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Samstag, 27. September 2008 - Fest der Kreuzerhöhung



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Samstag, 27. September 2008 - Fest der Kreuzerhöhung

Nun will ich zunächst den Nachtrag liefern, von dem ich am gestrigen Tage noch nicht viel wusste: Das Fest, dass am heutigen Tag in der orthodoxen Kirche begangen wird, ist das Fest der Kreuzerhöhung. Es ist eines der zwölf großen Feste in der orthodoxen Kirche - dementsprechend fiel heute auch der Unterricht an der Universität aus. Am gestrigen Abend war zunächst die Vesper, dann ging diese in eine Kreuzverehrung und Kreuzerhöhung über. Diese wurde in Form einer Prozession veranstaltet: Die linke Diakontüre der Ikonostase öffnete sich und in (ungefähr dieser Reihenfolge) traten Geistliche und Altardiener (russische Übersetzung für "Altarnik" - also Messdiener) heraus: Zunächst die Altardiener mit den Kerzen und dann die Diakone. Zwei der Diakone liefen rückwärts und beweihräucherten immerzu den das Kreuz tragenden Priester, dessen Gesicht und Kopf unter einem Tuch verborgen war und das Kreuz auf seinem Kopf abgelegt hatte mit beiden Händen festhaltend. Dabei ging er in gebeugter Haltung. Es folgten dann die restlichen Priester. Währenddessen sang der Chor - wenn ich mich richtig erinnere - die ganze Zeit "Gott, Du bist gnädig, lehre uns Dein Recht./ Wir verehren Deine Kreuzigung, unser Gott, und rühmen Deine Auferstehung. (Troparion)" Vor dem Ein- und Ausgang und somit vor den Königstüren der Kirche war zwischenzeitlich ein Podest aufgebaut worden, auf dem der Priester dann stand und das Kreuz hochhielt. Immer wenn der Priester es hochhielt, sang der Chor die hundertfache Ektenie, also hundertmal "Gospodu pomiluij" ("Herr, erbarme Dich"). Dabei wurde er von zwei Diakonen an den Armen unterstützt. Dann wurde das Kreuz langsam über einen Behälter abgesenkt, in dem, wenn ich es richtig gesehen habe, Rosenblütenblätter und eine milchig-gelbliche Flüssigkeit, ich denke Öl war. Dazu sang der Chor: "Gott, errette Dein Volk, gib den Segen für Dein Volk." Über das Kreuz und in den Behälter wurde dann Öl geschüttet und anschließend das Kreuz wieder erhöht. Dies geschah in alle vier Himmelsrichtungen. Anschließend wurde das Kreuz auf ein mit Blumen geschmücktes Podest zur Verehrung durch die Priester, Diakone und Gemeinde gelegt. Prozession und Erhöhung dauerten etwas mehr als eine Stunde. Die ganze Kirche roch trotz des massiven Einsatzes von Weihrauch sehr nach dem Rosenöl, mit dem die Gläubigen nach dem Gottesdienst vom Priester ein Kreuz auf die Stirn "gepinselt" bekamen. Dies ist also ein Segen, bei dem der Priester einen kleinen Pinsel ins Rosenöl taucht und damit ein Kreuz auf die Stirn zeichnet.

Das Fest geht auf die Legende der Auffindung des Kreuzes durch die Kaiserin Helena hervor, die es dann nach Konstantinopel und Rom gebracht hat. Kaiser Konstantin ließ an der Fundstelle eine große Kirche bauen und stellte die Reliquie dort zur Verehrung aus. Nachdem das Kreuz Anfang des 7. Jahrhunderts von den Persern erobert und "verschleppt" wurde, hat Kaiser Heraklaios es zurückerobert und feierlich in die Kirche zurückgebracht. In beiden Ereignissen liegt der Ursprung dieses Festes. (An dieser Stelle sei allen ein großes Danke gesagt, die ich mit meinen Fragen bombardiert habe!)

