Die grammatischen Kasus:
Nominativ - bezeichnet das Subjekt und das Prädikatsnomen.
Genitiv drückt aus, dass das Bezeichnete in die Sphäre eines anderen gehört. Man unterscheidet bei einem Besitzverhältnis:
- Genitivus possesivus - der Besitz, eigentlich „Haben - Verhältnis” - z. B. das Haus
meines Vaters = mein Vater hat ein Haus.
- Genitivus subjectivus = Subjekt - Prädikat - Verhältnis - z. B. die Lösung des Schülers
= Der Schüler löst ( die Aufgabe ).
- Genitivus objectivus = Objekt - Prädikat - Verhältnis - z. B. die Lösung der Aufgabe
= ( der Schüler ) löst die Aufgabe.
- Genitivus partitivus = Teil - von - Verhältnis - z. B. die Hälfte des Buches - ein Teil
des Ganzen wird bezeichnet.
Akkusativ - Kasus des näheren Objektes und auch der Richtung.
Vokativ - Kasus der Anrede. Er nimmt eine besondere Stellung ein. Er bezeichnet weder die syntaktischen noch die lokalen Beziehungen im Satz. Wohl auch aus diesem Grunde kommt er im Ide. in der Form eines suffixlosen Stammes vor. Nur wenige Sprachen (u. a. das Tschechische) haben während der Geschichte eine besondere Form für den Vokativ bewahrt. In vielen Sprachen fällt die Form des Vokativs mit dem Nominativ zusammen (z. B. im Deutschen).
Dativ - wird sowohl in der Funktion des grammatischen, als auch in der Funktion des lokalen Kasus gebraucht. (Seine ursprüngliche Funktion ist jedoch in dem lokalen Kasus zu suchen, vgl. weiter). Als grammatischer Kasus dient er zur Bezeichnung des Objektes und des Zweckes.
3.1.1.2. Die indoeuropäischen lokalen Kasus
Was die lokalen Kasus betrifft, scheint die Situation komplizierter zu sein als bei den grammatischen Kasus. Wie bereits angedeutet wurde, kommt es im Indoeuropäischen noch nicht zu der konsequenten Grammatikalisierung der lokalen Kasus (im Unterschied zu den grammatischen Kasus). Die einzelnen Kasussuffixe wurden noch nicht ganz spezifiziert, die einzelnen Lokalkasus wurden in dieser Zeit noch nicht verpflichtend bei allen Substantiven gebildet. Einige der Kasus wurden zunächst nur auf die unbelebten Nomina, andere nur auf die belebten Nomina beschränkt. Zu der Grammatikalisierung der einzelnen Kasus kommt es erst in den ide. Einzelsprachen, woraus sich die großen Unterschiede in der Art, in der Zahl der Kasus und deren Funktionen in den einzelnen ide. Sprachen ergeben. Erhart nimmt an, dass in der gemeinsamen Periode der ostindoeuropäischen Sprachen drei lokale Kasus (Ablativ, Instrumental, Dativ) und in der gemeinsamen Periode der westindoeuropäischen Sprachen nur zwei lokale Kasus (Ablativ und Dativ) grammatikalisiert wurden. Die notwendigen grammatischen Mittel zum Ausdruck der übrigen lokalen Kasus entwickeln sich nur in einigen ide. Sprachen. In anderen Sprachen werden die betreffenden Relationen nur lexikalisch oder mittels der Präpositionen ausgedrückt. Es ist noch darauf aufmerksam zu machen, dass die in den ide. Einzelsprachen neu entstandenen lokalen Kasus bereits unter dem Druck der „fertigen“ grammatischen Kasus standen, die von ihnen auch einige ihrer ursprünglichen Funktionen übernahmen und auf diese Weise den lokalen Kasus konkurrierten, bzw. konkurrieren. (Die weitere Konkurrenz für die präpositionslosen direkten Kasus beider Art stellen nach der Entstehung der Präpositionen die präpositionalen Wendungen dar, die die direkten Kasus verdrängen. Dieser Prozess ist z. B. auch heute im Nhd. zu betrachten. Es betrifft v. a. den Genitiv, der immer häufiger durch die Wendung von + Dativ ersetzt wird.
