Die Kongregation der Schwestern


Das neue Verhältnis der Kongregation zu Frankreich



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Das neue Verhältnis der Kongregation zu Frankreich.

Die reichsländische Regierung.

Durch den Frankfurter Frieden war das Mutterhaus der Kongregation auf den Boden des neugegründeten Deutschen Reiches gestellt worden. Nun warf sich die schwierige Frage auf: Wie wird sich das Verhältnis der französischen Filialhäuser zur republikanischen Staatsregierung gestalten? Wird man die Rechte des nun deutschen Mutterhauses aufheben und dessen Verbindung mit den französischen Niederlassungen lösen? Oder findet sich eine andere praktische Lösung, die das Weiterbestehen der Genossenschaft auf französischem Boden ermöglicht? Die Frage mußte mit dem Kultusminister zu Paris ausgetragen werden. Kultusminister war nun damals just der ehemalige radikale Abgeordnete Jules Simon, der unter dem zweiten Kaiserreich so stark in antiklerikaler Politik gemacht hatte, derselbe Jules Simon, an den der Pfarrer von Rixheim seinen "Offenen Brief" über die Schulfrage gerichtet hatte. Der alte Radikale war nun glücklich im konservativen Ministerium Thiers gelandet. Superior Simonis hätte sich nun direkt an ihn wenden können. Er zog es jedoch vor, sich der Vermittlung des Bischofs von St. Dié zu bedienen. Aber Schritte mußten unbedingt getan werden, da ein Legat von 2000 Franken, das dem Hause in Epinal zugefallen war, von der Regierung für nichtig erklärt wurde. Doch traf es sich glücklicherweise, daß ein Bericht des Präfekten des Vogesendepartements an den Kultusminister 104) die segensreiche Tätigkeit der Schwestern in Epinal und dem ganzen Departement lobend anerkannt hatte. Der Präfekt, der der Kongregation offenbar sehr gewogen war, hatte in diesem Aktenstück bei der Regierung angefragt, ob sie den Niederbronner Schwestern dieselben gesetzlichen Vergünstigungen weiter gewähren würde wie vorher. Auf Grund dieses Aktenstückes glaubte Simonis durch die Vermittlung des Bischofs von St. Dié ein formelles Gesuch der Generaloberin an das Kultusministerium richten zu können. Darum bat er den Bischof Räß, er möge den Oberhirten von St. Dié in dieser Sache angehen, denn, so fügt er dem Schreiben an Räß bei: "man versichert mir, daß der jetzige Augenblick so günstig ist wie niemals. Um seinen Ministersessel zu behalten, würde Jules Simon sich an die Spitze einer Prozession stellen, wenn es sein müßte, mit einem Rosenkranz, den er von einer Nonne entlehnte, in den Händen." 105)

Simonis täuschte sich nicht. Auf die Eingabe des Bischofs von St. Dié antwortete der Kultusminister schon am 29. Januar 1873 106) und zeigte den Weg an, den die Kongregation beschreiten müsse, um zu einem ersprießlichen Ziele zu gelangen. Da das in fremdem Lande existierende Mutterhaus nicht mehr in gültiger Weise die in Frankreich verbliebenen Häuser vertreten könne, für diese letztgenannten aber das kaiserliche Dekret von 1854 seine Rechtskraft beibehalte, müsse man irgend eine französische Niederlassung des Ordens als Hauptfiliale oder Mutterhaus für das französische Gebiet erklären. Die Oberin dieses Hauses oder an ihrer Stelle eine Assistentin würde alle andern französischen Häuser für alle einer gesetzlichen Autorisation bedürftigen Akte, wie Annahme von Schenkungen oder Legaten, Genehmigung von Gütererwerbungen oder Verkäufen, repräsentieren. Ein diesbezügliches Dekret des Staatsrates würde die ganze Angelegenheit im angedeuteten Sinne regeln.

Die Generaloberin beeilte sich, die hier vorgeschlagene günstige Lösung anzunehmen, und bereits am 3. Dezember 1873 wurde das Haus zu Epinal, um diese Zeit noch die bedeutendste Niederlassung in Frankreich, durch ein Regierungsdekret als Mutterhaus für das französische Gebiet anerkannt 107). So waren für eine weitere Ausbreitung der Genossenschaft in Frankreich die Wege geebnet. Eine bedeutende Anzahl von Niederlassungen wurden unter Simonis’ tatkräftiger Leitung, wie wir bald sehen werden, hier gegründet.

Die neue reichsländische Regierung hatte keinerlei Interesse daran, die Tätigkeit der Kongregation, deren segensreiches Wirken die deutschen Truppen im Felde und in den heimischen Lazaretten dankbar anerkannt hatten, zu beeinträchtigen. Die Militärverwaltung beeilte sich, gleich nach der Annexion Niederbronner Schwestern im Straßburger Militärlazarett anzustellen. Man hatte sich im Mutterhause in der Folgezeit nicht zu beklagen. Im Triennalbericht, den die Generaloberin im Jahre 1880 nach Rom einschickte, wird dankbar vermerkt, daß die elsaß-lothringische Regierung sich der Genossenschaft gegenüber wohlwollend erzeige.

Als der kaiserliche Statthalter Freiherr von Manteuffel im Jahre 1880 mit Simonis eine Zusammenkunft hatte, machte er diesem den Vorschlag, daß die Kongregation die Gesuche, die sie der Regierung einreiche, direkt an seine Adresse richte, damit er sie unterstütze und schneller zur Erledigung bringe.

Größere Sorgen als die Regelung der gesetzlichen Situation in Frankreich bereitete dem neuen Superior die bedenkliche finanzielle Lage der Genossenschaft. Die Wunden, welche der Krieg in dieser Beziehung geschlagen hatte, vernarbten lange nicht. Schon im November des ersten Amtsjahres klagt Simonis bei dem Bischof über die schwierige Lage des Straßburger Hauses. Und noch drei Jahre später 108) muß er bekennen, daß die materielle Lage der Genossenschaft für ihn ein drückender Alp sei, der ihn Tag und Nacht verfolge. Man lebe sozusagen von der Hand in den Mund. Auch viele wichtige auswärtige Häuser seien infolge der Ereignisse der letzten Jahre in arger Bedrängnis. Es sei ihm ein Rätsel, wie man bis jetzt sich habe durchschlagen können. Dazu trat in nächster Zeit die Frage eines Neubaues. Das Noviziat in Niederbronn war in wenigen Jahren zu eng geworden. Am 23. November 1877 macht Simonis dem Bischof Mitteilung von dieser Sachlage. Die Novizen hätten keine Luft. Nach Oberbronn hinaufzuziehen habe wenig Zweck, denn das dortige Haus sei ebenfalls zu klein. Er trage sich deshalb mit dem Gedanken, ein Grundstück neben dem Kloster zu erwerben. Aber es fehlte das Geld. Doch auch Simonis besaß, wie sein einstiger Vorgänger Reichard, ein gutes Stück Gottvertrauen; er meinte, daß Gott, der sein Volk vermehrt, auch das Geld vermehren könne.

Sein Vertrauen wurde nicht getäuscht. Es kamen bessere Zeiten, bereits 1880 war man aus den größten Schwierigkeiten heraus, und zudem fand auch die Frage des Neubaus eine sehr glückliche Lösung. Wegen der übertriebenen Forderungen, welche die Anwohner des Mutterhauses stellten, verzichteten Simonis und der Kongregationsrat auf den Plan eines neuen Novizenhauses in Niederbronn selbst. Dagegen wurde im Laufe des Jahres 1879 ein weiteres Stockwerk über den Oberbronner Schloßräumen errichtet. Am 6. Dezember 1879 traf von Rom die Erlaubnis ein, Noviziat und Mutterhaus von Niederbronn nach Oberbronn zu verlegen. Niederbronn selbst wurde von nun an den altersschwachen und vom Berufe aufgeriebenen Schwestern als Ruhesitz bestimmt. Ein im Jahre 1893 vergrößertes Nebengebäude nahm die Waisenmädchen auf, welche bis jetzt in Oberbronn untergebracht waren. Ein eigener Anstaltsgeistlicher hatte von nun an für die religiösen Bedürfnisse der älteren und jungen Insassen des ehemaligen Mutterhauses zu sorgen.

Auf der luftigen Höhe des freundlichen Oberbronn war dem Mutterhause eine glückliche Zukunft beschieden.

Drittes Kapitel.



Die vorläufige Approbation der neuen Konstitutionen (1877).