Heute fielen alle Vorlesungen und Seminare an der Universität aus, wegen des Festes am heutigen Tage. So bin ich wieder mit Anton in die Göttliche Liturgie in die Fakultätskirche gegangen. Im Anschluss bestand wieder die Möglichkeit, das Kreuz wie am Vorabend zu verehren - anstelle des priesterlichen Segens zum Schluss. Anschließend haben wir gemeinsam in der Stalowaja gegessen. Dann war wieder meine "Internetstunde", anschließend habe ich eingekauft. Allerdings hatte ich keine große Lust, viel herumzulaufen, da das Wetter heute regnerisch war und die Straßen dementsprechend voll mit Wasser standen. Nachdem ich kurz im Wohnheim war, bin ich noch zur katholischen Kirche in die Heilige Messe gefahren.

 

4.) Es ist Herbst geworden

 

 



Sonntag, 28. September 2008

5:30 Uhr klingelte der Wecker, aber eigenartigerweise bin ich sehr gut aus dem Bett gekommen. Vielleicht lag es daran, dass ich gestern so früh wie noch nie in Russland schlafen gegangen bin. Selbst der morgendliche Tagesablauf lief wie geschmiert, so dass sogar noch Zeit zum Frühstück blieb, was ich eigentlich für die Elektritschka geplant und dafür alles in Tüten und Dosen verstaut hatte. Selbst Eier habe ich am Vorabend noch schnell gekocht. Die Elektritschka war heute wieder sehr spät dran - sie hatte zwanzig Minuten Verspätung. Das hat dafür gesorgt, dass ich den Anfang der Göttlichen Liturgie nicht mitbekommen habe. Diese fand nicht - wie üblich - am Hauptaltar statt, sondern an einem Seitenaltar. Während der Liturgie habe ich dann schon die ersten beiden getroffen (und auch die einzigen, die ich bis dato kannte) - Olga und Elena. Nachdem Olgas Freunde zusammengekommen waren, ging es dann los. Bis dahin wusste ich noch nicht einmal den Namen der Stadt, den ich mir eigenartigerweise den ganzen Tag nicht merken konnte. Vom Belorusskij Boksal (also dem Weißrussischen Bahnhof - von hier verkehren die Züge nach Westen - unter anderem nach Berlin) ging es dann in Richtung Svenigorod. Im Zug haben wir dann zunächst ausgiebig gefrühstückt, da diejenigen, die zur Kommunion gegangen sind, noch nichts gegessen hatten. Da ist so einiges zusammengekommen: Einer hatte einen Kuchen mitgebracht, andere belegte Schnittchen, Süßigkeiten, Obst und noch vieles mehr. Ich war froh, dass ich auch etwas anbieten konnte: Eier, Brot, Wurst, Äpfel, kleines Kuchengebäck und - ganz wichtig - ein Messer. Das hatte nämlich keiner dabei!

In Svenigorod angekommen, sind wir zunächst zum Krankenhaus gefahren, wo wir dann eine Freundin der Gruppe besucht haben. Das war eine gute Gelegenheit, einen Spaziergang über das Krankenhausgelände zu machen, das aus einem recht großzügig angelegtem Wald besteht. Es gibt dort sogar eine kleine Quelle mit Trinkwasser, das sogar sehr gut schmeckt. Anschließend sind wir am Fluss Moskau auf schmalen und manchmal sehr rutschigen Pfaden entlang gewandert. Im Ort gab es dann zuerst in einem kleinen Supermarkt ein kleines Eis, bevor wir dann weiter zur kleinen Kirche marschiert sind. Dort erwartete uns schon fröhlicher Glockenklang, den einige Kinder im Glockenturm machten. In der Kirche war auch der Priester, der aus der Stadt kam, aus der eines der Mädchen kam, die mitgefahren ist. Er ist auf uns aufmerksam geworden, weil wir ein kurzes Gebet in der Kirche gesungen haben. Ich hätte so gerne mitgesungen, aber Text und Melodie sind mir (noch) unbekannt. Die Kirche selbst ist schon sehr alt, sie wurde zwischen 1396 und 1399 errichtet. In ihr sind noch viele alte (oder nicht restaurierte) Kunstwerke der Ikonenmalerei an den Wänden zu finden, so dass die Kirche ihren ganz eigenen Charme hat und ihr Alter durchaus würdig ausstrahlt.

