Die Verben



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Partizip Präsens (nhd. seiend < mhd. sînde ) und des Imperativs (nhd. sei, seid, mhd. entweder bis oder sît) werden im Deutschen Neubildungen entwickelt. Diese Formen wurden früher nur von dem im Nhd. im Präsens nicht mehr gebrauchten Verb - ahd. wësan > mhd. wësen gebildet (im Absatz 3 behandelt). Was das Part. Präs. anbelangt, bleibt die alte, von wësan abgeleitete Form des Part. Präs. im Adjektiv anwesend erhalten. In die nhd. Schriftsprache (Ansätze seit dem 16./17. Jhd.) wird dann die von sîn gebildete Form des Part. Präs. sînde < nhd. seiend eingenommen.

Der Konjunktiv Präsens weist den germ. Stamm *-(Schwundstufe) auf, wobei -ī- das ide. Optativzeichen darstellt, an den die Optativendungen eintreten. Die ahd. Formen werden im Mhd. regelmäßig weiter entwickelt. Die fnhd. Diphtongierung î > ei bewirkt die Zweisilbigkeit der einzelnen Formen, womit sich dieses Verb dem Konjunktiv anderer Verben anpasst. In der nhd. Schriftsprache bleiben jedoch nur der Plural Präsens und die 2. P. Sg. zweisilbig. Die Form der 1. P. Sg. seie wurde aufgegeben. Der Konj. Präs. ist auch für die Formen des Präsens von großer Bedeutung, denn die ursprünglichen Formen der 1.2. P. Pl. Ind. Präs. werden gerade von denen des Konj. Präs. ersetzt, vgl. die Tabelle.
2. ide.*beu-/bhū-entstehen, wachsen, werden, sein, wohnen, gedeihen”. Diese Wurzel (< germ. *bei-, beu-) war nach einigen Hypothesen (nach Seebold ist es aber sehr fragwürdig) ursprünglich eins mit der ide. Wurzel *b[h]eu- „(auf)blasen, schwellen”, sodass es möglich ist, dass sich die Bedeutungen „wachsen, gedeihen, sein, wohnen” gerade aus der Bedeutung „schwellen” entwickelt haben. (Bem: auf die ide. Wurzel *bheu- geht auch das dt. Verb bauen < mhd. bûwen < ahd. būan zurück, dass ursprünglich die Bedeutung „leben, wohnen” hatte. Diese Bedeutung bleibt im nhd. Substantiv Nachbar < mhd. nāchgebūr < ahd. nāhgibūro erhalten, das von derselben ide. Wurzel *bheu- abgeleitet ist und bedeutet demnach eig. „nahebei Wohnender”.)

Die Wurzel *bheu- tritt u. a. in folgenden Sprachen ein: urslaw. *byti „sein” (tsch. být „sein”), engl. to be „sein”, lat. fuī „ich bin gewesen”, lit. b­ti „leben, wohnen” usw.


Im Deutschen bleibt die ide. Wurzel z. T. in der 1. 2. P. Singular Präsens erhalten, u. z. in dem Anfangskonsonanten b. In diesen Formen, die im Germanischen zunächst nur mittels der ide. Wurzel *es- gebildet wurden, wie es z. B. im Gotischen oder noch heute auch im Englischen der Fall ist (in beiden Sprachen wird das Präsens nur mittels der Wurzel *es- gebildet), kommt es also zur Vermischung von zwei Wurzeln.

Beispiele: 1. P. Sg. Ind. Präs.

- die „reine” Wurzel *es- : got: im…< germ. *im(mi) < *izm < ide. *¼es-mī.

- die „reine” Wurzel *bheu-: ags: beo – (es handelt sich um das thematische Präsens – ide. *bhewō).

- die vermischte Form – ahd. bim, bin, wobei das b von *bheu- geliefert wird, der Rest von *es- (einschließlich der Endung).

3. ide. *wes- bleiben, verweilen, wohnen, übernachten” (vgl. z. B. aind. vásati = „er übernachtet, wohnt”; toch. B: wäs- „weilen, ruhen“; wohl auch lt. Vesta „Göttin des häuslichen Herdes“).