Die größte Schwierigkeit, die der neue Superior in der Genossenschaft vorfand, war die durch das Eingreifen des Bischofs nur vorläufig geregelte Frage der Statuten. Sattlers Reformversuch war kläglich gescheitert. Da aber die von ihm verfaßte Regel in Rom approbiert worden war, mußte Bischof Räß nachträglich für seine im Interesse der Kongregation angeordnete Beibehaltung der alten Satzungen die päpstliche Zustimmung erbitten. Er tat dies unterm 18. Juni 1873 in einem längeren Schreiben an den Heiligen Vater, worin er die durchaus ablehnende Haltung der großen Mehrheit der Genossenschaft gegenüber den approbierten Statuten betont; er habe nicht anders handeln können, als deren Zurückziehung anzuordnen; die alte Regel solle in Kraft bleiben, bis eine geeignete Neubearbeitung unterbreitet werden könne. Nun sei aber auch die sechsjährige Amtsdauer der 1867 gewählten Generaloberin bald verstrichen, die Neuwahl könne nur mit Erlaubnis des Heiligen Stuhles stattfinden. Er schlage eine solche unter folgenden Bedingungen vor: Wahlberechtigt sollen alle Lokaloberinnen sein, dazu aus jedem mehr als zwölf Schwestern zählenden Hause noch eine von ihren Mitschwestern delegierte Schwester. Es dürfe nur eine beider Sprachen mächtige Generaloberin gewählt werden. Auch der Rat muß bei dieser Gelegenheit neu gewählt werden auf sechs oder wenigstens drei Jahre. An diese Wahl soll sich ein Generalkapitel zur Beratung wichtiger Fragen anschließen, an dem sich beteiligen: die neue Generaloberin mit dem Rate, die gewesene Generaloberin und die Oberinnen jener Häuser, in denen sich mindestens zwölf Schwestern befinden. Wenn die Zahl von dreißig Teilnehmerinnen nicht erreicht wird, soll sie durch passende Auswahl, die der Rat trifft, auf diese Höhe gebracht werden.

Diese letzte Maßregel, die Anzahl der Kapitelsberechtigten möglichst zu beschränken, war eine Eingebung des Superiors, der die Vorgänge des vorausgehenden Kapitels (1871) sich nicht wiederholen lassen wollte 109). Zugleich sollte auf diesem Kapitel die brennende Frage eines Noviziates in München besprochen werden 110). Dieses Kapitel fand in gewünschter Weise statt; am 2. Dezember 1873 konnte Simonis dem Bischof berichten, daß Schwester M. Adelinde von einer großen Mehrheit wiedergewählt worden sei.

Als noch im Sommer des Jahres 1873 Simonis, der im April eine eingehende Denkschrift über die Zurückweisung der Sattlerschen Statuten nach Rom eingesandt hatte, durch Monsignore Luca verständigt wurde, daß man die approbierten Statuten Sattlers wieder umarbeiten und mit den alten Satzungen der Stifter übereinstimmen lassen könne 111), machte sich Simonis eifrig ans Werk, diese für die innere Organisation der Genossenschaft so wichtige Angelegenheit ins reine zu bringen. Im Sommer 1875 konnte er Räß den von ihm ausgearbeiteten Entwurf schon unterbreiten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der die Genossenschaft nicht zu Rate gezogen hatte, legte er seine Arbeit sämtlichen Lokaloberinnen, die sich in den jährlichen Exerzitien im Mutterhause eingefunden hatten, zur Diskussion vor. Einstimmig billigte man diese Satzungen, die kein Abweichen, sondern nur eine den geänderten Zeitverhältnissen und praktischen Bedürfnissen der Genossenschaft angepaßte Verbesserung der alten Regel waren 112). An deren Geist, der der Ge­nossenschaft ihr eigentümliches Gepräge gab, wollte er nicht rütteln. Als ihm der Bischof den Entwurf, den er dem Domkapitular Freyburger zur Begutachtung übergeben hatte, mit einer Reihe von Veränderungen zurückschickte, erklärte der Superior höflich, aber bestimmt, daß manche dieser Änderungen der Genossenschaft eine andere Richtung geben würden 113). Bischof Räß, der sich auf seinen Mann verlassen konnte, ließ ihn gewähren.

Am 30. Juli 1977 endlich wurden diese neuen Statuten auf Grund einer Reihe von Empfehlungsbriefen der Bischöfe jener Bistümer, in denen die Genossenschaft wirkte, vom Heiligen Stuhle für fünf Jahre probeweise approbiert.

Diese neuen Statuten stellen der Umsicht und Klugheit, dem Scharfblick und praktischen Sinn ihres Verfassers ein glänzendes Zeugnis aus. In klarer und lichtvoller Weise fassen sie Zweck und Organisation der Genossenschaft, Aufnahmebedingungen, Pflichten der Schwestern zusammen; nichts Wichtiges ist übergangen, alles Überflüssige vermieden. Die sprachliche Fassung ist so bündig und einfach gehalten, daß auch Menschen von bescheidenster Begabung jede Bestimmung ohne weiteres zu erfassen vermögen. Die Organisations- und Verwaltungsfragen, die in der alten Regel nur eine ungenügende Behandlung gefunden hatten, sind mit aller wünschenswerten Deutlichkeit bis ins einzelne behandelt. Von besonderer Wichtigkeit ist die Bestimmung, daß die Generaloberin, die mit dem Rate alle sechs Jahre zu wählen ist, wenigstens 40 Jahre alt und der deutschen und französischen Sprache mächtig sein muß. Ihre Pflichten und notwendigen Eigenschaften sind ausführlich behandelt. "Die Generaloberin wird sich vor allem befleißen, bei den Schwestern eine hohe Achtung und Schätzung ihres heiligen Berufes aufrechtzuerhalten und den Novizen die Kenntnis ihrer Pflichten, mit einem großen Eifer dieselben zu erfüllen, beizubringen. Sie wird mit aller Liebe, aber auch mit aller Festigkeit Sorge tragen, daß die Schwestern durch treue Beobachtung der Gelübde und der Satzungen den Geist der Kongregation bewahren. Sie wird ihr Amt als ein ihr von Gott selbst anvertrautes ansehen und sich öfters erinnern, daß sie für jede Schwester, wie auch für alles Gute, das die Schwestern wirken sollen, Rechenschaft ablegen wird."

Das Institut der Laienschwestern, das Superior Sattler noch in seine Statuten aufgenommen hatte, ist von Simonis aufgegeben worden.

Mit außerordentlicher Freude wurde im Mutterhaus die Approbation der neuen Statuten begrüßt. Die Generaloberin Schwester M. Adelinde gab dieser Freude im September desselben Jahres Ausdruck durch ein langes, vom Geiste heiligen Eifers und glühender Berufsfreude durchwehtes Rundschreiben an alle Filialhäuser. Sie dankt Gott, daß die Kongregation diese Satzungen besitzt. "Bisher lebten wir nach dem Regelbuche, welches unsere innigverehrte Stifterin ausgegeben, und von den so zahlreichen kraft- und segensvollen Unterrichten, durch welche sie uns in das Leben der Kongregation einweihte. Dieses Regelbuch haben wir bis auf den heutigen Tag sorgfältig bewahrt, und dessen Aufnahme in die neuen Satzungen bürgt uns dafür, daß dessen Vorschriften für die Zukunft bestehen werden. Ebenso werden wir die schönen Seiten, welche demselben vorangehen, und worin der Geist der Kongregation so lebhaft geschildert wird, bewahren. Die Belehrungen, welche die selige Stifterin uns gab, sind auch bei weitem nicht vergessen, und wenn deren Gedanken dem Gedächtnis der meisten unter uns nicht mehr gegenwärtig sind, so erinnern wir uns immer freudig der Gefühle, welche sie in uns hervorriefen. Diese Gefühle waren bis jetzt unser Leben und unsere Kraft, und wir hegen die Hoffnung, dieselben bis in den Tod zu bewahren.

Allein die Zeit war gekommen, wo diese ihre Anempfehlungen schriftlich aufgezeichnet werden mußten. Die Reihen der Ältesten unter uns haben sich vielfach schon gelichtet, und groß ist die Zahl der Schwestern, welche nicht gehört haben, was wir einst hörten. Es war auch notwendig, die Organisation der Kongregation für die Zukunft festzustellen und vor allem die Bestätigung der heiligen Kirche als das Siegel Gottes selbst über das Ganze herabzurufen. Diese Bestätitigung solle uns nicht nur die Versicherung geben, daß die Kongregation ein Gott angenehmes und dem Geiste des göttlichen Heilandes entsprechendes Werk ist, sondern auch mit dem Vertrauen durchdringen, daß diese Anempfehlungen, welche wir damals mit so inniger Wonne anhörten und welche nun den Text selbst der Satzungen bilden, geeignet sind, uns zum glücklichen Ziele zu führen, nach welchem wir alle streben."

Sie empfiehlt mit warmen Worten ihren Mitschwestern die Beobachtung der Satzungen. "Durch deren treue Verfolgung werden wir zeigen, daß wir für die Welt gekreuzigt sind und die Welt für uns gekreuzigt ist, und daß wir uns in unserem Herzen im Kreuze des lieben Heilandes rühmen. Dann werden wir aber die Wahrheit des Wortes erfahren: Jenen, welche diese Regel befolgen, sei der Friede und die Barmherzigkeit Gottes. Die erste Frucht dieser Treue wird also der Friede sein. Glücklich die Seelen, welche diesen Frieden kennen. Sie sind jene Friedfertigen, welche Kinder Gottes genannt werden. Wir werden den Frieden haben im Geiste, den Frieden im Herzen, den Frieden unter uns, den Frieden mit Gott. In unsern äußerlichen Pflichten aber werden wir die Gnade haben, diesen Frieden in die Seele unserer Armen und Kranken strahlen zu lassen."

Diese Satzungen bewährten sich in der Folgezeit glänzend. Das Generalkapitel des Jahres 1882 prüfte sie abermals sorgfältig.

Viertes Kapitel.



Weitere Ausbreitung der Kongregation.

Tod der ehrwürdigen Mutter M. Adelinde.

