Auf Grund des Codex Iuris Canonici



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So dankenswert aber auch der Hinweis auf den Prokurator als juristischen Prototyp des Generalvikars ist, so ist diese Gleichsetzung von Procurator generalis „cum libera“

und Generalvikar unserer Ansicht nach falsch. Wir müssen den Unterschied beachten zwischen dem Procurator generalis „cum libera“, der eine Vollmacht hat zu allen Din­gen ohne Ausnahme, eine Macht, die der des Vertretenen gleichsteht, und dem Procurator generalis „sine libera“, der also gleichfalls eine General Vollmacht hat, aber eben in bestimmten Dingen nidht frei ist. In diesen Fällen braucht er ein Spezialmanda,t des Vertretenen, und zwar sind diese Fälle entweder von der Rechtsordnung,161 oder durch den im Mandatsinstrument kundgegebenen Willen des Auftraggebers seiner Vertretungsmacht entzogen. Dieser Unterschied wird von Reiffenstuel162 klar herausgearbeitet — Ed. Fournier163 hat ihn aber übersehen, wenn er dem Generalvikar schran­kenlose Vollmacht zuschreibt, die dieser doch in einigen Fäl­len, wo er ein Spezialmandat braucht, nicht hat. Er denkt an ein anderes Moment, das Engel, auf den sich Fournier stützt, hervorhebt, — aber Fournier mißversteht Engel. Dieser schreibt:164 „in certis negotiis et causae articulis maioris mo- menti . . . non sufficit aliquem generaliter esse constitutum procuratorem.“ Engel denkt hier ganz richtig am den Procura­tor generalis sine libera, wenn er das auch nicht ausdrück­lich sagt. Dann fährt er fort:165 „limitatio tarnen communis ponitur, nisi mandatum generale fiat cum potestate plena ac libera, quäle mandatum sic clausulatum habens procurator ,cum libera* vocatur, atque ea etiam, quae alias speciale man­datum requirunt, regulariter fasere potest, nisi valde ardui praeiudicii sint, de quibus probabiliter non fuit cogitatum tem­pore mandati.“ Also dieser Procurator generalis „cum libera“ bedarf keines Spezialmandates, seinem Walten sind keine Schranken gesetzt. Nur wenn besondere Umstände anzei- gen, daß sein Mandat wohl nicht einen solch weiten Kreis

der Vertretungsmacht umfassen sollte, darf der Prokurator (trotz seiner libera potestas) nicht tätig werden. In diesem Fall ist der Vertretene zu fragen, ob er das Mandat auf einen solchen Umfang ausdehnen wolle, d.h.ies ist um eine authen­tische Interpretation der Vollmacht einzukommen.

Die Interpretation einer Vollmacht, die nur bei außer­gewöhnlichen Fällen besonderer Wichtigkeit, an die der Mandant nicht denken konnte oder wahrscheinlich nicht ge­dacht hat, ist aber etwas ganz) anderes als ein Spezialmandat. Ein Spezialmandat wird vielmehr in einer ganzen Reihe von Fällen nötig, an die der Mandant bei Erteilung des Auftrages sehr wohl gedacht hat: stehen ja doch die spezialmandats­bedürftigen Fälle meist im Text der Vollmacht, wenn sie nicht schon durch die allgemeine Rechtsordnung festgelegt worden sind. Spezialmandate sind also nötig für einen „Pro- curator generalis sine libera“; sie sind bei dem Procurator generalis cum libera begrifflich ausgeschlossen, denn ein Ver­treter mit gänzlich unbeschränkter Vertretungsmacht kann nicht in einzelnen Fällen in seiner Vertretungsmacht doch beschränkt sein. Wenden wir diese Feststellungen in einem konkreten Fall, z. B. auf den Generalvikar an, so ergibt sich, daß er ein Prokurator ist — denn ier ist das Alter ego des von ihm vertretenen Bischofs und seine Handlungen gelten als die des Ordinarius. Es ergibt sich ferner, daß er ein Procura­tor generalis ist, denn er ist zur Besorgung aller Angelegen­heiten ermächtigt kraft eines Generalmandates. Es ergibt sich aber auch schließlich, daß der Generalvikar ein Procurator generalis sine libera ist, weil seiner Generalvollmacht durch die Rechtsordnung und evtl. durch bischöfliche Reservate Schranken gezogen sind — in welchen Fällen er ein Spezial­mandat braucht. Damit ist die These Fourniers widerlegt, der Generalvikar sei entstanden aus einem Procurator gene­ralis cum libera.

