Die Kongregation der Schwestern


Die ersten Statuten. Allmähliche Ausbreitung



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Die ersten Statuten. Allmähliche Ausbreitung.

Die Feuerprobe im Cholerajahr 1854.

Die Erfahrung mußte lehren, ob sich die von der Stifterin und Pfarrer Reichard vor der Gründung des Werkes aufgestellten Konstitutionen bewähren würden. Es zeigte sich, daß nur wenig geändert werden mußte. Der Straßburger Domkapitular Doffner wurde im Jahre 1851 von Räß noch einmal mit der Durchsicht beauftragt. Sie wurden dann, nachdem sie hinlänglich erprobt waren, im Jahre 1855 zum Druck vervielfältigt 36). Zu den früheren Patronen der Genossenschaft, dem hl. Al­phons und der hl. Theresia, wurde jetzt der hl. Joseph, dessen schützende Hand so oft sich wirksam erzeigt hatte, gesellt und sein Fest als ein Hauptfeiertag angeordnet. Die praktischen Ziele der Genossenschaft waren nun noch bestimmter hervorgetreten. Demgemäß lautet das erste Kapitel der Satzungen:

"Die Ausübung folgender Werke der Barmherzigkeit um Jesu willen sind der Zweck der Kongregation:

1. Die Schwestern der Kongregation verpflegen die kranken Armen in ihren eigenen Wohnungen. Sie lassen sich angelegen sein, ihnen eine zweckmäßige Nahrung, die betreffenden Arzneimittel und die nötige Bett- und Leibwäsche zu verschaffen.

2. Sie verpflegen die Kranken aller übrigen Stände, welche ihre Hilfe verlangen. (Ein Zusatz bemerkt, daß die armen Kranken bei Mangel an Schwestern vorzuziehen sind.)

3. Die kranken Armen, die kränklichen alten Greise und alten Weiber, die verlassen und ohne Obdach sind, nehmen sie womöglich in ihr Haus auf. In den Städten und Ortschaften, wo die rühmlichst bekannten "Kleinen Schwestern" bestehen, werden die armen Greise und die alten Weiber der Obsorge dieser frommen Frauen überlassen.

4. Sie nehmen arme, verlassene Kinder auf und sorgen für sie, bis sie in der Religion genugsam unterrichtet sind und ihre erste heilige Kommunion gemacht haben.

5. Sie unterstützen die Hausarmen durch Kleidung, Nahrung, wo notwendig und tunlich an Geld.

6. Die armen Kinder, welche die Schule regelmäßig besuchen, nähren und kleiden sie nach dem Maße ihres Vermögens.

7. Sie halten eine Arbeitsschule, in welche sie den jungen Mädchen in Handarbeiten, wie im Stricken, Nähen usw. Unterricht erteilen. Sie sind ebenfalls verpflichtet, geistliche Werke der Barmherzigkeit zu üben, so oft sich ihnen die Gelegenheit darbietet. Sie werden daher an den Orten, wo sie ihre Wohltätigkeitsanstalten besitzen, in denselben an Sonn- und Feiertagen die Jungfrauen versammeln, ihnen Grundsätze der Frömmigkeit beibringen und sie zur Übung jungfräulicher Tugenden anleiten und ermutigen. Doch darf dieses nur auf das Begehren der betreffenden hochwürdigen Geistlichkeit und unter deren Leitung geschehen.

8. In den Orten, wo es gänzlich an Mitteln fehlt, einen Lehrer oder eine Lehrerin zu besolden, können die Schwestern eine Armenschule halten, mit Erlaubnis der Unterrichtsbehörde.

9. Die Schwestern werden in Ausübung all dieser Werke der Barmherzigkeit die Ehre Gottes und das Heil der Seelen als ersten und Hauptzweck immer im Auge haben.

Jedoch ist hier zu bemerken, daß diese Werke der Barmherzigkeit nur insofern von den Schwestern können in Ausübung gebracht werden, als sie von den wohltätigen Personen des Ortes oder der Umgebung hinsichtlich der nötigen Hilfsmittel und des Lokals unterstützt werden."