Die Relationen der lokalen Kasus wurden in den frühesten Phasen des Indoeuropäischen mittels der Adverbien oder der Pospositionen bezeichnet (die Postpositionen sind dem Ursprung nach um pronominale, deiktische Elemente), die in dieser Phase als selbstständige Glieder neben den Substantiven standen. Später kommt es zu der Agglutinierung der Postopositionen mit den Substantiven, vgl. weiter. Sie wurden in die Rolle der betreffenden Kasussuffixe transformiert. (Einige der Postpositionen wurden dagegen zu Pronomina oder (und das betrifft auch einige der Adverbien) zu Präpositionen.)
Die indoeuropäischen Postpositionen wiesen die Struktur CV in der Wurzel auf = beliebiger Konsonant + Vokal A, I, oder U, woraus sich also folgende Struktur der Wurzel ergibt, z. B.: -su-, -bhi- usw.
Die indoeuropäischen lokalen Kasus:
Die wichtigsten Funktionen der ide. Lokalkasus sind:
Dativ - als lokaler Kasus bezeichnet er die Richtung zu… oder die Tätigkeit für…
Lokativ - bezeichnet den Ort und Zeitpunkt, antwortet auf die Fragen „woher, wo, wann”.
Ablativ - Kasus der Urheberschaft, des Ausgangspunktes - die Richtung von…weg.
Instrumental - bezeichnet das Mittel, den Begleiter (= der sog. soziative Instrumental), die räumliche (über…hin) und zeitliche Erstreckung sowie den Grund.
Die Grenzen zwischen den grammatischen und lokalen Kasus sind nicht völlig geschlossen, einige lok. Kasus kommen auch in der Funktion der gram. Kasus (vgl. den Dativ) und umgekehrt vor.
Die indoeuropäischen Kasus kennzeichnen sich auch dadurch, dass mit ihnen auch einige Relationen ausgedrückt werden können, für die es in den nichtindoeuropäischen Sprachen selbstständige Kasusformen gibt, z. B. Illativ, Allativ, Soziativ, Partitiv usw. Im Indoeuropäischen wurden einige dieser Relationen auch durch selbstständige Formen (mittels spezifischer Elemente) ausgedrückt, vgl. weiter. Während der weiteren Entwicklung werden diese Relationen von den sich grammatikalisierten Kasus übernommen. Es hängt jedoch von jeder indoeuropäischen Sprache und deren spezifischer Entwicklung ab, welche Relationen sie durch ihre Kasusformen ausdrücken kann.
Einige Beispiele:
Der Genitiv umfasst in vielen ide. Sprachen auch die Relation des im Finnischen (und anderen nichtide. Sprachen) selbstständigen lokalen Kasus Partitiv - er drückt wie der Akkusativ das Objekt aus, im Unterschied zu ihm bezieht er sich nur auf einen Teil des Objektes: finnisch talo „das Haus“ - fin. Partitiv - taloa „ein Teil des Hauses“ (der fin. Genitiv kann nur den Besitzer bezeichnen: fin. enkeli „der Engel“ - Gen. enkelin „des Engels“).
Der ide. Dativ in der Funktion des lokalen Kasus (vgl. oben) umfasst in einigen ide. Sprachen auch den fin. Kasus mit der Bezeichnung Allativ. Im Deutschen entspricht er oft der Präp. zu: fin. kirkko „die Kirche“ - Allativ: kirko-lle „zur Kirche (hin)“.
Der germanische, griechische Akkusativ bezieht auch die Funktion des Illativs
(= die Bewegung in etwas hinein) ein: finnisch taloon „ins Haus“ (vgl. auch die nhd. präpositionslose Form: er geht seinen Weg.).
