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Die im kleinbetrieblichen Segment statistisch nachweisbare Schaffung von Arbeits­plätzen bzw. der im Vergleich zum massiven Arbeitsplatzabbau der mittleren und großen Unternehmen im Bausektor recht stabile Beschäftigungsbestand darf nicht mit individueller Arbeitsplatzsicherheit verwechselt werden. Nur per Saldo ist der Be­stand stabil, auf Betriebsebene trifft das Gegenteil zu: Nirgends ist das Risiko größer, Opfer einer Pleite zu werden als in einem Kleinbetrieb.
Eine Rationalisierungsstrategie, die die Parallelisierung von Fertigungsschritten häufig begleitet bzw. erreicht durch Auslagerung und schließliche Ausgliederung kleinerer und größerer Teile der Produktion, kann kaum von den Kleinbetrieben initiiert wer­den. Vielmehr sind sie Ergebnis der Externalisierung von Variabilität (Syben 1999b). Ihre Verwertungsposition im innersektoriellen Wettbewerb erfährt im Zuge der brei­ten Etablierung dieser Risikoauslagerung eine fortschreitende Prekarisierung. Dies wurde schon von Janssen und Richter (1983, 79) so gesehen, die in der Diskussion der von den Baubetrieben gewählten Rationalisierungsstrategien ausdrücklich zwi­schen großen und kleinen Unternehmen unterscheiden. Kleine Unternehmen sind dort vor allem Objekt der von den großen Unternehmen betriebenen Strategien.
Weder in anderen Sektoren (Manz 1993, 59f) noch in der Baubranche gibt es Indizi­en für eine besondere Innovationsfreudigkeit kleiner Betriebe. Sie benutzen seltener als größere Unternehmen neue Technologien, die am Bau ja sowieso im Vergleich zu anderen produzierenden Branchen eine eher untergeordnete Rolle spielen. Und sie unterscheiden sich nicht durch einen umfassenderen Arbeitszuschnitt von den größe­ren Einheiten, sofern diese noch eigene Beschäftigte im operativen Geschäft haben. Weil Kleinbetriebe häufig gar nicht in der Lage sind, komplexere Vorhaben selbst­ständig zu erledigen, suchen sie nicht selten ihr Ziel in der Spezialisierung auf Teil- oder Nischenmärkte. Daraus folgt aber gerade nicht die Notwendigkeit von Generalis­ten-, sondern von Spezialistenwissen. Dieses Ergebnis deckt sich mit der durchgängi­gen Auffassung der befragten Experten89. Vor allem darin liegt die besondere Kon­kurrenzsituation begründet, der sich die Kleinbetriebe der Baubranche in Deutschland mit dem Auftauchen der neuen Wettbewerber aus dem europäischen Ausland gegen­übergestellt sehen. Sie verfügen über keine spezifischen Wettbewerbsvorteile auf der qualitativen Ebene, deshalb müssen sie genau auf dem Gebiet mit den neuen Anbie­tern konkurrieren, auf dem diese kaum zu schlagen sind, nämlich dem Preis. Da sie weiterhin sehr viel stärker als die größeren Unternehmen der Branche auf die Bau­ausführung beschränkt sind, fehlt ihnen darüber hinaus die Möglichkeit, dem Wett­bewerb dadurch zu entgehen, dass sie neue Schwerpunkte setzen. Auch die trotz der sich verschärfenden Marktbedingungen nicht sehr entwickelte Bereitschaft der Eigen­tümer solcher Klein- und Kleinstbetriebe, Kooperationen mit anderen Firmen gleicher Größe einzugehen, um den Wettbewerbsnachteil gegenüber z.B. Generalunterneh­men auszugleichen, trägt ihren Teil zur fortschreitenden Prekarisierung dieser Betrie­be bei (Wassermann 1988, 1992 und 1994; allgemein: Hallerberg u.a. 1999).
