halten. Diese Theorie ist aber völlig abwegig. Einer Stiftung oder Anstalt ist es zunächst wesentlich, daß der Wille des Stifters in den „tabulae
fundationis“ zum Ausdruck kommt — bei der Diözesankurie fehlt aber eine solche Urkunde und ein solcher Stiftungswille gänzlich. Sodann kann man ein besonders eigentümliches Merkmal der Stiftung darin erblicken, daß sie passiver Träger von Vermögen sein soll, während die persona moralis collegialis ein Personenverband zum Zweck gemeinsamen Handelns in erster Linie ist. Es fehlt nun aber der Curia als solcher jegliches Vermögen, wie ein Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse zeigt — die Curia soll gar nicht Vermögensträger, sondern Verwaltungsorgan sein. Die verfehlte Definition Novals : „Das Ordinariat ist eine Stiftung zum Unterhalt der Diözesanbeamten“, erledigt sich also völlig. Und auch der vielberufene can. 1572 § 2, wo von den „iura aut bona temporalia Curiae dioecesanae“ die Rede sein soll — womit folglich der Kurie die Rechtspersönlichkeit zuerkannt wäre —, wird zu Unrecht angeführt. Es ist zugegeben, daß die Ausdrucksweise des can. 1572 § 2 gewiß mißverständlich ist — aber man darf die Terminologie des Codex nicht pressen, da der Codex nicht in demselben Maß, wie etwa das Bürgerliche Gesetzbuch, eine streng einheitliche Terminologie hat. Curia bedeutet hier wie in can. 242 nur den Behördenorganismus zur Regierung der Diözese. Persönliche Rechte des Bischofs, Rechte seines Tafelgutes (welches juristische Person ist) und Rechte seines Bistums (welches gleichfalls juristische Person ist), stehen in Frage. Und can. 1572 §2 will nur diese Doppelstellung des Bischofs als Nutznießer und Vertreter seines Tafelgutes und als Herr und Vertreter der Diözese und ihrer Güter hervorheben. Es soll vermieden werden, daß der Bischof selbst richterlich entscheidet, wenn er selbst, seine Mensa oder seine Bistumsgüter in einen Rechtsstreit verwickelt werden, denn er darf nicht Richter in eigener Sache sein.99 Das ist der Sinn des etwas unklar formulierten can. 1572 § 2, nicht aber die Verleihung der Rechtsper
sönlichkeit an die Curia dioecesana, die weder persona mo- ralis collegialis noch persona moralis non collegialis ist.
Zur Ablehnung der Theorie von der juristischen Persönlichkeit der Diözesankurie bestimmt uns aber auch noch ein methodischer Grund. Es sind zweifelhafte Stellen im Rechtsbuch nach dem alten Recht zu interpretieren, gestützt auf die Meinung anerkannter Autoren.100 Nun ist aber die Stellungnahme der Theorie für das bisher geltende Recht einhellig die: den Ordinariaten die Natur einer juristischen Person abzusprechen. Im selben Sinn sind auch mehrere Entscheidungen weltlicher Gerichte ergangen. Die Annahme der These Gillets und Lammeyers würde also einen glatten Bruch mit der Vergangenheit in Theorie und Praxis bedeuten — und zu diesem revolutionären Schritt glauben wir auf Grund des can. 1572 § 2 durchaus nicht berechtigt zu sein.