Von der ide. Wurzel (< germ. *wes-a) werden das Präteritum nhd. war, waren (< mhd. was, wâren < ahd. was, wārun, vgl. auch got. was, aengl. wesan, aisl. vesa) und das Partizip Perfekt gewesen (mhd. Neubildung) abgeleitet. (Im Alemanischen setzt sich seit dem Mhd. das von sîn abgeleitete Part. Perf. gesîn durch und wird bis heute gebraucht.) Alle diese Formen gehen auf das gemeingermanische Verb ahd. wësan, got. wisan „sein” zurück. (Es handelt sich um ein starkes Verb, das im Ahd. und Mhd. in der 5. Ablr. war und regelmäßig flektiert wurde. Im Nhd. erscheint es nur noch in den Vergangenheitsformen und im Substantiv Wesen „Sein, Wesenheit, Aufenthalt, Ding” und dessen Ableitungen z. B. abwesend, Anwesen, hiesig..

Im Ahd. tritt wësan > mhd. wësen zunächst in allen Tempora ein. Im Präsens wird oft nur als Verbum substantivum aufgefasst, es bezeichnet bloß die Existenz - „er ist, er existiert”. Darum wird wësan im Präsens durch die Formen ersetzt, die die Wurzeln *bheu- oder *es- enthalten. Im Mhd. ist Ind. Präs. von wësen nur noch selten belegt. Die Verwendung der Formen von wësen wird so nur auf das Präteritum beschränkt. Der noch im Mhd. übliche Wechsel der Konsonanten s-r in was - wâren geht auf den grammatischen Wechsel zurück, der im Nhd. ausgeglichen wird: war - waren. Die alten Formen sind noch im 19. Jhd. üblich.
sein” < mhd. sîn (auch wësen) < ahd. sīn (auch wësan)

(Vorbemerkungen: fettgedruckt sind die Formen des Indikativs des Verbs sein. In der Klammer werden die Formen des starken Verbs der 5. Ablr. - geben < mhd. gëben < ahd. gëban im Prät. angeführt, damit sie mit denen von wësan verglichen werden können und weiter auch die Formen des Präteritopräsentiums dürfen. Nach dem Vorbild der Prätpräs. entstehen die Endungen der von der ide. Wurzel *es- abgeleiteten Formen im Ind. Präs. In der Kursive stehen dann der Konj. Präsens und der Konj. Prät.)



ahd. mhd. nhd.

Präsens

1. P. Sg.



bim, bin (darf),

bin (darf),

bin (darf), sei

2. P. Sg.

bist, bis (darft), sīs, sīst

bist (darft), sîst

bist (darfst), seist

3. P. Sg.

ist, is (darf),

ist, md. is (darf),

ist (darf), sei

1. P. Pl.

birum, -un, birumes (durfun), sīm, -n

birn, sîn, md. sint (durfen, dürfen), sîn

sind (dürfen), seien

2. P. Pl.

birut (gibut, durfut), sīt

birt, bint, sît, sint (durf(e)t, dürf(e)t), sît

seid (dürft), seid

3. P. Pl.

sint, sintun (durfun), sīn

sint, sinden (durfen), sîn

sind (dürfen), seien

Prt. Präs.

wësanti

(wësende), sînde

(ab)wesend, seiend

Infinitiv

(wësan), sīn, (durfan)

wësen, sîn (dürfen)

sein (dürfen)

Prät.

1. P. Sg.



was (gab, dorfta), wāri

was (gap, dorfte), wære

war (gab, durfte), wäre

1. P. Pl.

wārum, -n (gābum, dorftum), wārum

wâren (gâben, dorften),wæren

waren (gaben, durften), wären

Part. Perf..

*giwëran > *giwësan (gigëban)

gewësen, alem. gesîn (gëgeben, bedorft)

gewesen (gegeben, gedurft)

Bemerkungen:

1. P. Sg: bereits oben erklärt. Ide. *¼es–mi > germ. 1: *izm…. < got. im;

germ. 2: b(u)-+izm…< ahd. bim > bin, die im Nhd. als Regelform gebraucht wird.

2. P. Sg: ide. *¼es–si > germ.1: *is/iz…> got. is;

germ.2: b(u)-+is…>ahd. bis. Die Form bist tritt bereits in den ältesten Denkmälern ein und stellt die Analogie zu den Präteritopräsentia dar.

