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Da die Einzelkapitale diesen gesellschaftlichen Bedingungen weitgehend schutzlos ausgeliefert seien, entstünden besondere Risiken für die Investitions- und Rationali­sierungsentscheidungen. Diese Risiken wirkten stärker bei kleinen als bei großen Ein­zelkapitalen. Denn große Unternehmen hätten sehr viel eher die Möglichkeit, interne Kompensationen und andere Formen des Risikoausgleichs zu betreiben als kleine. Sie könnten auf fremde Märkte ausweichen, das Produktangebot ausweiten oder auch flexible Produktionskapazitäten anlegen durch die Betreibung von Arbeitsgemein­schaften und die Beschäftigung von Subunternehmen. Aus diesem strukturellen Vor­teil und dem damit verbundenen und sowieso bestehenden Produktivitätsvorsprung der großen gegenüber den kleinen Einheiten resultiere die Positionsverschlechterung der kleinen Betriebe gegenüber den großen im brancheninternen Konkurrenzkampf. Daraus leiten die Autoren die Prognose einer weiteren Kapitalkonzentrierung ab, die zwar im Baugewerbe noch nicht in dem von anderen Branchen bekannten Maße vo­rangeschritten, aber als Bewegung sehr wohl erkennbar sei50. Trotz dieser durch Da­tenreihen gestützten Aussage sehen die Autoren auch weiterhin Existenzmöglichkei­ten für Kleinbetriebe, insbesondere in durch die Politik der großen Unternehmen ent­standenen Nischen und in sonstigen für Großunternehmen kaum erschließbaren Be­reichen. Die konstatierte Marginalität der Kleinbetriebe schütze in gewisser Weise so­gar vor krisenhaften Entwicklungen, weil die Kleinbetriebe überhaupt nicht in die La­ge kämen, kapitalaufwändigere Investitionen durchzuführen51. Im Segment der Mit­telbetriebe führe die Möglichkeit, Fehlinvestitionen zu betreiben, sie aber nicht im gleichen Maße aushalten zu können wie Großbetriebe zu massiveren Auswirkungen krisenhafter Einflüsse (79ff).
In einer weiteren großen Untersuchung zur deutschen Bauwirtschaft nach der Struk­turkrise (Goldberg 1991)52 wird diese Charakterisierung im Sinne von Besonderheiten der Baubranche in den wesentlichen Punkten aufgegriffen, fortgeführt und detailliert:
"• Die Produktion erfolgt im Freien an wechselnden Standorten, d.h. weitgehend 'vor Ort'. Die Produktionsfaktoren müssen an den Produktionsort transportiert werden, was die Reichweite des Angebots beschränkt. Der Markt für Bauleistungen ist ein regional relativ kleiner Markt.

  • Die Produkte der Bauindustrie sind nicht international handelbar.

  • Die Bauwirtschaft produziert nachfrageorientiert, d.h. nicht nur das Produkt, son­dern auch der Produktionsort, das Produktionsverfahren, die verwendeten Stoffe und die Termine werden vom Bauauftraggeber vorgegeben.

  • Die Bauwirtschaft gilt als 'Bereitstellungsgewerbe'. Es werden Kapazitäten vorge­halten, eine Produktion auf Lager ist kaum möglich. Jedes Produkt ist ein Einzel­stück.

  • Bauproduktion erfolgt 'auf Bestellung', alle Bedingungen des Verkaufs, insbeson­dere Fertigstellungstermine und Preise, werden vor der Produktion festgelegt. Da die Bedingungen der Bauproduktion aber in hohem Maße von natürlichen, wenig beeinflußbaren und zum Teil nicht völlig vorhersehbaren Faktoren (Witterung, Bo­denverhältnisse) bestimmt werden, ergibt sich daraus für den Anbieter hinsichtlich Terminen und Kosten ein relativ hohes Maß an Risiko.

  • Die Preisbildung erfolgt vor der Produktion im Wege der Vorkalkulation.

  • Die einzelnen Bauaufträge haben einen großen Umfang und lange Fertigungsfris­ten, sie binden einen großen Teil der Kapazität der Baubetriebe.