In dem vorhin berührten Rundschreiben hatte die Generaloberin auch der zahlreichen günstigen Zeugnisse gedacht, welche die Bischöfe der verschiedenen Diözesen über das segensreiche Wirken der Genossenschaft nach Rom geschickt hatten. "Wir waren alle im Mutterhause innig gerührt, als wir sahen, mit welchem väterlichen Wohlwollen die hochw. Herrn Bischöfe die Kongregation dem Stellvertreter Jesu anempfahlen, und wir konnten nicht genug für diese so liebevollen und günstigen Zeugnisse danken." Diesen Zeugnissen aus dem Jahre 1877 schlossen sich andere im Jahre 1883 an, welche ausnahmslos voll der größten Anerkennung sind für das selbstlose Wirken der Schwestern in den deutschen, französischen und belgischen Diözesen. Sie zeigen auch, welche weite Verbreitung unter der Leitung der Schwester M. Adelinde und des Superiors Simonis die Genossenschaft im Laufe der Jahre gefunden hat. Neue Wirkungskreise hatten sich eröffnet in Frankreich in den Diözesen Versailles, Cambrai, Reims; in den übrigen Diözesen hatten sich die Häuser beträchtlich vermehrt. Aus der belgischen Diözese Mecheln, wo im Jahre 1879 in Brüssel eine vielversprechende Filiale eröffnet wurde, berichtet der Kardinal Dechamps 114), daß er die Schwestern und ihre Tätigkeit in jeder Beziehung nur loben und empfehlen könne. In Mainz lobte der große soziale Bischof Ketteler in einem Schreiben an die Generaloberin 115) den großen Eifer, den die Niederbronner Töchter in seinem Sprengel betätigen, "wodurch sie allenthalben die Verehrung und Liebe der katholischen Bevölkerung und selbst Andersgläubiger sich erworben haben".

In Bayern war die Bamberger Erzdiözese neu hinzugekommen, und in den übrigen Sprengeln folgte eine Niederlassung der andern. An erster Stelle steht das Erzbistum München-Freising, obschon es gerade hier nicht an Schwierigkeiten fehlte. Superior Sattler und die von ihm nicht gut beratene Schwester M. Adelinde hatten im Jahre 1869 der Absicht des Erzbischofs Gregorius v. Scherr, in München ein eigenes Noviziat zu errichten, ein Entgegenkommen bewiesen, welches Superior Simonis im Einverständnis mit Räß für sich als nicht verbindlich erachtete. Ihm schien ein Noviziat in München nur eine Vorstufe zu einer vollständigen Losreißung der bayrischen Häuser. Auch wenn sich diese Befürchtung als irrig erweisen sollte, so schien ihm durch ein vom Mutterhaus getrenntes bayrisches Noviziat eines der wertvollsten Güter der Genossenschaft, die Einigkeit, in Frage gestellt. Und so führte er, der seine ganze Persönlichkeit einsetzte für die ihm anvertraute Genossenschaft, mit der ihm eigenen Zähigkeit den Kampf für das, was ihm zum Gedeihen der Kongregation als unerläßlich schien. Er hatte in seinem Bischof den stärksten Rückhalt. "Ich wünsche", schrieb er am 2. Mai 1873, als sich der Gegensatz zwischen ihm und dem Münchner Oberhirten aufs schärfste zugespitzt hatte, "nur nach Ihren Anweisungen zu handeln. Wohl will ich mich in alle Wendungen des Kampfes fügen, will alle Kampfhiebe ertragen, wenn Sie wünschen, daß ich den Kampf fortsetze, um die Einheit des Noviziates und der Kongregation aufrechtzuerhalten. Aber ich will mich auf dem für mich so neuen Kampfplatze nur so weit vorwagen, als Sie mir angeben. Wenn wir siegen, so geschieht dies nur durch die formelle Autorität Roms, und dann loben wir Gott. Werden wir besiegt, dann wird es meine Pflicht sein, zu Ihren Füßen mein zerbrochenes Schwert niederzulegen, in der Überzeugung, daß der richtige Mann jeder andere ist als ich, der ich die Niederlage erlitt." In diesen Worten liegt der Schlüssel zur Beurteilung der wichtigen Rolle, welche Simonis in diesem Streit, worin es sich für ihn um Sein oder Nichtsein des Niederbronner Werkes handelte, gespielt hat. Er ist Sieger geblieben in diesem Streite, den wir eingehend darstellen werden 116). Aber zwei Jahrzehnte vergingen, bis die hochgehenden Wogen sich glätteten und eine Lösung gefunden wurde, die beide Parteien befriedigte.

Als Simonis im Jahre 1872 die Leitung der Genossenschaft übernommen hatte, zählte diese 98 Niederlassungen. Im Jahre 1880 waren es schon 120 geworden, die von ca. 800 Schwestern versehen wurden. Ein Jahrzehnt später, im Jahre 1891, zählt die Genossenschaft 207 Häuser, die sich auf 26 Diözesen verteilen. Der Personalbestand beläuft sich auf 1421 Profeßschwestern, 94 Novizen, 59 Postulanten. Im Jahre 1900 können die Obern dem Heiligen Stuhl abermals eine bedeutende Zunahme melden. Jetzt sind es 1800 Schwestern geworden, 130 Novizen, 65 Postulanten; die Zahl der Filialhäuser ist auf 261 gestiegen, davon entfallen 83 auf Elsaß-Lothringen, 41 auf Bayern und 19 auf die Rheinpfalz, 49 auf Baden, 16 auf das Großherzogtum Hessen, 47 auf Frankreich, 4 auf Belgien, 1 auf die Schweiz, 1 auf Luxemburg.

Einem Freunde, der sich über diese ungeahnte Entwicklung der Genossenschaft wunderte, antwortete Simonis 117): "Wir sind gerade wie vor 40 Jahren in einem steten Werden begriffen. Man dürfte glauben, daß ein anderer Plan hier nicht existiert, als sich planlos dem Plan der Vorsehung anzuvertrauen." Die Vorsehung freilich hatte in Simonis auch den Mann gesandt, der das Werden der Genossenschaft in zielbewußter, kraftvoller Weise leitete.

Er ist der Generaloberin Schwester M. Adelinde ein unermüdlicher Berater und eine nieversagende Stütze gewesen. Sie brachte ihm ein grenzenloses Vertrauen entgegen. Dreimal wurde sie von ihren Mitschwestern zur obersten Leitung der Genossenschaft berufen; 18 Jahre lang hat sie mit großem Erfolg und reichem Segen das verantwortungsvolle Amt der Generaloberin verwaltet. Sie konnte mit Genugtuung im Jahre 1884 dem Bischof mitteilen, daß der Geist der Kongregation und der Stand der Disziplin in den einzelnen Häusern gut sei. Nur zweimal in sechs Jahren habe man Dispens von den Gelübden begehren müssen. Die Schwestern seien mit Leib und Seele ihrem Berufe ergeben und erzeigten bei der Pflege der Kranken einen Eifer, den man oft eher zügeln als anfeuern möchte.

Als sie diesen Bericht abfaßte, ahnte sie nicht, daß sie dem Tode nicht mehr fern sei. Im Verein mit dem Superior hatte sie bereits den Plan zu wichtigen baulichen Änderungen im Mutterhaus gefaßt: zum Neubau einer Kapelle und eines großen Exerzitienhauses. Sie sollte die Ausführung nicht mehr erleben. Schon zu Anfang des Jahres 1885 war sie vom Schlage gerührt worden, hatte sich aber wieder erholt; doch ein zweiter Schlaganfall machte ihrem arbeitsreichen Leben am 9. Mai desselben Jahres ein Ende.

Nicht unvorbereitet ist sie vom Tode ereilt worden. Ihr ganzes Leben, heißt es mit Recht auf ihrem Totenzettel, ist eine immerwährende Vorbereitung auf den Tod gewesen. Alle Mitschwestern haben stets in ihr das Vorbild einer Ordensperson erkannt und verehrt. "Vom Geiste des Gebetes tief durchdrungen, verstand sie es ganz besonders, denselben ihren Mitschwestern mitzuteilen. Als die Vorsteherin von allen hielt sie es für ihre größte Pflicht, in der treuen und pünktlichen Beobachtung aller Ordensregeln allen voranzugehen." Zwei Eigenschaften sind hervorzuheben: ihre Seelenruhe und ihr Gleichmut inmitten der größten Schwierigkeiten und eine außerordentliche Herzensgüte. Diese Seelenruhe bekundet ein Vertrauen auf Gott, das man nur im Leben der Heiligen zu finden pflegt. Sie glaubte mit unerschütterlicher Überzeugung an Gottes leitende Vorsehung. Was ihr begegnete, sah sie als von Gott kommend an und harrte stets ruhig und ergeben der Erfüllung seines heiligsten Willens entgegen. Lassen wir den lieben Gott sorgen, pflegte sie zu sagen, er leitet alles zum Besten. In ihrer leitenden Stellung hatte sie nichts von der Einfachheit und Demut verloren, die sie schon als junge Schwester zierten. Sehr bezeichnend für ihren Ordensgeist ist ein kleines Ereignis, das die Zeugen desselben nie vergessen haben. Sie war schon Assistentin bei der ehrwürdigen Stifterin, als ihr diese wegen irgendeines Fehlers eine harte Buße auferlegte: sie mußte vor allen Schwestern niederknien und um Verzeihung bitten für das etwaige Ärgernis, das sie gegeben hatte. Schwester M. Adelinde nahm ohne Widerrede diese Verdemütigung auf sich 118). Als Oberin hielt sie besonders darauf, daß der Geist der Armut bei den Mitgliedern herrschte. Gleich nach dem Kriege, am 6. April 1871, hat sie in einem Zirkular alle in der Ferne weilenden Mitschwestern aufgefordert, daß sie ihr Augenmerk auf die heilige Armut richten sollen; alles Überflüssige sei zu vermeiden, man solle sich mit dem Notwendigen begnügen: "Wir müssen auf die erste Armut und Einfachheit zurückkommen, die wir im Anfange hatten, um jenen inneren Trost zu verkosten, welcher die Frucht der Losschälung und Verachtung aller Bequemlichkeit und zeitlicher Güter ist." Auch hierin ist sie stets mit leuchtendem Beispiel vorangegangen. Anspruchsloser als sie ist kaum je eine Schwester gewesen.