3. P. Sg: ide. *¼es-ti > germ. *ist > got. ahd. ist. Die reduzierte ahd. Form is wird allmählich verdrängt.

1. P. Pl: ide. *¼s-mos…..germ. *ezum (*smes nach Seebold) > got. sijum; ahd. irum+b - birum, birun

2. P. Pl: ide. *¼s-tHe……germ. *ez-ud (*ste nach Seebold) > got. sijuþ…..westgerm. *erud… +b…>ahd. birut .

Ihrer Endungen nach erinnern die 1.2. P. Pl. Präs. an die Präteritalformen. Nur selten erscheint im Ahd. die für das regelmäßige Präsens entsprechende Form birumēs. Im 13. Jhd. werden die Formen birn, birt durch die Konjunktivformen sīn, sīt ersetzt. Die Form der 3. P. Pl. sint dringt zuletzt auch in die 1. P. Pl. ein, sodass es zum Ausgleich der 1.3. P. Pl. kommt, wie es bei anderen Verben üblich ist. Der heutige Zustand setzt sich seit dem 17. Jhd. als Norm durch, wobei d in den Formen sind, seid (< fnhd. Diphtongierung) in dieser Zeit von den Grammatikern eingeführt wird. Die nhd. Form seid < mhd. sîd geht auf die fnhd. Diphtongierung zurück.

3. P. Pl: *¼s-enti > germ. *sinđi (*sendi nach Seebold)…ahd. sint. Die im Ahd. möglichen Formen sintun, sindun stellen Analogieformen zu den Präteritopräsentia dar.

Die ide. und germ. präteritalen Formen von ahd. wësan < germ.*wësanan < ide.*wésonom:

1. P. Sg. Prät: ide. *wewósa > germ. *wewasa…> ahd. was;

1. P. Pl. Prät: ide. *wēsmé > germ. *wēzum….> ahd. wārum (germ. z > ahd. r = gram. Wechsel);

Part. Perf.: ide. *wesonós- > germ. *wëzanas/z…ahd. *giwëran > ahd. *giwësan (im Ahd. noch nicht belegt).

tun”

Das Verb tun < mhd. ahd. tuon geht auf die ide. Wurzel *dhe¼-, bzw. auf ihre Ablautsform *dho¼- „setzen, legen, stellen” zurück, von der das betreffende Verb in vielen ide. Sprachen abgeleitet ist, z. B: urslaw. *děti, dějati „tun, stellen”, aind. dádhāti „setzt, stellt”, griech. tithénai „setzen, stellen, legen”, lat. facere „tun, machen” usw. Im Germanischen tritt eine starke Bedeutungserweiterung ein. Die athematische Flexion geht nach Seebold auf die redupliziert – athematische Bildung zurück, das Präteritum stellt nach ihm deutlich eine ehemals reduplizierte Bildung dar, vgl. 5.1.2.2.

Die germanische Form der Wurzel dō- bleibt auch im Ahd. eine Zeit lang erhalten, wobei es zum Schwanken zwischen - und tō- in den einzelnen Dialekten kommt. Bereits im Ahd. wird die Wurzel diphtongiert, die dann im Mhd. bevorzugt wird. Im Fnhd. kommt es wieder zu der Monophtongierung uo > ū, die bis heute als Regelform gebraucht wird.

(Vorbemerkungen zu der Tabelle: fettgedruckt sind die Formen des Indikativs, kursivgesetzt sind die Formen der Konjunktive..)



ahd. mhd. nhd.

Präsens

1.P. Sg.



tōm, tuom;-tō, tuo4

tuon2, tuo; tuo

tue3; tue

2. P. Sg.

tōs1, tuost; tōs, tuos

tuost; tuost

tust; tust

3. P. Sg.

tōt, tuost; tō, tuo

tuot; tuo

tut; tue

1. P. Pl.

tōmōs, tuomēs; tōm

tuon; tuon

tun; tun

2. P. Pl.

tōt, tuto; tōt

tuot; tuot

tut ; tut

3. P. Pl.

tōnt, tuont; tō, tuon

tuont, tuon; tuon

tun; tun

Infinitiv

tōn, tuon

tuon

tun

Part. Präs.

tōnti, tuonti

tuonde

tuend

Präteritum5

1. P. Sg.



tëta; tëta, tāti

tët(e); tæte

tat ; täte

2. P. Sg.

tāti; tātis, tëtis

tæte; tætes(t)

tatst; tätest

3. P. Sg.

tëta; tāti

tët(e); tæte

tat ; täte

1. P. Pl.

tātum; tātum

tâten, tæten;tæten

taten; täten

2. P. Pl.

tātut; tātut

tâtet, tât, tæt(et); tætet

tatet ; tätet

3. P. Pl.

tātun; tātun

tâten, tæten; tæten

taten; täten

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