Das zweite und das dritte Kapitel handeln über die Absicht bei Erfüllung dieses Zweckes und den Geist der Kongregation, Punkte, die wir oben schon berührt haben. Das vierte enthält die Satzungen, welche das religiöse und klösterliche Leben genau regeln: die Übungen der Frömmigkeit; Verhaltensmaßregeln der Schwestern in Betreff der Armut, der Sparsamkeit, der Ordnung, der Reinlichkeit an sich selbst und in ihrem Hause; das Verhalten der Schwestern unter sich und gegenüber weltlichen Personen; den Verkehr mit den Kranken, Bestimmungen über besondere Verhältnisse usw.

Aus den Bestimmungen, welche die Bedienung der Kranken betreffen und von der Weisheit und Klugheit der Stifterin zeugen, heben wir hervor: Im Hause des Kranken sollen die Schwestern das Stillschweigen beobachten und nur das Allernötigste reden. "Während dieses Stillschweigens sollen sie in sich gekehrt sein und betrachten, wie sie im Kranken die Person Jesu Christi jetzt bedienen wollen, um Erleuchtung und Einsicht flehen, wie sie während der Bedienung des Körpers auch der Seele, die von ihm um einen so teuren Preis erkauft worden, können zu Hilfe kommen; den Herrn bitten, daß er die Pflege, die sie am Kranken üben werden, so segnen wolle, damit sie zum Heile seiner Seele gereiche." Mit Liebe und Sanftmut erkundigen sie sich bei dem Kranken nach seinem Leiden und bezeigen ihm viele Teilnahme. Die Zeit, die nicht für die Bedienung der Kranken verwendet wird, ist dem Gebete oder irgendeiner nützlichen Arbeit für die Armen oder dem Ordnen des Krankenzimmers zu widmen. Die Schwestern sollen in Gegenwart der Schwerkranken keine wenig erbaulichen Gespräche dulden. Nach der Rückkehr ins Schwesternhaus begeben sie sich vor allem in die Kapelle oder in das Betzimmer, werfen sich auf die Knie nieder, bitten Gott um Erleuchtung und Mut, damit sie über alles, was sich während der Krankenbesorgung zugetragen hat, ihrer Oberin genaue Nachricht geben können. Nur dieser, sonst niemand dürfen sie über Krankheit, Arzt und sonstige Verhältnisse des Kranken reden. Sie dürfen sich auch um die Wahl des Arztes nicht kümmern. Reinlichkeit, Ordnung und Pünktlichkeit in Bedienung der Kranken ist strenge Pflicht.

Man begreift, daß Ordenspersonen, die in solchem Geiste sich dem Dienste der Leidenden widmen, von Anfang an von allen denen, welche sie nicht aus falschen Berichten kannten, sondern selbst am Werke sahen, aufs höchste geachtet und verehrt wurden. Diesen Geist den Mitgliedern der Genossenschaft einzupflanzen, war die ständige Sorge der Stifterin. Ihre Unterrichte entsprangen der Fülle ihres ganz für den Ordensberuf schlagenden Herzens. Ihr stand seit der ersten Zeit eine treffliche Novizenmeisterin in der Person der Schwester Marie Joseph zur Seite, die ihr schweres Amt mit ebensoviel Eifer als Erfolg versah. In Abwesenheit der Stifterin führte Schwester Marie Joseph die Aufsicht. "Sie läßt nicht das Geringste durchgehen, überall schafft sie Ordnung", schreibt der Superior an die ehrwürdige Mutter am 14. März 1854. Der schon erwähnte P. Amhard rühmt ihre Offenheit und kindliche Einfalt 37). Der Novizenmeisterin ist ihr Amt nicht immer leicht geworden. Unter den Bewerberinnen, die sich in großer Zahl meldeten, befanden sich manche im vorgerückten Alter, denen es schwer fiel, sich der klösterlichen Regel in allem zu fügen. Das stete Bedürfnis nach Schwestern infolge der überaus schnellen Verbreitung ließ die Oberin mitunter zu rasch Kandidatinnen aufnehmen, die dem neuen Leben nicht gewachsen waren. Auch war, das darf nicht verschwiegen werden, anfangs die Ausbildung des Personals zu schnell vor sich gegangen, so daß es an unliebsamen Erfahrungen nicht fehlte. Aber in welchem Werke, das sich aus Menschen zusammensetzt, sind solche ausgeschlossen? Um den vielen von auswärts gestellten Anforderungen zu genügen, wurden sehr oft Novizinnen als Schwestern auf die auswärtigen Stationen geschickt, und es kam vor, daß solche erst nach Jahren Profeß machten. Erst später wurde ein für allemal festgesetzt, daß die Kandidatinnen ein sechsmonatiges Postulat und ein einjähriges Noviziat im Mutterhause vollendeten, ehe sie zur Gelübdeablegung zugelassen wurden.