Für die Leiden und Widerwärtigkeiten von Mitschwestern, die sich bei ihr beklagten, war sie eine gütige Trösterin; ihr Trost schloß fast stets mit den Worten: "Es ist alles bald vorüber, der Himmel ist alles wert; wenn wir einmal beim lieben Gott sind, dann werden wir froh sein, daß wir etwas gelitten haben."

Ihr Tod versetzte die ganze Genossenschaft in tiefste Trauer. Die Beerdigung gestaltete sich zu einer großartigen Kundgebung, die von der allgemeinen Hochachtung zeugte, die ihr auch außerhalb der Kongregation entgegengebracht wurde. Außer vielen Hunderten ihrer Mitschwestern, dem Noviziat, Postulat und den Waisenkindern von Niederbronn folgten dem Sarge 20 Geistliche, darunter ein Vertreter des Bischofs von St. Dié, zahlreiche Schulschwestern, eine große Anzahl Einwohner der Stadt Niederbronn und der umliegenden Ortschaften ohne Unterschied der Konfession, der Bürgermeister von Niederbronn, Baron von Türkheim, und der Bürgermeister von Oberbronn. Sie fand ihre letzte Ruhestätte neben der Stifterin.

Fünftes Kapitel.

Schwester Damien, die dritte Generaloberin.

Vergrößerung des Mutterhauses. Das Jubelfest 1899.

Am 25. Juni 1885 wurde unter dem Vorsitze des vom Bischof delegierten Generalvikars Anton Nägelen die Neuwahl der Generaloberin vorgenommen. Die fast einstimmige Wahl fiel auf die Schwester M. Damien. Sie ist auch in der Folgezeit mit Einstimmigkeit stets wiedergewählt worden.

Am 2. April 1831 hatte Luise Richert - das war ihr bürgerlicher Name - zu Winzenheim im Oberelsaß das Licht der Welt erblickt. Ihre Eltern waren achtbare, religiös gesinnte Winzersleute. Die Mutter starb ihr früh weg, und so mußte das junge Mädchen selbst ihre jüngeren Brüder erziehen und das Hauswesen führen. Schon da fiel ihr entschlossenes und charakterfestes Wesen, sowie ihr praktischer Sinn auf. Bei all den häuslichen Arbeiten und Sorgen begleiteten das tieffromme Mädchen klösterliche Gedanken. Sie war 19 Jahre alt, als sie ihrem Vater von der Absicht sprach, in ein Kloster zu treten. Der Witwer wollte begreiflicherweise nichts davon wissen, er konnte die so brauchbare Stütze seines Hauswesens nicht entbehren. Erst als der Vater eine zweite Ehe einging, konnte Luise ihr Vorhaben ausführen. Als zweiundzwanzigjährige Jungfrau trat sie im April 1853 zu Niederbronn ins Mutterhaus ein, von der ehrw. Mutter M. Alphons aufs freudigste empfangen. Im Dezember desselben Jahres empfing sie das Ordenskleid und wurde als Schwester M. Damien in das Haus zu Straßburg geschickt zur Übernahme der Krankenpflege. So groß war das Vertrauen der Stifterin in die jugendliche Schwester, daß sie diese bei einer längeren Erkrankung der Novizenmeisterin Schwester M. Joseph an deren Stelle berief. Im Jahre 1856 wurde sie in die Industriestadt Thann im Oberelsaß gesandt zur Gründung einer Niederlassung, die sie nach Überwindung einiger sehr harter Jahre einem guten Gedeihen entgegenführte. Die Obern übertrugen der ausgezeichneten Verwalterin im September 1862 die Leitung des wichtigen Hauses zu Mühlhausen, mit dem ein im Entstehen begriffenes Waisenhaus verbunden war. Es gelang ihr, die Anstalt in die Höhe zu bringen, und auch nach dem Kriege von 1870, währenddessen sie in Mühlhausen den Verwundeten Samariterdienste erwies, verstand sie es, die schwierige finanzielle Lage durch äußerste Sparsamkeit glücklich zu überwinden.

Nun machte sie das Vertrauen ihrer Mitschwestern zur Leiterin der ganzen Genossenschaft. Mit Mut, Eifer und Gottvertrauen übernahm sie das schwere Amt, das an ihren durch übermäßige Arbeit geschwächten Körper große Anforderungen stellte.

Im Jahre 1886 wurde mit den geplanten Neubauten im Mutterhaus begonnen. Die alte Kapelle war längst zu klein geworden; in den Tagen der gemeinsamen Exerzitien reichte der enge Raum kaum aus. So war ein neues, geräumigeres und freundlicheres Gotteshaus ein dringendes Bedürfnis. Am 31. Juli 1886 segnete der Superior den Grundstein zum Bau ein, der in der Fortsetzung des rechten Flügels des alten Strahlenheimschen Schlosses errichtet wurde. Das Erdgeschoß des schmucken Kirchenbaues wurde zu einem großen Speisesaal eingerichtet. Zugleich wurde an diesen rechten Flügel, von dem sich die Kapelle rechtwinkelig nach Norden abzweigt, ein gewaltiger dreistöckiger Bau aufgeführt, der nur dazu dienen sollte, während der jährlichen geistlichen Übungen die aus der Ferne herbeieilenden Schwestern zu beherbergen. Viele stattliche Baumriesen des alten Schloßparkes mußten verschwinden. Auch das große eiserne Kruzifix, das den Hof beherrschte, wechselte seinen Standort und wanderte hinunter in den Park unter die breiten Äste mächtiger Tannen. Zwei Jahre dauerten die Bauarbeiten.

Am 30. Mai 1889 weihte der Straßburger Bischof Peter Paul Stumpf den von Superior Simonis in München erworbenen Hochaltar ein. Es war das einzige Mal, daß dieser Oberhirte, der seit 1881 Koadjutor des greisen Bischofs Andreas Räß war und schon 1890 starb, im Mutterhaus weilte. Bischof Räß, dessen unermüdlicher Fürsorge die Genossenschaft nicht zum geringsten Teil ihre großartige Entwicklung verdankte, hatte im Alter von 93 Jahren am 17. November 1887 sein tatenreiches Leben beschlossen.

Die schmucke Kapelle erhielt im Jahre 1891 eine weitere Zierde durch die Orgel, welche am 10. August dieses Jahres durch den Pfarrer Hansmännel von Niederbronn eingeweiht wurde. Der durch den imponierenden Klosterbau nunmehr prächtig eingerahmte, sanft ansteigende Hof wurde in demselben Jahre mit einem Standbilde des heiligen Erzengels Michael geschmückt.

Mit hoher Befriedigung konnten die Obern nun auf das vollendete Werk blicken. Aber noch fehlte etwas: ein sonnig gelegenes, den Anforderungen neuzeitlicher Gesundheitspflege durchaus genügendes Sanatorium für die kranken Schwestern. Eifrig betrieb Schwester M. Damien, die auf das Wohl ihrer Mitschwestern ständig bedacht war, die Verwirklichung dieses Planes, dessen Vollendung sie leider nicht mehr erleben sollte. Der Bau wurde im Jahre 1899 begonnen und konnte am 17. Februar 1901 von Simonis eingeweiht werden. Durch einen geschützten Gang mit der Kapelle verbunden, in deren Längsrichtung er sich erhebt, bietet er seine breite Front der Sonne entgegen, die bis tief in den Abend hinein ihre belebende Wärme in die hellen, freundlichen Räume spendet, vor deren Fenstern sich der wohlgepflegte Garten und der prächtige Park ausdehnen.