  • Das Produkt ist ein langlebiges Investitionsgut, das viel Kapital langfristig bindet. Die Art der Finanzierung und ihre Konditionen bestimmen in hohem Maße die Ab­satzbedingungen.

  • Die verschiedenen Funktionen im Produktionsprozeß sind institutionell voneinander getrennt: Planung, Realisierung und Finanzierung liegen in verschiedenen Händen.

  • Die Bautätigkeit selbst ist immer noch relativ wenig kapitalintensiv, die Bauunter­nehmen haben eine relativ niedrige Eigenkapitalquote und einen raschen Kapital­umschlag. Dies bedingt niedrige Marktzugangs- und Marktaustrittsschranken.

  • Die Bauproduktion ist in hohem Maße durch gesetzliche Vorschriften reguliert, was u.a. mit der Langlebigkeit des Produkts und seiner zentralen Bedeutung für die Umwelt des Menschen zusammenhängt. Bauen verändert die menschliche Lebens­umwelt in einem nur schwer reversiblen Ausmaß. Gleichzeitig decken Bauten menschliche Grundbedürfnisse" (Goldberg 1991, 2f).

In dieser Aufzählung wird die Unterscheidung nach natürlichen und gesellschaftlichen Besonderheiten implizit mitgeführt. Goldberg stellt in der weiteren Argumentation die gesellschaftlichen Bedingungen in ihren jeweiligen nationalen Kontext, so dass sich länderspezifische Unterschiede eben mit den je spezifischen und zumeist historisch gewachsenen Bedingungen erklären lassen. Die zum Teil erheblichen Differenzen so­wohl in der Produktivität als auch in der Bauorganisation selbst sind nach Goldberg denn auch nur zu einem geringeren Teil auf die divergierenden natürlichen Voraus­setzungen zurückzuführen53. Während sich in den meisten anderen Wirtschaftszwei­gen zu Beginn der neunziger Jahre aufgrund der sich etablierenden internationalen Arbeitsteilung und des zunehmenden Austauschs bereits in breiterem Umfang An­gleichungseffekte zwischen den nationalen Räumen erkennen ließen, war das in der Bauwirtschaft wegen der nach wie vor sehr stark lokalen Produktion so gut wie nicht der Fall (ebd., 3f). Dies dürfte sich seither wegen der auch in der Bauwirtschaft be­schleunigt voranschreitenden internationalen und noch davor europäischen Verflech­tung zumindest in den von großen Unternehmen bedienten Teilmärkten geändert ha­ben (Schnepf u.a. 1998)54. In den neunziger Jahren entwickelte sich der europäische Bausektor zu der Branche mit den meisten grenzüberschreitenden Zusammenschlüs­sen oder Aufkäufen. Seit dieser Zeit haben sich einige global players55 herausgebil­det, die sicherlich zu einer gewissen transnationalen Angleichung beigetragen haben.