Es war schon gesagt worden, daß die Rechtspersönlichkeit der Ordinariate von Theorie und Praxis einmütig abgelehnt wurde. Berühmt geworden ist der „Bamberger Fall“, der wegen seiner Konsequenzen vielfach in der Literatur erörtert worden ist.101 Es handelte sich hier um die Erbeinsetzung des „Erzbischöflichen Ordinariates Bamberg“, die in allen Instanzen für nichtig erklärt wurde, da das Ordinariat keine juristische Person sei, mithin auch nicht zum Erben eingesetzt werden könne. In der Verneinung der juristischen Persönlichkeit hat sich die Theorie einmütig auf die Seite der Gerichtsurteile gestellt.102 „Das Ordinariat ist, zunächst keine Corporation . . . Die ganze Entwicklungsgeschichte des Ordinariats
weist auf einen physischen Träger, und die später hervortretende Vielheit läßt durchgehends das Collegialitätsprinzip vermissen. Man müßte somit das Ordinariat unter dem Gesichtspunkte des Institutes oder der Anstalt begreifen. Hierfür fehlt aber zunächst der selbständige Zweck: das Ordinariat ist nur der Mandatar des Bischofs, seine Aufgabe geht somit in dem umfassenderen Amt des Bischofs auf. Dem Ordinariat mangelt ferner auch die Dauerhaftigkeit seines besonderen Zweckes, diese ist vielmehr durch eine revocable Geschäftsübertragung völlig ausgeschlossen. Die Privatrechtsfähigkeit einer Anstalt ist schließlich gemeinhin Folge einer vermögensrechtlichen Aufgabe, diese ist aber beim Ordinariat gewiß ebensowenig nachweisbar, als ein festdotiertes Stiftungsvermögen vorhanden.“103
Diesen Ausführungen Meurers ist durchaus beizupflichten. Es steht damit auch nicht im Widerspruch, daß dem Ordinariat manchmal ein besonderes Amtsgebäude zugewiesen wird. So legte das bayrische Konkordat vom 5. Juni 1817 dem Staat die Verpflichtung auf, für ein geeignetes Ordinariatsgebäude Sorge zu tragen;104 dasselbe ist im lettischen Konkordat vom 30. Mai 1922 bestimmt worden. Die lettische Regierung stellt der katholischen Kirche ein passendes Gebäude für den Erzbischof und das Kapitel, sowie für die Büros der erzbischöflichen Kanzlei und des Konsistoriums zur Verfügung. Unter Kanzlei und Konsistorium sind Behörden zu verstehen, die wir im Ordinariat (im weiteren Sinn) zusammenfassen. Rechtsträger dieser Gebäude ist aber nicht etwa das Ordinariat, sondern die katholische Kirche, d. h. das Landeserzbistum Riga.105 Auch im bayrischen Konkordat vom 24. Januar 1925 ist dem Ordinariat ein Haus zur Verfügung gestellt,
ohne daß das Ordinariat etwa selbst Eigentümer des Hauses wäre, geradesowenig wie das Archiv, für dessen Zwecke das Haus gleichfalls dienen soll.106 Wir hören in den Konkordaten öfters von Zuschüssen an die Ordinariate, vom Diözesanver- mögen und seinen Trägern ist ausgiebig die Rede, doch begegnet uns keinerlei Anzeichen dafür, daß etwa das Ordinariat als juristische Person betrachtet würde. Das gilt von dem badischen Konkordat vom 28. Juni 1859107 und vom würt- tembergischen Konkordat,108 wo vom Gut der mensa, des Kapitels, der Kathedralkirche die Rede ist, aber nicht von Gütern und Rechten des Ordinariates. Auch das polnische Konkordat vom 10. Februar 1925 kennt als juristische Personen nur das Bistum, die mensa episcopalis, das Kapitel, nicht aber die Diözesankurie.109 Der polnische Staat gibt Zuschüsse für die kirchliche Verwaltung, wobei Visitationskosten, Kosten für die kirchliche Verwaltung (Portokosten, Pfarr-Re- gister, Konsistorien) nebeneinander aufgeführt sind,110 woraus sich schon ergibt, daß die Konsistorien (Ordinariate) als reine Verwaltungsorgane betrachtet werden, aber ebensowenig juristische Personen sind, wie die Pfarr-Registraturen.
Das Ordinariat als solches kann also kein Vermögen besitzen, und das etwa für seine Zwecke bestimmte Gebäude steht im Eigentum des Ordinarius, oder der Diözese, die als solche ja eine juristische Person ist. Für eine Privatrechtsfähigkeit des Ordinariats liegt auch gar kein Bedürfnis vor.