Auch bezüglich neuer tariflicher Rahmenvereinbarungen fehlt den kleinen Betrieben wahrscheinlich die Möglichkeit (wenn nicht schon die Bereitschaft), sie umzusetzen. Die im Baugewerbe in den letzten Jahren neu geschaffenen Formen der Arbeitszeit­regulierung, die als Ersatz für die gesetzlichen Änderungen beim Schlechtwettergeld seit etwa Mitte der neunziger Jahre eingeführt wurden, sehen eine betrieblich flexibi­lisierte Arbeitszeit entsprechend der ökonomischen und der Witterungsbedingungen vor, die allerdings innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden muss. Es ist zumin­dest fraglich, ob eine solche betriebliche Arbeitszeitpolitik von Kleinbetrieben geleistet werden kann. Gerade die Tatsache der forcierten Kleinbetrieblichkeit, also der sich sogar verstärkenden quantitativen Dominanz kleiner und vor allem kleinster Betriebe in der Branche muss in dieser Lesart zu problematischen Entwicklungen führen, die der Branche insgesamt abträglich sind.
Diese forcierte Kleinbetrieblichkeit wird von mehreren Faktoren hervorgerufen. Prinzi­piell ist die kleinbetriebliche Struktur das Ergebnis der Regionalität der Baumärkte90, der fachlichen Spezialisierung und der geringen Skaleneffekte, aber auch der staatli­chen Vorgaben wie z.B. der Vergabepraxis. Umgekehrt ist aber die geringe Kapitalin­tensität Ursache für häufige Neugründungen von kleinen Betrieben, die dann in zwei­ter Instanz die Bedingungen ihrer Wirklichkeit schaffen91. Die seit etwa zweieinhalb Dekaden erfolgende Betonung dieser Struktur, also die beständige Erhöhung des An­teils der Kleinbetriebe ist eine Folge der veränderten Anbieterstrukturen. Die meisten der großen Unternehmen der Branche haben in den letzten Jahren ihre Wertschöp­fungsketten systematisch verlängert und treten heute als Generalunternehmen oder Baudienstleister auf. Im Zuge dieser Geschäftspolitik haben sie einerseits ihre Posi­tion in der gesamten Bauabwicklung gestärkt, sie sind heute nicht mehr nur Bauaus­führer, sondern von der Projektplanung und -entwicklung bis über die Abnahme hin­aus zur Betreibung des Bauwerks an dessen gesamter Nutzungsdauer (und damit am System Bauwirtschaft; Arlt 1997) beteiligt, andererseits aber ihre Beteiligung an den einzelnen Wertschöpfungsschritten reduziert und dabei insbesondere die ausführen­den Tätigkeiten ausgelagert. Sie haben also die Verlängerung der Wertschöpfungs­kette mit der Reduzierung der Fertigungstiefe organisiert. Als Ergebnis dieser Strate­gie sind die Kleinbetriebe in die Rolle nachgeordneter Subunternehmen geraten mit kleiner gewordenen dispositiven Spielräumen. Bestandteil dieser Entwicklung ist die Entstehung hierarchischer Abnehmer-Zuliefererstrukturen, die bei der früher üblichen gewerkeweisen Vergabe (z.B. nach VOB – auf Grundlage der HWO) keineswegs Teil der Arbeitsteilung innerhalb der Branche waren.
Weil die großen Unternehmen in dem Maße, in dem sie versuchen, ihre Verwertungs­bedingungen zu verbessern, sich also unabhängiger zu machen von den branchenty­pischen konjunkturellen Schwankungen (die größer und auch ungleichmäßiger sind als im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt), Tätigkeiten systematisch auslagern, wächst die quantitative Bedeutung kleiner Betriebe bei dennoch voranschreitendem Rückgang ihrer qualitativen Bedeutung, d.h. ihrer Möglichkeit, den Gesamtprozess zu beeinflussen. Dies drückt sich deutlich im zunehmenden Anteil der auf Lohnarbeiten entfallenden Kosten aus. Seit Mitte der siebziger Jahre hat sich dieser Anteil mehr als verdoppelt und je größer ein Unternehmen, desto größer ist er. Schon bei Unterneh­men ab 200 Beschäftigten ist er höher als der auf (eigene) Personalkosten entfallen­de Anteil. Im Durchschnitt der Branche entfallen heute über 30 vH (gegenüber 1975 mit nur 13 vH) auf Lohnarbeiten. Das europäische Ausland zeigt, dass dies noch lan­ge nicht das Ende der Entwicklung ist. In Großbritannien und auch in Frankreich z.B. ist der jeweilige Anteil erheblich höher.