Es sei schon hier die Frage kurz gestreift, die weiter unten bei der Darstellung des Generalvikars näher behandelt wer­den soll: welche Rechtsstellung der Prokurator in diesen

Fällen des Spezialmandates einnimmt. Bei der Generalpro­kura „sine libéra “ sahen wir den Vertreter prinzipiell zu allem befugt — der Inhalt seiner potentiell allumfassenden Vertretungsmacht wird durch den Willen des Mandanten nur teilweise aktualisiert, indem er einige Fälle abgrenzt von der allgemeinen Vollmacht und einem Sonderauftrag vorbehält. Bei diesem Sonderauftrag aber kommt nicht ein neues Rechts­verhältnis zu Stande, sondern es vollzieht sich bloß eine Er­weiterung des ursprünglichen. So genügt z. B. nach dem Recht des C.I.C. für gewisse Rechtshandlungen die allgemeine Ver­tretungsmacht des Prokurators nicht, sondern dieser muß neben seinem „mandatum generale“ noch ein „mandatum spé­ciale“ von seinem Vollmachtgeber haben, um rechtswirksam handeln zu können, z. B. bei Amtsverzicht (can. 186), Ehe­schließung (1089 § 1), Prozeßführung (1659 §1).166 In all diesen Fällen des „speciale mandatum“ redet kein Vernünftiger von „Delegation“ — warum sollen aber die Amtshandlungen des G.-V., der mit „speciale mandatum“ tätig wird, anders bewer­tet werden? Auch der G.-V. handelt in den Fällen des Spezial­mandats als Mandatar (mit ordentlicher stellvertretender Ge­walt) und nicht als Delegat. Im Fall des Spezialmandates liegt eine Erweiterung seiner gewöhnlichen Amtsbefugnisse vor, und nicht eine spezielle Delegation, was die Entstehung eines ganz neuen, andersartigen Rechtsverhältnisses bedeu­ten würde.

Was den Inhalt der Vollmacht anbelangt, so soll sie schrift­lich sein, den Namen von Mandant und Mandatar, sowie die einzelnen Fälle des Spezialmandates enthalten.167 Wer in Überschreitung seiner Vollmacht handelt, handelt unwirk­sam.168 Die Wirkung der Vollmacht ist wie im römischen Recht: die Wirkungen treten zunächst in der Person des Vertreters ein, und müssen von ihm dann auf den Vertretenen

übertragen werden.169 Das kanonische Recht hat freilich hier mitunter eine Ausnahme zugelassen, die eine Verwischung der Konstruktion bedeutet: es ließ beim „procurator iudi- cialis“ ein Urteil gegen beide, Prokurator und Prinzipal zu, obwohl der Prokurator nach der von ihm abgeschlossenen Litiskontestation „Dominus litis“ geworden war. Da« Amt des Prokurators erlischt durch Tod oder Widerruf der Voll­macht, bezw. Rücktritt eines Teiles vom Vertrag.

Wir haben im vorausgehenden die Lehre vom Mandat be­handelt in besonderer Bezugnahme auf den Generalvikar (bezw. Offizial, von dem das Meiste in analoger Weise gilt). Als Ergebnis darf betrachtet werden die Identität von Ge­neralvikar und Generajprokurator, auf die Ed. Fournier mit Recht hingewiesen hat. Entschieden abzulehnen war nur seine Behauptung, der G..-V. sei rechtsdogmatisch ein Generalbe­vollmächtigter „cum libera“. Das Gegenteil ist vielmehr rich­tig — der G.-V. ist ein Procurator generalis sine libera.170 Im Anschluß daran stellt sich die Frage nach der Rechtsnatur seiner Handlungen auf Grund eines Spezialmandates. Wir hoffen gezeigt zu haben, daß das ursprüngliche Mandatsver­hältnis auch in diesem Falle das gleiche bleibt, daß es sich um die Ausdehnung der ursprünglichen Vertretungsmacht und nicht um die Schaffung einer neuen Vollmacht handelt.