„Das Ordinariat ist eine kirchliche Verwaltungsstelle, welche sich als Beraterin und Hilfsorgan des Bischofs mit Behandlung der Diözesanaingelegenheiten befaßt und ihre Tätigkeit nur im Bereich des öffentlichen Rechtes entfaltet, ohne nach ihrem Zweck oder ihrer inneren Verfassung dazu berufen zu sein, unter dem Schutz der juristischen Persönlichkeit als Rechtssubjekt mit selbständigem Vermögen in den Privatverkehr einzutreten.“111 Das Ordinariat (im weiteren Sinne als der umfassende Behördenorgamismus oder im engeren Sinne als Generalvikariat) ist also keine juristische Person, und da das Ordinariat der Curia dioecesana des Codex entspricht, so gilt auch hier ganz das Gleiche.
Der „Bamberger Fall“ läßt aber noch einige weitere Erkenntnisse gewinnen. Wenn man sich nämlich auch einig ist über den Mangel der juristischen Rechtspersönlichkeit beim Ordinariat, so wollten doch manche Autoren das Testament dennoch gültig sein lassen, also dem Ordinariat doch eine Erbfähigkeit zusprechen. Zwar nicht dem Ordinariat als juristischer Person, aber wohl als Vertreter der Diözese. Für letztere These ist besonders Schulte eingetreten, gegen ihn wenden sich Hirschei und Müller. Hirschei betont mit Recht,112 daß das Ordinariat (wie der Generalvikar) nicht Vertreter des Bistums „in abstracto“ (der „sedes episcopa- lis“), sondern des Bischofs „in concreto“ sei. Repräsentant der Diözese, des Bistums, „in abstracto“ ist allein der Bischof. Dieser Ansicht ist auch Müller:113 „Repräsentant der Diözese ist einzig und allein der Bischof. Eine doppeltje Repräsentanz würde der vom Kirchenrecht so nachdrücklich betonten und festgehaltenen Einheit der Diözesanregierung widersprechen. Im Bischof allein konzentriert sich die Rechtspersönlichkeit der Diözese; er ist demnach der Vertreter der Diözese auch in vermögensrechtlicher Beziehung.“ Das ist ganz richtig. In der Tat ist das Ordinariat nicht Vertreter
der Diözese, sondern des Bischofs. Aber der Kampf wird von beiden Autoren in erster Linie gegen eine These geführt, die Schulte gar nicht in dem Sinne aufstellt: auch Schulte erkennt dem Ordinariat ain sich keine juristische Persönlichkeit, also auch keine Erbfähigkeit zu. Wenn Hirschei schreibt, daß letztwillige Zuwendungen an das Ordinariat aufrechtzuerhalten seien, wenn der Erblasser im Sinne gehabt habe, das Vermächtnis der „Kirche“ (besser wohl: dem Bistum) zuzuwenden, so gibt er damit faktisch doch der These Schultes recht. Denn Schulte hält Ordinariat und Bischof („Ordinarius“) für schlechthin synonyme Ausdrücke. Die Ordinariate „fallen juristisch zusammen mit dem Bischof, mit der Kirche der Diözese. Von einer besonderen Rechtspersönlichkeit des Ordinariates ist darum keine Rede.“114 Aber weil das Ordinariat identisch ist mit dem Ordinarius, darum kann es Zuwendungen erhalten — die Schenkung will der Schenker dem Bischof zuwenden, gerade wie man auch den Pfarrer für die Pfarrei, den Landesherren für den Staat mit Zuwendungen bedenken kann. So die Rechtslage — ob es praktisch ist, die immerhin unsichere Form (wegen der entgegenstehenden Entscheidungen) der Erbeinsetzung des „Ordinariates“ zu wählen, ist eine andere Frage.