Unter Mutter Damiens energischer Leitung, die in Simonis den eifrigsten Förderer fand, nahm, wie wir schon oben andeuteten, die Genossenschaft einen erstaunlichen Aufschwung. Über 120 Filialhäuser hat sie ins Leben gerufen. So konnte sie mit den Gefühlen höchster Freude und des Dankes gegen Gott am 28. August 1899 das Fest des fünfzigjährigen Bestehens der Genossenschaft feiern. Das war in der Tat ein goldenes Jubelfest, wenn es auch dem Wunsche des Superiors gemäß nur im engsten häuslichen Kreise gefeiert wurde. Der Stotzheimer Pfarrer Glöckler, selbst ein Sohn Niederbronns, der von den ersten Jahren der Gründung an die wechselvollen Geschicke der Kongregation miterlebt hatte und ein persönlicher Freund der Stifter gewesen war, hielt bei diesem Anlaß die Festpredigt in der Klosterkirche des alten Mutterhauses zu Niederbronn 119). Von allen Seiten liefen Glückwunschschreiben und Telegramme ein. Keines erregte größere Freude als jenes des Kardinals Rampolla, das den Segen Sr. Heiligkeit des Papstes Leo XIII. übermittelte. Zwei Tage vorher hatte Superior Simonis auch ein überreich warmes Gratulationsschreiben des päpstlichen Nuntius zu Paris, Lorenzelli, erhalten, der ihm von München her ein lieber Freund war.

Zwei Jahre vor diesem Jubeltage, am 10. Juli 1897, war die ehrw. Mutter zum dritten Male zur Generaloberin gewählt worden. Als das neue Jahrhundert anbrach, trat sie in ihr 70.`Lebensjahr. Der vorausgegangene Winter hatte ihren ohnehin schwachen Körper ganz gebrechlich gemacht. Mit Gefühlen ohnmächtigen Schmerzes mußten die Mitschwestern mitansehen, wie das Lebensflämmlein der geliebten Mutter immer träger und trüber flackerte. An einem Sonntag, es war der 29. April 1900 1 Uhr nachmittags, erlosch es ganz. Eine, die fast ein halbes Jahrhundert lang Leid und Freud’ der Genossenschaft mitgetragen und mitgefühlt hatte, die ihre ganze Kraft für deren Wohl und Wehe eingesetzt und sie in den letzten Jahren ihres arbeitsreichen Lebens zu so glänzenden Erfolgen gebracht hatte, war nicht mehr.

Am 1. Mai wurde sie von zahllosen Leidtragenden zur kühlen Gruft auf den stillen Klosterfriedhof geleitet.

Schwester M. Damien war das Muster einer vollendeten Ordensfrau. Es gab für ihr gesamtes Handeln und Denken nur eine Richtschnur: Gott! Auf ihn, den Schöpfer aller Dinge, zielte alles hin. Dessen Wille war für sie in der heiligen Regel verkörpert. Darum war es, als sie Generaloberin geworden war, ihre Hauptsorge, den heranzubildenden Schwestern die unbedingte Notwendigkeit der Regelbeobachtung einzuschärfen. Sie wußte, daß eine klösterliche Genossenschaft ohne den strengen Geist des Gehorsams gegenüber den Satzungen den Keim der Zersetzung in sich trage. Sie war allen Dispensen und Erleichterungen durchaus abhold. Gegen Mißbräuche, die sich eingeschlichen hatten, ging sie mit unnachsichtiger Strenge vor. Gegen alles, was nur entfernt an Luxus erinnern konnte, schritt sie mit Schärfe ein, drängte aber auf peinliche Sauberkeit. Ihr fester Charakter machte sie zur Generaloberin wie geschaffen. Es war nicht möglich, in Sachen, die das allgemeine Wohl der Genossenschaft dringend erheischten, ihr Zugeständnisse abzuringen. Da blieb sie fest. Dabei besaß sie ein goldenes Herz, das im jahrelangen Verkehr mit den Waisenkindern zu einem unversiegbaren Born mütterlicher Liebe geworden war; dessen Segen ergoß sich über alle, die mit ihr lebten. Für die kranken Mitschwestern war sie von rührender Liebe. Gerne milderte sie für diese die Strenge der Regel und gewährte reichlich Erleichterungen. Darum ward sie von allen wie eine Mutter geliebt und nach ihrem Heimgang aufrichtigst betrauert. Der Superior selbst, dessen Lebensabend langsam heraufdämmerte, beklagte ihren Tod als einen schweren Verlust. Das schönste Lob, das er ihr spendete, waren die schlichten, aber vielsagenden Worte: "Gutes, viel Gutes vollbringend ist sie durchs Leben gegangen." 120)

Sechstes Kapitel.

Simonis und der Geist der Genossenschaft.

Es hieße die großen Verdienste des Superiors Simonis um das innere Leben der Genossenschaft nur halb andeuten, wenn man eine Seite seiner Tätigkeit vergessen wollte, die für die Pflege und Erhaltung des wahrhaften Ordensgeistes von größter Wichtigkeit war: seinen erbaulichen Briefwechsel mit den Schwestern, die fern vom Mutterhause ihren Beruf ausübten. Durch eine rege Korrespondenz, die durch bestimmte Gelegenheiten, hohe kirchliche Feiertage, Namenstagsfeste, Jubiläumsfeiern u. dgl. äußerlich veranlaßt war, blieb der geistliche Direktor der Genossenschaft mit allen ihren zahlreichen Mitgliedern stets in enger Fühlung. "Ich liebe", schrieb er gegen Ende seines Lebens den Schwestern zu Diedesfeld 121), "diesen brieflichen Verkehr um so mehr, da er wieder allerlei Gutes in den Herzen hervorruft. Es ist wie ein persönlicher Besuch nebst Gegenbesuch. Die Schwestern leben jedesmal wieder neu auf. Sie werden wieder mehr zu klugen Jungfrauen des Evangeliums, indem sie den Vorrat der Lampen erneuern."

Viele Tausende solcher Briefe hat der unermüdliche Mann geschrieben. Sie legen nicht nur Zeugnis ab von seiner tiefen Kenntnis des menschlichen Herzens, sondern auch von seiner gründlichen Erfahrung im geistlichen Leben. Greifen wir aus der verschwenderischen Fülle schöner und erbauender Gedanken einige zur bleibenden Erinnerung heraus. Sie veranschaulichen am besten den Geist, von dem der Superior seine Schwestern beseelt wissen wollte 122).

Immer und immer suchte der Superior die Schwestern zu begeistern für ihren Beruf, den sie frei gewählt haben. "Es ist ein herrlicher Weg, durch welchen es dem lieben Gott gefallen hat, euch bis zur jetzigen Stunde zu führen. Schauet ihn jetzt an mit einem tief dankbaren Rückblick. Seht, aus welcher Armut und Armseligkeit der liebe Gott eine jede von euch herausgeholt hat, dem Leib’ sowie der Seele nach. Ihr seid Beamte des lieben Gottes, seid durch Gottes Vorsehung zu den allerschönsten und gesegnetsten Werkzeugen seiner Vorsehung geworden. Erkennt es, bekennt es, verherrlicht ihn." 123) Dem Briefschreiber schwebt ein schönes Bild vor Augen: "Ich fühle", schreibt er ein andermal, "mich oft gequält wegen aller unserer Schwestern. Ich habe vor mir ein Ideal, ein wahrhaft himmlisches Bild von dem, was ihr Leben zu sein hat, damit sie wahre Schwestern des allerheiligsten Heilandes werden. Ja, solche müsset ihr sein, liebe Schwestern, vor Gott, solche vor den Herren Geistlichen, vor den Christen und vor den Unchristen, solche unter euch selbst. Man muß euch als wahre Schwestern des allerheiligsten Heilandes erkennen, wenn man euch vor dem Tabernakel sieht, auf der Straße, beim Kranken. Wenn euch aber jemand in eurem Denken, Wollen und Lieben sehen würde, wie euch der liebe Gott in eurem Innern sieht, dann erst recht sollte dieser jemand in euch ein Wunder der Gnade ansehen können, wo er sich in der Schule Jesu Christi selbst einfinden und erbauen könnte." 124) Darum stellt er die Forderung auf: "Werdet Schwestern eine jede, aber Schwestern durch und durch. Das Bild, das ich mir so vor Augen stelle, möge ja kein Trugbild werden. Es darf dieses Bild so wenig trügen, als da trügen darf das Kleid, das ihr tragt." 125) "Dann", schreibt er einmal, "bildet die ganze Kongregation nur eine große Familie. Es gilt nun darum, daß ein jedes Haus recht musterhaft dastehe in der Haltung der Satzungen, jede Schwester musterhaft im Geiste der Kongregation. Ich denke, wie unglücklich es wäre, wenn irgendein Haus, irgendeine Schwester von dieser Berufstreue abstehen würde. Diese wären tote Äste am wunderbar schönen Baum. Auf daß dieses Unglück nie vorkomme, muß eine jede äußerst sorgfältig wachsam sein, über sich selbst wachen, um ja nie den Eifer und die Gewissenhaftigkeit vermindern zu lassen. Es muß eine jede Oberin ein sorgfältig offenes Auge haben, auf daß der böse Feind keiner Schwester irgend etwas anhaben könne, wodurch er die Arme einmal bemeistern könnte. Aber mit all diesen Mitteln würde noch nichts oder nur wenig gewonnen sein, wenn nicht der liebe Gott immer und immer wieder den Berufsgeist erneuern würde. Dazu müssen die heiligen Festtage der Kirche dienen. Wir müssen jetzt das schöne Weihnachtsfest dazu benützen. Eine jede von euch muß da wieder wie neugeboren werden für den Beruf, sich dafür ganz begeistern und eine noch nie gekannte, noch nie geübte Liebe und Demut in sich hervorrufen." 126)