Im Übrigen ist davon auszugehen, dass nationale Spezifika, die zu unterschiedlichen Strukturen führen könnten, überlagert werden von einer von diesen nationalen Spe­zifika weitgehend unabhängigen Branchenstruktur. Voswinkel u.a. (1996; siehe auch: Lücking, Voswinkel 1996) zeigen am Beispiel der deutschen und der französischen Bauwirtschaft sowie dem deutschen und dem französischen Gastgewerbe, dass weni­ger nationale Grenzen als Branchengrenzen von Bedeutung sind. Das Gastgewerbe unterscheidet sich in beiden Ländern in ähnlicher Weise von der Bauwirtschaft, ob­wohl es in Bezug auf die Besonderheiten gegenüber der restlichen Wirtschaft erhebli­che Parallelen zwischen den beiden Branchen gibt. Aber während es grenzübergrei­fende Unterschiede zwischen den beiden Branchen gibt, unterscheidet sich die deut­sche kaum von der französischen Bauwirtschaft und selbes gilt auch für das Gastge­werbe. Unterschiede, die natürlich dennoch bestehen, lassen sich zu einem größeren Teil auf staatliche Vorgaben und sogar staatliche Strukturen (Zentralismus in Frank­reich gegen ausgeprägte Dezentralität in Deutschland) zurückführen56. Linda Clarke und Mark Harvey (1996) kommen (wie schon in Bezug auf ihre Fragestellung Eisbach und Goldberg) zu einem anderen Ergebnis. Sie stellen ganz eklatante Unterschiede zwischen den Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter in Frankreich und Großbritannien fest. Jedoch kann diese Betonung der Unterschiedlichkeit in der von ihnen benutzten Globalkategorie des Lohnarbeitsverhältnisses57 zwischen den Ländern auch auf me­thodische Ursachen zurückgeführt werden: Erstens untersuchen sie weniger die Ar­beitsbedingungen oder Rationalisierungsmuster, sondern eher die Lohnbedingungen. Das heißt, dass dort eher ein regulationstheoretischer als ein industriesoziologischer Ansatz verfolgt wird. Zweitens beziehen sie in ihre Untersuchungen keine Vergleichs­branche mit ein. Sie können also keine sektorspezifischen Modi identifizieren, weil sie sich auf den Bausektor beschränken. Das erste Untersuchungscharakteristikum be­tont notwendigerweise die Unterschiede zwischen den Regulationsräumen, also den in die Untersuchung einbezogenen Nationalstaaten. Das zweite verhindert die Her­ausarbeitung solcher Differenzen gegenüber anderen Sektoren. Allerdings kommen Clarke und Harvey (1996) auch zu anderen Ergebnissen im Detail. So ist die enorme Lohnspreizung zwischen den Lohngruppen in Großbritannien sehr viel größer als die Unterschiede insgesamt gegenüber Frankreich. Auch im Beschäftigungsverhältnis zeigt sich bei einzelnen Typen (z.B. den unbefristet und direkt Beschäftigten) eine größere Nähe zwischen den Ländern. Bei differenzierterer Betrachtung also ist es vor allem die besonders starke und in den letzten Jahren noch gestiegene Streuung der Formen des Lohnarbeitsverhältnisses in Großbritannien, die zu den beobachteten Disparitäten führt58. Ähnlich dürfte auch der Widerspruch zwischen den Arbeiten von Voswinkel u.a. und Eisbach, Goldberg zu lösen sein. Während die Gruppe um Vos­winkel einen ausgewiesenen industriesoziologischen Ansatz verfolgt und dabei mit ihrem Konzept des Metiers Unterschiede zwischen Branchen womöglich betont, um­gekehrt aber Gemeinsamkeiten innerhalb von Branchen gleichfalls betont, verfolgen Eisbach und Goldberg eher einen organisationstheoretischen Ansatz, wo natürlich re­gulative und daher meistens nationale Vorgaben ein sehr viel stärkeres Gewicht ha­ben. Da wiederum nur die Baubranche untersucht wird, bleiben Branchenspezifika, die im metierorientierten Ansatz im Mittelpunkt der Argumentation stehen, notwendig unberücksichtigt. Die unterschiedlichen Befunde sind also in diesem Sinne vor allem das Resultat unterschiedlicher Fokusse und unterschiedlicher Methoden.