Der ide. Soziativ wurde zunächst nur bei den belebten Nomina gebildet („mit dem Mann“), erst bei den unbelebten Nomina wurde er sekundär zu einem Instrumental („mit dem Messer“) umfunktioniert, wobei diese seine Funktion auch auf die belebten Nomina übertragen wurde. Die Funktion des Instrumentals wird in mehreren ide. Sprachen von dem Dativ übernommen. Im Lateinischen wird der Instrumental (und auch der Lokativ) durch den Ablativ ausgedrückt.
Zusammenfassend zu dem Germanischen:
Der Vokativ fällt mit dem Nominativ zusammen. Die Relationen des Ablativs, Lokativs werden durch den Dativ ausgedrückt. (Die Formen des Ablativs als eines selbstständigen Kasus fehlen im Germ.) Die lokalen und temporalen Verhältnisse können im Ahd. noch mit dem Akkusativ ausgedrückt werden, was z. T. auch heute möglich ist, vgl. er geht seinen Weg - lokal; er hat dort einen ganzen Tag verbracht - temporal. Was den Instrumental betrifft, kommt er im Ahd. nur noch in Resten vor: ahd. dinu speru werpan „mit deinem Speer werfen“. Später wird der Instrumental in den Dativ einbezogen. Im Nhd. bleiben also vier Kasus erhalten: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ. Die weiteren Relationen werden dann durch die Präpositionen oder lexikalisch ausgedrückt. Die Relationen des Ablativs werden mit den Präpositionen von, aus, der Lokativ mit den Präpositionen auf, in bezeichnet. Noch ist wohl die Tatsache zu erwähnen, dass der Genitiv heute (im Nhd.) immer weniger gebraucht wird, oft wird er durch präpositionale Ausdrücke ersetzt. Falls der Genitiv doch verwendet wird, kommt es nicht selten vor, dass die Genitivendung -(e)s ausgelassen wird. Ziemlich häufig kommt es dazu bei der Deklination der Ländernamen und Monaten, z. B. die Situation des heutigen Irak (statt Iraks), in der Mitte des Mai (statt Mais).
3.1.1.3. Die Entstehung der einzelnen Kasus
Es wurde bereits angedeutet, dass der Grammatikalisierung der Kategorie des Kasus im Indoeuropäischen einige Phasen vorangingen, in denen die Kasus nicht mittels der Kasussuffixe bezeichnet wurden. Auch die grammatische Kategorie des Numerus existierte in dieser frühen Phase noch nicht. (Die Quantität wurde durch lexikalische Mittel ausgedrückt.) Die Kategorie des Genus entwickelte sich bereits. Die Relationen der späteren grammatischen Kasus wurden durch die Wortfolge und durch den Akzent, die lokalen Relationen durch die Adverbien oder die betreffenden Postpositionen ausgedrückt.
Die weitere Entwicklung der grammatischen Kategorie des Kasus hängt sehr eng mit der Ausformung der grammatischen Kategorie des Numerus zusammen, vgl. noch 3.1.3. Die Substantive, die bis zu dieser Zeit als numerusindifferent empfunden wurden, fingen an, die Form des Singulars mittels einfacher Affixe (-s, -m, -i, -t usw.) auszudrücken. Die affixlosen Formen der einzelnen Substantive (also die ursprünglichen Formen) übten die Funktion des Plurals aus. (Einige Substantive mit dieser Form werden auch später als numerusindifferent wahrgenommen.) Hier ist darauf aufmerksam zu machen, dass in dieser Phase der Entwicklung der Sprache der Singular das markierte Glied (dank den Affixen) der Numerusopposition darstellt, der Plural gilt als unmarkiert. (Vgl. dagegen den nhd. Zustand - Kapitel 1.) Die „nackten“ affixlosen Substantivformen, die weiterhin als Pluralformen gebraucht werden sollten, verbanden sich leicht mit den in 3.1.1.2. erwähnten deiktischen Elementen (Postpositionen). Diese Elemente adaptierten sich also in die Rolle der einzelnen lokalen Kasussuffixe im Plural. So wurden z. B. mit dem Elementen H1U, SU die Relationen des Inessivs ausgedrückt, der die Lage innerhalb von etwas bezeichnet: finnisch talossa „im Haus“. Später (während der Entwicklung in den einzelnen ide. Sprachen) wird diese Relation in den Lokativ einbezogen. Die Suffixe BI, H1 dienten zum Ausdruck des Adessivs, mit dem die Lage auf oder in der Nähe von etwas angedeutet wird: finnisch pöydällä „auf dem Tisch“, im übertragenen Sinne auch das Beisammensein mit jemandem, die Tätigkeit mit jdm.: altlitauisch: thviep(i) „beim Vater“. Diese Relation wurde in einigen Sprachen vom Instrumental, im Germanischen vom Dativ übernommen. (Was die Singularformen der lokalen Kasus betrifft, vgl. weiter.)
