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Diese fortgesetzte Bedeutung des menschlichen Eingriffs in die Bauproduktion, also die niedrige Eigenfähigkeit der Apparate, wird in der Phase des kombinierten Struk­turwandels und Kapazitätsabbaus, die Mitte der siebziger Jahre einsetzt, nicht nur fortgeführt, sondern nachgerade betont. Der zehn Jahre zuvor begonnene relative Bedeutungsverlust der Gruppe der Werker und Fachwerker schreitet kontinuierlich voran. Betrug deren Anteil an der Gesamtbeschäftigung 1963 noch 38 vH, so ist er von 27 vH in 1973 auf gerade noch 20 vH in 1986 zurückgegangen (alle Zahlen aus: Syben 1987, 676)105. Nach wie vor scheint der qualifizierte Eingriff in die Produktion so zentral zu sein, dass, abgesehen von ausgelagerten Fertigungsschritten wie der Betonherstellung, die immer weiter automatisiert wird, die Qualifikation der Baustel­lenarbeiter grundlegendes Element der Personalstrategien ist. Dies hängt sicher zu­sammen mit den ebenso und trotz aller Technisierung fortbestehenden Restriktionen und Unwägbarkeiten der Bauproduktion. Obwohl in dieser Zeit bereits die Tätigkeiten jenseits des operativen Geschäfts zunehmen, bleibt Bauarbeit wesentlich Baustellen­arbeit und als solche Facharbeit. Der Anteil der Facharbeit hat sich über den gesam­ten Zeitraum, vor allem aber zwischen 1963 und 1973, um zehn Prozent erhöht und sich dann auf einem Niveau knapp unter 50 vH stabilisiert106.
In Bezug auf das Phänomen der trotz auch am Bau stattgefundener Mechanisierung sogar noch unterstrichenen Bedeutung von Facharbeit, stellt Syben (1987, 676) ebenfalls fest: "In der Bauproduktion hat die Mechanisierung zu einer Qualifikations­struktur beigetragen, die sich in charakteristischer Weise von anderen Branchen un­terscheidet. Zwar sind auch hier einfache Hilfsfunktionen ersetzt worden, aber es ist nicht gleichzeitig der aus der industriesoziologischen Forschung in anderen Branchen bekannte Typus der maschinengebundenen repetitiven Teilarbeit entstanden. Hand­habung der Maschinen in der Bauproduktion ist nicht einfache Maschinenbedienung, sondern durchaus qualifizierte Maschinenführung"107.

Dies ist umso bemerkenswerter, als damit nicht einfach eine – wie das oben bereits diskutiert wurde – nachholende, d.h. am fordistischen Modell ausgerichtete Moderni­sierung abzuleiten ist. Wollte man am einfachen Bild der technologisch rückständigen Baubranche festhalten, müssten sich in der skizzierten Entwicklung immerhin Indi­zien für einen positiven Zusammenhang zwischen zunehmendem Maschineneinsatz einerseits und zurückgehendem Facharbeitereinsatz andererseits finden lassen. Dies ist aber ganz offensichtlich nicht der Fall. Aus dem Fehlen dieses Zusammenhangs lässt sich die Schlussfolgerung ableiten, dass sich die Mechanisierung der Bauproduk­tion von der anderer Fertigungsprozesse nicht einfach nur durch eine technologische Verspätung unterscheidet. Die bauspezifische Mechanisierung folgt also nicht dem­selben auch in den anderen Branchen praktizierten Rationalisierungsmuster, sondern zeichnet sich durch ein anderes, alternatives Muster aus. Daraus leitet Syben (1987, 676) die These ab, dass "der besondere Verlauf der Mechanisierung der Produktion ... auch eine Ursache in den Arbeitsvollzügen selbst hat". In Anlehnung an die am In­stitut für Sozialforschung in München entwickelte Typologie der Arbeitsformen stellt er zwei Mechanisierungslücken im Baugewerbe fest. Es fehlten Handhabungsgeräte für die Arbeitsfunktion des montierenden Prozesstyps und diese Geräte seien zwar maschinengetrieben, aber handgeführt. Diese Mechanisierungslücken sind technolo­gisch ursächlich begründet erstens mit der von Maschinen (als eigenfähigen Appara­ten) nicht gewährleisteten Ausführungsgenauigkeit bei komplexen Handhabungs- und Fügeoperationen. Dies gilt für die Erstellung von Mauerwerk zwar nach wie vor, aber dieses Problem wurde durch den vermehrten Übergang zum Stahlbetonbau zu lösen versucht108; Rationalisierung hat also nicht innerhalb derselben Fertigungswei­se, sondern im Übergang von der einen zur anderen stattgefunden. Allerdings entzie­hen sich, soweit dabei erneut montierende Prozesse entstanden sind, auch diese wie­derum bisher der Maschinisierung. Zweitens ist die Steuerung der Transportvorgänge noch nicht automatisiert, weil die Abläufe nicht vollständig plan- und vorhersehbar sind. Anders also als in der stationären Industrie, wo Transporte von Materialien, Halbzeugen usw. schon längst Hebe- und Versetzmaschinen o.ä. übertragen wurden, die diese Vorgänge eigenfähig durchführen, weil jede Störung ausgeschlossen wer­den kann, ist genau dies auf der Baustelle nicht möglich109.