Die Berufsfreude und Berufstreue ruht aber zuallererst auf der Beobachtung der Regel. Der Superior wird nicht müde, dies immer und immer wieder in Erinnerung zu bringen. "Haltet eure Regel, das möchte ich euch stets vor Augen stellen, stets in die Ohren einflüstern, so aber, daß es euch vollständig ins Herz dringe, daß es euch in Mark und Bein, in Fleisch und Blut übergehe. Eine Schwester hat ihren Wert, eine Kongregation hat ihren Wert, je nachdem die von der Kirche gutgeheißene Regel treu und liebevoll beobachtet wird. Treu! Ihr möget nie aus irgendeinem Grunde, nie auf Zureden von irgend jemand von der Haltung eurer Satzungen irgendwie abweichen. Was die Satzungen verlangen, das befolget in allen Stücken; was den Satzungen zuwiderläuft, das erlaubet euch nie. Eine Schwester muß so mit den Satzungen verschmolzen sein, daß, wer einmal die Redens- und Lebensart einer Schwester kennt, sagen könne, daß er die Regel und Lebensart von allen Schwestern der Kongregation kennt. Liebevoll! Die Regel soll aber nicht einfach aus Zwang befolgt werden, obwohl sich jede Schwester auch Zwang antun muß, um die Regel zu befolgen, wenn es anders nicht gehen will; obgleich die Oberin mit Festigkeit daran zu halten hat, wenn es mit einer Schwester anders etwa nicht gehen will. Allein dies sind doch nur Ausnahmefälle. Die Regel soll einfach aus Liebe zu Gott, aus Liebe zu den Gnadenmitteln des lieben Gottes gehalten werden. Darum ist die Regel an und für sich nicht unter Sünde verpflichtend. Was wäre das aber für eine hübsche Schwester, welche da sagen würde: Ich will alles tun, was nicht gerade Sünde ist. Die Regel ist euch in der unendlichen Güte Gottes als Gnadenmittel gegeben, um euch zu heiligen. Befolget eure Regel freudig, herzlich, liebevoll, mit Gebet in schwesterlicher Liebe zueinander. Haltet euch fest an die Oberin, Oberin und Mitschwestern fest an der Regel." 127)

Denn der Gehorsam "ist eure Zierde, doch nicht eine irdische, sondern eine himmlische Zierde. Ihr vollbringet den Willen Gottes hier auf Erden, gerade wie die Engel ihn dort im Himmel vollbringen. Ihr wisset nicht, ihr ahnet nicht, was das für ein herrlicher Schmuck in eurem Leben ist. Auch ist es dasjenige, dem der tierische Mensch in uns am meisten widerstrebt. Habet aber die großartigste Sorgfalt in euch, um diesen Schmuck, welches der Gehorsam ist, in seinem vollen Glanze zu bewahren und an euch zu tragen als die Zierde eures ganzen äußeren und inneren Lebens. Daran erkennt Gott sein Werk, wenn ihr seinen Willen in der Liebe des Heiligen Geistes vollbringet." 128) "Wie sehr gehen wir doch immer irre, wenn wir uns vom Gehorsam entfernen. Durch seinen Gehorsam bis zum Tode des Kreuzes hat der liebe Heiland nicht nur Gott den Vater auf das großartigste verherrlicht, sondern er hat die durch uns verletzte Ehre Gottes in vollem Übermaße wiederhergestellt. Eine Schwester aber, die gehorsamt, nimmt an diesem Werke der Genugtuung einen steten Anteil." 129) "Ohne Gehorsam ist ja das Klosterleben nichts als eine verpfuschte Existenz. Befraget euch aber nie, warum die Oberin euch gerade dieses und nicht jenes auferlegt, und ob ihr nicht glücklicher wäret auf einer anderen Mission oder in einem andern Dienst oder bei einem andern Kranken. Sobald ihr, um euch zum Gehorsam zu entschließen, zuerst nach dem Warum fraget oder diese Frage an andere stellt, so löset ihr den Gehorsam dadurch förmlich auf. Anderseits, sobald ihr euch die Frage stellt, ob ihr bei einer andern Beschäftigung nicht glücklicher wäret, so spannt ihr die Ochsen hinter den Wagen an. Das Glücklichsein soll nicht vorn beim Wagen unseres Lebens angespannt werden, es folgt nach. Nicht aber so soll es verstanden werden, daß ihr nachher vielleicht glücklich sein werdet, sondern ihr werdet es ganz sicher sein. Ihr werdet es um so sicherer sein, je weniger ihr es suchet." 130)

In allem soll die Schwester Gott vor Augen haben, alles aus Liebe zu Christus tun, überhaupt im Glauben wandeln. "Habet immer, ja immer den lieben Gott vor Augen, liebe Schwestern. Freuet euch auf jede Andachtsübung, auf jede Übung der Geduld, auf jede Pflichterfüllung. Aber damit ihr dazu gelanget, diese Freude stets in euch zu erwecken und zu nähren, müsset ihr ein neues Licht in euch aufkommen lassen. Ihr dürfet nicht so reden, wandeln und euch gehen lassen, wie es euch gerade drum ist, nach Laune, Leidenschaft oder sonst irdischem Sinne. Werdet Kinder des Glaubens. Der liebe Heiland ist in eurer Gemeine stets gegenwärtig, da ihr im Namen Jesu versammelt seid. Erwecket oft den Glauben an diese seine dortige Gegenwart. Redet dann mit ihm und bittet ihn, er möge euch recht erleuchten, beglücken, mit Liebe erwärmen und antreiben." 131 "Alles muß in Liebe getan werden, in Liebe zu Gott, den wir überall, zu allen Zeiten und bei allen Dingen gründlich lieben sollen, auch in Liebe zum Nebenmenschen, auf welchen eure Liebe zu Gott stets ausstrahlen soll." 132) "Zwei große Hindernisse treten oft unbemerkt ein. So groß sie auch sein mögen, sie bleiben unbemerkt. Das eine liegt darin, daß wir uns allmählich daran gewöhnen, die Pflichten gewohnheitsmäßig zu verrichten. Wir sind dazu unendlich geneigt. Wir werden aber dabei leicht vom lieben Gott abgewendet. Dieselbe Pflicht, durch welche wir dem lieben Gott zugeführt werden sollten, dient eben dazu, daß wir ihn geradeso vergessen wie die Weltleute bei ihren Pflichten. Denn nicht die Heiligkeit der vollbrachten Werke ist es, die uns in Vereinigung mit Gott bewahrt, sondern die Sorgfalt, mit welcher wir uns bemühen, dabei alles im Hinblick auf Gott zu tun. Das andere Hindernis liegt darin, daß wir bei den Pflichten es vergessen, an unserer eigenen Selbstverleugnung und Heiligung zu arbeiten." 133)

Über der äußeren Beschäftigung darf man nicht sich selbst vergessen. "Es ist notwendig", wird einer Schwester geschrieben, "daß Sie immer eine Zeit für sich haben, wo Sie beten und betrachten können. Glückselig, sagt die Heilige Schrift, sind diejenigen, welche die Lehren Gottes ergründen und dieselben von ganzem Herzen zu befolgen sich bestreben. Der Berufsgeist muß stets erneuert werden. Sie sind nämlich für den lieben Heiland ins Kloster gekommen. Sie haben ihn als Vorbild zu nehmen, und eine jede muß ein heiliges Feuer in sich haben, um stets in die Fußstapfen des lieben und anbetungswürdigen Vorbildes einzutreten." 134)

Dieses heilige Feuer kann aber nur durch ständiges Gebet brennend erhalten werden. "Wir sind immer am Gebet zu arm. Es fehlt uns an Eifer, an Liebe, an Demut, an heiligen Begierden danach. Und doch ist es nur mit vermehrtem Gebet, daß wir alle diese Mängel irgendwie zu ersetzen imstande sein werden. Der liebe Heiland kann uns in allen Stücken als Vorbild dienen. Indem er aber allen ohne Ausnahme vorschreibt, daß sie immer beten müssen und nie aufhören dürfen, so ist er selbst als der große Betende gekommen. Mit Beten ist er zur Erde herabgestiegen, mit Beten ist er von hinnen geschieden. Das Beten verwob sich mit allen seinen Arbeiten, Leiden und Liebeswerken. So zierte er alles in seinem Leben mit Gebet, das Gebet aber zierte er mit seinen Werken. So muß es auch bei euch werden, liebe Schwestern. Euer Leben muß mit dem seinigen eine wunderbare Ähnlichkeit tragen. Ähnlich sind eure Werke mit den seinigen. So sehr hat er euch seine Liebe erwiesen bei eurem Berufe. Allein das Beten muß, gerade wie bei ihm, sich mit den Werken verbinden, die Werke zieren, durch die Werke geziert und verherrlicht werden." 135) „Es kann euch nie etwas, auch nicht die größte Tätigkeit nach außen oder sonst irgend etwas anderes vom Gebetseifer oder von der Gebetstreue dispensieren. Wenn eine Schwester das Gebet einmal unterläßt, so geht es ihr wie einer Lokomotive, die nicht mehr geheizt wird. Es verliert sich alles bei einer, die nicht mehr betet. Sie ist nicht mehr das Werkzeug Gottes, sondern das Werkzeug des Teufels. Sie zerstört der Frieden, sie fühlt sich unglücklich, sie urteilt, sie verliert den Geist des Glaubens; sie nagt an demselben wie eine Ratte, um auch bei den Mitschwestern den Glauben und die Liebe zu zerstören. Sie urteilt, sie tadelt; Widerwillen gegen das Gebet steigt in ihr auf. Während des Gebetes, das sie in Gemeinschaft verrichtet, steigen ihr dann weltliche, stolze, sinnliche, gehässige Gedanken auf; sie gibt ihnen nach und hat den Frieden Gottes nicht mehr." 136) "Das Beten ist für das Seelenleben ebenso notwendig als das Atmen für das Leben des Leibes. Es gibt aber ungemein viel engbrüstige Gebete auf Erden. Diese werden nicht aus voller Brust, nicht aus der Tiefe des Herzens hervorgestoßen. Die betende Schwester glaubt dann zuerst nicht recht an ihr Gebet. Dann wird es schlecht verrichtet. Dann leidet aber auch der Klostergeist allmählich an Dürrsucht. O wenn ich nur allen Schwestern das Beten recht einprägen könnte." 137)

Aber der Mann, der so das Beten empfiehlt, vergißt nicht, auch einmal hinzuzufügen: "Viel beten, doch nicht in Erwartung der Erhörung einschlafen."