 

Anschließend sind wir zum Hl.-Ssawwo-von-Sgoroschewskij-Kloster (Савво-сгорожевский-монастырь) gelaufen, dass nicht weit von der Kirche entfernt liegt. Dort war wieder eine Bekannte der Gruppe, die uns dann eine Exkursion angeboten hat in die Winkel des Klosters, wo Besucher normalerweise nicht hinkommen. Der erste Teil ging auf den Glockenturm, von dem man eine wunderschöne Aussicht auf die "Moskauer Schweiz" hat, wie man diese Gegend hier nennt. Dort oben sind einerseits eine, wie ich finde, sehr große Glocke und ein Glockenspiel. Dabei ist es hier so, dass die Glocken nicht schwingen, sondern nur der Klöppel in der Glocke beweglich ist. Die meisten Glockenspiele werden von Hand betrieben, dass heißt, dass es mehrere Pedale mit Seilzügen gibt, die den Klöppel in Bewegung setzen, aber auch Seilzüge, die von Hand betrieben werden. Die Führung ging dann über die Klostermauer, von der man ebenfalls eine wunderschöne Sicht über die Landschaft und Klosteranlage hat. Nach der Führung sind wir dann in die Klosterkirche St. Tatjana gegangen, in der der Heilige seine letzte Ruhestätte gefunden hat dort verehrt wird. Auch hier wurden wieder ein paar Gebete gesungen und der Heilige verehrt.



Das Kloster geht auf den Heiligen Ssawwo-von-Sgoroschewskij zurück. An dieser Stelle, an der jetzt das Kloster steht, war früher einmal das Dorf namens Sgoroschew (?), aus dem der Heilige stammt.

 

Nach dem Klosterbesuch gab es eine kurze Mahlzeit, vor und nach der wieder ein kleiner Lobpreis gesungen wurde, anschließend sind wir zu einem anderen Teil des Klosters gefahren, in dem der Abt des Klosters wohnt. Dort ist eine Art kleine Grotte in die Mauern gemacht, in der ein kleines Mosaik des Heiligen zum Gedenken ist. Auch dort haben wir wieder ein kurzes Lied gesungen.



 

Dann sind wir ein Stückchen mit dem Bus gefahren bis hinter die Brücke, die über die Moskau führt und wir sind wieder auf "alten" Wegen am Fluss entlanggelaufen bis zu einer alten Feuerstelle. Dort haben wir ein wenig Holz gesammelt und ein kleines Feuer gemacht. Und nun war ich total erstaunt: Irgendwoher kamen Würstchen, eine große Paprika, Brot, Kekse, Kuchen und noch viele Kleinigkeiten mehr. Sogar ein Metallbehälter zum Wasserkochen für den Tee hatte jemand dabei. Und so gab es dann noch einen richtig gemütlichen Abend am Fluss Moskau, der für meinen Geschmack viel zu früh aufgehört hat.

In der Elektritschka habe ich bei der Rückfahrt Olga noch den Text des Liedes "Schni-schna-schnappi" herausgeschrieben und danach Begriffe raten auf Russisch gespielt, was für viel Spaß gesorgt hat. 

 

Es ist Herbst geworden in Russland. Die Bäume leuchten in bunten Farben und wenn die Sonne scheint, dann wird es auch nicht mehr sehr warm, so dass man ohne Jacke auskäme. Die Herbstblumen blühen und gerade in den letzten zwei Wochen ist es trotz zumeist sehr schönem Wetter nicht mehr richtig warm geworden. Die Pullover sind aus dem Schrank gekramt und auch die Winterjacke hängt griffbereit. Umso schöner war für mich heute der Ausflug in die Natur. Im bunten Wald und an der Moskau zu wandern war einfach nur herrlich, auch wenn die Wege an einigen Stellen sehr rutschig waren. Und vor allem endlich wieder frische Luft atmen, die es in Moskau ja eigentlich gar nicht gibt. Und all dies mit einer sehr interessanten und lieben Gruppe von jungen Menschen, die mich mitgenommen haben und mit denen ich viel Spaß hatte. Und dann die interessante Exkursion im Kloster, die ohne die Gruppe auch gar nicht möglich gewesen wäre, die gemeinsamen Gebete und Gesänge in den Kirchen und für mich als Höhepunkt das Lagerfeuer am Flusse. Hätte ich doch nur noch mein Liederbuch mitgenommen - den Anflug dieser Idee hatte ich schon im Wohnheim. Dieser Tag war für mich ein Tag richtige Erholung von der Hektik und dem Stress der Stadt Moskau, etwas Herbst erleben und viel Ruhe finden. Ich bin halt doch ein Landei und werde es auch wohl immer bleiben. So bin ich glücklich zu Hause angekommen - aber ebenso müde. Ich glaube, dieser Tag war der bisher schönste meiner Zeit hier.