Diese doppelte Mechanisierungslücke verweist auf die besonderen Bedingungen der Bauproduktion. Die bereits diskutierten Momente wie Einzelfertigung und Standort­gebundenheit, der Charakter des Baugewerbes als Bereitstellungsgewerbe machen gewöhnliche Formen der technikbasierten Rationalisierung häufig entweder sehr auf­wändig und so (oder auch unabhängig davon) ökonomisch unsinnig. Rationalisierung folgt ja keinem Selbstzweck (abgesehen von ideologischen Dimensionen von Rationa­lisierung110), sondern soll dazu beitragen, den Kostpreis zu senken. Wenn dies über die Aufwändigkeit der Rationalisierungselemente nicht erreichbar scheint, findet der entsprechende Rationalisierungsschritt unter gegebenen wirtschaftlichen und gesell­schaftlichen Bedingungen halt nicht statt. In der Baubranche beschränkt sich die Me­chanisierung so auf die Unterstützung der gröberen und einfacheren Arbeitsvollzüge. So lassen sich spezifische Rationalisierungsschranken für die Bauproduktion postulie­ren, die Strategien ihrer Überwindung provozieren111. Syben (1987, 678f) unterschei­det technologische und produktionsorganisatorische Strategien, die Versuche in der Entwicklung und Planung, das Prinzip der fertigungsgerechten Konstruktion umzuset­zen, d.h. Standardisierung und Normierung von Bauteilen und Verzicht auf aufwändi­ge Konstruktionen zur ersten Gruppe zählend. Dem steht jedoch die besondere Posi­tion der Entwerfer und vor allem der Bauherren, also der Kunden als Auftraggeber entgegen, die sich einer allzu deutlichen Standardisierung in Form von z.B. Fertig­produkten verweigern. Da der ökonomische Vorteil dieser Strategie zudem (bislang) keineswegs so enorm ist, spricht auch hier nichts für ihre besondere Durchsetzungs­fähigkeit. Weiterhin zählt zu den technologischen Strategien die Entwicklung von An­lagen, die in verschiedenen Einsatzgebieten die menschliche Arbeitskraft mindestens ebenbürtig ersetzen müssten. Insbesondere bezüglich der Umgebungsbedingungen (Witterung, Schmutz, Erschütterung) und der räumlichen Souveränität (verschiedene Bewegungsrichtungen, -wechsel, -dimensionen und -genauigkeit) müssten solche Anlagen überzeugen können. Gerade hier aber liegen die problematischen Rationali­sierungsfelder, die dem Einsatz von robotisierten Maschinen entgegenstehen. Wei­terhin ist noch die Verwandlung des Bauprozesses in einen Montageprozess zu nen­nen. Dazu zählen vor allem außerhalb vorgefertigte Elemente, die auf der Baustelle nur noch montiert werden, und die weitere Entwicklung von Systemschalungen. Zu­mindest der letzte Punkt ist inzwischen weit vorangeschritten, so dass hier tatsäch­lich Tätigkeiten entstanden sind, die einfacher und weniger zeitaufwändig sind.