Zum Schluß ist noch die Frage zu erörtern, ob wir bei den Ordinariatsbehörden von „Behörden“ im eigentlichen Sinn reden können. Es handelt sich um das Generalvikariat, das Offizialat, den Allgemeinen Geistlichen Rat, die Kanzlei, evtl. noch die Finanzkammer und das Metropoliticum. Allgemein ist zu sagen, daß der Ausdruck „Behörde“ nur im uneigentlichen Sinn gebraucht werden kann. Das Wort hat im kirchlichen Rechtsbereich nicht dieselbe Bedeutung, wie im staatlichen Verwaltungsrecht.115 „Auf dem Gebiete des Kirchenrechtes haben sie gar keine Stellung, sie sind keine Behörden,
sind keine Ämter im Sinne des Staatsrechtes, sie sind der Bischof in einem einzelnen Fall, für ein einzelnes Geschäft durch ein bestimmtes Organ handelnd gedacht.“116 Aus dieser Verschiedenheit ergeben sich Rechtssätze und Verwaltungsgewohnheiten, die vom weltlichen Verwaltungsrecht stark abweichen, auf den ersten Blick sogar befremdend erscheinen mögen, so z. B. die mangelnde Unabhängigkeit des kirchlichen Gerichtes. Man darf eben die Parallellen nicht zu schematisch ziehen. „Die ungehörigste Analogie, welche denkbar ist, wäre die, jene Personen, deren sich der Bischof bei Leitung der Diözese bedient, denen nach der Natur der Sache eine bestimmte Organisation gegeben werden muß, analog den Staatsbehörden aufzufassen. Sie haben nichts mit den letzteren gemein, als den Schein. Die Staatsbehörden beruhen auf dem Gesetze; ihre Organisation, ihre Kompetenz u.s.f. ist regelmäßig sogar jeder Einwirkung des Landesherren entzogen. Für die Gerichte gilt dies unbedingt, für die Administrativbehörden regelmäßig. Dem Landesherren bleibt nur die Einsetzung der Person. Der Staatsbeamte ist daher mit dem Amte nicht identisch, er ist nichts als die mit der Verwaltung des Amtes betraute Person.“117 Der Unterschied zum kirchlichen Verwaltungsrecht ist augenfällig: hier ist die Ingerenz des Bischofs auf administrativem Gebiet die Regel — und auf judizialem Gebiet wenigstens nicht ausgeschlossen. Ämter gibt es ferner nur insoweit, als Amtsträger für sie angestellt sind: Amt und Beamter sind also identisch. Wie die juristische Persönlichkeit, so geht dem Amtsorganismus der Diözese also auch der eigentliche Behördencharakter ab.
Beiläufig zu erwähnen wäre noch, daß selbst, wenn es sich bei den Diözesanbehörden um Behörden im eigentlichen Sinne handeln würde, ihnen auch dann keine juristische Per-
sönlichkeit zukäme. Für die weltlichen Behörden ist dies wiederholt in Theorie und Praxis ausgesprochen worden.118
Zusammenfassend ergibt sich also:
Die Diözesankurie oder das „Ordinariat“ i. w.S. ist der Inbegriff aller bischöflichen Hilfsbeamten.
Das Ordinariat ist ein loses Aggregat von Beamten, und Verwaltungsstellen, das den Namen einer „Behörde“ nur im uneigentlichen Sinne führt.
Weder dem Ordinariat in seiner Gesamtheit, noch seinen einzelnen Verwaltungsstellen (Generalvikariat, Offizialat, Kanzlei) kommt die Rechtsstellung einer juristischen Person zu, es ist vielmehr nichts anderes als der Vertreter des konkreten Bischofs.
Das Verhältnis des Bischofs zu seinen Diözesanbehör- den, die als Organe seiner einen und ungeteilten Hir- tengewalt tätig werden, ist dasselbe, in welchem der Papst zu den Römischen Kongregationen, Ämtern und Tribunalen steht, die auch nur Modalitäten der einen Primatialgewalt sind, nicht aber selbständige juristische Personen (can. 7).
