4.8 Örtliche Zuständigkeit / Erstattung von Sozialhilfekosten für Flüchtlinge durch das Land
VGH Ba-Wü 6 S 323/94, B.v. 20.04.94, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1092.pdf Die örtliche Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des BSHG richtet sich nicht nach den Vorschriften des BSHG über Zuständigkeiten und Kostenerstattung, sondern wegen der nur entsprechenden Anwendung des BSHG nach den auch für Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG geltenden Bestimmung des § 10 AsylbLG und nach §§ 1 und 2 der dazu in Ba-Wü ergangenen AsylbLGZuVO v. 2.11.93 (GBl. 1993, 655). Die Durchführung des AsylbLG in Baden Würrtemberg obliegt demnach grundsätzlich den Landratsämtern und in den Stadtkreisen den Gemeinden als unteren Aufnahmebehörden, die Stadt Singen als Antragsgegnerin ist daher (als nicht kreisfreie Stadt) nicht passivlegitimiert, so daß der Antrag auf Geldleistungen nach § 2 AsylbLG deshalb abzulehnen ist.
OVG Münster 8 B 3194/94, B.v. 25.01.95, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1093.pdf InfAuslR 6/95, 24 Zuständig für Leistungen nach § 2 AsylbLG für eine im Frauenhaus untergebrachte Asylsuchende ist gemäß § 3 VwVfG NW das Sozialamt am ursprünglichen Aufenthaltsort, auch wenn die Frau gemäß § 58 Abs. 1 AsylVfG eine Erlaubnis zum vorübergehenden Verlassen des ursprünglichen Zuweisungsortes erhalten hat.
Anmerkungen: Das Gericht berücksichtigt nicht die mögliche Gefährdung der Frau durch ihren gewalttätigen Ehemann, solange sie gezwungen ist, an dessen Wohnort die Sozialhilfe in Empfang zu nehmen. Für den Bereich von Frauenhäusern sollten deshalb generell auch andere örtliche Zuständigkeiten ermöglicht werden (vgl. die entsprechende Regelung in der AV Hilu zum BSHG in Berlin).
VGH Bayern 4 B 93.3939, B.v. 15.02.95, InfAuslR 1995, 422, IBIS e.V.: C1094. Obdachlosigkeit begründet als Störung der öffentlichen Sicherheit eine Pflicht der Gemeinde zur Unterbringung, auch wenn es sich um zur Ausreise verpflichtete oder (ggf. im Anschluß an ein Asylverfahren) geduldete Ausländer handelt (ebenso BayVGH v.2.4.93 = BayVBL 94, 54 sowie BVerwG v. 24.3.93 7 B 155.92).Jede Gemeinde ist für die Abwehr von Gefahren und Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit, die auf ihrem Gebiet auftreten, zuständig (örtliche Zuständigkeit gemäß BayVwVfG, Art 3 Abs. 1a Nr 3a bzw. 4.) Bei Ausländern kommt es grundsätzlich nicht auf den ausländerrechtlichen Status an. Eine Pflicht der Gemeinde zur Unterbringung besteht nicht bei Asylsuchenden, diese werden gemäß AsylVfG in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, deren Träger gemäß Bay. Asylbewerberaufnahmegesetz der Freistaat Bayern oder die kreisfreien Städte sind.
VG Meiningen 8 K 597/94 Me, U.v. 06.09.95, NVwZ Beilage 2/96, 16, IBIS e.V.: C1095 Leistungen nach § 2 AsylbLG an Asylbewerber, die im Anschluß an ihr Verfahren eine Duldung erhalten haben, sind gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V. mit § 105 SGB X vom Land zu erstatten. Gemäß §§ 44/50 AsylVfG sind die Länder für die Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber wie auch für die Sicherstellung deren weiterer Unterbringung zuständig. Originäre Aufgaben der Kreise/Kommunen werden durch das AsylVfG nicht begründet. Leistungen nach § 2 AsylbLG sind Leistungen nach dem AsylbLG und nicht Leistungen nach dem BSHG. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch § 1 der Thür. VO zur Durchführung des AsylbLG v. 11.11.94 (Thür. GVBl, 1214), wonach die Durchführung des AsylbLG den kreisfreien Städten im übertragenen Wirkungskreis zugeordnet wird, mithin gerade nicht als eigene Aufgabe qualifiziert wird.
VG Wiesbaden 4/1 E 930/94, B.v. 12.12.95, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1096.pdf Bei der bundesweiten Aufnahme bosnischer Flüchtlinge handelt es sich faktisch um eine Regelung nach § 32a AuslG, weshalb den Betroffenen anstelle von Duldungen Aufenthaltsbefugnisse erteilt werden müssten und den Kommunen die Sozialhilfekosten vom Land zu erstatten sind.