 

 

Montag, 29. September 2008

Heute war Waschtag! Der gestrige Tag hat doch seine Spuren an Kleidern und Schuhen hinterlassen, da die Wege nicht sehr sauber, dafür umso mehr rutschig waren. Durch das Feuer rochen die Klamotten zudem nach Qualm und an diesem Morgen das ganze Zimmer. Da das Wetter wieder gut war, habe ich die sauberen Sachen noch vor der Uni ins Fenster und nach draußen vor das Fenster gehängt, so dass sie nachmittags überwiegend trocken waren. Dabei musste ich ein wenig improvisieren: Die Gardinenleiste dient als Wäscheleine und draußen am Fenster habe ich an beiden Seiten zwei starke Haken, an denen ich - wie schon an anderer Stelle erläutert - drei Rödelriemen zusammengesteckt habe. An dem einen Ende der "Kette" ist eine Schlaufe, auf der anderen Seite muss ich mit Draht, mit dem ein schweres Kabel festgebunden ist, das andere Ende der "Kette" verknoten. Als Wäscheklammern dienen Bügelclips, mit denen man normalerweise Aktenmappen zusammenhält. Diese habe ich in einem Bücherladen mit Papeterie-Sortiment gekauft. Eine 1,5l-Flasche habe ich mit etwas Kabelbinder, das ich an einem gekauften Messer gefunden habe, und einer Büroklammer an den Riemen befestigt, so dass ich jetzt die Leine etwas auf Abstand zur Fensterbank und Hauswand halten kann. Die Russen können gut improvisieren - aber mithalten kann ich allemal!

Mittlerweile riechen nur noch Jacke und Rucksack ein wenig - als Andenken des vergangenen Tages sozusagen. Ich denke, dass der Geruch bald aus den restlichen Sachen heraus ist.

 

In der Uni habe ich heute allen möglichen Leuten Löcher in den Bauch gefragt, was es mit der Kreuzverehrung auf sich hat, um den Nachtrag liefern zu können, der unter dem vergangenen Samstag zu finden ist. Zunächst musste nach der Ethik-Vorlesung der Professor leiden, anschließend habe ich Olga noch einige Fragen gestellt. In der Stalowaja musste Elena dran glauben. Mittlerweile habe ich ein ganz ansehnliches Puzzle zusammen, bei dem nur noch wenige Teile fehlen.35 Morgen will ich aber noch den Liturgie-Dozenten fragen. Nach dem Einkaufen nach der Uni habe ich dann Bratkartoffeln gemacht, die ich dann wieder einmal nicht alleine gegessen habe. Es gab nur ein kleines Problem, nachdem die Zutaten alle in der Pfanne waren: Der Herd funktionierte nicht. Aber wozu gibt es die zweite Etage, deren Herd funktioniert? Als ich dann mit dem Kochen fertig war, funktionierte der Herd bei uns übrigens auch wieder. 



 

 

Dienstag, 30. September 2008

Heute bin ich extra ein bisschen eher aufgestanden, um am Tagebuch zu schreiben, weil ich die letzten Tage gar nicht mehr vernünftig dazu gekommen bin. An der Elektritschka-Station Pererwa sollte mich dann später eine fast etwas ungewöhnliche Situation ereilen: Ich habe den Zug einfahren sehen in der Ferne, allerdings nur durch die Gitterstäbe der Unterstellmöglichkeit der Station. Als er dann fast auf meiner Höhe war, habe ich groß gestaunt: Der Zug kam auf dem gegenüberliegenden Gleis angefahren, auf dem normalerweise die Züge von Moskau weg fahren. So musste ich dann schnell über die Brücke rennen, um den Zug noch zu erreichen. Und wer die Brücke und ihre Tücken kennt, weiß, dass das nicht unbedingt ungefährlich war, da sie doch so einige Stolperfallen enthält. Eine Lautsprecherdurchsage gab es nicht - wohl auch nicht für die Fahrgäste auf den anderen Stationen, da die genauso eigenartig schauten. Ich frage mich allen Ernstes nur, wie die Russen da so ruhig bleiben, denn in Deutschland hätte das Personal böse Schelte abbekommen.