§ 2. Überblick über die Verf assung der deutschen Ordinariate.
Unter den deutschen Ordinariatsverfassungen lassen sich zwei Typen unterscheiden. Wir wollen sie Ordinariate des älteren und des jüngeren Rechtes nennen. Die Bezeichnung „Ordinariate des älteren Rechtes“ ist deswegen gewählt worden, weil sie einen Typus darstellen, der bis ins 18. Jahrhundert oder wenigstens in die Organisationsperiode am Anfang des 19. Jahrhunderts zurückreicht. In der Hauptsache gehören zu dieser Gruppe die bayrischen Diözesen: München, Augsburg, Regensburg, Bamberg, Eichstätt, Speyer; zu ihr gehört aber auch das Erzbistum Breslau.119
Für Bayern hat das alte Konkordat die Richtlinien der Kurialverfassung vorgezeichnet. Das Bestreben der Regie-
rung ging dahin, dem Domkapitel als solchem jede Regierungsgewalt zu nehmen, andererseits aber die einzelnen Kapitulare zur Mitarbeit an der Diözesanverwaltung heranzuziehen.120 Als Organ der Diözesanregierung sollte da,s „Ordinariat“ fungieren, eingeteilt in drei Sektionen: 1. den „Allgemeinen Geistlichen Rät“; 2. das „Generalvikariat“;
das „Konsistorium“ oder bischöfliche Gericht für Ehesachen in erster Instanz. Die Titulatur wurde in einer kgl. Entschließung Ludwigs I. vom 1. März 1826 festgelegt.121 Im interkurialen Verkehr sind die Schriftstücke zu richten an das „Ordinariat“ und zwar je nach der Sektion mit dem Zusatz „Generalvikariat“ oder „Allgemeiner Geistlicher Rat“. Streitsachen gehen an das „Konsistorium“, bezw. bei den Erzdiözesen in der Appellationsinstanz an das „Metropoliticum“. Die weltlichen Behörden adressieren schlechthin an das Ordinariat.122 Alle Kapitulare sind in der Regel Mitglieder des Geistlichen Rates, doch können noch weitere Mitglieder, die nicht dem Domkapitel angehören, vom Bischof ernannt werden (im Unterschied von den Titular-Geistl. Räten, sog. „fre-
quentierende Räte“). Dasselbe gilt vom Generalvikariat. Wir haben also „zwei verschiedene Körperschaften in Bayern, den Geistlichen Rat und das Kapitel, beide bestehen regelmäßig aus denselben Mitgliedern. Werden die Kapitulare zum Rat versammelt, so nennt man die Versammlung Ordinariat, Geistlicher Rat, nie aber Kapitel.“123 Wegen der sachlichen *** Identität steht nichts im Wege, alle Sachen, die na.ch dem Codex vor das Kapitel gehören (weil das Kapitel in manchen Dingen ein Beispruchsrecht hat), vor den Geistlichen Rat zu bringen, nur dürften in diesem Fall nur Kapitulare, nicht aber „frequentierende Räte“, die nicht canonici sind, teilnehmen. Das Kapitel braucht als solches nicht berufen werden, es genügt zur Beschlußfähigkeit des Kollegiums, wenn alle Kanoniker tatsächlich versammelt sind (can. 105 u. 2 mit 162 §4). Dennoch ist diese Ersetzung des Kapitels durch den Geistl.Rat ein juristischer Schönheitsfehler der betreffenden Ordinariatsverfassungen, und sie erzeugt eine gewisse Unklarheit wegen der Doppelfunktion des Geistlichen Rates: Bischofssenat124und Verwaltungssektion125 des Ordinariates zu sein. Auch die Abgrenzung der Kompetenzen des Geistlichen Rates war immer etwas unklar und tat den Befugnissen des Generalvikars Eintrag. Zuständig war der Geistliche Rat in München zu Zeiten für Pfarrei-Dismembrationen, Schulsachen, Semi-
nar- und Studienangelegenheiten, Emeritenfonds u. s. w.126 Die ideale Regelung wäre es wohl, sich den Bestimmungen des Codex anzupassen und die vom C.I.C. dem Kapitel zugewiesenen Angelegenheiten dem „Kapitel“, die vom Ordinarius selbst zu verfügenden Sachen dem „Generalvikar“ (der beliebig viele, nicht zeichnungsberechtigte, nicht beispruchsberechtigte Hilfskräfte — „Generalvikariatsräte“ — haben kann) zuzuweisen. Der Geistliche Rat würde dann als überflüssig wegfallen und eine klare Trennung der Kompetenzen nach der Norm des kirchlichen Rechtsbuches erreicht sein.
