Auf Grund des Codex Iuris Canonici



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VII.

Folgende Sätze ergeben sich aus unserer Untersuchung:

  1. Bereits im 12. Jahrhundert tritt uns, zuerst in Frank- I reich, ein bischöflicher Beamter entgegen, der die strei- \ tige Gerichtbarkeit als iudex Ordinarius übt.

  2. Im 13. Jahrhundert findet er sich allgemein. Möglicher­weise hat es in Südwestdeutschland während einer kür­zeren Periode eine andersartige bischöfliche Gerichtsbehörde gegeben, die „iudices delegati“. Gegen Ende des Jahrhun­derts ist aber auch dort der Offizial französischen Gepräges verbreitet.

  3. Der Grund zur Aufstellung von Offizialen liegt in der / anwachsenden Geschäftslast des bischöflichen Gerichtes, | sowie in der durch das neue Recht bedingten Notwendig- j keit eines Berufsrichters.

  4. Vorbilder der neuen Magistratur waren die Ministe­rialen und Palatinen der weltlichen Verwaltung.

  5. Durch den Bruch mit dem Benefizialsystem war der Bi­schof im Stande, den Offizial als Kampfmittel gegen die • Arehidiakone zu benutzen.

§ 2. Das bischöfliche Offizialatsgericht.

Der Offizial war das Haupt einer Gerichtsbehörde. Von seinem Beamtenstab, von seiner „Curia“, soll im Folgenden die Rede sein.

I.



Wir finden im 13. Jahrhundert schon in manchen Diözesen einen „Vices-gerens officialis“, der als Stellvertreter des Offizials zunächst nur für den Fall aufgestellt wird, daß der Offizial selbst behindert ist, der aber bald zu einem ständigen Beamten wird.36

              1. II.

Kein eigentlicher Beamter ist der Assessor, er ist viel­mehr ein rechtsgelehrter Beirat des Offizials. Er wird nach Bedürfnis oder auf Wunsch der Parteien ernannt, die auch die Kosten seiner Zuziehung zu tragen haben.37 Im Assessor haben wir vielleicht eine Erinnerung aus altrömischer Zeit vor uns, denn auch dort stand jai dem Praetor ein „consilium“ von Rechtsgelehrten zur Seite, die lediglich rechtsberatende Funktion hatten, wie auch unser Assessor.

III.

Der wichtigste Beamte des Offizialates war der Sigillif er, auch Sigillator genannt.38 Alle Dokumente, Urteile, u. dgl. müssen sein Siegel tragen, wenn sie rechtliche Bedeutung

haben sollen.39 Er korrigiert etwaige Formfehler in den Ur­kunden des Offizials, er überwacht die Notare. Das Siegel wird niemals verpachtet (was mit anderen Ämtern häufig geschah), sondern der Sigillifer bezieht ein festes Gehalt. Sein Gehalt ist dem des Offizials oft gleich, auch er ist oft Commensale des Bischofs. Manchmal rückte der Träger des Amtssiegels in eine noch bedeutendere Stellung ein: in Xan­ten z. B. stand er als „General vikar“ des Archidiakons über dem Offizial. Er stellte den Offizial an, nahm ihm den Treu­eid ab und vereinigte mitunter das Amt des Offizials mit dem seinigen.40Freilichwar diese Überordnung des Sigillifer nicht das Normale, und wir finden gewöhnlich den Sigillifer als Chef der bischöflichen Kanzlei in abhängiger Stellung vom Offizial.41

IV.

Das Institut der Notare ist sehr alt in der kirchlichen j Verwaltung. Schon in der Martyrerzeit gab es kirchliche No­tare für die einzelnen stadtrömischen Regionen, denen die ? Redaktion der Martyrerakten oblag.42 Man nahm wohl be- v sonders qualifizierte Männer zu diesem Amt, die bald ein | Kollegium, einen klerikalen Ordo, bildeten, wie die Inhaber von so vielen anderen niederen Kirchenämtern auch. Nach der Verfolgungszeit fiel die Redaktion von Martyrerakten

naturgemäß weg, aber der Kreis der notariellen Befugnisse erweiterte sieh und deckte sich ziemlich mit dem Inhalt des heutigen Notaramtes.43 Die Namen „Primicerius“ und „Se- cundicerius“ begegnen in den Quellen — die Wurzeln des späteren Kollegs der Apostolischen Protonotare liegen hier. Bei einer großen Anzahl von gerichtlichen Akten ist die An­wesenheit der Notare vorgeschrieben. Genau so wie in Rom lagen die Verhältnisse auch an den anderen größeren Bi­schofskurien. Auch das „Archiv“, die Sammelstelle aller Ur­kunden, ist eine uralte Einrichtung, welche die Kirche aus der römischen Verwaltungspraxis übernahm. Die Einrichtung des päpstlichen Archives in einem besonderen Hause geschah durch den Papst Damasus44; sein „Staatssekretär“ Hiero­nymus erwähnt es als „chartarium Ecclesiae Romanae“.*0 Das Wort „Cancellarii“, als Bezeichnung für die Vorstände von Archiv und Staatskanzlei, stammt wohl aus der Beamtentitu­latur der karolingischen Palasthierarchie.