Anfangs waren auch zwei Klassen von Schwestern vorhanden: die einen für die Krankenpflege, die andern für gröbere, häusliche Arbeiten bestimmt, sog. Konversschwestern. Weil aber dieses Institut in der Folgezeit gewisse Mißstände zeitigte, indem der gemeinsame Ordensgeist darunter litt, da manche sich zurückgesetzt fühlten, und andere, weniger erleuchtete Geister sich über die Konversschwestern erhaben dünken konnten, verschwanden im Jahre 1872 die Konversschwestern aus der Genossenschaft.

Wir haben im vorigen Kapitel die ersten Liebeswerke erwähnt, mit denen die entstehende Genossenschaft noch im Jahre 1849 sich gewissermaßen schüchtern an die Öffentlichkeit wagte. Niederbronn und die nächste Umgebung mußten naturgemäß den ersten Wirkungskreis abgeben. Es galt hier, zunächst alle Vorurteile zu überwinden und durch stilles Wirken die Stimmen des Spottes zum Schweigen zu bringen. Am 28. März 1850, am Gründonnerstag, ließ das Kloster eine Mahlzeit bereiten für die zwölf ältesten Greise von Niederbronn. Der Superior und sein Vikar Lienhard, die ehrwürdige Mutter und einige Schwestern leisteten ihnen Gesellschaft. Am 8. April sodann wurde die erste Niederlassung außerhalb Niederbronn gegründet, im nahen Reichshofen, auf Bitten des Herrn v. Bussierre. Bischof Räß hatte den weisen Rat gegeben, die ersten auswärtigen Stationen in nicht zu weiter Entfernung von dem Mutterhause anzulegen, so daß man die Schwestern noch überwachen und sie stets versetzen könne, wenn es not täte. Diese Maßregel erwies sich für die ersten Jahre als sehr ersprießlich, denn ehe man an Ausbreitung in entfernten Gegenden denken konnte, mußte sich die innere Organisation der Genossenschaft festigen und bewähren. Darum ging man in den ersten Jahren nur ausnahmsweise an Stationsgründungen in fremden Diözesen, und Superior Reichard sprach nur im Sinne des Bischofs Räß, als er diesem mitteilte 38), daß man vor allem an die Bedürfnisse der eigenen Diözese denken müsse.

Das geschah denn auch in ausgiebiger Weise. Nach Reichshofen folgte sogleich die Entsendung von Schwestern nach Brumath (24. April 1850), Mommenheim (13. Juni), Andlau (6. August), Hochfelden (Oktober), Hagenau (16. Dezember), Wasselnheim (19. Dezember), Neunhofen (27. Dezember); hier wurde der Grund gelegt zu einem Hause für verwahrloste Kinder, das später nach Niederbronn verlegt wurde. So waren im zweiten Jahre des Bestehens schon acht Niederlassungen, alle zum Teil in nicht zu großer Entfernung vom Mutterhause, gegründet worden. Die Stifterin begleitete die Schwestern selbst auf den neuen Posten. Im folgenden Jahre errichtete das Mutterhaus die Stationen zu Mariental (12. Juli), Gerstheim (15. September), Straßburg (Oktober, zwei Stationen), Zabern (18. November), Jägertal und Wasenberg (November). Diese beiden letztgenannten Stationen, in den Wäldern bei Niederbronn gelegen, waren eine wahre Wohltat für die arme Gebirgsbevölkerung, welcher der Vikar Lienhard aus eigenen Mitteln Kapellen zur gelegentlichen Abhaltung des Gottesdienstes herstellen ließ. Während des Winters 1851/52 ernährte das Kloster gegen 300 Arme und Kinder zu Niederbronn, Wasenberg und Neunhofen.