Als zweite Ordinariatssektion steht neben dem Geistlichen Rat das Generalvikariat. Den Vorsitz führt hier der Generalvikar. Die Räte sind Inhaber von Ämtern im weiteren Sinn („munera“). Eine Bestellung von Laien ist dann möglich, wenn keine iurisdictio in spiritualibus ausgeübt wird, zu welcher Funktion ja Laien unfähig sind.127 In der Behandlung von tem- porellen Fragen aber (FinanzVerwaltung) können sie sogar ein „votum decisivum“ haben; sie können ferner auch als Justitiare und Syndici angestellt sein. In manchen bayrischen Diözesen ist in neuester Zeit die Finanzverwaltung einer besonderen Finanzkammer, als einer neuen Sektion im Ordinariat, übertragen worden, so in Bamberg, München, Passau, Regensburg.
Mit dem Namen der Ordinariate des neueren Rechtes bezeichnen wir diejenigen, die in ihrem Aufbau den Gedanken des Codex mehr entsprechen. Ihre Umbildung hat meist erst in diesem Jahrhundert aus älteren Formen stattgefunden, von denen sich in den Amtsbezeichnungen noch Spuren erhalten haben. Allen Ordinariaten dieses Typus gemeinsam ist die
reinliche Trennung von Generalvikariat und Offizialat. Gemeinsam ist ihnen ferner, daß dem G.-V. und seinen Mitarbeitern keine Konkurrenz im Geistlichen Rat erwächst. Eine zusammenfassende Bezeichnung, wie „Ordinariat“, „Bischöfliche Kurie“, fehlt meist. Diese Art der Verfassung ist allen deutschen Ordinariaten gemeinsam mit Ausnahme der oben genannten Diözesen München, Augsburg, Regensburg, Bamberg, Eichstätt, Speyer, Breslau. —
Ein kurzer Überblick soll die wichtigsten Ergebnisse zu- sammenfassen. In Deutschland bildete sich, der Größ(e der Diözesen entsprechend, ein reichgegliederter Behördenorganismus aus. In älteren Zeiten bevorzugte man das System des Geistlichen Rates, einer Gesamtbehörde, in der alle Kapitulare tätig waren. Aber auch dieser Versuch, das Kapitel als Ganzes am Regiment teilnehmen zu lassen, erwies sich als nicht vollkommen zweckmäßig. Die monarchische Tendenz der neuesten Kirchenrechtsentwicklung stärkte die bischöflichen Stellvertreter: Generalvikar und Offizial immer mehr. Es kam zur Beseitigung des Geistlichen Rates in den Diözesen Norddeutschlands und Südwestdeutschlands. Im Generalvikariat und Offizialat arbeiteten nur mehr einige Kapitulare als Räte mit. Die Trennung von Verwaltungs- und Justizajigelegenheiten wurde scharf durchgeführt. Unsere Darstellung mußte sich leider auf die Morphologie der bischöflichen Behörden beschränken: die Darstellung des faktischen Geschäftsganges kann leider aus Mangel an erreichbarem Material nicht gegeben werden. Aus denselben Gründen ist auch eine nur umrißweise Geschichte des Werdegangs der einzelnen Ordinariate nicht möglich.
III. Kapitel.
Die Theorie der Stellvertretung im römischen und kanonischen Recht.