\ on unteren Beamten der Offizialatskanzlei wären zu er­wähnen der „Receptor actorum“ und der „Registrator“. Ersterer war Vorstand der bischöflichen Schreibstube, in dessen „camera“ alle Dokumente ausgestellt und in Empfang genommen wurden. Einen unangenehmen Dienst — wie alle zeitgenössischen Quellen betonen — hatte der „Registrator“. Ihm lag es ob, die Register derer zu führen, die sich eine Geld­strafe zugezogen hatten, und für die Beitreibung dieser Straf­gelder zu sorgen. Er übersandte auch die Exkommunikations­sentenzen an die Landdekane zur Weiterleitung an die je­

weils zuständigen Pfarrer. Später trennte sich das Kanzlei- personal vom Offizial und bildete eine selbständige Behörde: die Kanzlei.

V.

Ein Promotor, ein Amtsanwalt, taucht erst seit dem 14. Jahrhundert in den Quellen auf, und hat vorher als stän­diges Amt wohl nicht existiert. Jedenfalls schweigen die „Priviligia curie Remensis“ (aus dem 13. Jahrhundert)45 von ihm, die doch sonst alle Beamten des Offizialates und ihre Kompetenzen ausführlich behandeln. Auch aus Deutschland liegen wenig Nachrichten über ihn vor; Hilling und Ried- ner haben ihn für Halberstadt bezw. Speyer nicht nachwei- sen können. Paul Fournier meint, ihr Ursprung liege wohl in den Agenten und Prokuratoren, welche große weltliche und geistliche Herren bei den Gerichten ständig unterhielten. Möglicherweise ist der Promotor nach dem Vorbild des „Pro- curator fisci“ eingesetzt worden, welches altrömische Institut Friedrich II. in Sizilien wieder erweckt hatte. Noval46 hin­gegen vermutet, daß der Promotor aus dem kirchlichen Inqui­sitionsprozeß übernommen sei.

VI.


2*



19
Dem Offizial lag es ob, die Geschäftsordnung für die Tätig­keit seiner Beamten aufzustellen, dieselben anzustellen und zu überwachen.47 Im weiteren Verlauf der Entwicklung nahm das Offizialat in den einzelnen Diözesen recht verschiedene Formen an. Aus einer nach dem Bürosystem organisierten Behörde entwickelte sich, besonders in Deutschland, eine Kollegialbehörde.48 Eine Reihe von ständigen Räten trat dem Offizial zur Seite; vielfach wurden diese Beisitzer aus den Reihen der Domkapitulare genommen — doch war das alles

partikularrechtlich äußerst verschieden. Um diese Zeit kam auch vielerorts für das Offiziant der Name „Consistorium“ auf. Ursprünglich war das Konsistorium identisch mit dem modernen Begriff der Diözesankurie, umfaßte also die Ge­samtheit der bischöflichen Beamten, vor allem auch den Ge­neralvikar. Im Lauf der Zeit aber glitt der Name über auf einen Zweig der Diözesanverwaltung, auf das bischöfliche Gericht. Das Offizialat — „Konsistorium“ genannt — trat dem Generalvikariat — vielfach „Ordinariat“ genannt — ge­genüber. In den Stürmen der Revolutions- und Säkularisa­tionsperiode brach dann mit der alten Diözesanorganisation auch das Offizialatswesen älteren Stiles zusammen — nicht zum Schaden für die kirchliche Rechtspflege! Es hatten sich nämlich im Lauf der Jahrhunderte auf dem Territorium einer Diözese verschiedene Gerichte entwickelt; das Offizialat selbst war aus einem einheitlichen Bischofsgericht zu einem System verschiedener „Dikasterien“ geworden, deren Zustän­digkeiten meist ganz unklar abgegrenzt waren. Durch die kirchliche Neuordnung, w7elche in einem großen Teile Euro­pas durchgeführt werden mußte, verschwanden diese alten bischöflichen Gerichtsbehörden und es war Raum geschaffen zur allmählichen Einrichtung eines einheitlich organisierten bischöflichen Gerichtes 1. Instanz, eben des „Offizialates“. Wichtig war auch, daß die Kirche freie Hand bekam in der Gestaltung ihrer Rechtspflege, da die Staaten mehr und mehr die „res mixtae“ vor ihr eigenes Forum zogen, ja z.T. über­haupt der kirchlichen Rechtsprechung jede Verbindlichkeit für den staatlichen Rechtsbereich aberkannten. Dieser Prozeß der Scheidung von geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit hatte das Gute a)n sich, daß die Oberhirten ohne die staat­liche Einmischung rein kirchliche Gerichtshöfe nach den Grundsätzen des Kirchenrechtes aufbauen konnten. Zum Ab­schluß ist diese ganze Entwicklung freilich erst in unserm Jahrhundert gekommen.