Als ein weiterer, zum Teil bereits angeklungener bzw. sich daraus ergebender Aspekt des Besonderen im Bausektor muss noch die ausgeprägte Kundennähe über die Lo­kalität der Bauproduktion genannt werden. Weil die Bauproduktion in weiten Teilen Einzelfertigung ist, Dauerhaftigkeit und Kapitalintensität des Produkts so enorm sind, ergibt sich ein besonders hoher Einfluss des Kunden, der in der Regel der Bauherr oder dessen Beauftragter ist. Dieser Einfluss ist viel unmittelbarer und umfangreicher als bei herkömmlicher Massenproduktion, wo ja die Wege bzw. Bezüge normalerwei­se umgekehrt laufen: Nicht der Kunde beauftragt eine Firma mit der Erstellung eines Produkts, die Firma erstellt das Produkt für den Markt, wo der Kunde es findet und kauft59. In der Baubranche jedoch gibt er nicht nur den Auftrag, er entscheidet bis in kleinste Details über die Bedingungen der Produktion des von ihm inszenierten Pro­dukts. Er bestimmt über den Standort, über die verwendeten Materialien, über die zu kalkulierende Produktionszeit und -dauer, er bestimmt schließlich und von vornherein auch über das konkrete Aussehen des Produkts. Sein Einfluss hört bei all dem nicht vor der Eröffnung der Baustelle auf, sondern beginnt sich bei laufender Produktion erst richtig zu entfalten. Egal, ob er selbst oder ein von ihm beauftragter Architekt oder Ingenieur den Bauprozess begleitet – viele wesentliche Änderungen werden nachträglich eingebracht, so dass sich die aufgrund der natürlichen Voraussetzungen sowieso schlecht planbare Produktion noch weniger planen oder sogar verallgemei­nern lässt. Die so entstehende und vielfach dokumentierte Prototyp- oder Unikatferti­gung kennzeichnet und determiniert die Branche bis in die Details der Arbeitskräfte­politik (und wird direkt im Anschluss an diese Ausführungen skizziert)60. Selbst für gleichartige Gebäude müssen immer wieder unterschiedliche Verfahren angewendet werden, gerade wenn die Zugangsbedingungen wie Witterung und Standort differie­ren; Wiederholungseffekte entstehen so kaum. Anstatt von Gebäuden müsste im Grunde allgemeiner von Bauwerken gesprochen werden, denn die geführte Argu­mentation gilt auch und sogar in ausgeprägter Weise für z.B. Brücken und Straßen, für Tunnels und andere Ingenieurbauwerke. Jedoch unterscheiden sich diese Sparten zumindest in einem gewichtigen Punkt vom Hochbau bzw. dem Wohnungsbau. Im ersten Fall ist ausgewiesenes Spezialistenwissen Voraussetzung zur erfolgreichen Be­wältigung der Aufgaben. Dieses Spezialistenwissen kann nicht ohne weiteres erwor­ben werden. Es bildet sich im Normalfall erst über die mehrfache Durchführung von dieses Spezialistenwissen abfragenden Projekten. Da diese Projekte gleichzeitig keine Massenprodukte sind, der Markt eher begrenzt ist, sind diese Unternehmen in aller Regel keine ortsansässigen Firmen, sondern "eingeflogene" Experten. Im zweiten Fall des Wohnungsbaus aber wird in der Regel kein Spezialistenwissen, sondern allgemei­nes Fertigungswissen abgefragt, so dass sich das Spezifikum der lokalen Bindung richtig entfalten kann.
Aus dem Charakteristikum der Einzelfertigung und der geringen Eigenkapitalausstat­tung insbesondere der kleinen Betriebe (Schütt 1996) in Verbindung mit der auf schrumpfenden Märkten (Bosch, Zühlke-Robinet 2000) sich verschärfenden Konkur­renzsituation entsteht ein außerordentlich hohes Insolvenzrisiko. In keiner anderen Branche liegt der Anteil der vom Markt verschwindenden Betriebe so hoch wie im Baugewerbe. Und je kleiner der Betrieb und je kürzer er erst am Markt ist, desto grö­ßer ist dieses Risiko. Dieser für die neunziger Jahre mit den Zahlen des Statistischen Bundesamts nachweisbare Zusammenhang widerspricht den Aussagen von Janssen und Richter (1983), wo ja die besondere Krisenbetroffenheit der Mittelbetriebe fest­gestellt wurde (81). Dort wurde diese Tatsache mit der fehlenden Möglichkeit dieser Betriebe begründet, auf Nischen auszuweichen und mit dem nicht vorhandenen lan­gen Atem bezüglich