Mit der voranschreitenden Verringerung der Betriebsgrößen und der so erfolgenden Betonung der kleinbetrieblichen Struktur des Bausektors werden aber die sowieso vorhandenen Restriktionen reproduziert und sogar verschärft. Ganz gleich, ob die im Atkins-Report gemachte, oben zitierte Analyse der Wirklichkeit entspricht oder ob sie Teil der fordistischen Normalitätsfiktion (Voswinkel, Lücking 1996) ist, es wird deut­lich, dass entweder tatsächlich oder eben ideologisch die Reputation kleiner Betriebe und des Baugewerbes schlecht ist. Mit der skizzierten Entwicklung, die einerseits ge­prägt ist vom quantitativen Bedeutungsgewinn kleiner Betriebe im Baugewerbe und andererseits von der zurückgehenden Attraktivität des Baugewerbes aufgrund der sich verändernden biografischen und soziokulturellen Strukturen, verliert der Bausek­tor doppelt an Wettbewerbsfähigkeit beim Kampf um die besten Arbeitskräfte bzw. um Arbeitskräfte überhaupt. So heißt es bei Atkins weiter: "Um die Probleme, Quali­tät, die Produktivität und das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern, muß die Bau­wirtschaft ausgebildete Arbeitskräfte anziehen und halten können. Die Einstellung junger, qualifizierter Arbeitskräfte, insbesondere für Baustellenarbeiten, wird immer schwieriger. Die Arbeit auf Baustellen gilt meist als schlecht bezahlt, gefährlich, ge­sundheitsgefährdend, hart und unattraktiv, die Sicherheit am Arbeitsplatz als mangel­haft und die Arbeitszeit als unregelmäßig ... Man geht davon aus, daß Bauarbeiter heute schlechter ausgebildet sind als frühere Generationen, weil es so viele ungelern­te ausländische Arbeiter und Gelegenheitsarbeiter gibt, die unter Tarif bezahlt wer­den und von Ausgaben für Ausbildung und Facharbeiter abhalten. Da gleichzeitig die Arbeit in der Bauwirtschaft für gut ausgebildete Schulabgänger weniger attraktiv ist als eine Beschäftigung in der Fertigungsindustrie oder im Dienstleistungsbereich, ist das allgemeine Ausbildungsniveau zurückgegangen" (Kommission ... 1993, 22f).
Hier wird in Ansätzen eine reduktive Spirale gezeichnet, die sich speist aus den hier bereits entwickelten Restriktionen und den im Resultat an Bedeutung gewinnenden alternativen Handlungsstrategien. Die Bauwirtschaft manövriert sich auf diese Weise in eine Lage, in der sie schließlich gar nicht mehr anders kann als auf billige ausländi­sche Arbeitnehmer zurückzugreifen bei gleichzeitigem völligen Verzicht auf alle lang- und auch mittelfristig erst wirkenden Investitionen, wozu in erster Linie die Ausbil­dung von Fachkräften zählt.