Es ergab sich ferner der tiefe Unterschied von Mandat und Delegation: seine Grundlage, seine tiefste Wurzel ist diese: es besteht rechtliche Identität zwischen Mandant und Man­datar, nicht aber zwischen Delegant und Delegat. Daß darum die Gewalt des Vikars keine delegierte ist, sondern eine man- dierte und somit eine ordentliche, ergibt sich aus diesem Fun­damentalunterschied mit aller Evidenz. Das Recht des Codex, dem wir uns jetzt zuwenden, hat diesen Unterschied zwi­schen ordentlicher stellvertretender Gewalt (Mandat) und persönlich übertragener Gewalt (Delegation) sehr klar her­ausgearbeitet.

§ 3. Die Lehre von der Gewaltübertragung nach geltendem

Recht.

Aus göttlicher Anordnung leitet sich die Gewalt der Kirche ab, die das Rechts- und Gewissensgebiet in gleicher Weise umgreift und die sich näherhin als Lehr- und Zuchtgewalt, als Gesetzgebungs- und Verwaltungsma,cht charakterisiert und in gleicher Weise auch die umfassendste Gewalt sakra­mentaler und nicht sakramentaler Heilsvermittlung in sich birgt.171 Wir haben uns hier nur mit der potestas iurisdictio- nis zu befassen, und zwar mit einem ihrer Teilgebiete, der potestas administrativa. Charakteristisch ist dem neuen Recht die Klarheit mit der die Jurisdiktionsarten eingeteilt werden: alle Gewalt ist entweder ordentlich oder übertragen. Unter diesen zwei Gattungsbegriffen stehen dann je zwei Arten: die iur. ordinaria propria und die iur. ordinaria vicaria auf der einen Seite, und die iur. delegata ab homine und die iur. delegata a iure auf der anderen Seite. Über den Begriff der

Jurisdiktion im Allgemeinen brauchen wir nur auf § 2 zu verweisen. Den Kreis der Ordinarii, die kraft ihres Amtes mit der Gewalt ausgerüstet sind, zählt der Codex in can. 198 erstmalig auf und macht dadurch allem Streit über den recht­lichen Charakter der Jurisdiktionsgewalt mancher Amtsträ­ger (z.B. Generalvikar, Apostolischer Administrator) ein Ende. Erschöpfend ist freilich die Aufzählung nicht; so be­zeichnet z. B. eine Rundverfügung des S. Off. v. 20. Febr. 1988 auch die Offiziale als Ordinarien.172 Wenn unter „Offizial“ hier der Generalvikar zu verstehen ist, so wäre das nichts Bemerkenswertes, wohl aber, wenn das S. Offizium unter Offizial den bischöflichen Richter meint. Mangels einer er­schöpfenden Aufzählung der Ordinarien, d. h. der Amtsträger mit ordentlicher Gewalt, dürfte man nicht schließen, der Offi­zial z. B. sei kein iudex Ordinarius, was vielmehr can. 1573 § 1 ausdrücklich feststellt. Das Gleiche gilt von den Apostoli­schen Delegaten und Legaten,, denen neben ihren zahlreichen delegierten Fakultäten die Überwachung der kirchlichen Zu­stände und (mit Ausnahme der Apostolischen Delegaten) die Pflege der Beziehungen zwischen Kirche und Staat als Auf­gabenkreis zugewiesen ist., den sie potestate ordinaria ver­walten.173 Auch sie sind also iudices ordinarii, aber nicht Or­dinarius im technischen Sinne des can. 198. Dasselbe ist zu sagen von der ordentlichen Gewalt der Kardinäle, des Pö- nitentiars, und des Pfarrers für daß Gewissensgebiet.174 Daß von diesen Amtsträgern eine Reihe zwar ordentliche, aber nur stellvertretende Gewalt ausübt, so z. B. der Apostolische Nuntius und Apostolische Delegat, Apostolische Administra-

