Revolution für die Freiheit



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Kriegsausbruch


Das Unabänderliche trat ein. Nach der Konferenz von München, der Preisgabe der Tschechoslovakei an Hitler, richtete dieser seine Angriffe gegen Polen. Danzig und der polnische Korridor rückten in die Feuerlinie der Weltpolitik. Wird Warschau ein zweites Prag? Oder werden diesmal Frankreich und England ihre Bündnisverpflichtungen einhalten? Die Fragen standen auf allen Lippen, niemand wagte sie zu beantworten.

Marcel Deat, ein ehemaliger Sozialist, schrieb in einer Pariser Tageszeitung einen berühmt gewordenen Artikel: „Mourir pour Danzig?” Er predigte die Kapitulation vor Hitler, um den Frieden zu bewahren. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel platzte der deutsch-russische Nichtangriffspakt in die Welt. So ganz unerwartet war das Ereignis für uns nicht.

In Paris hatten wir die Bekanntschaft von Ante Cilliga gemacht. Er war einer der Gründer der jugoslavischen kommunistischen Partei und ging schon 1922 nach Rußland und übernahm an einer kommunistischen Universität in Leningrad ein Lehramt. Mit dem täglichen Sowjetleben konfrontiert, entdeckte er langsam, unerbittlich die wahre Natur der angeblich sozialistischen Gesellschaft. Er opponierte dem Gesinnungsterror in der russischen Partei, der es jeder Opposition verunmöglichte, ihre Meinung offen darzulegen. Um die Ideen der Opposition kennenzulernen, knüpfte er Beziehungen zu einigen ihrer Vertreter an und bald gehörte er zur trotzkistischen Richtung. Nach wenigen Monaten wurde Cilliga verhaftet und wanderte in einen Isolator hinter dem Ural. Nach drei schweren Kerkerjahren wurde er ins hinterste Sibirien verbannt und durfte als „Freier” arbeiten. Als ehemaliger Funktionär der Parteihierarchie hatte er Vergünstigungen, die ihm einen Lebensstandard erlaubten, der weit über demjenigen der parteilosen Deportierten stand. Nach einem zweijährigen Kampf mit der Sowjetbürokratie siegte er. Die Ausreise gelang, weil der Teil Kroatiens, in dem er geboren war, inzwischen italienisches Gebiet geworden war. Die Mussolinibehörden setzten sich für ihren zweifelhaften Staatsbürger ein und er erhielt die Ausreise. In Paris schrieb er ein hervorragendes Buch, ein erschütterndes Dokument unter dem Titel “Das Land der großen Lüge”. Auf Grund seiner Erlebnisse gab er eine Analyse der Sowjetgesellschaft, die zum besten gehört, was je geschrieben wurde. Der schmerzliche Weg eines Kommunisten, der die Wahrheit entdeckt, seine lllusionen begräbt, der Stalins Tyrannei durchschaut, sich von der trotzkistischen Opposition verführen läßt, um am Schluß zu erkennen, daß das Grundübel schon bei Lenin und der Legende der bolschewistischen Partei beginnt.

Mit Cilliga, der in furchtbar ärmlichen Verhältnissen in Paris vegetiert, führten wir tage- und nächtelange Diskussionen über Rußlands Charakter und den heraufziehenden Weltkrieg. Einige Wochen vor Abschluß des Hitler-Stalinpaktes waren wir zur Auffassung gelangt, Stalin werde mit Hitler ein Bündnis schließen, um den Krieg von Rußlands Grenzen fernzuhalten und Zeit zu gewinnen. Trotzdem war der unmoralische Pakt auch für uns ein erheblicher Schock.

Das Meisterstück autoritärer Geheimdiplomatie löste erst grenzenlose Verwirrung, dann tiefe Erbitterung aus. In den nichts ahnenden kommunistischen Reihen brach die Panik aus. Ohne Direktiven aus Moskau fanden sich die kommunistischen Führer nicht zurecht. Bisher war der Hitlerfaschismus als der Hauptfeind der Arbeiterklasse und des proletarischen Staates gebrandmarkt worden, was nun?