Ein Zustand, vor dem der Superior nicht genug warnen kann, ist der Mangel an Eifer, die Lauigkeit. "Wir sind nie in Sicherheit vor uns selbst. Die große Gefahr, in der wir uns stets befinden, besteht darin, daß wir den früheren Eifer wieder fallen lassen. Hat doch jede ihre Glücksstunden im Leben gehabt, wo sie ein heiliger Eifer beseelte und beglückte. Ihr habt damals den Entschluß gefaßt, ins Kloster zu kommen. Alles, was euch das Kloster anbieten konnte und auch anbot, war euch damals willkommen. Ja, es wäre eine jede auch bereit gewesen, mehr Opfer zu bringen, schwerere Opfer. Weil aber dieser damalige Eifer so angesehen wurde, als sei er uns angeboren, da versäumte das arme Herz das Rufen zu Gott und die Selbstbekämpfung. Der Eifer zur Verbreitung und zur Befestigung des Reiches Gottes nahm ab." 138)

Der Eifer kann nur aus wahrhafter Selbstverleugnung seine Nahrung ziehen. "Wenn eine Schwester nicht glücklich ist, so kommt es daher, daß sie sich nicht selbst verleugnet hat. Ist eine glücklich, so hat sie’s ihrer Selbstverleugnung zu verdanken. Schaut eine aber bald rechts, bald nach links, so kommt es daher, daß sie wohl der Befolgung einer oder der andern schlimmen Neigung entsagt hat für den Augenblick, dabei aber nicht sich selbst in ihrer ganzen Persönlichkeit verleugnet hat. Und an dem muß eben von jeder gearbeitet werden." 139)

Superior Simonis will nur fröhliche Schwestern. Mürrische und trübselige Gesichter können am Bette des Kranken nicht gedeihlich wirken. "Ihr sollet, liebe Schwestern, die Freude auf eurem Gesichte herumtragen, eure Kranken und Kinder lehren und mitreißen, auf daß ihr sie alle durch Wort und Beispiel dazu bringet, sich in Gott zu freuen und Gott in Freude zu dienen." 140) "Ich möchte es euch recht ans Herz legen, daß ihr rechte Trägerinnen, rechte Ausstrahlerinnen, rechte Spenderinnen der Freude in Gott bei allen zu sein habt, bei allen ohne Ausnahme. Es soll niemand je bei euch irgendeine Traurigkeit oder Schwermut finden. Euer Leben, wenn ihr’s recht einsehet, ist so vom lieben Gott gesegnet, daß es nicht anders als ein Stück Himmel auf Erden anzusehen ist. Mit Freude seid ihr in dasselbe eingegangen, mit Freude müsset ihr in demselben verharren, arbeiten, dulden, kämpfen, beten, betrachten und dem lieben Gott danken. So werdet ihr euch heiligen, andere heiligen, Gott verherrlichen." 141) "Eine jede soll Freude am Dienste Gottes haben, Freude am Zusammenleben und Zusammenwirken, Freude daran, daß ihr euren Kranken und Armen die Leiden teilen und lindern dürfet, auch Freude an euren verschiedenartigen Gebeten. Was man aber mit Freuden tut, das macht man gut." 142) "Die Seelenfreude ist allerdings oft eine besondere Wonne, mit welcher es Gott gefällt, uns hienieden schon zu belohnen. Allein dieselbe ist auch eine Gewissenspflicht. Wir sollen freudig werden wollen, freudig uns stimmen, uns selbst beglückwünschen, daß wir dem lieben Gott dienen dürfen; ihm herzlichst danken, indem wir erklären, wiederholt erklären, daß wir ihm mit der vollen Freude unserer Seele dienen wollen. Wir sollen diese Freude in das Herz einpflanzen, sie im Gesichte ausstrahlen lassen, sie den uns umgebenden Personen beizubringen suchen, sie gerne mit allen teilen. Besonders aber müssen wir fürchten, eine Störung der Freude weder bei uns selbst noch bei andern hervorzubringen. Bei uns selbst kommt sie aber hervor durch Laune, durch gekränkten Stolz, durch Befriedigung der Sinnlichkeit, wie dieselbe auch befriedigt werden mag, durch Eifersucht, durch Haß, durch Verzweiflung, durch Lauigkeit im Gebet, durch besondere Freundschaft oder Anhänglichkeit, durch Übertretung des Gehorsams, durch unnützes Nachdenken über Dinge, die uns nichts angehen oder die uns nicht zu Gott führen. Alle diese Dinge müssen gemieden werden, wenn wir den lieben Gott in Freude dienen wollen." 143)

Der Hauptzweck der Genossenschaft: der Dienst der Armen und Kranken, wird immer und immer wieder den Schwestern vor Augen geführt. "Euer Haus ist ein beständiges Ein- und Ausgehen von Kranken; die Kranken, die da kommen, die sind ähnlich dem Bettler, dem einst der hl. Martinus die Hälfte seines Mantels verehrte. Ihr verehrt diesen Kranken eure Pflege, euer Herz, die Hälfte eures Daseins. Und siehe, der göttliche Heiland will sich durch eure Pflege geehrt, geheilt finden. Und wenn diese Kranken dann aus dem Hause hinauskommen, so sollen sie ganz umgewandelt sein. Sie sollen durch den erneuten Glauben, die erneuerte Frömmigkeit sich so zu Gott hingezogen fühlen, daß sie Gott nicht genug danken können, daß er sie durch die Krankheit zu den Schwestern hingeführt hat." 144) "Pfleget eure Kranken sorgfältig aus Liebe zu Jesus, welcher für sich annimmt, was den andern getan wird." 145) "Es soll euch der Armen und Armseligen erbarmen. Der liebe Gott will euch mit vielen, recht vielen solcher Armen und Kranken in Verkehr bringen, damit recht viel, vielmal euer Herz aufgefordert werde, sich immer mehr zu erweichen und zu erbarmen. Nehmet diese Einladungen Gottes immer alle von seiner Hand an, und was ihr tuet, tuet es fromm für Gott. Tuet es aber liebevoll für die Waisenkinder. Das Gefühl der Erbarmung, das ihr stets im Herzen des lieben Heilandes schöpfen und erneuern müsset, muß sich bei ihnen bestens an den Tag legen. Habt ihr euch schon manchmal die Frage gestellt: Warum verwendet gerade mich der liebe Gott bei diesem widerwilligen Kranken? warum mich bei die­sen unangenehmen, bösartigen, schwachköpfigen bornierten Kindern? Ei, ei, einfach deshalb, damit ich ihm bei diesen Kranken, diesen Kindern etwas von jener Liebe vergelte, die er mir entgegenbringt. Er, er ist’s, der mir unter diesen armen Gestalten entgegentreten will. Eine jede dieser Armseligen ist an und für sich geeignet, uns Ungeduld und Widerwillen einzuflößen. Da hören wir aber den göttlichen Heiland uns zurufen: Habt Erbarmen mit mir! Was du an diesen, am letzten von diesen tust, das tust du mir! Diese lieben Kleinen sind nicht minder eure Schätze, als die Armen von Rom einst die Schätze der Kirche für den heiligen Märtyrer Laurentius waren. Liebet sie, liebe Schwestern, liebet sie von ganzem Herzen. Verachtet sie nie, nie! Verlanget nie, daß euch die Bürde dieser lie­ben Kinder weggenommen werde. Obendrein bestrebet euch, euch demütig zu benehmen vor den Kindern, die ihr als eure Herren ehren und behandeln dürfet." 146)