Es zeigt sich also, dass es eine durchaus widersprüchliche Situation gibt: Einerseits war in der Vergangenheit gerade die kleinbetriebliche Struktur Anlass, dem Bauge­werbe den Stempel der Rückständigkeit aufzudrücken. Andererseits hat sich die Re­putation kleiner Betriebe zwar nicht verbessert, aber die Hoffnungen, sie könnten der Schlüssel zur Lösung des allgemeinen Arbeitsmarktproblems sein, sind gestiegen und werden von der Politik in Programme umgesetzt, die tatsächlich pekuniär oder ideo­logisch die Neugründung von Kleinbetrieben befördern sollen. Einerseits ist die Rück­ständigkeit kleiner Betriebe zu einem gewissen Teil Ergebnis des Postulats der Rück­ständigkeit, andererseits führt die erlebte Defizienz der Arbeitsbedingungen in diesen Kleinbetrieben zur Bestätigung und Fortschreibung ihrer Stigmatisierung. Einerseits findet Beschäftigungsexpansion im Baugewerbe seit einiger Zeit nur noch in den ganz kleinen Betrieben statt, andererseits ist dies weniger Ausdruck einer kleinbe­trieblichen sich selbst schaffenden Dynamik, sondern sehr viel mehr Ergebnis der Po­litik, die von den großen Unternehmen der Branche betrieben wird. Einerseits gelten Kleinbetriebe heute wieder als humane, weil überschaubare Gebilde, andererseits hat diese Position wenig zu tun mit der kleinbetrieblichen Realität, die eher von autoritä­ren als von kollegialen Strukturen geprägt ist. Diese Aufzählung ließe sich noch fort­setzen. Als Ergebnis kann sicher festgehalten werden, dass die Behauptung der ge­nerellen Rückständigkeit des Bausektors genauso wenig aufrecht erhalten werden kann wie die Behauptung, Kleinbetriebe seien das Modell der Zukunft. Weiterhin re­sultiert aus der kleinbetrieblichen Struktur des Baugewerbes in Verbindung mit der traditionellen Beschäftigungs- und Arbeitsweise sowie der medial transportierten Re­putation ein ganz erhebliches Problem bei der Rekrutierung geeigneter Arbeitskräfte, so dass die Branche immer häufiger Menschen beschäftigen muss, die dort landen, weil sie woanders nicht landen konnten. Dies lässt sich sicher nicht auf die kleinbe­triebliche Struktur allein zurückführen, aber sie trägt einen guten Teil dazu bei.

3.5 Phasen der sektoriellen Entwicklung


In den zurückgelegten Abschnitten dieses Kapitels klangen die verschiedenen Ten­denzen bereits an, von denen der Bausektor seit einiger Zeit geprägt wird. Bevor die wichtigsten näher behandelt werden, soll zunächst die Entwicklung dorthin skizziert werden. Damit soll auch dem möglichen Missverständnis entgegengewirkt werden, bei den gegenwärtigen Veränderungen handele es sich um etwas Einmaliges oder Neues. Beides wäre vollkommen falsch, denn es ist ein wesentliches Merkmal der konkurrenzvermittelten Warenproduktion, dass nicht nur die konkreten technischen und organisatorischen Verfahrensweisen, sondern das gesamte fundierende und auf­bauende Arrangement und damit die gesellschaftlichen Produktionsbedingungen be­ständig verändert werden92. Die beliebte Rede vom Strukturwandel impliziert ja die Vorstellung, gerade jetzt sei ein bemerkenswerter, sich von früheren Epochen unter­scheidender Prozess im Gange93. Tatsächlich drückt sich darin weniger der Struktur­wandel selbst als die Illusion über den Strukturwandel aus. Aber so wenig die Bau­branche rückständig ist, nur weil dauernd behauptet wird, sie sei rückständig, so we­nig muss ein Strukturwandel gleich nachweisbar sein, bloß weil alle Welt ihn behaup­tet. Allein, die gesellschaftlichen und damit eben faktischen Folgen einer solchen ideologischen Interpretation sind enorm, denn so wird reziprok bestätigt, was be­hauptet wurde. Die Ideologie schafft sich ihre Fakten. Dieser Zusammenhang wird aber erst an späterer Stelle eingehender untersucht, nun sollen die verschiedenen gegeneinander abgrenzbaren Phasen der sektoriellen Entwicklung in den vergange­nen Jahrzehnten skizziert und schließlich die aktuellen Veränderungen und Überle­gungen dargestellt werden, um die Gesamtdynamik aufzuzeigen, die den Bausektor prägt – und dies nicht erst seit neuerem, sondern wie jede andere Branche zu jedem Moment ihrer kapitalistischen Konstruktion94.