In Frankreich empfahlen eine Reihe von Provinzialkon­zilen die Neuerrichtung von Offizialaten, so die Konzile von

Paris 1849,49 Reims 1849,50 Avignon 184951 u. a. Auch auf deutschem Gebiet ging man gegen Mitte des 19. Jahrhun­derts an eine Neuordnung der Verhältnisse. Für die österrei­chischen Diözesen wurde maßgebend eine von Kardinal Rau­scher 1856 verfaßte „Instructio de iudiciis ecclesiasticis quoad causas matrimoniales“,52 die besondere Ehegerichte schuf. Auch in manchen süddeutschen Diözesen (München, Augsburg) ersetzte ein Ehegericht oder „Konsistorium“ das Offizialat im älteren Sinn. Es erklärt sich dais aus der Tat­sache, daß eben die weitaus meisten anfallenden Sachen Ehe­sachen waren. Für andere Sachen wurden, wenn sie nicht im Verwaltungswege entschieden wurden, von Fall zu Fall die

Richter ernannt. Für die preußischen Offizialatsverhält­nisse haben wir die eingehenden, vorzüglichen Untersuchun­gen von L. Kaas53. Nur einige seiner Ergebnisse können hier berücksichtigt werden. Auch in einer Reihe von preußischen Diözesen fehlten eigentliche Offizialate bis in die neuere Zeit, so in Posen, Fulda, Hildesheim, Osnabrück, Münster und Pa­derborn,54 meist ersetzt durch, ein Ehegericht („Konsisto­rium“) — weitgehend wurden die Sachen auch auf admini­strativem Wege erledigt durch den Generalvikar. Die Gedan­ken einer Kompetenztrennung waren eigentlich nur in der Kölner Kirchenprovinz nach der persönlichen und sachlichen Seite durchgeführt. Wie sich aus der bescheidenen oder ganz fehlenden Besoldung ergibt, betrachtete man das Offizialat bis in neuere Zeit hinein als Nebenamt. Eine juristische Spe­zialvorbildung des Offizials, wie auch der geistlichen Räte des bischöflichen Gerichtes, war bei den preußischen Offi­zialaten äußerst selten.55 So war der Stand der Dinge in den deutschen Diözesen, bis durch die Gesetzgebung Pius’X. und die Kodifikation eine Reform der bischöflichen Gerichts­verfassung im Sinne des gemeinen Rechtes angebahnt und zum großen Teil auch durchgeführt wurde.

§ 3. Ursprung des Generalvikars.

        1. I.

Wie schon erwähnt, machte die ältere Doktrin zwischen Generalvikar und Offizial keinen Unterschied, und zwar so­wohl was die historische Entwicklung anbetrifft, wie auch hinsichtlich des damals geltenden gemeinen Rechtes. „Vica- rius et officialis idem significant et in effectu nulla, inter eos, nisi in nomine versatur differentia“ — so Barbosa56. Ihm

folgt u. a. Thomassin und Benedikt XIV., welcher meint, der G.-V. werde auch manchmal vom Recht Offizial genannt, und nur in transalpinen Ländern, besonders in Frankreich und Belgien, habe sich eine Trennung des Generalvikars und Offizials herausgebildet gemäß der Zuweisung der streitigen Gerichtsbarkeit an den Letzteren und der freiwilligen an den Ersteren. Diese Praxis entspreche aber nicht dem allgemei­nen Recht.57 Dieselbe Ansicht wurde dann auch von neueren Kanonisten vertreten, z.B. Paul Fournier: „Im 13. und 14. Jahrhundert sind die Ausdrücke ,Vicarius‘ und ,Offi- cialis1 oft synonym und vermischen sich in den Texten“.58 Gegen diese These wendet sich nun Eduard Fournier mit aller Schärfe.59 Es liegt uns ob, an Hand der Quellen die Stichhaltigkeit seiner Aufstellungen zu prüfen, um aus der Analyse der Quellen nicht nur ein Bild über die historischen Anfänge des G.-V. zu gewinnen, sondern vielleicht auch ei­nige Aufschlüsse über die Rechtsnatur dieses Beamten auf Grund seines geschichtlichen Ursprungs zu erhalten.