Dennoch ist die Möglichkeit, über solche technologischen Rationalisierungsstrategien zu einem echten Rationalisierungsfortschritt zu kommen, doch eher begrenzt. Erstens reichen sie nicht aus und zweitens stoßen sie schnell an ihre ökonomische Grenze. Dies ist der Grund dafür, weshalb insbesondere auch produktionsorganisatorische Strategien verfolgt werden. Nach Syben (1987, 678) setzt dieser Strategietyp "an der Erkenntnis an, daß in der Bauproduktion die Fertigungskapazitäten der sachlich und räumlich flexible Faktor sind, dessen Einsatz um das stationäre Produkt herum orga­nisiert werden muß". Zentrales Element dieser Strategie ist die Auslagerung einzelner Fertigungsschritte. Nicht mehr alle Produktionskapazitäten werden generell vorgehal­ten (also bereitgestellt), sondern nur für die Dauer des jeweiligen Einsatzes. Zwar ist die Ausgliederung einzelner Fertigungsschritte selbst keineswegs neu, doch ist die Logik dieser Vorgehensweise neu. Bisher war die Ausgliederung technisch, jetzt ist sie betriebsökonomisch begründet. Die systematische Untervergabe von Teilwerken ist die Folge dieser Strategie, die sich seit etwa Mitte der achtziger Jahre rapide ent­wickelt hat112. Arbeitskräfte und Baugeräte werden nicht mehr vom Hauptunterneh­men, sondern vom Nachunternehmen bereitgehalten. Das ökonomische Risiko wurde also weiter gereicht. Aus der so erfolgenden zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung er­wachsen ein enorm gestiegener Koordinierungsaufwand und die Notwendigkeit zur genaueren Produktionsplanung. Die einzelnen Vorgänge müssen jeweils in den Ge­samtplan eingebaut werden. Gerade für die fertigungsnahen Führungskräfte erwach­sen so besondere Aufgaben und Schwierigkeiten der konkreten Planung, die nicht selten als anstrengend und sogar unbefriedigend und belastend empfunden werden (Ekardt u.a. 1992; Marwedel 1992). Das Problem dieses Strategietyps ist weiterhin, dass er notwendigerweise zu einer Hierarchisierung führt. Es muss Betriebe geben, die diese Strategie aktiv betreiben; genauso muss es dann aber auch Betriebe geben, mit denen diese Strategie betrieben wird. Das heißt, dass diese betriebsökonomisch motivierte Auslagerung einzelner Teilleistungen logischer und faktischer Ausgangs­punkt der in den letzten Jahren voranschreitenden Segmentierung der Branche ist113.