Obwohl die Verwendung des Begriffs Bereitstellungsgewerbe95 vollständig geläufig ist und die vorliegende Literatur zur Baubranche kaum ohne ihn auskommt, ist doch so gut wie nie auch nur der Versuch zu finden, ihn trennscharf und präzise zu fassen. Regelmäßig dient er der Schlaglichtbeschreibung der Branche. Er ist also kompakter Ausdruck des Versuchs, die Besonderheiten der Baubranche gegenüber den aller­meisten anderen Branchen abzugrenzen. Bei Pahl u.a. (1995, 14) findet sich die fol­gende Begriffsbestimmung: "Das Bauunternehmen ist ... die letzte Instanz in einer Entscheidungskette, in der alle relevanten Entscheidungen ohne sein Zutun bereits gefallen sind, von ihm aber beachtet werden müssen. Für alle diese Fälle muß es sei­ne Produktionskapazitäten vorhalten und zwar auch dann wenn es überhaupt nicht weiß, ob, wann und für welches wie geartete Bauwerk es einen Auftrag bekommen wird. Aus diesem Grunde wird es auch als Bereitstellungsgewerbe bezeichnet. Diese Situation des Unternehmens bildet sich in der Unternehmensstruktur, in der Organi­sationsstruktur des Fertigungsprozesses und in der Arbeitskräftestruktur ab."
Das Dilemma des Baugewerbes kulminiert also in seiner Rolle als Bereitstellungsge­werbe. Die derzeitigen Versuche, neue Konzepte zu finden, setzen an der Überwin­dung dieser Rolle an. Sie werden im nächsten Abschnitt behandelt. Jedoch ist diese derzeitige Entwicklung erstens nicht vom Himmel gefallen und zweitens keine prinzi­pielle Außergewöhnlichkeit.

3.5.1 Ein kurzer Blick in die Vergangenheit


Deshalb sollen zunächst die Entwicklungsetappen seit dem Ende des zweiten Welt­kriegs dargestellt werden96. Im Wesentlichen folgt diese Darstellung dem von Syben (z.B. 1987, 674ff; 1991 und 1997b; siehe auch: Stroink 1997, 61f) entwickelten Pha­senmodell; er skizziert damit eindrucksvoll die verschiedenen Etappen der Rationali­sierung im Baugewerbe in dieser Zeit97. Danach war das typische Rationalisierungs­muster des westdeutschen Bausektors bis zur ersten krisenhaften Unterbrechung des Nachkriegsbooms in den sechziger Jahren (erste Phase: Aufbau der Mechanisierung) durch einen raschen Aufbau des Gerätebestandes zur Mechanisierung der Transporte auf der Baustelle geprägt. Vorwiegend waren eindimensionale Transportmaschinen, also z.B. Winden, Bauaufzüge oder Förderbänder. Parallel etablierte sich bereits die maschinelle Betonherstellung auf der Baustelle. Insgesamt war diese erste Phase von einer weitgehenden Bestätigung der handwerklichen Produktion geprägt, d.h. zu die­sem Zeitpunkt fanden noch keine Veränderungen statt, die zu weiteren Konsequen­zen größeren Ausmaßes im Arbeitsablauf und in der Arbeitsteilung auf der Baustelle geführt hätten. Von etwa Mitte der sechziger bis ungefähr Mitte der siebziger Jahre (dem Zeitpunkt der ersten ernsthaften Branchenkrise) wurden die Geräte und Ma­schinen insgesamt größer und kompakter und sie verfügten über mehr Funktionen (zweite Phase: Strukturwandel der Mechanisierung). Dieses Wachsen der Maschinen passte gut zusammen mit dem Wachsen der Objekte, wurden doch genau in jener Zeit die oben bereits angerissenen Versuche