Aber auch die geistlichen Werke der Barmherzigkeit sollen eine Hauptsorge der Schwestern sein. "Erwecket in euren Herzen einen solchen Seeleneifer, daß ihr denselben nach allen Seiten hin ausdehnt, um die Bekehrung von allen ohne Ausnahme zu erhalten. Wo immer die Schwestern hinkommen, soll ihr Wirken und ihre Frömmigkeit wie ein Sauerteig sein, um das Reich Gottes dort einzupflanzen und auszudehnen." 147) "Darum setze ich bei den Eigenschaften, die ich bei euch auffinden will, einen durchgreifenden Seeleneifer voraus. Derselbe soll euch stets vorbereiten, damit das einer jeden von Gott verliehene Talent brauchbar werde. Dann aber auch soll derselbe Seeleneifer euch recht antreiben, dieses Talent: die körperliche sowie die geistige Kraft und die übernatürlichen Gnaden, mit vollstem Geiste der Aufopferung für die Seelen zu verwenden. Ihr habt, wenn ihr sie recht verwenden wollt, eine wunderbare Standesgnade, um die Menschen zum lieben Gott aufschauen zu machen. Suchet Gott für euch selbst, in eurem persönlichen Leben. Strebet danach, selbst immer das Herz nach oben gerichtet zu haben, und ihr werdet gleichsam, ohne es selbst zu merken, die Seelen der andern zum lieben Gott hinwenden. Auch werden es die Leute gern von euch annehmen, durch euch zu Gott gebracht zu werden, wenn sie sehen, daß es eure eigene Speise der Seele ist, mit Gott zu verkehren und für ihn zu arbeiten." 148)

Nicht bloß die Armen und Kranken soll das Herz der Schwestern in Liebe umfassen, sondern sie selbst sollen durch das Band schwesterlicher Liebe und herzlicher Einigkeit miteinander verbunden sein. "Diese gegenseitige Liebe unter euch soll ein Zeichen sein, daß Jesus selbst zu uns gekommen ist, um uns die Liebe des himmlischen Vaters zu überbringen. Es soll nie das Ende eines Tages kommen, ohne daß sich eine jede von euch das Zeugnis geben könne: Heute habe ich mich aber beflissen, meine Mitschwestern glücklich zu machen." 149) "Wir wären ungemein gesegneter, um Seelen für den lieben Gott zu gewinnen, wenn wir die Barmherzigkeit besser auszuüben verständen. O liebe Schwestern, fanget hierzu damit an, daß ihr untereinander zuvorkommend seid und euch gründlich liebet, lieb anredet, lieb behandelt, lieb erduldet. Diese schwesterliche Liebe wird euch ein Wegweiser sein zu unglaublichen Segnungen Gottes." 150) "Im großen Durchschnitt habe ich immer gesehen, daß ihr euch gutmütig untereinander vertraget und daß ihr einander ebenso beistehet in den verschiedenen Arbeiten. Doch hat auch dieses übrigens so schöne Benehmen manchmal etwas Not gelitten, bald nach der einen, bald nach der andern Seite hin. Staunet ja nicht darüber, daß ihr etwas Mühe habt, die Mitschwestern zu ertragen, oder auch darüber, daß die Mitschwestern Mühe haben, euch zu ertragen. Um die Erträglichkeit in einer Klostergemeinde hervorzubringen, ist schon eine gegenseitige schwesterliche Liebe notwendig, eine wahre Liebe für Gott und in Gott." 151) "Es ist ein Verstoß gegen das klösterliche Leben, wenn eine Schwester die Bemerkungen einer Mitschwester nicht gut annimmt, wenn sie ihr dafür grollt, aufredet, ein Gesicht macht oder den Kopf hängt. Dadurch wird ein allgemeines Ärgernis gegeben, der Seelenfrieden bei der sich lieblos benehmenden Schwester tief gestört, ein Schleier der Trauer über die ganze Gemeine ausgebreitet und dem Teufel des Grollens die Türe des Herzens erschlossen." 152)

Das ist die Stimme des Tadels, mit der der Briefschreiber nie zurückhielt, wenn es sein mußte. Weit öfter aber lobte er. Gerne gab er seiner Freude Ausdruck über das viele Erfreuliche, das er sah, und liebte es, das Beispiel einer eben verstorbenen Schwester den lebenden vor Augen zu halten, die den Klostergeist verkörperte. So schreibt er den Schwestern zu Viernheim: "Der Tod der Schwester Sigismund hat mir recht wehe getan. Ich habe dieselbe durch das Klosterleben hindurchgehen sehen mit jener Geradheit und Einfachheit, die ihr alle bei ihr gekannt habt. So wie ich sie am ersten Tage des Postulates gesehen habe, so habe ich sie noch gesehen am letzten Tage ihrer Krankheit. Gott suchend, Gott liebend, gottergeben, von Gott alles annehmend, mit dem lieben Heiland stets sagend: Ja, Vater, weil es dir so gefallen hat. So hat sie die Belehrungen ihres Noviziates angenommen, so die Arbeit auf ihrer Mission, so die Prüfung ihrer Krankheit, so die erbauliche Vorbereitung auf ihren Tod. Es ist mir ungemein schmerzlich gewesen, daß wir diese Schwester verloren haben. Doch ist es mir auch ungemein wohltuend, daß wir Schwestern haben, deren Leben so einfach, gottergeben und freudig zerfließt, wie das Leben der Schwester Sigismund zerflossen ist. Gott gebe, daß diese einfache Geschichte die Lebensgeschichte einer jeden von euch sei; sie ist durchs Leben gegangen und hat sich immer in Gott erfreut. Solche Schwestern sind eine Freude für Gott, und wenn wir uns hinlänglich aus dem Schmerze, sie verloren zu haben, herausgearbeitet haben, so müssen wir uns über ihren vor Gott so kostbaren Tod erfreuen."

Diese Blütenlese genügt, um den gewaltigen Einfluß erkennen zu lassen, den Simonis auf die Schwestern, die er heranbildete, ausübte. Darum liegt keinerlei Übertreibung in den Worten, welche Stadtpfarrer Wiedemann von Worms im Jahre 1901 an den greisen Superior richtete 153): "Sie, hochw. Herr Superior, sind es vor allem, denen Worms das Glück des Besitzes von Schwestern verdanken muß. Sie haben mit erleuchtetem Verständnis die Schwestern zu hoher Begeisterung für das Ordensleben zu erziehen verstanden. Sie haben ihnen wahrhaft klösterlichen Geist eingehaucht, der Fleisch und Blut durchweht; Sie haben ihnen Liebe zum Gehorsam eingeimpft, kurz: Sie haben es verstanden, wahre Töchter des allerheiligsten Heilandes heranzubilden, wie deren unsere Zeit bedarf."

  

Der Chronist der Kongregation darf einen verdienstvollen Mann nicht vergessen, der mehrere Jahrzehnte hindurch der treue und eifrige Mitarbeiter des Superiors beim Werk der religiösen Heranbildung und Leitung der Schwestern war: den Klostergeistlichen Florenz Wolff, einen Priester mit allen Tugenden seines Berufes, von schlichter Einfachheit, größter Frömmigkeit und Herzensgüte. 40 Jahre hin­durch hat er äußerst segensreich gewirkt. Am 8. November 1910 konnte er in Ober­bronn sein fünfzigjähriges Priesterjubiläum feiern, bei welcher Gelegenheit Domkapitular Schickelé seine hohen Verdienste um die Gesamtkongregation feierte 154). Am 17. Juni 1911 ist er sanft im Herrn entschlafen. - Seit der Gründung der Genossenschaft haben folgende Priester als Klostergeistliche gewirkt: Gapp, zuerst Pfarrvikar bei dem Stifter Reichard, mit dem er in das neugegründete Mutterhaus übersiedelte; er wirkte teils hier, teils im Bruderkloster Singlingen bis 1862; Felix Andreck, vom Oktober 1855 bis November 1856; F. J. Birgentzle, im Noviziat zu Niederbronn, dann in Oberbronn von 1856 bis 1870; Ignaz Vix 1856 bis 11. Dezember 1866, seinem Todestage; er ruht auf dem Klosterfriedhof; Seraphin Schott, 1866 - 1867, nach Reichards Tod provisorischer Superior bis zum Amtsantritt Sattlers, später Generalvikar und Domkapitular; Fr. Jos. Heinrich, vom Februar bis 7. April 1868, seinem Todestag, begraben auf dem Klosterfriedhof; Joseph Wernert, Dezember 1867 bis November 1871, später Superior des Wallfahrtsortes Mariental; Fortunatus Zimmermann, zuerst in Singlingen, dann in Oberbronn, 1867 - 1876; F. A. Becht, in Oberbronn 1876 - 1879, in Niederbronn 1879 - 1882; Florenz Wolff, 1871 - 1880 im Noviziat in Niederbronn, 1880 - 1911 in Oberbronn; Karl Kolb, in Niederbronn 1882 - 1888; Edmund Braun, ebenda von 1888 - 1911, gestorben 1. Juni 1911 und begraben auf dem Klosterfriedhof 155). Sein Nachfolger in Niederbronn wurde im August 1911 Leo Haegelin. Im September 1904 übernahm der freiresignierte Pfarrer von Singrist, Emil Goetz, die neugeschaffene Stelle eines zweiten Klostergeistlichen im Mutterhaus Oberbronn. Nachfolger Wolffs wurde im Juni 1911 Joseph Fischer, ein gewiegter Liturgiker, durch dessen rastlose Bemühungen die Pflege des neuen Choralgesangs im Mutterhaus bemerkenswerte Erfolge zeitigte. Während längerer Krankheit ersetzte ihn Pfarrer Kieffer von Oberbronn.



Es erübrigt noch, dankbar der Verdienste des Redemptoristenordens zu gedenken, dessen Patres seit Beginn des neuen Jahrhunderts im Mutterhause jährlich die Exerzitien leiteten.

Siebtes Kapitel.



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