Die Suffixe der Singularformen (-s, -m, -t usw.) weisen zweierlei Herkunft auf: 1. das Suffix -s und dessen silbische Variante -es entstehen durch die Wirkung und die Position des Akzentes in den nominalen Gruppen, vgl. noch weiter; 2. die anderen Suffixe gehen nach Erhart auf die Suffixe der alten Nominalklassen (die meisten Nominalklasen gibt es in dieser Phase nicht mehr, vgl. noch weiter) zurück, aus denen sich später die einzelnen Genera ausformen. Der Prozess der Ausformung der Genera wird in 3.1.2.1. behandelt, hier nur die wichtigsten Aspekte: der Entstehung der einzelnen Genera geht die Phase der Nominalklassen voran (nach Erhart gab es wahrscheinlich neun Nominalklassen), die voneinander durch spezifische Suffixe unterschieden wurden, z. B. wurde mit dem Suffix -m die nominale Gruppe „entfernte belebte Wesen“ bezeichnet, mit dem Suffix -t nominale Gruppe „leblose Dinge“ usw. Diese Nominalklassen wurden in der 2. Phase der Entwicklung auf zwei Nominalklassen reduziert, die bei der Entstehung der Genera standen: 1. Genus Animatum = später kommt es zur Spaltung in Genus Maskulinum und Genus Femininum, 2. Genus Inanimatum = das spätere Genus Neutrum. (Dem ide. Drei-Genus-System geht nach mehreren Forschern ein Zwei-Genus-System voran). Die durch die Reduktion der Nominalklassen auf zwei „befreiten“ Suffixe, die die einzelnen alten Nominalklassen charakterisiert hatten, transformierten sich jetzt teils in die Rolle der Kasussuffixe des Singulars, teils in die Rolle der Ableitungssuffixe. Die mit diesen Suffixen versehenen Substantivformen dienten zum Ausdruck sowohl der lokalen, als auch und v. a. der grammatischen Kasus im Singular. Die entsprechenden Pluralformen werden dann im Falle der grammatischen Kasus neu gebildet, im Falle der lokalen Kasus stehen hier die die deiktischen Elemente enthaltenden Substantivformen zur Verfügung.
Beispiele: die Substantivformen mit dem Suffix -m werden zum Ausdruck des Akkusativs Sg., mit dem Suffix -s zum Ausdruck des Nominativs Sg. und zugleich auch des Genitivs Sg., (diese Homonymie wird erst später abgeschafft, im Germanischen durch die Übernahme der pronominalen Flexion), mit dem Suffix -t zum Ausdruck des Partitivs Sg., der in den meisten ide. Sprachen von dem Genitiv übernommen wird, vgl. oben usw. Als Nominativ Plural dient im Ide. zunächst die suffixlose Form des Substantivs, die später um das Element -es ergänzt wird. Diese Form ist viel jünger als die anderen Pluralformen. Die Form des Gen. Pl. entsteht wohl nach dem Vorbild der Beziehung des Nom. Sg. und Gen. Sg. Der Akkusativ Pl. wird im Ide. durch das Anhängen von -s von dem Akk. Sg. abgesondert.