Im Jahre 1852 erfolgten Niederlassungen zu Örmingen im Unterelsaß (17. April) und zu Kientzheim (17. Mai), Geberschweier, Kolmar, La Chapelle, Altkirch im Oberelsaß. Nach Allerheiligen konnte Schwester M. Alphons die erste Kolonie auf deutschem Gebiete gründen: zu Speyer in der Rheinpfalz. Im Elsaß wurden in diesem Jahr noch Stationen zu Rappoltsweiler, Markirch und Mülhausen errichtet. Am Schlusse des Jahres 1852 belief sich der Personalbestand der Genossenschaft auf 153 Personen.



Angesichts der vielen Gegner, welche die junge Kongregation hatte, mußte die allgemeine Anerkennung, welche die Schwestern an allen Orten ihrer Wirksamkeit fanden, im Mutterhause ungemein tröstlich wirken. Keiner freute sich mehr darüber als der Bischof selbst, der seinen mächtigen Einfluß überall geltend machte zugunsten des Werkes, das ihm so am Herzen lag. Mitunter veranlaßte er selbst die Berufung von Schwestern, oder er verschaffte ihnen Vorteile, wie ermäßigte Fahrpreise auf der Bahnstrecke Straßburg - Basel 39). Um die staatliche Anerkennung allmählich in die Wege zu leiten, ließ er in allen Gemeinden, in denen die Schwestern Niederlassungen hatten, amtliche Berichte über ihre Tätigkeit einfordern. Alle diese Berichte, meist im Dezember 1852 oder im Januar 1853 abgefaßt, sprechen durchweg in den Tönen höchsten Lobes von dem Wirken der Töchter von Niederbronn; Pfarrer, Ärzte, Gemeindebehörden beeilten sich, ihre Zeugnisse zugunsten der mancherorts mit Mißtrauen betrachteten Genossenschaft abzugeben 40). Namentlich in jenen Orten, die keine Krankenhäuser besaßen, wurde die Anwesenheit dieser frommen, bescheidenen und geduldigen Krankenpflegerinnen mit Freude begrüßt. Die offiziellen, sog. Wohltätigkeitsbureaus (Bureaux de Bienfaisance) betrauten vielfach die Schwestern mit der Armenfürsorge; Vinzenzvereine stellten sie in ihren Dienst; die private Wohltätigkeit benutzte sie als Verwalterinnen ihrer Liebesgaben, und still und unermüdlich walteten die Niederbronner Töchter ihres Amtes und errangen sich schnell die Achtung und Sympathie nicht bloß der Katholiken, sondern auch der Andersgläubigen, denn ihre Liebesdienste erstreckten sich auf alle Notleidenden und Unglücklichen ohne Unterschied des Bekenntnisses. Ihre Fürsorge für verwahrloste und bettelnde Schulkinder, die Sorgfalt, mit der sie sich in den Städten der heranwachsenden weiblichen Jugend annahmen, die Pflege verlassener Greise und alter Frauen wurde überall als eine große soziale Wohltat begrüßt. Für die Armenpflege erwiesen sich diese Schwestern an den meisten Orten geradezu als eine Notwendigkeit. Die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts durch die vom französischen Gesetz vorgeschriebenen Wohltätigkeitsbureaus geregelte öffentliche Armenpflege hatte im Laufe der Zeit zu kläglichen Resultaten geführt; dies mußte im Jahre 1854 die Präfekturverwaltung des Unterelsaß selbst zugeben 41). Bei diesem Mißerfolg der staatlichen und gemeindlichen Wohltätigkeitspflege kamen die Schwestern wie gerufen. Freudig versichern - um aus den vielen Berichten einige Beispiele herauszugreifen - Bürgermeister und Rat von Hochfelden 42), daß die Schwestern die besten Verteilerinnen der Almosen seien: "Bei ihnen finden 40-50 arme Kinder, die sonst vor den Türen ihr Brot bettelten, täglich einen gedeckten Tisch. Sie ernähren sie so das ganze Jahr hindurch und gewöhnen sie an ein eingezogenes, christliches Leben. Sie besuchen jetzt regelmäßig die Schule. Außerdem werden noch gegen 20 arme und kranke Personen von ihnen verpflegt und erhalten." "Trösterinnen und Helferinnen der Armen und Kranken" nennt sie der Bericht von Mommenheim; die Schwestern verwalten die Almosen der Gemeinde. "Wie Engel des Himmels vermitteln sie zwischen reich und arm; sie besorgen die Kinder in der Wiege, erziehen sie zur Ordnung, sie sind Schwestern der Liebe für die Kranken, Familienmütter für die Armen." 43) In Reichshofen gibt man der Freude darüber Ausdruck, daß die bettelnden und vagabundierenden Kinder jetzt von den Schwestern zusammengehalten, genährt, gekleidet, zum Gehorsam und zum Schulbesuch angehalten werden. 44) Dasselbe melden die Behörden von Pfirt, Rufach, Altkirch, Dambach (bei Niederbronn), Geberschweier, Gerstheim, Hagenau. "Der Eifer der Schwestern übersteigt alles Lob", meldet der Pfarrer von Wasselnheim dem Bischof 45); in diesem Industrieort, der kein Hospital besitzt, sei für die Arbeiterbevölkerung die häusliche Fürsorge eine Notwendigkeit. "Oft weilen die Schwestern ganze Wochen bei diesen Unglücklichen, opfern sich in wunderbarster Weise auf, nicht nur bei der Linderung ihrer Leiden, sondern auch bei der Pflege ihrer Kinder. Arm und sich auf das Allernötigste beschränkend, erhalten sie keinerlei Bezahlung und begnügen sich mit der allereinfachsten Nahrung." Was das Mutterhaus selbst wirkte, faßte der Kantonalarzt Dr. Kuhn von Niederbronn in die lobenden Worte: "Nicht nur wachen diese frommen Töchter bei den Kranken, lassen ihnen Tag und Nacht die emsigste Sorgfalt angedeihen, wobei sie sich allen Ansteckungen aussetzen und jedem Ekel trotzen, sondern sie dringen auch in die Hütten des Armen, tragen die Tröstungen der Religion hinein, bringen die Reinlichkeit da zur Herrschaft, wo sie wenig geschätzt war, und unterrichten selbst die Kinder in den abgelegenen Weilern, wo es vordem weder Lehrer noch Schule gab."