II.

Der Liber Se*tus befaßt sich mit einer Beamtenkategorie, f die er den „Vicarius in spiritualibus generalis“ nennt, an ver­schiedenen Stellen. So gibt er z. B. bei Abwesenheit des Bi­schofs diesen Vikaren das Recht, Weihedimissorien auszu­stellen. Nicht aber fällt dieses Recht unter die Befugnisse des Offizials — es wird vielmehr dies ausdrücklich als nicht

zu dessen Amtsaufgabenkreis gehörig, bezeichnet.60 Eine De- kretale Gregors X. von 1273 regelt das Benefizienkollations- recht der Bischöfe für die Fälle, wo Benefizien „in Curia“ vacant werden und dehnt die Rechte der Bischöfe, wenn sie abwesend sind, auch auf ihre Generalvikare aus. Ausdrück­lich bemerkt sei, daß diese Rechte dem „Vicarius generalis“ nur bei Abwesenheit des Ordinarius eingeräumt sind.61 Wie das Gesetz, so machen auch die Rechtslehrer jener Zeit einen Unterschied zwischen G.-V. und Offizial. „Officialis vero episcoporum est ille cui, per commissionem officii, com* petit cognitio causarum, subaudi: et definitio et decisio . . . officialis non habet potestatem circa actus spirituales et ex- traiudiciales, quia illud pertinet ad vicarium in spirituali- bus.“62 Gerade in Frankreich wurde die Erkenntnis des Un­terschiedes von G.-V. und Offizial besonders leicht und klar gewonnen bei Betrachtung der Verwaltungspraxis der Päpste in Avignon. Und zwar handelt es sich hier nicht um die all­gemeine Kurialverwaltung, sondern um die Regierung der Diözese Avignon. Im Jahre 1317 wurden vom Papst zwei Ge­neralvikare für die Diözese ernannt und zur selben Zeit be­gegnen wir auch einem „Generalis vicarius Summi Pontificis in spiritualibus in Urbe Romana“ — der Vorläufer des späte­

ren Kardinalvikars. Dieser Generalvikar des Bischofs von Rom wird genau unterschieden vom Vertreter des Papstes als Herrscher des Kirchenstaates. Dieser ist „Vicarius in tiemporalibus“,63 wie man ihn auch zuweilen in den großen deutschen Diözesen aufstellte, wo der Bischof zugleich Lan­desherr war. Der „Vicarius generalis in temporalibus“ des Papstes für Rom trug später den Titel „Gubernator Ur- bis“ — der „Vicarius generalis in spiritualibus“ für Rom war und ist der bereits erwähnte Kardinalvikar. Eine Iden­tifizierung der oben erwähnten päpstlichen Generalvikare für Avignon mit Offizialen lag aber ganz fern, da der Papst die Rechtspflege durch delegierte Richter üben ließ. Warum nun aber doch schon einige Kanonisten jener Zeit den Versuch machten, den offenkundigen Unterschied des c. 3 in VIo 1,9 wegzudeuten,64 werden wir weiter unten zu erklären haben bei Erörterung der Frage, ob es sich bei dieser Trennung von G.-V. und Offizial um gemeines Recht oder um Sonderge­wohnheiten einzelner Länder handelte.

III.

Nicht nur aus der Zeit des Liber Sextus, sondern auch in früheren Perioden schon finden wir einen „Vicarius gene­ralis“ in den Quellen des gemeinen Rechtes erwähnt. Einen wichtigen Beleg dafür haben wir in einer Entscheidung Ho- nonus’ III. Es handelte sich hier um zwei Modenser Kleriker, die von ihrem abwesenden Bischof als Generalbevollmäch­tigte bestellt waren, mit der Vollmacht alle administrativen und prozessualen Dinge in seiner Vertretung zu erledigen. Der Papst erkannte die Gültigkeit dieser Vollmacht an und