Investitionsfehlentscheidungen. Dass dieser Zusammenhang heute nicht mehr stimmt oder sich wenigstens statistisch nicht mehr so deutlich macht, weist darauf hin, dass sich die Geschäftsstrategie dieser Betriebe geändert hat. Offensichtlich sind sie heute eher in der Lage, auf solche Bereiche auszuweichen bzw. solche Bereiche zu besetzen, die früher als Aktionsfeld der Kleinbetriebe gelten konnten. Jedenfalls spricht die Verschiebung der Insolvenzbetroffenheit weg von den mittleren hin zu den kleinen Betrieben für diese Interpretation61. Dieses Risiko wird noch unterstützt durch die wiederum verstärkt durch die Einzelfertigung ausgeprägte Konjunkturabhängigkeit der Branche (wie das ja auch in den beiden eingangs zitier­ten Quellen gesagt wird). Ganz unabhängig vom Status des Haushalts, ob öffentli­cher, privater oder gewerblicher – ist die finanzielle Situation unbefriedigend oder sind die Aussichten nicht im gewünschten Maße positiv, stören also allgemeine kon­junkturelle Eintrübungen die Schönwetterlage, bezweifeln die gewerblichen oder Wirtschaftshaushalte wegen z.B. der ungenügenden konjunkturellen Lage an der Rentabilität einer Bauinvestition, so werden entsprechende Pläne schneller storniert als Ausgaben, die anderen Branchen zugute kommen. Eben weil Bauinvestitionen auch für Wirtschaftssubjekte in aller Regel Ausgaben in erheblicher Höhe bedeuten und der Mittelrückfluss ("return-on-investment") in besonderem Maße von der allge­meinen Wirtschaftslage abhängig ist, ist die Baubranche ausgesprochen konjunktur­reagibel. Doch diese Konjunkturabhängigkeit im Verbund mit der weitgehenden Un­fähigkeit der vielen kleinen Betriebe, auf alternative Marktsegmente auszuweichen oder zusätzlich zu erschließen, führt nicht nur zu einer besonders starken Pleitenan­fälligkeit dieser kleinen Betriebe. Gleichzeitig bleibt die Kapitalschwelle so niedrig, dass auch ständig neue Betriebe gegründet werden. In Wirklichkeit liegt also eine überdurchschnittliche Fluktuation vor, die gespeist wird durch einen schon in mittle­rer Sicht von einem Wirtschaftszyklus sich größerenteils ausgleichenden Abgang von Betrieben einerseits und Zugang von Betrieben andererseits. Auf lange Sicht hat sich daher die Gesamtzahl der Baubetriebe kaum verändert – auch wenn seit einigen Jah­ren ein positiver Trend zu verzeichnen ist.
Schließlich folgt aus der Kombination dieser Produktionsbedingungen ein weiteres Merkmal, das den Bausektor wie wenige andere Branchen prägt. Baumärkte sind auf einen vergleichsweise kleinen geografischen Raum begrenzt, Bauproduktion ist Pro­duktion für den Ort. Dies liegt neben den erwähnten Spezifika auch in technischen Restriktionen begründet. Das Gewicht der verschiedenen Bauteile, ihre statischen Ei­genschaften, ihre Größe etc. sind nur in sehr begrenztem Maße transportfähig. Hinzu kommt die in Abhängigkeit von der zu überwindenden Distanz zwischen dem Ort der Produktion und dem Ort der Montage von Komponenten schnell schwindende Renta­bilität62. Nur ganz wenige Teile sind für den Transport geeignet. Ob dies wirklich nur Nasszellen, Garagen und andere nicht tragende Teile sind, wie Janssen und Richter (1983, 79) ausführen, sei dahingestellt. Bis jetzt ist es aber noch nicht gelungen, Ma­terialien und Stoffverbindungen herzustellen, die den statischen und sonstigen Erfor­dernissen genügen und trotzdem problemlos transportfähig sind. Die Hoffnung der Politik der nachholenden Modernisierung wie sie mit dem Großsiedlungsbau und der damals erstmals betriebenen Strategie der Auslagerung von Produktionsschritten in­tendiert wurde, hat sich bisher nicht realisieren lassen63.