In der Garderobe der Stalowaja gab es heute für mich eine große Überraschung. Nach dem Essen habe ich meine Jacke dort abgeholt, die immer etwas grantelnde alte Dame saß dort und winkte mich zu ihr: Sie drückte mir fünf kleine Kerzen in die Hand, einen kleinen Kerzenständer, einen Kugelschreiber, eine Karte über einen Park in Moskau und ein Heft über den Heiligen Tichon. Das hat sie mir geschenkt. So grantelnd und in eigenartigen Strukturen lebend sie auch immer wirkt, ich glaube, sie hat doch irgendwo versteckt ein gutes Herz. Ich habe mich jedenfalls sehr geehrt gefühlt.

Nach der Vorlesung hatte der Dozent leider keine Zeit mehr, um meine Fragen zur Kreuzverehrung zu beantworten, so dass ich das noch ein wenig aufschieben muss. Anschließend war ich noch hier und da ein wenig einkaufen, bis dann der Rilke-Abend stattfand. Zunächst wurde der Dichter Rainer Maria Rilke vorgestellt, dann wurden Gedichte vorgetragen - einerseits in Originalsprache, dann in russischer Sprache. Auch ich durfte drei Gedichte vortragen, die dann übersetzt wurden von Oleg, Andrej und Andrej. Dort war dann auch eine weitere Studentin aus Berlin, von der ich zwar schon etwas gehört hatte, sie aber noch nicht kannte. So konnte ich sie dann nach der Veranstaltung kennen lernen. Es gesellte sich schnell mein Professor für kanonisches Recht dazu, der auch ausgezeichnet deutsch spricht. Er hat uns beide eingeladen, mit ihm am Samstag nach Sergijew Possad zu fahren. Ich denke, dass das sehr spannend wird, da er zudem auch Kirchenhistoriker ist und bestimmt noch so einiges erzählen kann. Obwohl: Eigentlich ist es für mich auch etwas befremdlich oder ungewöhnlich, mit einem Professor durch die Gegend zu fahren, der mich zudem noch duzt.

Anschließend bin ich noch mit Janka und einigen russischen Studenten in der Stadt gewesen - später dann auch in der Dunkelheit. Abends entwickelt Moskau scheinbar sein eigenes anderes Flair, da viele Gebäude einfach toll beleuchtet werden. Anschließend waren wir gemeinsam im Café in der Nähe der Christus-Erlöser-Kathedrale.

 

Dieser Tag war an für sich ganz schön, doch ich glaube, dass ich einen Gang zurückschalten sollte in nächster Zeit. Es kommen so oft Kommilitonen zu mir und fragen, ob wir nicht gemeinsam was machen könnten, sei es spazieren gehen, ein Museum besuchen, einen kleinen Ausflug machen, zusammen lernen usw. Während des ganzen Abends war ich schon ungewöhnlich ruhig und auch ein wenig verärgert, dass ich am nächsten Morgen schon um sieben Uhr zu einem Gottesdienst gehen sollte, wie mir zwei Studenten sagten. Das hätte für mich bedeutet, dass ich um 5:30 Uhr hätte aufstehen müssen. Das hat mir alles irgendwie auf die Stimmung geschlagen und deswegen war ich etwas wortkarg an dem Abend. Auch wenn es sehr schön war, hatte ich eigentlich doch gar keine Zeit. Das ist dann sogar Andrej aufgefallen, der im Café direkt nachgefragt hat, warum ich traurig sei. Und vor dem Café war mir dann ein wenig schummrig und übel, als wir uns verabschiedet haben. Nachdem ich dann etwas Zucker gegessen hatte, ging es dann aber recht schnell wieder. In der Elektritschka habe ich mich auch gar nicht so an dem Abend und den vielen tollen Eindrücken erfreuen können, da mir immer noch der Gottesdienst am nächsten Morgen im Magen lag. Ich habe mich dann länger im Wohnheim mit Stephan und Pjotr beraten und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich dort morgen nicht hingehen werde, sondern lieber einen Gang zurückschalte und es ruhiger angehen lasse, bevor es mich tatsächlich umhaut. Ich glaube nicht, dass es Hunger war, der dieses Gefühl ausgelöst hat, weil ich eigentlich kein Hungergefühl hatte - ich tippe tatsächlich auf Stress. Es ist einerseits die stressige Stadt und eine unmögliche Zeit- und Tagesplanung. Es kommen andererseits halt immer sehr viele Studenten zu mir, die mit mir gemeinsam was machen möchten und ich glaube, dass es einfach etwas zu viel wird. Mir fällt es aber auch schwer, denen abzusagen. Das werde ich jetzt aber wohl lernen müssen und auch machen. So froh ich auch bin, dass ich hier so gut angekommen bin, so traurig bin ich auch, dass ich gar nicht allen gerecht werden kann, die mit mir etwas gemeinsam machen oder zeigen wollen. Stephan sagte dann, dass ich halt zu bekannt oder berühmt sei. Unrecht hat er glaube ich nicht: Nur bin ich halt ein schlechter Superstar, dafür nicht aus Bohlens Talentkabinett.



