Revolution für die Freiheit


Bei den Anarchisten in La Zaida und Gelsa



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Bei den Anarchisten in La Zaida und Gelsa


Wir langweilten uns in dem Nest zu Tode. Dauernd hinter der Weinflasche und dem Kochtopf zu sitzen, war ja ganz angenehm, doch wenig interessant. Von den anderen Fronten kamen Nachrichten über harte Kämpfe, die Gerüchte über eine Regierungsumbildung in Madrid wurden deutlicher. Wir beschlossen, nach Barcelona zurückzugehen. Ich wollte Clara von der Front wegholen und mit ihr zusammen nach Madrid fahren. Dort waren, alles wies darauf hin, bald wichtige politische und militärische Ereignisse zu erwarten. Aber ich hatte noch einen besonderen Grund. Ich wußte aus Erfahrung, was es bedeutet, eine blonde Frau zu haben, vorausgesetzt, daß die Blondheit echt ist. Auf echte Blondinen sind die spanischen Männer wild. Oft hatten wir, weil Clara eine «Rubia» war, die Bahn gratis benützen können, alle Türen zu den höchsten Amtsstellen hatten sich vor ihr ohne Ausnahme geöffnet. Ihre Zivilcourage, ihr Sinn für tägliche Realitäten, gepaart mit einer oft berückenden Naivität, ihre Verachtung aller offiziellen Autoritäten waren unersetzliche Hilfsmittel. Franz Borkenau drückte das später während der Belagerung von Madrid mit den Worten aus: «Sie wissen ja nicht, was für Gold Sie in Händen haben, mit dieser Frau ist alles möglich.» Ich wußte es nur zu gut.

In Barcelona fand ich nach etlichen Mühen die Verpflegungsabteilung, die Claras Einheit in La Zaida versorgte. Jeden dritten Tag ging ein Lebensmitteltransport dorthin, und wir konnten mitfahren. Hans Wirz, ein passionierter Schürzenjäger, verliebte sich in Barcelona in eine hübsche deutsche Emigrantin und blieb da hängen. Felix Ippen, der noch keinen Frontbesuch hinter sich hatte, schloß sich mir an. Unser Vehikel war voll beladen mit Fleisch, Gemüse, lebenden Hasen und Hühnern in Kisten und Körben, Mehlsäcken, Konservenbüchsen, kleinen Wein- und Olivenölfässern. Drei bewaffnete Milizionäre begleiteten uns. Den ganzen Vormittag fuhren wir in sengender Hitze durch die Ebenen Aragoniens, durstig, müde, gerädert, die Ohren taub vom ewigen Gegacker der Hühner und die Hosen voll Hühnerdreck. Kaum in La Zaida angelangt, suchten wir unverzüglich die Wasserstelle auf, um uns zu waschen und den Durst zu löschen. Sie war belagert von Milizionären, die sich ihre Feldflaschen, Krüge und Fässer mit dem köstlichen Naß füllten.

Ein breiter Sombrero, unter dem blonde Locken hervorquollen, zog mich an: Clara. Stürmische Begrüßung. Sie war braun gebrannt und kerngesund, schleppte uns sofort zu ihrer Gruppe. Ihre Einheit setzte sich aus Spaniern, Italienern, Franzosen und Deutschen zusammen.

Im weiten Hof eines großen Bauernhauses befand sich die Küche; in riesigen Kesseln, bis an den Rand mit Olivenöl gefüllt, brodelten mächtige Hammelkeulen. Koch war der Italiener Antonio, militanter Anarchist, fünfzig Jahre alt. Weil er Bombenattentate gegen faschistische Parteihäuser organisiert hatte, mußte er zwei Jahre ins Gefängnis. Nach einigen Jahren Verbannung auf den Liparischen Inseln konnte er entfliehen. Er gelangte nach Paris und zog bei Ausbruch des Bürgerkriegs sofort nach Spanien. Clara und er waren gute Freunde. Sehr herzlich aufgenommen wurden wir nicht; die Männer hatten eine gesunde Abneigung gegen Journalisten und Fronttouristen. Clara half uns über diese Schwierigkeiten hinweg, es war zu spüren, daß sie Ansehen genoß und auf ihre Stimme gehört wurde. Die paar Tage in La Zaida wurden hervorragend langweilig. Außer dem Wacheschieben in den Schützengräben geschah gar nichts. Mit viel Überredungskunst kriegte ich Clara herum mit mir nach Madrid zu fahren. Vor der Abreise wollten wir noch das Hauptquartier der anarchistischen Kolonne Durutti in Gelsa besuchen.

Gelsa lag am anderen Ebroufer, ungefähr zehn Kilometer von La Zaida entfernt. Ohne Waffen war eine Flußüberquerung gefährlich, aber nach langen Verhandlungen durften wir Gewehre mitnehmen. Zwei Milizionäre setzten uns in einem Boot über den Fluß und versprachen, uns am Abend zu abgesprochener Stunde zu holen. In der sengenden Sonne zogen wir am Ebroufer entlang. Von irgendwo knallten Schüsse, Kugeln sausten uns um die Köpfe. Unsere in der Sonne aufblinkenden Gewehrläufe hatten uns verraten, wir umwickelten sie mit unseren Taschentüchern und marschierten vorsichtig weiter. In Gelsa führte man uns in ein schönes altes Kloster, in dessen langgestrecktem, kühlem Refektorium an schweren Tischen über hundert bunt uniformierte Männer der FAI saßen. Sie hatten eben eine Konferenz hinter sich und hockten nun beim Wein zusammen. Ohne Umstände nahmen sie uns in ihren Kreis auf, bewirteten uns, um uns dann mit zahlreichen Fragen zu überschütten. Unter ihnen befand sich Michel Michaelis, ein deutscher Anarcho-Syndikalist, der sich bereitwillig als Übersetzer betätigte. Aus seinen Darlegungen ging hervor, daß diese Leute fest überzeugt waren, der iberische Anarchismus werde diesen Kampf mit den Marxisten oder gegen sie siegreich beenden. Es beflügelte sie eine unüberwindliche Kampfmoral. Aus rauhen Männerkehlen ertönten die Kampflieder der spanischen Anarchisten, oft vom fernen Donner der Kanonen untermalt. Die hartgeschnittenen, von der Sonne gebräunten Gesichter, die kräftigen Gestalten, den Revolver umgeschnallt oder das Gewehr neben sich stehend, boten in dem klösterlichen Raum einen unwirklichen, phantastischen Anblick. Die zwei in ihrem Kreis erlebten Stunden sagten uns über den Kampfgeist und die Ziele der spanischen Anarchisten mehr als alle dicken Wälzer.

Die Rückkehr nach La Zaida gestaltete sich schwierig. Unsere Fergen waren nicht da. Zum Glück entdeckten wir im Ufergebüsch versteckt ein altes Boot, mit dem wir uns über den Fluß hinübertreiben ließen. Mitten im Fluß begegnete uns ein anderes Boot. Freund oder Feind? Wir machten unsere Gewehre schußbereit. Zurufe klärten uns auf, es waren unsere verspäteten Bootsleute.

Clara erhielt nach ausgiebiger Diskussion in ihrer Hundertschaft einen längeren Urlaub bewilligt. Sie war traurig, ihre Kameraden verlassen zu müssen. Die Autobusfahrt nach Barcelona vollzog sich ohne Zwischenfälle.


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