Diese Ortsnähe geht einher mit spezifischen sozialen Bezügen, die typisch sind für das Funktionieren des Baumarktes. Im Laufe der Jahre bauen sich zwischen den Baubeteiligten netzwerkartige Strukturen auf ("Männerfreundschaften"; Hochstadt u.a. 1999, 123)64, die zur genauen Kenntnis der lokalen Gepflogenheiten führen und so eine Situation schaffen, die zu einem wesentlichen Teil auf Vertrauen basiert. Sy­ben (1998, 17) kennt vier Möglichkeiten, "diesen Mechanismus des Vertrauens in Gang zu setzen. ... Das erste ist der Ruf oder die Tradition eines Unternehmens. Das zweite sind Referenzobjekte. Das dritte sind die Personen, die das Unternehmen re­präsentieren. Und das vierte ist die Behandlung von Problemen, die direkt nach dem Kauf bzw. der Fertigstellung auftreten" (siehe auch: Ders. 1999b). Aus dieser Kon­stellation entsteht aber auch eine ausgeprägte Intimität der Verhältnisse, die Außen­seiter wenn schon nicht systematisch, so doch immanent und dauerhaft auszuschlie­ßen in der Lage sein könnte. Diese für den Baumarkt so typische von vielfältigen und multidimensionalen Verflechtungen geprägte Struktur, die zudem noch getragen wird von einem – weiter unten im Einzelnen noch darzustellenden – Regulierungsgefüge, wurde deshalb auch schon Schutzglocke (Rußig 1998b) bzw. doppelte Schutzglocke (Rußig 2000) genannt. Diese Schutzglocke setze sich zusammen aus der Nachfrage­abhängigkeit und der Ortsbindung der Bauproduktion sowie dem regulativen Rah­men, der sowohl auf den Produkt- als auch auf den Arbeitsmarkt wirke und damit auf die Bedingungen der Produktion überhaupt. Im Ergebnis würden ortsansässige Un­ternehmen von dieser Konstellation profitieren65 (zur Kritik dieses Begriffs siehe: Sy­ben 1998). Die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) unterstützt durch ihr prinzipielles Betonen der losweisen Vergabe die kleinteilige und damit lokale Struktur der Baumärkte (Goldberg, Eisbach 1992, 9). Öffentliche Auftraggeber, die vor allem auf der lokalen Ebene bedeutend sind, sind an die VOB gebunden.
Dieser Aspekt verweist auf das nächste Spezifikum der Branche: Sie ist in ganz be­sonderem Maße abhängig von staatlichen Vorgaben unterschiedlichster Art. Sowohl die Zins- als auch die Familienpolitik, die Steuer- und die Finanzpolitik wirken über die Mobilisierung oder Hemmung von Nachfrage mittelbar und unmittelbar, quantita­tiv und qualitativ auf die Baubranche ein. Die staatliche Förderung von Wohneigen­tum generiert zusätzliche Nachfrage in diesem Bereich; unterstützt wird diese poli­tisch gewollte Erhöhung der Eigentumsquote66 z.B. durch Kinderfreibeträge, eine den Erwerb von Wohneigentum fördernde Steuerpolitik, Pendlerpauschalen, Vorbereitung der technischen Infrastruktur, Bereitstellung von öffentlicher Infrastruktur, Externali­sierung von damit einhergehenden Kosten usw. Auch das (reale und nominale) Zins­niveau, das durch staatliche Vorgaben immerhin beeinflusst und von der realwirt­schaftlichen Situation maßgeblich bestimmt wird (auch wenn die Zentralbanken über ihre Geld- und Zinspolitik über die Möglichkeit verfügen, ihren Zielen entsprechende Signale zu setzen), hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Mobilisierung von Bau­nachfrage, weil die allermeisten Bauinvestitionen kreditfinanziert sind67. Selbst die In­flationsrate übt einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Baunachfrage aus. Ist sie hoch oder wird erwartet, dass sie steigt, hat das einen expansiven Effekt für die Baunachfrage. Ähnlich verhält es sich mit den nominalen und realen Einkommen: Je höher das Realeinkommen, desto höher ist die Sparquote und desto höher ist die Immobilienerwerbschance. Sind die Menschen zuversichtlich bezüglich der Entwick­lung ihrer Einkommen, sind sie eher bereit, einen höheren Immobilienkredit aufzu­nehmen. Umgekehrt kann es durchaus Ziel einer nationalen Regierung sein, über die besonders starke steuerliche Eigentumsförderung die Realeinkommen sogar zu sen­ken (wenigstens relativ zu anderen Ländern)68.