Die rekonstruierten ide. Endungen der grammatischen Kasus sehen zusammenfassend folgenderweise aus:
Nom. Sg. *-s oder *0 Nom. Pl.* -es
Gen. Sg. *-es, *-os, *-s Gen. Pl. *-om
Akk. Sg. *-m oder Akk. Pl. *-ms oder *-is
postkonsonantisch -i
Dat. Sg.* -ei Dat. Pl. Beekes führt -mus an, nach Erhart kann aber
die ide. Form nicht eindeutig rekonstruiert werden, er führt
drei mögliche Varianten an, die sich aus der Form des Dat.
Pl. in den ide. Sprachen ergeben: *-bh, *-mus, *-ois
Vok. Sg. ursprünglich die Vok. Pl. entspricht dem Nom. Pl.
nackte Form des Subst.,
später fällt er mit dem Nom. Sg. zusammen.
.
3.1.2. Die grammatische Kategorie des Genus
Das Genus (oder auch Nominalklasse, vgl. weiter) stellt eine innere Eigenschaft jedes Substantivs dar. Die Tendenz zur Klassifizierung und Gliederung der Substantive nach verschiedenen Kriterien in die einzelnen Klassen und die sich daraus ergebende Möglichkeit, so die Substantive voneinadar zu unterscheiden und zuletzt auch die Grammatikalisierung der Merkmale der einzelnen Genera, hängt wie bei allen anderen grammatischen Erscheinungen mit der Entwicklung des menschlichen Denkens zusammen. Die Kriterien für die Gliederung der Substantive unterscheiden sich in den Sprachen: sehr häufig wird das Kriterium belebt - unbelebt gebraucht, für das sich auch das Urindoeuropäische in einer Phase der Entwicklung der Kategorie des Genus kennzeichnete. Diese Gliederung kommt bis heute in einigen kaukasischen Sprachen vor. Die semitohamitischen Sprachen unterscheiden die Substantive nach dem Sexus (= natürliches Geschlecht): Maskulinum - Femininum. Für eine besondere Klassifizierung der Substantive kennzeichnen sich die Bantussprachen, in denen die Substantive in 8-14 Nominalklassen gegliedert werden, die voneinander durch spezifische Präfixe (die zugleich auch das Numerus bezeichnen) abgesondert werden. Beispiele: 1. Mensch als selbständig handelnde Person, 2. körperliche Organe, Elemente, Geister, 3. Kollektiva, Verbalabstrakta, 4. Werkzeuge, Sitten, Gebräuche, 5. Tiernamen usw. Nach Erhart war eine ähnliche Gliederung der Substantive in die einzelnen Nominalklassen auch für das Urindoeuropäische charakteristisch, u. z. als die erste Phase der Entwicklung der Kategorie des Genus.
Im Uride. kommt es schließlich, nach einigen Übergangsphasen, zur Ausformung des Drei - Genus - System: Maskulinum, Femininum, Neutrum. Diese Gliederung bleibt bis heute nur in einigen ide. Sprachen erhalten, u. a. auch im Deutschen. Einige ide. Sprachen haben das System reduziert, z. B. werden im Französischen, Litauischen nur die Genera Maskulinum, Femininum unterschieden. Im Schwedischen, Dänischen kommt ein einziges Genus - Neutrum als das allgemeine Genus vor. Das Englische hat die Kategorie des Genus verloren. Im Tschechischen wird das System dagegen um ein viertes Genus ergänzt, u. z. kommt es zur Spaltung des Genus Maskulinum auf belebte – unbelebte Substantive, deren Deklinationen z. T. unterschiedlich sind.
In den einzelnen indoeuropäischen Sprachen verfügen die Genera über keine formalen grammatischen Merkmale zu ihrem Ausdruck. Das Genus ist an dem Substantiv also nicht direkt erkennbar. In den einen ide. Sprachen wird das Genus durch die Form des Stammes signalisiert, in den anderen werden die Merkmale des Genus mit den formalen Merkmalen der grammatischen Kategorien des Kasus und Numerus kombiniert. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit noch eines Schrittes zur komplexen Grammatikalisierung der Kategorie des Genus, u. z. die syntaktische Kongruenz in der nominalen Gruppe (dem Genus des Substantivs ordnen sich die Artikelwörter und Adjektive unter), die sich im Falle des Genus bereits im Uride. entwickelt hat (im Unterschied zu der Kongruenz mit dem Kasus, vgl. 3.1.1.1.). Die Anfänge der Kongruenz mit dem Genus sind bei den Pronomina zu suchen, vgl. noch weiter.