3.5.2 Aktuelle Tendenzen


Da die gegenwärtigen auf den Bausektor und in ihm wirkenden Bedingungen Gegen­stand der gesamten vorliegenden Arbeit sind und daher an vielen Stellen unter ver­schiedenen Gesichtspunkten thematisiert werden, sollen hier nur einige kursorische und zusammenfassende Bemerkungen gemacht werden. Da es darüber hinaus gene­rell schwierig ist, noch laufende, in ihren Bewegungsrichtungen und Konsequenzen noch nicht sicher abzuschätzende Entwicklungen zu beschreiben114, werden im zwei­ten Teil dieses Kapitels Hypothesen zur aktuellen Dynamik des Bausektors formuliert, die bei den im Problemaufriss dargestellten Ereignisdimensionen anschließen.
Der Bausektor befindet sich in einer konjunkturellen und immer mehr auch in einer strukturellen Krise, die sich z.B. in der wachsenden Zahl der Unternehmenspleiten und der katastrophalen Lage am Arbeitsmarkt ausdrückt. Neben den konjunkturellen Faktoren hängt dies auch mit der voranschreitenden Internationalisierung der Bran­che zusammen, die insbesondere den sektoralen Arbeitsmarkt betrifft. Doch nicht nur der Bauarbeitsmarkt überschreitet die nationalen Schranken, auch die Unternehmen des Sektors bedienen sich inzwischen ganz selbstverständlich in einer größer gewor­denen Welt. Vor allem die Unternehmen der Baustoffindustrie haben in den neunzi­ger Jahren Produktionsstätten nach Mittel- und Osteuropa verlagert. Durch diesen Punkt in seiner Wirkung verschärft, läuft in der Bauindustrie derzeit ein Strukturwan­del ab, der dazu führt, dass die tradierte Arbeitsteilung in der Branche aufgebrochen wird. Die inzwischen normale Form der Bauabwicklung ist die Generalvergabe. Das Generalunter- (GU) oder sogar Generalübernehmen (GÜ) übernimmt alle mit einem Bauprozess entstehenden Aufgaben, von der Konzeptionierung bis zur Betreibung ei­nes Bauwerks. Beschränkte sich Bauen früher mehr oder weniger auf die bloße Bau­ausführung, so ist heute das Spektrum der Tätigkeiten beträchtlich angestiegen.
Dieser Prozess ist sehr facettenreich und bringt mehrere Auswirkungen mit sich, die hier wiederum nur kurz skizziert werden sollen. Die größeren Unternehmen sind im­mer häufiger als GU aktiv. Sie bieten ein größeres Spektrum von Tätigkeiten an, d.h. die Wertschöpfungskette ist gewachsen. Gleichzeitig ist aber ihre Fertigungstiefe zu­rückgegangen, d.h. sie organisieren die verlängerte Wertschöpfungskette über die Reduzierung der Eigenfertigung und die spiegelbildliche Erhöhung des an Nachunter­nehmen vergebenen Anteils (Bock 1996, 29f). Diese widersprüchliche Entwicklung führt dazu, dass die Hierarchiestufen in der Baubranche zunehmen. Wenige GU oder GÜ an der Spitze eines Bauprozesses dominieren viele nachgeordnete Unternehmen auf unterschiedlichen Ebenen. Daraus folgt neben der Zunahme illegaler oder prekä­rer Beschäftigungsverhältnisse vor allem die viel stärkere Notwendigkeit der Koordi­nierung des Bauprozesses (Bauwirtschaftliche ... 2000; Dressel 1997; ifa 1995). Die großen Unternehmen agieren als Dienstleister und übernehmen dabei in erster Linie Managementfunktionen. Die kleinen Unternehmen sind für die Bauausführung zu­ständig und also die eigentlich produktiv Tätigen. Das ist durchaus kein Prozess, der konfliktfrei abläuft. Weil heute kaum noch eine Baustelle genügend Gewinn abwirft, entstehen besonders scharfe Formen des Wettbewerbs, der bei gegebenen Bedin­gungen vor allem über den Preis ausgetragen wird. Insbesondere in den nachgeord­neten Hierarchiestufen entsteht so fast schon die Notwendigkeit, Beschäftigungsver­hältnisse zu praktizieren, die bis in die Illegalität reichen, jedenfalls aber immer häufi­ger prekär sind. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Konstellation ungeeignet ist, den Modernisierungsbedarf, der allenthalben für die Bauwirtschaft (wieder) gesehen wird, einzulösen. Der ruinöse und auf ganz kurzfristige Interessen abgestellte Preis­wettbewerb zerstört vielmehr die Grundlagen, die für eine konzertierte Neustrukturie­rung der Baubranche erforderlich sind115.