Die Feuertaufe für die Genossenschaft aber brachte das unheilvolle Cholerajahr 1854. Da zeigte sich der überraschten Welt, welche Fülle von Opfermut und Heldengeist sich in der jungen Genossenschaft aufgespeichert hatte. Da wurde offenbar, was Schwester M. Alphons in den Mauern des Mutterhauses in den fünf Jahren seines Bestehens in der Kunst, Menschen für Gott zu bilden, geleistet hatte. Freudigen Herzens zogen die jungen Schwestern in die von der Seuche heimgesuchten Gegenden, wo man ihre Hilfe begehrte. Mutter M. Alphons zögerte keinen Augenblick, den zahlreichen Gesuchen zu entsprechen. Eine freudig zu nennende Aufregung hatte sich der ganzen Gemeinschaft bemächtigt. Die Generaloberin feuerte mit begeisterter, aus der Tiefe ihrer für Gott und die leidende Menschheit glühenden Seele die kleine Schar ihrer Töchter an, die auf das Schlachtfeld der Nächstenliebe hinauszogen. Eine Ohrenzeugin hat ihre Worte getreulich aufgezeichnet. Mutter M. Alphons redete also:

"Innig geliebte Kinder!

Wie kostbar ist für euch, als Töchter des göttlichen Erlösers, diese schreckensvolle Zeit, in welcher die Krankheiten auf so furchtbare Art ausbrechen, daß die menschliche Natur darob sich entsetzt! Da, liebe Kinder, gilt es die Rettung der Seelen, die, durch das kostbare Blut unseres göttlichen Heilandes erkauft, so schnell, so unvorbereitet vom Tode hinweggerafft werden! O lasst euch deren ewiges Heil euer angelegentlichstes, euer wichtigstes Geschäft sein. Wenn ihr von Müdigkeit erschöpft seid, von Ekel und Widerwillen überfallen werdet, so eilet hin zum Fuße des Kreuzes, betrachtet, für wen und warum der Sohn Gottes eines so schmählichen und bitteren Todes stirbt - für wen? - Ach, für uns alle! - Warum? - Um unsere Seelen zu retten vom ewigen Untergange und uns den Himmel zu öffnen! Da, beim Anblicke unseres am Kreuze sterbenden Heilandes, werdet ihr den Wert der Seelen erkennen, erkennen, wie kostbar eine einzige in seinen Augen ist, da er, um nur eine allein zu retten, bereitwillig gestorben wäre! Fasset also Mut, geliebte Kinder, seid taub gegen die Stimme der Natur, die sich widersetzt, verleugnet und überwindet euch selbst! Welch einen Trost wird es euch gewähren, wenn ihr euch auf eurem Sterbelager sagen könnt: Ich habe meine blühende Jugend dem Dienste des Herrn geweiht! Verzichtet habe ich ihm zuliebe auf alles, was die Welt mir anbot und was ich von ihr erwarten konnte; vergönnt ward mir, als Braut Jesu Christi zu leben, und nun, da ich als Schlachtopfer der Nächstenliebe falle, wird mir das Glück zuteil, als solche zu sterben!