Was das Deutsche betrifft, werden drei grammatische Genera unterschieden: Maskulinum (männlich), Femininum (weiblich), Neutrum (keines von beiden, indifferent, generisch). Jedes Substantiv ist fest mit einem Genus verbunden. In einigen Fällen kommen zwar die Doppelformen vor, die sich aber aus dem regionalen oder aus dem fachsprachlichen Gebrauch ergeben.
Neben dem grammatischen Genus steht noch das natürliche Geschlecht, das nur männlich oder weiblich sein kann und das bei Personenbezeichnungen eine wichtige Rolle spielt - in den meisten Fällen spiegelt das grammatische Genus in diesem Fall das natürliche Geschlecht wider: männliche Lebewesen stellen grammatisch Maskulina, weibliche Lebewesen grammatisch Feminina dar. Es handelt sich um geschlechtsspezifische Substantive. In einigen Fällen widerspricht aber das grammatische Genus dem natürlichen, z. B. das Weib, das Mädchen (und alle Diminutive auf -chen, -lein, mit denen die Personen bezeichnet werden). Eine Gruppe von Personenbezeichnungen kann sich unabhängig von dem Genus auf Personen beiderlei Geschlechts beziehen: die Person, der Mensch, die Fachkraft, das Mitglied, das Kind (Junge oder Mädchen). Dasselbe betrifft auch einige Tierbezeichnunegn: das Junge (männliches oder weibliches Tier), die Tierbezeichnungen: das Rind (der Bulle, die Kuh, das Kalb), das Schwein (der Eber, die Sau, das Ferkel), das Huhn (der Hahn, die Henne, das Kücken) usw.
Hier ist noch darauf aufmerksam zu machen, dass die deutschen Personenbezeichnungen des Genus Femininum ausschließlich weibliche Personen bezeichnen können, dagegen können die Wörter mit dem Genus Maskulinum in einigen Fällen sowohl für Maskulina, als auch für Feminina gebraucht werden, es handelt sich um den generischen oder geschlechtsindifferenten Gebrauch: alle Schüller (d. h. alle Schüller + Schülerinnen) müssen den Text lernen. (Dazu vgl. noch Kapitel 1.)
Die Zuordnung des Genus zu den einzelnen Substantiven hängt im Deutschen von semantischen, morphologischen und lautlichen Faktoren ab.
Die semantischen Faktoren bei den Personenbezeichnungen wurden bereits kurz erwähnt. Was die Sachbezeichnungen betrifft, werden im Deutschen konkrete Gruppen von Substantiven unterschieden, die das Genus der betreffenden Substantive bestimmen, z. B: die Oberbegriffe - meistens das neutrale Genus: das Obst, das Gemüse, das Getreide usw., die Obstsorten - meistens Feminina: die Birne, die Kiwi (aber: der Apfel), die Namen der Bergen - meistens Maskulina: der Brocken, der Elbrus (aber: das Matterhorn), die Flüsse - meistens Feminina: die Elbe, die Moldau (aber: der Rhein).
Die morphologischen Faktoren hängen mit der Struktur der Substantive zusammen. Bei den Komposita bestimmt das Grundwort das Genus: das Haus + die Tür = die Haustür. Es gibt im Dutschen auch einige Suffixe, von denen man das Genus ableiten kann, z. B: -ant, -mus, -ig u. a. - Maskulina (der Konsonant, der Sarkasmus, der Käfig);
-heit, -ung, -ei u. a. - Feminina (die Schönheit, die Bildung, die Datei); -chen, -ma, -um, -tum u. a. - Neutra (das Mädchen, das Dogma, das Album, das Eigentum, aber: der Irrtum, der Reichtum).