Die (gesamt-)europäische Integration kann also nicht allein für jedwede Veränderung im Sektor verantwortlich gemacht werden, eher ist sie deren Katalysator. Tatsächlich besteht ein breiter Konsens, wonach sich der Sektor aufgrund verschiedener Dynami­ken verändert, die sich im Grunde zu drei Entwicklungssträngen zusammenfassen lassen: Die seit einiger Zeit unbefriedigende konjunkturelle Entwicklung, der be­schleunigt voranschreitende Strukturwandel und die sich verstärkende Internationa­lisierung der Branche. Mit Internationalisierung ist heute nicht mehr der klassische Auslandsbau gemeint, sondern die wechselweise Verflechtung des gesamten Produk­tionsapparates. Gingen die Unternehmen früher äußerstenfalls mit ihren Beschäftig­ten ins Ausland, um dort Aufträge abzuwickeln, so meint Internationalisierung dage­gen das Aufgreifen von verschiedenen Elementen. Dazu sind die Arbeitskräfte, Bau­stoffe, Maschinen und Produktion gleichermaßen zu zählen. Diese Entwicklungssträn­ge laufen auf dem Boden einer sich verändernden politisch-ideologischen Grundlage ab. Die deutsche Vereinigung wird daher auch schon mal als Symbol für die insge­samt veränderte geopolitische Lage genommen. Durch das Ende der Systemkonkur­renz konnten sich bereits entwickelnde neoliberale Positionen erst richtig durchsetzen (Bischoff 1997). Die meisten in Deutschland erfolgten gesetzlichen Änderungen, die im Sinne der neoliberalen Ideologie den Markt von Hemmnissen befreien sollten, fanden nach der Vereinigung statt. Weiterhin ist mit dem Wegfall der Systemgrenze die Welt insofern kleiner geworden, als damit plötzlich in direkter Nachbarschaft eine Billigregion liegt, die gerade bei arbeitsintensiven Produktionen zu einem verstärkten Standortwettbewerb führt (Gross 1992). Dies ist in der Bauwirtschaft um so augen­fälliger und sozial schwerer auszuhalten, als dass aufgrund der verkehrten Faktormo­bilität – im Baugewerbe wandern nicht die Fertigungsstätten, sondern die Beschäf­tigten – die Konfrontation unmittelbar, nämlich auf der Baustelle erlebt wird. Der Wettbewerb wird nicht vermittelt über die Entscheidung für oder gegen einen Stand­ort ausgetragen, sondern an dem einen Platz der Fertigung. Üblicherweise wird In­ternationalisierung in Etappen gefasst: Zunächst werden im Inland hergestellte Wa­ren ins Ausland exportiert, dann wird dieser Warenexport vom Kapitalexport abge­löst. Die Unternehmen investieren in ausländische Standorte, internationalisieren sich also116. Im Bausektor funktioniert dieser Mechanismus aber nicht im klassischen Sinne, wofür die verkehrte Faktormobilität verantwortlich ist. Es ist schlechterdings nicht (oder nur sehr eingeschränkt) möglich, Gebäude oder Gebäudeteile an einem beliebigen Ort zu produzieren. Bauproduktion ist Produktion für den Ort, bestenfalls für die Region. Obwohl also die Bauindustrie als nicht-stationäre (also mobile) Indus­trie (mit wandernden Fertigungsstätten) gegen die stationären Industriezweige ge­stellt wird, ist sie in dieser Logik stärker an einen vorgegebenen Standort gebunden als die stationären Industrien, nämlich an den Standort, an dem das Produkt gebaut werden soll. Deshalb ist die entstehende Konkurrenz viel unmittelbarer und auch er­lebbarer als in den stationären Industrien. Die in manchen Bereichen der Landwirt­schaft (Weinlese, Spargelernte etc.) heute ebenfalls übliche Beschäftigung von tem­porären Arbeitsimmigranten lässt sich mit den Bedingungen der Bauwirtschaft kaum vergleichen. In der Bauwirtschaft gibt es eine beachtliche