unternommen, die Bauwirtschaft zu in­dustrialisieren. Die Errichtung der meisten Großsiedlungen mit einem bereits hohen Anteil standardisierter Elemente datiert auf diese Zeit. Diese zweite Phase lässt sich ihrerseits wiederum in zwei Unterphasen aufteilen. In den ersten Jahren wuchs näm­lich zunächst die Zahl der größeren Betonmischanlagen, mit denen der Beton weiter­hin auf der Baustelle hergestellt wurde. Doch schon bald ging die Anzahl dieser Ge­räte und Anlagen wieder zurück; dafür nahm die Zahl der Transportmischer stark zu. In diese Zeit fallen also erste Versuche, Teile der Produktion auszulagern. Dies betraf damals hauptsächlich die Betonherstellung, die jetzt in stationären Betonwerken er­folgte und nicht mehr wie bis dahin auch bei großen Projekten üblich, am Ort der Verwendung des Betons, also auf der jeweiligen Baustelle. Auch erste zaghafte Ver­suche, klar abzugrenzende Teilleistungen auszulagern und schließlich ganz aus dem Betrieb auszugliedern, fanden in dieser Zeit statt. Für den Transport auf der Baustelle wurden immer weniger eindimensionale Maschinen eingesetzt, dafür setzten sich mehr und mehr multifunktionale und mehrdimensionale Geräte durch. Der Turm­drehkran erlebte in dieser Zeit seinen ersten großen Aufschwung, auch Auto- und Mobilkräne wurden immer häufiger eingesetzt98. Ungefähr mit dem Höhepunkt der Baukrise 1974 beginnt die Zahl der meisten Gerätearten zurückzugehen (dritte Pha­se: kombinierter Strukturwandel und Kapazitätsabbau). Allein die verschiedenen Kranarten bilden eine Ausnahme. Syben (1987, 676) erklärt diese Phase erstens mit der Veränderung der Produktstruktur, worunter er den Rückgang der technikintensi­ven Großbauten und die Zunahme des Bauens im Bestand (Sanierung, Modernisie­rung) fasst. Zweitens macht er einen allgemeinen Kapazitätsabbau infolge zurückge­hender Bautätigkeit geltend. Der Strukturwandel drittens hört keineswegs auf, son­dern setzt sich in einer noch immer stattfindenden Erhöhung der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Geräte fort. Und viertens schließlich werden zunehmend Produkti­onsvorgänge ausgelagert; insbesondere führt die Verlagerung auf Betriebe, die nicht zum Baugewerbe gehören (also z.B. Transportunternehmen), zur Nichterfassung der jeweiligen Tätigkeit und natürlich des dafür eingesetzten Gerätes in der Baustatistik.
Ohne dass gesagt werden könnte, die dritte Phase sei abgeschlossen (noch immer wirken die zum konstatierten Strukturwandel und zum Kapazitätsabbau beitragenden Faktoren weiter), muss doch der Eintritt in eine neue Phase seit etwa dem Ende der achtziger Jahre, dem Beginn der bis heute letzten Boomphase, konstatiert werden, die sich als Phase der Reorganisation (Hochstadt u.a. 1999, 124) charakterisieren lässt. Zwar kann keine wesentliche Veränderung bzw. kein Bruch in der Entwicklung der technischen Ausstattung nachgewiesen werden99, aber seit dieser Zeit finden vermehrt Versuche statt, Arbeitsschritte zu parallelisieren, d.h. durch organisatori­sche Neuordnungen den Produktionsprozess zu rationalisieren. Diese Phase dauert bis heute an und wird im nächsten Abschnitt eingehend diskutiert.