Fürchtet euch nicht, geliebte Töchter in Christo, wenn ihr, durch anstrengende Arbeit und Nachtwachen erschöpft, von Ermattung befallen, bei Gebet und Betrachtung euch kalt und trocken fühlet! Um gut zu beten und zu betrachten, ist es nicht notwendig, eine fühlbare Andacht zu haben und Tränen zu vergießen. Erweckt in euch das Verlangen, andächtig zu beten und zu betrachten, verrichtet mit reiner Meinung alle geistlichen und leiblichen Werke der Barmherzigkeit und stellet das übrige Gott anheim.

Noch eines muß ich euch empfehlen, liebe Kinder: Hütet euch vor eitler Ehre; fliehet das Lob der Menschen; suchet nie diesen, suchet nur Gott wohlgefällig zu sein! Trachtet durch Liebe, Sanftmut, Demut dem göttlichen Bräutigam nachzufolgen! Er liebt die Demütigen, und ihnen gibt er seine Gnade! Gehorchet euch gegenseitig und liebet einander aufrichtig und herzlich! Vergesset nicht die Worte, die ich euch schon manchmal zugerufen habe: Leidet, betet, schweiget!"

Als im Herbst die schreckliche Epidemie erlosch, kehrten die Schwestern ermüdet und furchtbar hergenommen von den Strapazen der harten Zeit, aber begleitet von den Segenswünschen ganzer Provinzen ins Mutterhaus zurück. Die Genossenschaft hatte in schlimmer Zeit die Probe glänzend bestanden, Die Presse und die öffentlichen Behörden geizten nicht mit ihrer Anerkennung 46). Auch die Regierung zögerte nunmehr nicht länger, der Genossenschaft die staatliche Genehmigung zu erteilen.

Viertes Kapitel.



Die staatliche Genehmigung.

Die hervorragende gemeinnützige Bedeutung des Institutes von Niederbronn blieb der staatlichen Behörde nicht verborgen. Schon im Jahre 1852 begann man auch seitens der Regierung, die Dienste der Schwestern zu beanspruchen: bei den gro­ßen Überschwemmungen, die manche Gegenden des Elsasses schwer schädigten, wurden auf Wunsch des Präfekten vom Niederrhein, der sich an Bischof Räß gewandt hatte, Schwestern in die am meisten heimgesuchten Gebiete geschickt, um Hilfe in der Not zu bringen 47).

Es mußte der Kongregationsleitung sehr daran liegen, im Interesse einer gedeihlichen Weiterentwicklung der Genossenschaft die staatliche Anerkennung zu erlangen, um gültige Verträge schließen und Legate entgegennehmen zu können. Bei dem Erwerb von Liegenschaften hatte die Generaloberin als Vertreterin der Gemeinschaft alles auf ihren persönlichen Namen erworben. Auf die Dauer konnte das nicht geschehen. So begann man im Jahre 1853 Schritte zu tun, um die gesetzliche Anerkennung zu erwirken. Auch hier war es Bischof Räß, der die Angelegenheit in die Hand nahm. Die ehrw. Mutter wandte sich auch an die Gemahlin des Marschalls Saint-Arnaud 48) zu Paris, eine einflussreiche Dame, die sich von Anfang an für Niederbronn interessierte. Das erste Gesuch des Bischofs wurde abschlägig beschieden; man bedeutete dem Bischof im Kultusministerium, es bedürfe, um eine Genossenschaft mit eigenen Statuten zu genehmigen, eines neuen Gesetzes. Um diese Schwierigkeiten zu umgehen, müßte die Niederbronner Kongregation einfach die Statuten einer bereits anerkannten Genossenschaft übernehmen, dann könne man die Genehmigung durch ein einfaches Dekret erhalten.