Zahl von fest beschäftigten Menschen, die im Zweifelsfalle ihren Job wegen dieser direkten Konkurrenz verlieren. In den betroffenen Bereichen der Landwirtschaft gibt es so gut wie keine Festbe­schäftigung. Der allergrößte Teil der Beschäftigten wird ausschließlich für die Ernte eingestellt. Diese auf einen engen Zeitkorridor beschränkte Saisonarbeit begründet kaum ein die Subsistenz gewährleistendes Einkommen. Der Unterschied zur Bauwirt­schaft ist (zugegeben sehr allgemein argumentiert) also ein doppelter: Erstens verlie­ren diese Menschen ihren Job nicht, sondern bekommen ihn nicht wieder. Zweitens handelt es sich nicht um Vollzeit- und Vollverdienstjobs, sondern um Zuverdienste117. Am Bau ist es zudem eine Konkurrenz "Mann gegen Mann". Dies soll mit dem Begriff der verkehrten Faktormobilität zum Ausdruck gebracht werden.
Es wird sogar behauptet, die Öffnung des Bau-Arbeitsmarktes nach Osten sei der po­litische Preis für die Kontrolle der mit dem Wegfall der Systemkonkurrenz entstande­nen neuen Konfliktlinien gewesen118. Nicht zuletzt die vom "Normalitätsstandpunkt" abweichende Branchenposition bringt den Bausektor in eine Sonderrolle, die zu ei­nem Sozialprestige führt, das sowohl Beschäftigte als auch Unternehmen und Unter­nehmer diskriminiert (Voswinkel 1999). Daher ist die Rolle, die die Bauarbeitgeber und ihre Verbände in der Industrieverbandsstruktur spielen, prekär, so dass die Mög­lichkeit, "Bauernopfer" gewesen zu sein, in der Tat nicht auszuschließen ist.
Wichtig sind bei der Beurteilung der Faktoren, die möglichen veränderten Strategien zugrunde liegen, vor allem interdependierende, vielleicht sogar wechselweise bestär­kende interne und externe Elemente. Es wäre falsch, einseitig auf externe Gründe wie zum Beispiel die Internationalisierung zu verweisen, um Tendenzen in der hei­mischen Bauwirtschaft zu erklären. Auch politische Vorgaben sind dabei als externe Faktoren zu werten, weil sie von außen auf die Branche wirken und so zu Verände­rungen in der Branche führen119. Andererseits hieße es, objektiv vorhandene geopo­litische und politisch-ideologische Einflüsse zu negieren, wollte man solche Tenden­zen nur mit industriellen oder jedenfalls internen Momenten erklären. Es kommt also darauf an zu ermitteln, in welcher Beziehung die einzelnen Faktoren zueinander ste­hen (Müller-Bachmann 1998, 17, spricht von "ineinandergreifenden Entwicklungen").
Übrigens wäre es falsch, die aufgeführten Momente von Dynamik auf die Bauwirt­schaft zu beschränken. Viele der in der Bauwirtschaft sich vollziehenden Veränderun­gen sind auch in anderen Wirtschaftszweigen anzutreffen und können daher als all­gemeine Entwicklung begriffen werden. Dazu zählen beispielsweise der steigende Druck auf die Tarifverträge und die damit einhergehende verstärkte Orientierung an einzelbetrieblichen Belangen, die vertikale Entflechtung von Produktlinien in weitge­hend selbstständige Einheiten, also die Verlängerung der Marktbeziehungen in die Unternehmen hinein, der Bedeutungszuwachs der nationalstaatlichen Besonderheiten des Verwertungsprozesses, also die Bedingungen des Arbeitskräfteeinsatzes, der so­zialen, ökologischen und fiskalischen Standards usw., der durch diese Entwicklungen bedingte veränderte Zugriff auf die lebendige Arbeit im Produktionsprozess mit einer (uneinheitlichen) Aufwertung qualifizierter Facharbeit bei gleichzeitiger Abwertung routinisierter Tätigkeiten in Randbelegschaften und allgemein das Anwachsen von Disparitäten (Hochstadt, Janssen 1998, 12f; Bischoff 1997).