weist die entgegenstehende »Einrede als unbegründet zurück.65 Die „Vicarii generales“ sind also berufen, als Alter ego des abwesenden Bischofs dessen gesamte Geschäfte zu führen. Und das schreibt sich der Generalvikar des Bischofs von Cambrai auch ausdrücklich zu (bereits im Jahre 1207) :C2 „quod de mandato venerabilis patris et domini Dei gratia Cameracensis episcopi ageret in episcopatu Cameracensi in potestatis plenitudine.“— Nachdem E. Fournier für Frank­reich das Auftreten des Generalvikars im 13. Jahrhundert, als eines Stellvertreters des abwesenden Bischofs nachge­wiesen hat, sind wir durch die ausgezeichneten eingehenden Quellenstudien von A. Güttsches66 in der Lage, das Auf­treten des G.-V. in der Kölner Diözese von Anfang an verfol­gen zu können. Als erster Generalstellvertreter des abwesen- denBischofs erscheint Bruno v. Berg,67 Dompropst 1164—1191. Güttsches möchte ihn freilich nicht als Vorläufer des G.-V. betrachten. Ihm sei nur die „vices ecclesiasticae audientiae“ übertragen gewesen, das heißt3 er sei nur Stellvertreter des Bischofs im Gericht gewesen. Allein gerade die angeführte Urkunde68 zeugt gegen diese Interpretation, weil sie Bruno bei einem Stiftungsgeschäft tätig zeigt — also in Ausübung von „iurisdictio voluntaria“, die dem G.-V. zusteht. Als „vices gerentes“ des nach Rom gereisten Erzbischofs Konrad von

Hochstaden erscheinen 1239 Dompropst Konrad und Domde­kan Goswin.66 Als „vices gerens“ des abwesenden Bischofs — sogar mit dem Vorsitz auf der Diözesansynode betraut — erscheint 1308 der Domdekan Ernst von Rennenberg. Eine kollegiale Stellvertretung des zum Konzil von Vienne gerei­sten Bischofs treffen wir 1312; 1315 bezeichnet sich Heinrich von Virneburg67 als „Vicarius generalis in spiritualibus et temporalibus“, und Winand von Gennep69 zeichnet 1350 als „vicarius generalis episcopi in remotis agentis“. Gegen die Verfügungen dieser Vizegerenten ist nur Appell an den Papst möglich, nicht an den Bischof, dessen „Alter ego“ der Vica­rius ist.70 Trotzdem möchte Güttsches in diesen Stellvertre­tern noch nicht den eigentlichen G.-V. erkennen, sondern nur einen Vorläufer desselben. Seine Hauptgründe sind: die Be­stellung eines Vices gerens nur bei Abwesenheit des Bischofs und die öfters vorkommende Bestellung mehrerer Stellver­treter. Doch ist der erste Grund nicht entscheidend: wenn auch ganz ungewöhnlich, so erscheint die Bestellung eines Vertreters für die Zeit der bischöflichen Abwesenheit, der doch in allem ein echter G.-V. wäre, auch nach geltendem Recht als durchaus möglich. Güttsches selbst bringt aus der Zeit völliger Konsolidierung des Amtes noch ein Beispiel für Bestellung eines G.-V. auf Zeit: Heinrich Vriese, zu Pfing­sten 1475 ernannt mit befristeter Vollmacht bis Weihnachten 1475.71 Und was die Solidarberechtigung^ mehrerer G.-V. an­langt, so entspricht dies «war nicht der deutschen, wohl aber der französischen Praxis bis in die jüngste Zeit. Man wird also die beiden Gründe nicht für hinreichend erachten kön­nen, um den ersten „eigentlichen“ G.-V. in Hugo von Hervorst (um 1390) zu erblicken: der Generalvikar tritt auch in Köln in derselben Zeit auf wie in Frankreich (Bruno v. Berg 1164 — 1191).

Auch im weltlichen Rechtsbereich war übrigens das In­stitut solcher Stellvertreter mit weitgehenden Vollmachten, welche wie die bischöflichen Vertreter die Bezeichnung von Generalvikaren trugen, allgemein üblich. So ernannte z.B. Friedrich II. seinen Sohn Heinrich 1239 zum „Legaten a latere und Generalvikar“ für die Romagna, wobei er ihm eine ganz umfassende Vertretungsmacht, auch in militärischen Dingen übertrug. Heinrich soll durchaus als „Alter ego“ des abwe­senden Kaisers in Italien gelten, soll als Legat a latere gleich­sam ein Abbild des Kaisers sein, wie der päpstliche Legat der „wandelnde Papst“ ist.72 Ferner ernannte Friedrich II. im Februar 1246 seinen Sohn Friedrich von Antiochien zum kai­serlichen Generalvikar für Toskana und die Maritima,73 den Graf Thomas von Savoyen im November 1248 zum General­vikar der Lombardei74 unter Verleihung ähnlicher Vollmach­ten. Wir sehen also, daß die weltlichen Fürsten in gleicher Weise wie die geistlichen im Fall längerer Abwesenheit ihre ganze Gewalt einem Stellvertreter übertrugen, der als ihr

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