VGH Ba-Wü 1 S 470/96, B.v. 05.03.96, IBIS e.V.: C1074, VBlBW 6/96, 233. Leitsätze:
1. Die Ortspolizeibehörde ist verpflichtet, die unfreiwillige Obdachlosigkeit als Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verhindern bzw. zu beseitigen. Diese Aufgabe hat sie unter Berücksichtigung aller Umstände nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfüllen (st. Rspr.).
2. Unfreiwillige Obdachlosigkeit liegt in der Regel vor, wenn der Betroffene nicht über eine Unterkunft verfügt, die Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet, Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse läßt, den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft genügt und er nicht aufgrund freiwilligen, selbstbestimmten Willensentschlusses ohne eine solche Unterkunft in Zukunft leben will.
Gemäß §§ 1, 3, 62, 66, 68 PolG ist die Ortspolizeibehörde an dem Ort zuständig, wo sich der Obdachlose tatsächlich aufhält und Unterkunft begehrt (VGH Ba-Wü 1 S 3042/95, B.v. 16.1.96 m. zahlreichen w.N.). Darauf, wo wg. Verlustes der bisherigen Wohnung die Obdachlosigkeit eingetreten ist oder wo der Obdachlose seinen letzten Wohnsitz hatte kommt es nicht an, wenn der Obdachlose sich dort tatsächlich nicht mehr aufhält. Darauf, ob sich der jugoslawische Antragsteller illegal im Bundesgebiet aufhält, kommt es für die Beurteilung der Obdachlosigkeit nicht an. Insoweit mag der Aufenthalt durch ausländerrechtliche Maßnahmen beendet werden. Ebenso ist es ohne Belang, ob der Antragsteller einen Asylantrag stellen könnte und dann verpflichtet werden könnte, in einer entsprechenden Sammelunterkunft zu wohnen (vgl. OVG Bremen, InfAuslR 1994, 65), denn eine entsprechende Zuweisungsentscheidung liegt nicht vor, weshalb der Antragsteller polizeirechtlich zur Zeit als obdachlos zu behandeln ist.
VerfGH NRW 11/95 u.a., U.v. 09.12.96, NVwZ 1997, 793 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1098.pdf (auf die Klage von 44 Städten und Gemeinden gegen Vorschriften des Flüchtlingsaufnahmegesetzes NRW ) Leitsätze: "Eine Kostenerstattungsregelung nach Art. 78 Abs. 3 LV NW ist willkürlich, wenn sie im Rahmen eines Erstattungssystems ohne rechtfertigenden Grund für Aufgaben mit gleich hohem Kostenaufwand unterschiedlich hohe Erstattungen vorsieht. Eine in diesem Sinne willkürliche Regelung innerhalb eines vom Gesetzgeber gewählten Erstattungssystems wird nicht durch den allgemeinen Finanzausgleich gerechtfertigt. Der Landesgesetzgeber darf die Gemeinden zwecks angemessener Finanzausstattung nicht an den Bund verweisen. Eine Kostenerstattungsregelung nach Art. 78 Abs. 3 LV NW darf der Landesgesetzgeber nicht in das Belieben der Exekutive stellen."
Für Bürgerkriegsflüchtlinge erstattet das Land NRW nur 50 % der für Asylbewerber vorgesehenen Pauschalen in der Erwartung, daß der Bund die restlichen 50 % übernehmen sollte. Dieses Motiv ist sachwidrig und rechtfertigt die Halbierung der Kosten nicht. Die vom Land angenommene Pflicht des Bundes kann nur gegenüber dem Land bestehen, sie berechtigt das Land nicht seine eigene Verpflichtung gegenüber den Gemeinden zu ignorieren.
VerfGH NRW 38/95 U.v. 09.12.96, IBIS e.V.: C 1099, NVwZ 1997, 797 ......
VerfGH NRW 5/94 U.v. 12.12.95, IBIS e.V.: C1202, NWVBl 1996,97 (zum Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW) Die bei der Zuweisung von Asylbewerbern geltende zeitliche Beschränkung der Anrechung von de-fakto-Flüchtlingen auf drei Jahre hält sich im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraumes.
Vgl. zur örtl. Zuständigkeit auch VG Bayreuth (Abschiebehaft), VGH Hessen (neugeborenes Kind / erlaubter Aufenthalt nach § 69 AuslG), OVG Sachsen (Geldleistungsanspruch)
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