Aber auch die unmittelbaren staatlichen Bauinvestitionen spielen eine wichtige Rolle. Gerade weil Bauinvestitionen wenn schon nicht die einzige, so doch die wichtigste Möglichkeit des Staates darstellen, unmittelbar in den Konjunkturverlauf einzugrei­fen, wird dieses Instrument zum zyklischen oder anti-zyklischen Steuern genutzt. Da weiterhin Bauprodukte praktisch nicht international gehandelt werden können, ist die Abhängigkeit von der Binnenkonjunktur sehr viel umfassender als in anderen Bran­chen, wo zumindest in gewissem Maße auf externe Märkte ausgewichen werden kann, wenn die Binnennachfrage nicht genügt. All dies verdeutlicht die massive Ein­bindung der Baubranche in staatliche und gesellschaftliche Bedingungen, die sie so gut wie gar nicht beeinflussen kann.
So spielen formelle, aber noch mehr informelle Beziehungen eine zentrale Rolle bei der Abwicklung von Bauprojekten, und dies weitgehend unabhängig von der Dimen­sion des Auftrags. Abgesehen von den schon erwähnten Spezialwissen voraussetzen­den und daher eher nicht auf den lokalen Markt begrenzten Projekten ist die Kennt­nis der lokalen Gegebenheiten, ist die Kooperation zwischen ausführendem bzw. aus­führenden Unternehmen einerseits und Auftraggeber andererseits ausschlaggebend für die erfolgreiche Projektabwicklung. Dies betrifft keineswegs nur kleine Projekte, die allein von ortsansässigen Betrieben durchgeführt werden können. Selbst Groß­projekte, die in der Regel von entsprechend großen Betrieben bzw. Unternehmen ausgeführt werden, werden sehr häufig über eine zeitlich befristete Zusammenarbeit in der Rechtsform der Arbeitsgemeinschaft (Arge) eines nicht ortsansässigen Großun­ternehmens mit einem ortsansässigen Mittelbetrieb durchgeführt. Damit stellt das Großunternehmen die Einbindung des spezifischen für die Ausführung eines konkre­ten Projektes erforderlichen Know-hows sicher. Überhaupt imitieren Großunterneh­men Ortsansässigkeit, indem sie viele weitgehend selbstständig agierende Niederlas­sungen betreiben, die am Ort als mittelständische Betriebe auftreten und in weiten Zügen auch genau dies sind, wenn auch mit einem gewissen Wettbewerbsvorteil über die mögliche Nutzung von zentralisiertem Know-how, das normale mittelständi­sche Betriebe nicht haben.
Begründet wird die bevorzugte Vergabe an alteingesessene Betriebe nicht nur mit gesetzlichen Vorgaben, sondern vor allem mit dem Problem der Gewährleistung. Eben weil Bauprojekte enorme Geldmittel binden und weil oft erst nach längerer Zeit eventuelle Mängel erkennbar werden, hilft die Ortsansässigkeit des beauftragten Be­triebs bei der damit einhergehenden juristischen Abwicklung. Negative Schlagzeilen bringen ein Bauunternehmen schnell in Verruf; deshalb gehört zum dauerhaften Funktionieren informeller Netzwerke die schnelle und lautlose Lösung entstandener Probleme. So existieren in manchen Gemeinden so genannte Positivlisten, auf denen solche Betriebe vermerkt sind, mit denen in der Vergangenheit die Zusammenarbeit gut funktioniert hat69. Umgekehrt können sich die Betriebe eher auf die zügige Be­gleichung von Auslagen70 und vor allem um die künftige Berücksichtigung bei weite­ren Aufträgen verlassen. Gegenseitiges Vertrauen in die verantwortungsvolle Nut­zung dieser besonderen Umstände macht dieses Konstrukt arbeitsfähig. In Zeiten des gemächlichen Wettbewerbs, wenn die Märkte weitgehend aufgeteilt sind und kein Verdrängungswettbewerb herrscht, funktioniert diese Zusammenarbeit für alle Betei­ligten auskömmlich und ohne große Veränderungen; wenn es denn Reorganisationen gibt, also z.B. in der Angebotstiefe oder im Bauverfahren, so geschieht dies häufig auf Veranlassung eines wichtigen Auftraggebers; ansonsten können die Betriebe "eine ruhige Kugel schieben" (Goldberg 1992, 26). Wenn allerdings, wie seit mittler­weile etwa sechs bis sieben Jahren, der Wettbewerb zunehmend als Verdrängungs- und Preiswettbewerb ausgetragen wird, gerät diese Konstruktion unter Druck.

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