Jetzt war dieser Arbeiterstaat mit dem Faschismus verbündet, die ganze Konzeption der kommunistischen Strategie hundertprozentig umgestülpt. Nur die Unentwegten, die jedes Drehen der Windfahne mitmachten, suchten krampfhaft nach Erklärungen. Der kommunistische Barde Louis Aragon, Verseschmieder auf Stalin, „Die Sonne der Völker”, schrieb in der Abendzeitung „Le Soir”: „Die Kriegstreiber zurückgeschlagen - der Friede gesichert”.Doch blieb vorerst die große Mehrzahl der Partei und ihrer Mitläufer verstört und stand fassungslos diesem Bündnis gegenüber. Ein Teil der Parlamentsfraktion rebellierte, zahlreiche Gemeinde- und Generalräte traten aus der Partei aus, viele zerrissen ihre Mitgliedsbücher. Die kommunistische Führung stammelte verlegene Phrasen und fand erst dann die Sprache wieder, als konkrete Befehle aus Moskau kamen. Nun wurde der Pakt als geniales Manöver zur Verhinderung des imperialistischen Krieges gefeiert. Hitlers Drohungen verwandelten sich unter der Hand in Abwehraktionen gegen die imperialistischen Kriegstreiber, die Gelüste der englischen und französischen Plutokraten. Die kommunistische Partei wurde verboten. Leider. Die Kommunisten hätten es schwer gehabt, ihren Anhängern den Pakt mit Hitler mundgerecht zu machen. Das Verbot der Partei und ihrer Presse enthob sie dieser leidigen Aufgabe.

Mit Hitlers Angriff auf Polen - der deutsch-russische Pakt hatte für den deutschen Generalstab die Drohung eines Zweifrontenkrieges beseitigt - begann der zweite Weltkrieg. Die Mobilisierung der französischen Armee vollzog sich reibungslos. Wir wohnten dem Abtransport der Soldaten an der Gare de l'Est bei. Es gab keine Spur von Begeisterung, ein stummes Händeschütteln, Umarmen, Weinen und Schluchzen. Weder angeheiterte noch betrunkene Soldaten waren zu sehen, nur ernste Gesichter, Fluchen und Bitterkeit. Ein Bild düsterer Resignation.

Die Emigranten der Feindstaaten wurden mit wenigen Ausnahmen sofort interniert. Ihre Frauen wurden in Freiheit gelassen. Einige tausend Emigranten aller Schattierungen wurden im Velodrome d'Hiver eingepfercht. Nichts war vorgekehrt, um diese Menschen zu ernähren, sanitäre Einrichtungen fehlten. Wochenlang erhielten diese Internierten als Nahrung Brot und ... Gänseleberpasteten. Ein Teil der Internierten konnte später bei den englischen Truppen als sogenannte Prestatäre arbeiten, erhielten eine Art Uniform und besaßen gegenüber ihren Gefährten im Lager einige Vorteile. Die Auswahl war willkürlich. Was sich einige Monate früher mit den spanischen Flüchtlingen abgespielt hatte, wiederholte sich jetzt mit den jüdischen und politischen Emigranten. Besonders schlimme Nachrichten kamen aus dem Pyrenäenlager Verney, wo die „Indesirables”, die nach Polizeigehirn besonders gefährlichen Emigranten, gefangen waren; in diesem Lager vegetierten auch Reste der Internationalen Brigaden, wie viele andere Spanienkämpfer. Willi, unser „Dorfnarr” hatte besonderes Pech. Da sein Zimmer tagsüber der S.A.P. als Büro diente, kam die Polizei zuerst dahin und der keiner Partei angehörende Willi wanderte als gefährliches Element nach Verney. Es saß dort mit Arthur Koestler, Gustav Regler, Paul Frölich zusammen. Unterschiedslos hatte die Polizei alles was „Boches” war in Baracken eingeschlossen. Unser „Dorfnarr” beschrieb uns in einem famosen Brief mit allen Details, wie unter seiner Führung die Stalinisten in wilden Faustkämpfen aus den Baracken geboxt wurden. Die französische Lagerleitung mußte wohl oder übel das fait accompli akzeptieren. Gustav Regler, im spanischen Bürgerkrieg zum politischen Kommissar aufgerückt, mehrmals schwer verwundet, hatte sich unter dem Eindruck der Schauprozesse, der Stalinschen Politik in Spanien und dem Hitlerpakt zu einem energischen Antistalinisten gemausert.


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