Die lautlichen Faktoren hängen von der Lautstruktur der Substantive ab. Es gibt hier aber keine festen Regeln, viel mehr kann man nur gewisse Tendenzen beobachten, z. B. sind die einsilbigen Wörter mit -ft, -cht oft Feminina: die Kluft, die Kraft, die Frucht usw.
Einige Substantive haben das Genus während der Geschichte gewechselt. Einige Gründe werden noch im Rahmen des sich der Deklination widmenden Kapitels beschrieben. Hir ist noch auf die Übernahme der Substantive aus den Fremdsprachen aufmerksam zu machen, was auch heute nicht selten mit dem Genuswechsel verbunden wird.
3.1.2.1. Die Entstehung der grammatischen Kategorie des Genus
Es wurde bereits erwähnt, dass das Indoeuropäische das Drei-Genus-System
(= Maskulinum, Femininum, Neutrum) entwickelt hat. Nach vielen Forschern geht diesem System ein Zwei-Genus-System voraus (1. Genus Animatum = später wird in Genus Maskulinum und Genus Femininum geteilt - 2. Genus Inanimatum = das spätere Genus Neutrum. Dieser Zustand bleibt im Deutschen z. T. bei den Interrogativpronomina erhalten, bei denen auch nur zwei Genera unterschieden werden: wer, was.)
Die Eigentümlichkeit beider Genera lag nach der formalen Seite in der Unterscheidung (=der Agensfähigkeit) des Nominativs (mit dem Suffix *-s) und des Akkusativs (mit dem Suffix *-m), was bei dem Genus Animatum üblich war und der Nichtunterscheidung (= der Nichtagensfähigkeit) beider Kasus, wodurch sich das Genus Inanimatum kennzeichnete. Das Genus Animatum wird darum auch als Genus Distinctum bezeichnet - es kann im Indoeuropäischen sowohl den Agens, als auch den Patiens mittels spezifischer formaler Mittel - der Kasussuffixe bezeichnen und sie auf diese Weise voneinander unterscheiden, das Genus Inanimatum wird als Genus Indistinctum bezeichnet - es unterbleibt ihm im Indoeuropäischen diese Fähigkeit. Dieser Zustand kommt u. a. im Hethithischen, einer sehr archaischen Sprache vor. Man hat daher früher angenommen, dass es im Indoeuropäischen nicht zur Entwicklung aller drei Genera gekommen ist. Heute vetreten die Linguisten die Meinung, dass das Hethithische das Genus Femininum erst sekundär verloren hat oder dass sich diese Sprache noch von der Entstehung des Genus Femininum von dem Indoeuropäischen abgetrennt hat.
Was die Uranfänge der grammatischen Kategorie des Genus anbelangt, bietet Erhart noch eine Hypothese an. Dem Zwei-Genus-System ging nach ihm die Phase der Nominalklassen voraus, deren Formen z. T. an die Nominalklassen der Bantussprachen erinnern (vgl. oben). Die Zugehörigkeit der Substantive zu den einzelnen Nominalklassen wurde formal durch einfache Suffixe ausgedrückt. Diese Suffixe stellten dem Ursprung nach pronominale (deiktische) Elemente, die zunächst selbstständig neben den Substantiven auftraten und die durch ihre Agglutinierung an die Substantive zu deren Suffixen wurden. (Nach dem Untergang der Nominalklassen kam es zur Umfunktionierung der einzelnen Suffixe - teils wurden sie zu Kasussuffixen, teils zu Ableitungssuffixen = stammbildenden Elementen, vgl. 3.1.1.3.)
Nach Erhart existierten volgende Nominalklassen (in den Klammern werden die einzelnen Suffixe angeführt): 1. belebte Wesen; nahe (s- Klasse), 2. belebte Wesen; enfernte (m- Klasse), 3. leblose Dinge; nahe (y- Klasse), 4. leblose Dinge; entfernte (t- Klasse), 5. belebte, jedoch unselbstständige (immer nur in Verbindung mit einem anderen vorkommende) Wesen (h1- Klasse); das Suffix dieser Klasse spielt später eine wichtige Rolle bei der Motion, d. h. der Ableitung der femininen Bezeichnungen, vgl. weiter. 6. aus mehreren homogenen Komponenten bestehende Erscheinungen (h2- Klasse), 7. natürliche Paare, u. a. körperliche Organe usw. (h3- Klasse). Diese Nominalklasse steht nach Erhart bei den Anfängen des Duals, vgl. 3.1.3. 8. belebte inaktive Wesen; nahe (r- Klasse), 9. belebte inaktive Wesen; entfernte (r- Klasse).