Da nun heute der Rilke-Abend war, gibt es zum Herbstanfang zum Schluss des Tages noch ein kleines Gedicht von Rainer Maria Rilke.

 

Herbst




Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.


Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.


Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.


Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

(Rainer Maria Rilke)

 

 



Mittwoch, 01. Oktober 2008

Um acht Uhr bin ich wach geworden und wie sich später herausstellte, brauchte ich kein schlechtes Gewissen zu haben, dass ich nicht im Gottesdienst war. Es hat sich keiner beschwert. Auch wenn ich mich heute wieder fit gefühlt habe, so habe ich es langsam angehen lassen. Nach den Vorlesungen habe ich mir Melissentee aus den Anlagen der Fakultät gemopst, den ich jetzt gerade gemächlich trinke. Melisse soll ja gut gegen Stress sein. Schmecken tut der Tee jedenfalls! Zwischenzeitlich war ich auch im Internet, dieses Mal an einer anderen Stelle, die ein Kommilitone kannte. Leider konnte ich die Homepage nicht aktualisieren, weil die Verbindung total schlecht war und außer dem Abfragen von E-Mail eigentlich in der Stunde nichts funktioniert hat.

Was aber seit heute langsam anfängt zu funktionieren, ist die Heizung. Heute waren erstmals die Rohre lauwarm. Nun bin ich mal gespannt, was weiter daraus wird. Passend dazu war es heute wieder recht frisch und am Nachmittag hat es geregnet. Im Wohnheim habe ich dann ein wenig die Fehler in der Homepage korrigiert. Ich glaube aber nicht, dass ich alle gefunden habe. Was mir heute noch aufgefallen ist: Ab heute bin ich ja schon im 7. Semester. (Wie die Zeit doch vergeht...) 

Was die Gesundheit angeht, so denke ich, dass sich keiner Sorgen machen muss. Heute Abend bin ich recht müde, fühle mich aber entspannt.

 

 

Donnerstag, 02. Oktober 2008



Am Sonntag hatte ich mit Olga besprochen, dass wir uns einmal in der Woche treffen wollen, um jeweils eine gewisse Zeit deutsch und dann russisch zu sprechen, um die Sprachkenntnisse zu vertiefen. Und so haben wir uns heute das erste Mal getroffen. Dabei hat jeder den anderen korrigiert, wenn Fehler gemacht wurden und so habe ich auch ein wenig die Grammatik vertiefen können und ein paar neue Wörter gelernt.

Während dem Mittagessen hatte ich noch mit Oleg gesprochen und ausgemacht, dass wir abends gemeinsam kochen und zu Abend essen werden. So war es dann auch. Jeder hat wieder etwas dazugesteuert und gemeinsam haben wir dann noch einen schönen Abend gehabt. Zuerst war nur noch Evgenij mit dabei, später kam noch Stephan dazu und als wir eigentlich schon fertig waren noch Dmitri. Er hat dann noch Rest gegessen. Alles in allem war es ein gewöhnlicher Tag. Auch heute habe ich versucht, weiter nachzufragen, was es mit dem Gottesdienst im Kloster auf sich hatte, aber selbst Vater Valentin konnte nicht viel dazu sagen. Da sind vielleicht alte Traditionen des Klosters mit im Spiel, die mit eingebracht worden sind.