Anfangs war weder Reichard noch Mutter M. Alphons gewillt, diesem Ansinnen nachzugeben. Unterm 24. Februar 1853 teilte der Superior dem Bischof seine Bedenken mit. Da Räß die Niederbronner Satzungen für gut und dem Geiste der Kirche durchaus entsprechend befunden habe, so brauche man keine Änderung eintreten zu lassen. "Seit der Gründung der Genossenschaft sind jetzt vier Jahre verflossen. Während dieser Zeit haben die Töchter des göttlichen Erlösers ihre Liebestätigkeit zur Zufriedenheit vieler Leute ausgeübt. Beweis dafür sind die offiziellen Zeugnisse. 180 Schwestern und Postulantinnen tragen ihre Statuten und Regeln im Herzen und halten daran wie an ihrem Leben. Diese Satzungen, welche den heldenmütigen Eifer der Schwestern beleben, ziehen uns alle Tage neue Postulantinnen zu; diese Satzungen jetzt auf einmal ändern, hieße mit einem Schlag die hohe Meinung zerstören, die man bis jetzt von unserer Genossenschaft hatte. Viele werden dadurch veranlaßt werden, sie zu verlassen." Man hatte dem Bischof die Statuten der Kongregation der Schwestern von der guten Hilfe (Soeurs du Bon Secours, dites de Notre-Dame Auxiliatrice, die in Paris in der Rue Notre-Dame-des-Champs wohnten) vorgeschlagen. "Ich glaube nicht", meint Reichard, "daß wir dieser Kongregation Unehre machen würden. Aber wer garantiert uns, daß diese ihre Statuten später nicht auch noch anderen ausgehändigt, welche sich mit Hauskrankenpflege abgeben, aber in anderem Geist und in anderer Form? Dadurch könnte der Begriff unseres Liebeswerkes verwischt oder geschwächt werden. Wer schützt uns gegen Spaltung und Trennungen? Wollte z. B. eines unserer Häuser in Frankreich sich trennen, so wäre dies leicht. Vielleicht ist es besser, eine günstigere Zeit abzuwarten, um von der Regierung die Approbation unserer Statuten zu erhalten. Damit wäre uns für später auch die Anerkennung durch den Heiligen Stuhl erleichtert." Räß möchte doch, so schließt das bewegliche Schreiben, die Aktenstücke noch einmal dem Minister zuschicken und ihn bitten, diese dem Staatsrat zu unterbreiten.

Doch waren die Besorgnisse der Kongregationsobern unbegründet. Im Grunde war der vom Kultusministerium angedeutete Weg nur eine unverbindliche Formalität, durch welche man den angesichts der innerpolitischen Lage schwierigen Weg eines neuen Gesetzes umgehen wollte. Als man in Niederbronn darüber aufgeklärt war, wurde am 10. März 1853 das von der Generaloberin und 16 Schwestern unterzeichnete Gesuch um die gesetzliche Anerkennung eingereicht und von Räß befürwortet.

Aber es dauerte noch eine geraume Weile, bis der endgültige Bescheid eintraf. Un­terdessen ließ die Staatsregierung ihr Interesse an dem Gedeihen des Werkes durch den offiziellen Besuch des Präfekten des Unterelsaß bekunden, der am 27. Mai 1853 in Begleitung des Unterpräfekten von Weißenburg das Kloster und die ehrw. Mutter besuchte. Im darauf folgenden Cholerajahre konnten die Staatsbehörden verschiedener Bezirke dem Heldenmute der Niederbronner Schwestern das schönste Zeugnis ausstellen, ja eine kleine Abteilung war dem französischen Heere auf die Schlachtfelder der Krim gefolgt. Am 6. November 1854 erfolgte dann die ersehnte staatliche Anerkennung, welche der Kongregation die Rechte einer juristischen Person verlieh.

Fünftes Kapitel.


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