Revolution für die Freiheit



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Herr Künstler


Während ich die meiste Zeit mit dem Ausräumen von Wohnungen beschäftigt war, bestand Clara auf ihrem Arbeitsplatz homerische Kämpfe mit den deutschen Offizieren. Einige der Herren, die in der Holzfirma herumdiktierten, versuchten durch Schneid und Arroganz Clara zu beeindrucken, da sie gut fühlten, daß ihre Sympathien bei den Franzosen lagen. Die Firma mußte für die deutsche Besatzung, Tafeln, Wegbeschriftungen, Absperrschranken usw. liefern. Auf dem Holzplatz kam sie auch mit einem deutschen Soldaten in Verbindung, der keck gegen die Wehrmacht rebellierte. Der Mann war im Grunde Anarchist, verfluchte den Krieg, Hitler und die ganze Gesellschaft. Als Clara ihm klarmachte, er spiele mit seinem Kopf, lachte er nur und erwiderte: „Die werden sich hüten, etwas gegen mich zu unternehmen. Ich weiß zu viel von ihren Schwarzmarktgeschäften, ich verlade genug von dem Beutegut, das die Offiziere nach Deutschland senden, von all ihren Durchstechereien.”

Der rebellische Hitlersoldat besaß alle Ursache, mit seinem Schicksal unzufrieden zu sein. Seit 1934 lebte er mit seinen Eltern in Brasilien. Im Herbst 1939 besuchte er wieder einmal Deutschland. Der Kriegsausbruch überraschte ihn, er konnte nicht mehr zurück und wurde mobilisiert. Seine Wut ließ er in allen Varianten an seinem Vorgesetzten aus. Auf dem Holsplatz bemalte er seine Wand mit der riesengroßen Inschrift:„Der Soldat heim ins Reich; der Offizier reich ins Heim”. Diesmal war es offenbar genug. Nach den Erzählungen der Soldaten war der Rebell an die russische Front abgeschoben worden.

Die häufigsten Zusammenstöße hatte Clara mit einem Offizier der auf den schönen Namen Künstler hörte. Der Herr sprach ausgezeichnet französisch, kannte Paris wie seine Hosentasche und brüstete sich damit jahrelang in Paris gelebt zu haben. Trotz seiner Sprachkenntnisse vermied es der Herr, mit den Angestellten oder Arbeitern der Firma in ihrer Sprache zu sprechen. Er diktierte Clara auf deutsch seine Forderungen, wobei er sich nicht entblödete, diese mit beleidigenden Worten einzuleiten:„Sagen Sie den schleimigen Schneckenfressern, mir so und so viel Holz vorzubereiten” ... Zu seiner Wut übersetzte Clara wortgetreu seine Phrasen, worauf jedesmal Ducros und Pelloli, die zwei französischen Leiter der Firma, aus dem Büro verschwanden. Die wörtliche Übersetzung seiner Gemeinheiten durch Clara versetzte den Herrn in wilde Wut, doch wurde er mit seinen Tiraden vorsichtiger. Er versuchte sich auf andere Weise zu rächen. Herr Künstler ließ Clara eines Tages in sein Büro rufen und erklärte ihr: „Ich habe aus dem Hotel Continental (Sitz der deutschen Kommandantur) Klagen über Sie erhalten. Sie gehen da ein und aus ohne den Hitlergruß, Sie sprechen die Offiziere nicht bei ihrem Dienstgrad an. Das muß aufhören, Sie unterstehen hier der deutschen Wehrmacht.”

Clara antwortete ihm kühl:,, Hier bin ich von einer französischen Firma angestellt. Ich bin Schweizerin, ihr Führer ist nicht mein Führer. Von militärischen Graden habe ich keine Ahnung; ich spreche jeden Offizier mit Herr an, was ist dabei unhöflich?” Wütend schrie Künstler sie an:„Hier haben Sie zu gehorchen. Aus ihrer Schweiz werden wir den Feriengau für die Deutsche Arbeitsfront machen. Entweder Sie gehorchen, oder ich lasse Sie verhaften.”

Clara ließ sich nicht einschüchtern und entgegnete:„Ich unterstehe keiner Wehrmacht; Sie können mich requirieren lassen, darum kümmere ich mich einen Dreck. Und aus Bern werden wir die Hauptstadt Europas machen. Mich haben Sie jedenfalls hier zum letztenmal gesehen”.