Alle eben referierten Phasen sind unmittelbar verknüpft mit einer spezifischen Quali­fikationsstruktur, d.h. in jeder Phase wurden bestimmte Fähigkeiten der Baustellen­beschäftigten nachgefragt bzw. haben sich spezifische von den anderen Phasen un­terscheidbare Muster herausgebildet100. Ebenso korrelieren mit diesen Phasen auch spezifische Organisationsstrukturen. So war die erste Phase sehr stark durch die Er­setzung einfacher Hilfsfunktionen geprägt. Trotzdem sind in dieser Zeit sowohl einfa­che als auch komplexe Tätigkeiten neu entstanden, so dass ein bemerkenswerter Be­schäftigungszuwachs sowohl bei den Facharbeitern als auch bei den Werkern und Fachwerkern stattgefunden hat. Am stärksten war das Wachstum der Baumaschinen­führer, was mit dem starken Aufbau eben des Maschinenbestandes begründet ist. "Die in dieser Phase eingesetzten Geräte vermindern oder ersetzen durchweg einfa­che Hilfsfunktionen wie Schaufeln, Heben, Tragen o.ä. Zu ihrer Nutzung aber erfor­dern sie zum Teil wiederum einfache Arbeit ohne besondere Vorkenntnisse oder An­lernzeit, zum Teil entstehen komplexere Maschinenbedienungsfunktionen" (Syben 1987, 674). Allerdings ist der Zuwachs bei den Facharbeitern nicht allein mit der ge­stiegenen Zahl der zu dieser Gruppe zählenden Baumaschinenführer zu erklären; an­dere Aspekte müssen ebenfalls zur Betonung der Facharbeit beigetragen haben. Als möglicher Aspekt kann die Etablierung eines auf Facharbeit setzenden Produktions­konzepts genannt werden. War Bauarbeit lange Zeit einfache auf natürlichen oder traditionellen Faktoren wie Muskelkraft und Fleiß beruhende Arbeit, so hat sich in der Zeit bis zur ersten Branchenkrise in den sechziger Jahren ein anderes Konzept durch­gesetzt, das sehr viel mehr auf Facharbeit aufbaute101. Der Vergleich mit anderen Branchen zeigt, dass dies keineswegs eine gängige Entwicklung war; im Gegenteil beschritt die Bauwirtschaft damit einen eigenen Weg, der wiederum verweist auf die­se Strategie fundierende besondere Produktionsbedingungen.
Die ersten Auslagerungen, die in der zweiten Phase beginnen, haben vor allem Aus­wirkungen auf die Arbeitsorganisation auf der Baustelle. War vorher, als alle Arbeiten zur Errichtung des Bauwerks am Ort des zu errichtenden Bauwerks, also auf der Bau­stelle erledigt wurden, keine explizite Arbeitsorganisation erforderlich, weil sowieso "alle da waren" und aufgrund der noch wenig vorangeschrittenen Spezialisierung (ein Spezifikum, das noch heute bzw. heute wieder zumindest für einen Teil der Baustel­lenbelegschaft zutrifft)102 entsprechend verfügbar waren für alle etwaigen anfallen­den Arbeiten, so ist nach der Ausgliederung beispielsweise der Betonherstellung ge­nau dieses jetzt notwendig. Der Zeitpunkt des Einbringens des Betons diktiert den Ablauf der Baustelle. Nun muss geplant werden, was vorher naturwüchsig funktio­nierte. In dieser Phase wurden schon erkennbar weniger un- und angelernte Arbeiter nachgefragt. Baustellenarbeit begann jetzt endgültig zur Facharbeit zu werden. Auch die Maschinen wurden von Facharbeitern oder qualifizierten Maschinenführern be­dient. Anders als in der stationären Industrie, in der sich in dieser Zeit das tayloristi­sche Prinzip der Unterordnung unter die Funktion der Maschine umfassend durch­setzte, muss am Bau noch immer eher von Maschinenführung statt von Maschinen­bedienung gesprochen werden. "Für die Nutzung der Geräte aber reichte einfache Arbeit nicht mehr aus, so daß mehr und mehr Maschinenführertätigkeiten entstanden sind, die Facharbeitereinsatz zur Folge haben" (Syben 1987, 675). Dies betont noch­mals das Besondere im Verhältnis Mensch und Maschine im Bausektor. Der Einsatz von komplexer werdenden Geräten und Maschinen hat hier eben nicht zu dequalifi­zierenden Tendenzen wie in den fordistischen Leitbranchen geführt103, sondern im Gegenteil eine – in den Lohngruppenbesetzungen und im Anteil der formal qualifi­zierten Facharbeiter ablesbaren – spürbare Erhöhung des durchschnittlichen Qualifi­kationsniveaus hervorgebracht104.

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