Die weitere Phase der Grammatikalisierung des Genus stellt nach Erhart die Möglichkeit des Überganges aus einer Klasse in eine andere durch den Austausch des Suffixes, und das auch aus der Klasse der unbelebten Dinge in die Klasse der belebten Wesen. Dieser Zustand führte zu der allmählichen Reduktion der einzelnen Nominalklassen. In der Endphase bleiben nur zwei Nominalklassen erhalten: 1. die Klasse der belebten Objekte (= aktive - Animata), 2. die Klasse der unbelebten Objekte (= inaktive - Inanimata). Die Klasse der Inanimata war aber ziemlich heterogen, es kommen hier auch einige Animata vor, später auch die verschiedentsten Ableitungen, u. a. die Verbalbastrakta. Die Suffixe, mit denen zunächst die einzelnen Nominklassen bezeichnet wurden, verlieren im Zusammenhang mit der Reduktion der Nominalklassen ihre ursprüngliche Rolle und werden in die Funktion entweder der Kasussuffixe oder der Ableitungssuffixe transformiert, vgl. 3.1.1.3.
Diese Nominalklassen entwickeln sich dann zu den betreffenden zwei Genera, die nach einigen Forschern am Anfang der Kategorie des Genus standen: Genus Animatum (Genus Distinctum) und Genus Inanimatum (Genus Indistinctum).
Die Flexion beider Genera kennzeichnet sich zunächst durch viele Eigentümlichkeiten, die später in großem Maße abgeschafft werden.
Die Deklination der Substantive des Genus Inanimatum entwickelte sich eine Zeit lang unabhängig von der Deklination der Substantive des Genus Animatum, sodass sich die Deklination beider Genera zunächst durch viele Eigentümlichkeiten kennzeichnete. Diese Tatsache ist nach Erhart u. a. an der Deklination der neutralen heteroklitischen Stämme zu betrachten, vgl. 4.2.4.5. Die Kategorie des Numerus entwickelte sich bei dem Genus Inanimatum viel später als bei dem Genus Animatum. Schließlich kommt es jedoch nicht zu der Entwicklung einer eigentümlichen Deklination der Nomina des Genus Inanimatum - ihre Deklination fällt mit der bereits viel reicher entwickelten Deklination der Nomina des Genus Animatum zusammen. Aus diesem Zusammenfall ergibt sich die Übereinstimmung der Deklination des später entstandenen Genus Maskulinum mit dem Genus Neutrum. Die Unterschiede in der Deklination beider Genera bleiben nur in der Bezeichnung (Genus Animatum) bzw. Nichtbezeichnung (Genus Inanimatum) des Nominativs und Akkusativs erhalten.
Das Genus Animatum spaltet sich in der weiteren Phase der Entwicklung der grammatischen Kategorie des Genus in Genus Maskulinum und Genus Femininum, wobei dieser Prozess sehr eng mit der Ausformung der syntaktischen Kongruenz zusammenhängt. Bevor das Genus Femininum grammatikalisiert wurde (also noch im Rahmen des Genus Animatum), gab es keine formalen Unterschiede zwischen den Bezeichnungen der männlichen und weiblichen Lebewesen, z. B: uride. *ph2t´r „der Vater“ - dh2ugh2t´r „die Tochter“. Aus der eigentlichen Bezeichnung ist es (was die formale Seite betrifft) nicht zu erkennen, ob es sich um männliche oder weibliche Wesen handelt. Das Genus Inanimatum entwickelt sich ganz regelmäßig zum Genus Netrum.
Das Genus Femininum hatte verschiedene Quellen, u. a.:
Dostları ilə paylaş: |