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tor, die Apostolischen Präfekten und Vikare, der General­vikar, Offizial und Pönitentiar, ergibt sich aus dem Wesen der von ihnen bekleideten Ämter ganz von selbst.175

Wer ordentliche Gewalt besitzt, kann diese einem anderen ganz oder teilweise übertragen, wenn das Recht dieser Dele­gation kein Hindernis in den Weg legt.176 In der Regel be­zieht sich die Delegationsbefugnis nur auf die potestas iuris- dictionis und nicht auf die potestas ordinis; eine Übertra­gung der Weihegewalt wird meist ausdrücklich verboten durch das Recht.177 Verweigert ist es durch das Recht auch dem Kardinal, dem Pönitentiar und dem Pfarrer ihre Gewalt für das Gewissensgebiet an andere Priester zu übertragen.178 Daß Generalvikar und Offizial ihre Gewalt gleichfalls nicht ständig delegieren können, werden wir bei der Behandlung beider Ämter noch sehen. Grund dafür ist, daß ihre stellver­tretende Gewalt ihnen höchstpersönlich gehört.179 Die Gewalt,

die vom Papst, als dem Ordinarius universalis Eeclesiae de­legiert worden ist, kann subdelegiert werden*180 wenn die De­legation nicht unter besonderen Einschränkungen erteilt wor­den ist oder der Apostolische Stuhl ein Interesse daran be­kundet, daß gerade der Delegat persönlich tätig wird („electa industria personae“), (can. 199 §2). Die Gewalt hingegen, die der Bischof, der Ordinarius loci, überträgt, kann nur un­ter zwei Voraussetzungen subdelegiert werden, 1. daß es sich um eine delegatio ad universitatem negotiorum handelte;

  1. daß die Subdelegation nur für einen einzelnen Fall gelten soll (199 §3). Eine „subdelegatio ad omnia“ ist also ausge­schlossen, wenn die Delegation vom Orts Ordinarius erteilt wurde und nicht vom Papst. Der Delegat und der Subdelegat müssen sich legitimieren, im Gegensatz zum Inhaber der or­dentlichen Gewalt, den die Beweislast für die Rechtmäßig­keit seines Handelns nicht trifft (can. 200 § 2).55 Der Delegat, der seine Vollmacht überschreitet, handelt ohne Rechts Wirk­samkeit (can. 203 §1).

Im Gegensatz zur ordentlichen Gewalt, die eine Summe von Befugnissen ist, die mit dem Amt von Rechtswegen ver­bunden sind, stellt sich die delegierte Gewalt als eine solche dar, die einer Person übertragen ist; sie ist also nicht Aus­fluß des Amtes oder mit dem Amte verbunden, sondern haf­tet an der Person. Sie kann nun entweder „ab homine“ oder „a iure“ delegiert sein. Im Codex begegnet nur die erste Art. Es wird sich aber zeigen, daß auch die zweite Art dem heuti­gen Recht nicht unbekannt ist. In diesem Falle der Delegatio a iure ist die Gewalt zwar einer Person verliehen, aber nicht der Person an sich, sondern der Person mit Rücksicht auf eine bestimmte Stellung, „ratione officii seu dignitatis“. Hier­her gehört z. B. das Recht eines einfachen Bischofs das Pal­lium zu tragen „ex privilegio sedi concesso“; das frühere Recht des Salzburger Erzbischofs auf Besetzung seiner Suf- fraganbistümer; auch die den Bischöfen eingeräumten „facui- tates habituales“ zählen hierher,181 weil sie dem Bischof als Inhaber eines bestimmten Sitzes übertragen sind.182 Der Be­griff der delegatio a iure lebt zwar also noch, aber gewisser­maßen im Verborgenen. Die von Eichmann183 behauptete Fortexistenz einer eigentlichen delegatio a iure im Rahmen des Codex erscheint als zweifelhaft. Er betont selbst: „Die Unterscheidung hat indessen nur mehr theoretischen Wert, denn praktisch ist der Unterschied zwischen delegatio a iure und ordentlicher Gewalt völlig verwischt. Die potestas dele- gata a, iure wird als ordentliche mit dem Amt verbundene Gewalt behandelt (potestas ordinaria vicaria“.)