Hypothesen zum Strukturwandel der Baubranche




  • Die traditionellen Bauberufe, die im Rahmen der überbetrieblich organisierten Stu­fenausbildung vermittelt werden, verlieren an Gewicht: Die Bedeutung der klassi­schen Bauausführung geht zurück und damit die Abhängigkeit von Einzelaufträgen zur (bloßen) Errichtung eines Bauwerks, für die Belegschaften und Produktions­mittel vorgehalten werden müssen. Der steigende Vorfertigungsanteil ersetzt zu­nehmend die Baustellenarbeit, wenn auch bisher nur auf niedrigem Niveau. Neue Techniken und Materialien reduzieren den verbleibenden Anteil weiter. Im Rahmen der sich etablierenden internationalen Arbeitsteilung könnten diese (residualen) Tätigkeiten schließlich von ausländischen Anbietern ausgeführt werden.

  • Die Bedeutung der technischen, organisatorischen, planerischen und kaufmänni­schen Berufe, die nicht bauspezifisch sind, wächst: Inzwischen betrachten sich die großen Unternehmen des Sektors nicht mehr als Bauunternehmen im traditionel­len Sinne von Rohbauunternehmen. Schon mittelständische Unternehmen versu­chen sich über "Rückwärts- und Vorwärtsintegration" (Syben 1999b) auf eine sta­bilere und konjunkturunabhängigere Basis mit höherem Entscheidungsspielraum zu bringen. Die Tätigkeiten, für die noch bauspezifische Qualifikationen benötigt werden, werden systematisch ausgelagert und zugekauft120. Selbst frühere Schlüs­selbereiche (wie der Rohbau) werden heute nicht mehr zwangsläufig durch eigene Leute besetzt. Auch daraus folgt nicht nur eine Erhöhung der quantitativen, son­dern auch der qualitativen Bedeutung von Angestelltentätigkeiten (Stroink 1997).

  • Der Charakter und die Marktposition der Baubetriebe ändern sich: Nicht mehr die Errichtung eines anderswo erdachten und geplanten Bauwerks, sondern die Über­nahme weiterer Aufgaben und Funktionen steht im Zentrum der strategischen Ak­tivitäten. Die Wertschöpfungskette wird verlängert, indem der gesamte Planungs-, Bau- und Nutzungsprozess einschließlich Grundstücksbeschaffung, Projektent­wicklung, Finanzierung, Planung, Ausführung, Betreibung der Bauwerke usw. in die Geschäftstätigkeit einbezogen wird. Auf den einzelnen Wertschöpfungsstufen nimmt der Eigenanteil zu Gunsten der Steuerung der gesamten Wertschöpfungs­kette ab. Die Untervergabe gehört zum normalen Geschäft eines modernen Bau­unternehmens oder "Baudienstleisters" (Schütt 1996)121.

  • Die Bedeutung des klassischen Bauherrn geht zurück: Im Siedlungs- und allge­mein im Wohnungsbau, selbst im öffentlichen und auch im Wirtschaftsbau voll­zieht sich seit einiger Zeit ein Wandel weg vom Bauherrn, der für sich und zu ei­genem Gebrauch und Nutzen bauen lässt122. Immer mehr übernehmen Investoren die Bauherrenrolle, die für den Markt bauen und sich weniger für den Gebrauchs- und mehr für den Tauschwert des Produkts bzw. der Ware interessieren, zu dem bzw. der das Bauwerk dann wird (Syben 1999b)123. Die hierin engagierten Bauun­ternehmen sind in ihrem gesamten Aufgabenspektrum mit einem höheren Erfor­dernis an Professionalität, insbesondere in allen Kostenfragen konfrontiert.

Hypothesen zur Qualifikationsfrage in der Baubranche




  • Die Unternehmen werden auch durch das so genannte kostengünstige Bauen vor neue Anforderungen gestellt: Nur zu einem geringeren Teil lassen sich Preisredu­zierungen im Wohnungsbau durch niedrigere Qualitäts- und Ausstattungsstan­dards erzielen. Ein wichtigeres Moment zur Senkung der Baupreise liegt in der Op­timierung der Bauabläufe, der frühzeitigen Planungs- und Ausführungskoordinie­rung und der rationellen Erstellung von Gebäuden (Stroink, Eichener 1997). Auch mit Blick auf neue Siedlungstypen und neue Ansprüche bezüglich der Umweltver­träglichkeit von Gebäuden und der mit ihrem Betrieb entstehenden Energiekosten werden die Baufirmen so mit der Notwendigkeit konfrontiert, neue Handlungswei­sen und Qualifizierungsstrategien zu entwickeln, um dem sich verändernden Markt gewachsen zu bleiben.

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