Das war nach einem halben Jahr Dolmetschertätigkeit das Ende. Die beiden französischen Leiter der Firma hatten den Wortwechsel verfolgt und, obschon sie ihn wörtlich nicht verstanden, hatten sie den Sinn sehr wohl erkannt. Beide, Ducros und Pelloli, bedauerten Clara's Ausscheiden, über die Abfuhr von Künstler, den sie wie Gift haßten, freuten sie sich königlich. Auf Umwegen erhielten wir einige Wochen später von Freunden, die sich aus dem Lager nach Amerika gerettet hatten, die Bitte, ihre Wohnung auszuräumen. Die Familie Osner hatte im Square Monthelon eine Reparaturwerkstätte für Schreibmaschinen besessen und damit ihr Auskommen gefunden. Bei Kriegsausbruch interniert, ließen sie in ihrer Werkstatt zahlreiche Schreibmaschinen zurück. Sie hofften, wir könnten einen Teil davon retten und verkaufen, um ihnen den Erlös zuzustellen. Mit dem Schreiben meiner Freunde präsentierte ich mich bei der Concierge, die mir sofort die Nöte des ganzen Hauses in grellen Farben schilderte.

„Oh, ja, die Osner's, das waren wirklich nette Leute. Aber Schreibmaschinen, mein lieber Herr, da kommen Sie viel zu spät. Kaum waren die Deutschen da, erschien Herr Künstler und ließ alles wegräumen. Oh, la, la, das war eine Überraschung. Denken Sie, jahrelang hat Herr Künstler gleich nebenan eine Leihbibliothek geführt, ein so netter Mann. Kaum waren die „Boches” hier, kam Herr Künstler in Uniform, verlangte mir die Schlüssel der drei Emigrantenwohnungen im Haus und ließ alles wegschleppen. Ah, da finden Sie nur leere Wohnungen, die Schreibmaschinen sind alle weg”.

Ich war im Bild. Es gab keinen Irrtum, der Leihbuchhändler Künstler und der Nazioffizier Künstler waren ein und dieselbe Person.


Das Banksafe


Im Winter 1941 erhielt ich von der deutschen Devisenbehörde als Inhaber eines Bankfaches eine Vorladung, bei der Societe Generale zu erscheinen. Ich hatte den Schlüssel und die Vollmacht von Antonia Stern längst vergessen. Beim Einzug der deutschen Truppen in Frankreich waren alle Bankfächer und Guthaben sofort gesperrt worden. Nun mußte ich antraben und im Beisein deutscher Devisenbeamten Antonias Bankfach öffnen. Da Antonia versichert hatte, es seien im Bankfach nur poetische Ergüsse und private Korrespondenz, ging ich ruhig hin. Ich befand mich in zahlreicher Gesellschaft; eine Menge Franzosen standen im Keller-Gewölbe und nach Namensaufruf öffneten sie vor einem höheren Devisenoffizier die Bankfächer. Sie waren beinahe ausnahmslos leer; die Leute hatten ihre Werte schon vorher in Sicherheit gebracht. Mißmutig verrichteten die zwei Offiziere ihr nutzloses Amt. Als endlich mein Name aufgerufen wurde, öffnete ich wohlgemut das Fach. Ein Schwall von Papieren, Manuskripten, antinazistischem Material quoll mir entgegen. Zuoberst auf dem Stoß, den ich mit Mühe mit beiden Armen auffing, trohnte eine Propagandabroschüre der K.P.D. in grell-roten Farben mit dem Riesentitel: „Meine Flucht aus Dachau”, Hans Beimler, Reichstagsabgeordneter. Ich breitete die ganze Herrlichkeit auf dem Tisch vor dem Offizier aus und wartete. Er nahm die Beimlerbroschüre in die Hand, blätterte darin herum, durchwühlte oberflächlich den ganzen Stoß, warf mir einen bohrenden Blick zu und schnarrte: „Olle Kamellen, packen Sie die Klamotten zusammen und verschwinden Sie schleunigst, der Nächste, bitte”. Eiligst trollte ich mich. Zuhause, bei der näheren Durchsicht der Papiere, stellte sich natürlich heraus, daß die poetischen Ergüsse von Antonia mehrheitlich aus Propagandamaterial gegen Hitler bestanden; immerhin, es blieb uns ein Trost: aus einer der Broschüren tauchte eine Schweizer Hundertfrankennote auf, umso willkommener, als ja gerade darauf Jagd gemacht wurde.

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