Nun gilt aber „ubi lex non distinguit, et nos distinguere non debemus“. Wir können daher der These einer Fortexi­stenz einer delegatio iure im Codex schon aus diesem Grunde nicht beipflichten. Aber der Codex schweigt nicht nur, son­dern bezeichnet in can. 912 diese „gesetzlich delegierte“ Ge­walt geradezu als potestas ordinaria. Und tatsächlich trifft

diese Bezeichnung auch das allein Richtige, weil es sich um Gewalten handelt, die ein Teil der Jurisdiktionsbefugnisse sind, die dem Amtsträger eben auf Grund seines Amtes, und nicht auf Grund persönlicher Übertragung zustehen. Gerade darin liegt, wie wir gesehen haben, der entscheidende Unterschied zwischen der potestas ordinaria und delegata; verwischt man aber diese Distinktion zu Gunsten einer ge­setzlichen Delegation, so höhlt man den Begriff der ordent­lichen Gewalt in einer bedenklichen Weise aus. Es wird da­her Stutz184 beizupflichten sein, der sich gegen die Annahme einer formellen delegatio a iure im Codex wendet. Anderer­seits hat aber das Institut der gesetzlichen Delegation im früheren Recht eine zu große Rolle gespielt, als daß es ganz tot wäre, und insofern hat die These Eichmanns von einer (freilich latenten) delegatio a iure ihre sachliche Begründung. Ja es scheint sich sogar eine Auferstehung des Begriffes an­zubahnen.185 Es sind nämlich in dem Decr. der Sakramenten- kongregation vom 7. Mai 1923186 Vorschriften erlassen wor­den, nach denen die Richter als päpstliche Delegaten (can. 1606 ff.) —und zwar als „delegati a iure“ — das Beweisver­fahren im Prozeß der nichtvollzogenen Ehe leiten sollen. Das dürfte wohl der erste Fall sein, wo seit Einführung des Codex wieder von einer gesetzlichen Delegation die Rede ist.

II. Teil.



      1. Darstellung des geltenden gemeinen Rechtes.

            1. I. Kapitel. Der Generalvikar als Stellvertreter desBischofs in der Verwaltung.

§1. Das Amt und die Voraussetzungen seiner Verleihung.

Einen zweifachen Sinn hat der Begriff des Amtes im kirch­lichen Recht. Im weiteren Sinn ist es jede geistliche Tätig­keit überhaupt, „quodlibet munus, quod in finem spiritualem legitime exercetur“ (can. 145). Im engeren Sinn hingegen ist es eine durch göttliche oder kirchliche Rechtsnormen getrof­fene Einrichtung, die absolut oder relativ dauernd und un­abhängig von ihren Trägern existiert. Die Unterscheidung von absolut oder relativ dauerndem Amt erweist sich als berechtigt, wenn man z. B. das auf göttlichem Rechte beru­hende Amt des Papstes, das seinem Wesen nach so dauerhaft ist wie die Kirche selbst, vergleicht mit einem Amt, das nicht notwendig bestehen muß, so z. B. gerade eines G.-V., das aber dennoch einer gewissen Dauer nicht entbehrt. Wesentlich ist dabei die Ausstattung des Amtes mit einer gewissen Juris- diktions- oder Weihegewalt. Kein „officium“ in diesem en­geren Sinne haben also inne die Träger von ganz vorüberge­henden Befugnissen, wie der Delegat für einen Spezialfall; ein officium in diesem Sinne hat auch der gewöhnliche Beicht­vater nicht inne, obwohl er Jurisdiktion ausübt, weil seine Tätigkeit eine vorübergehende Handlung, keine Dauerbeschäf- tigung ist. Anders liegen die Dinge naturgemäß bei dem Pöni- tentiar der Kathedral- oder Kollegiatkirche, weil hier durch den Bischof nach den Vorschriften des gemeinen Rechtes ein wahres und eigentliches „officium“ errichtet wird. Ob der Pre­diger ein officium hat,187 wird nach der Lage der Dinge verschie-

en zu beurteilen sein; in der Regel ist es zu verneinen, dann nämlich, wenn nur gelegentlich ein Prediger, und dies nicht in hauptamtlicher Eigenschaft seine Tätigkeit ausübt; es wird zu bejahen sein für festangestellte Prediger, z. B. Dom-Stifts- niversitätsprediger, die hauptamtlich tätig sind und dafür ein Honorar beziehen. Kein officium haben selbstverständlich ie Inhaber von ganz untergeordneten Kirchendiensten, wie üster, Organisten und derartige Funktionäre. Vom Bene- iizium unterscheidet sich das Amt im technischen Sinne da­durch, daß es nicht mit einer gebundenen Vermögensmasse ausgestattet ist. Es ist daher zwar jedes Benefizium ein Offi­zium, aber nicht umgekehrt.

Hat nun der G.-V. ein „officium“ im engeren Sinne des ortes oder nur ein „munus“? Bei ihm handelt es sich um ein Amt, das zwar als solches („in genere“) vom Rechte fest errichtet ist. Auch kann der Inhalt und Umfang seiner Ge­waltsphäre vom Bischof nicht nach völlig freiem Ermessen gestaltet, etwa der G.-V. zum reinen Delegaten herabgedrückt werden.188 Der Ordinarius ist durch das gemeine Recht und seine Sätze gebunden und „diese Normen beziehen sich auf die Art der Verleihung, den zuständigen Verleiher, bestimmte echte und Pflichten des Beliehenen“.189 Die Jurisdiktionsge- ( walt des G.-V. leitet sich unmittelbar von der Rechtssatzung, nicht vom Bischof ab, der nur die Designation der Person, die ihn vertreten soll, und, in gewissen Schranken, die Be­fugnis zu accidentellen Modifikationen der Gewaltfülle des G«-V. hat.190 Wesentliche Änderungen kann der Bischof an den Normen der can. 366—371 nicht treffen, da nicht er, sondern

allein der Papst der „Herr der Canones“ ist. Trotzdem kann man beim Amt des Generalvikars Bedenken haben, es als ein „officium stricto sensu“ zu betrachten, da ihm die objek­tive Perpetuität fehlt.5 Das Amt als solches existiert eben nur, wenn und solange es dem Ordinarius beliebt, wenngleich das Wie dieser Existenz, wie gesagt, seinem Willen im we­sentlichen entzogen ist. Es gibt keine Bestimmung, die den Bischof zwingt, das Amt unter allen Umständen zu errichten und fortbestehen zu lassen. Tatsächlich sind die Fälle nicht gar so selten, wo es keinen Generalvikar gibt, so z. B. in man­chen kleineren Diözesen Italiens, so in Deutschland in den Bistümern Meißen und Danzig. Es klingt daher hart, von einer „Vakanz des General vikariates“ zu sprechen: handelt ) es sich doch um kein Amt, das seinen Träger überdauern und auf einen neuen Inhaber gleichsam warten könnte! Anderer Meinung ist besonders Maroto,G der das Amt ,,in genere“ für dauernd errichtet hält und daher ganz allgemein als Offi­zium im engeren Sinne bezeichnen möchte. Nun schafft aber die Vorschrift des Codex noch kein reales Amt — es bleibt ein Amt in der Potenz, und ob der Bischof diese Möglichkeit auswerten will, hängt ganz allein von seinem Belieben ab. Mangels eines realen dauernden Fundamentes wird man also wohl nicht von einem „officium“, sondern nur von einem ,munus“ (= officium lato sensu) reden dürfen. Die wech­selnde Terminologie des Codex gibt leider keinen Aufschluß, indem bald von einem „munus Vicarii Generalis“ die Rede ist (can. 367 §3, can. 370 § 2), bald von einem „officium“ (can. 368). Wo, wie bei uns in Deutschland, der Generalvikar eine ständige Einrichtung geworden ist, kann man eher von officium reden.

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