 

 

Freitag, 03. Oktober 2008



Heute war ich wieder im Internet, konnte aber wiederum nicht viel machen, weil irgendwie die Internetverbindung hakt und nicht so richtig will. Nach der Chorstunde war es dann endlich so weit: Ich habe mich mit einigen Studenten getroffen, um deutsch zu sprechen. Es waren recht wenig da, aber dafür war die Runde sehr schön: Erst habe ich Heinz Erhardt vorgestellt und anschließend haben wir das Lied "Hohe Tannen weisen die Sterne" gesungen, wo dann letztendlich eine Chorversion draus geworden ist. Ganz zum Schluss kam dann Janka mit zwei weiteren Studentinnen dazu, aber leider herrschte schon Aufbruchstimmung. Diese Treffen sollen jetzt regelmäßig stattfinden, aber ohne dass jemand eine Verpflichtung dabei eingeht: Wer kommt, kommt - wer nicht, der nicht. Die Treffen sollen dazu dienen, die deutsche Sprache zu verbessern. Nach dem Treffen bin ich noch kurz mit Janka und Andrej in einem Café gewesen, wo wir uns noch nett unterhalten und ein paar Fotos geschaut haben. Und mit Müh und Not habe ich dann noch die Elektritschka bekommen, die auch in Pererwa hält, sonst hätte ich wieder von der Station Depo aus laufen müssen, was zusätzliche 20 Minuten gekostet hätte.

 

 



Samstag, 04. Oktober 2008

Die Elektritschka war wie am Donnerstag heute schon wieder pünktlich! Ich aber auch, so hat die Zeit noch ausgereicht, um eine Fahrkarte zu kaufen und ich musste nicht wie ein paar Tage zuvor ausnahmsweise schwarz fahren. Zunächst stand für mich die Dogmatik-Vorlesung auf dem Plan, die um kurz vor zwölf endete und dann habe ich mich mit einer kleinen Gruppe getroffen und wir sind gemeinsam nach Sergijew Possad gefahren. Das Treffen in der Metro-Station Komßomolskaja war etwas schwierig, da ich an einer anderen Stelle gewartet habe als der Rest der Gruppe. Die Station wird von drei Metro-Linien berührt und hat daher drei Stationen, die aber alle den gleichen Namen haben. Und so haben wir uns zunächst nicht gleich gefunden.

Am Bahnhof haben wir dann ganz knapp einen Zug verpasst, ein Phänomen, dass sich noch den ganzen Tag durchziehen sollte. Im Zug habe ich zunächst etwas zu Mittag gegessen. Erst haben wir ein wenig auf dem Flohmarkt vor dem Kloster geschaut und sind dann ins Kloster hineingegangen und haben es uns in Ruhe angeschaut. Dabei konnte der Dozent der Uni sehr viel Interessantes und Neues erzählen. So ist die Schutzmauer um das Kloster eine Kopie der Mauer von Kitai Gorod in Moskau, die heute nicht mehr erhalten ist. Und woher der Name Kitai Gorod - also China-Stadt - kommt, wusste er auch nicht. Nur hat sie nichts mit dem Kommunismus zu tun oder ist ein Viertel, wo Chinesen lebten.

Zunächst waren wir noch in der orthodoxen Vesper in der akademischen Kirche, weil der aus Studenten bestehende Chor dort normalerweise sehr gut singt. An diesem Tage nur leider nicht... Zum Schluss waren wir noch in der Kathedrale Mariä Himmelfahrt, wo wir den Rest des abendlichen Gottesdienstes gehört haben. Hier sang der Chor gut. Es war auch ein Bischof anwesend, wie sich nachher herausgestellt hatte. Und eben darüber haben der Dozent, Andrej und ich uns auf dem Weg zum Bahnhof unterhalten: Ob das nun ein Bischof war oder nicht: Er hatte einen Bischofsstab, besondere liturgische Gewänder und stand der Liturgie vor. Ich hätte den Bischof jetzt daran erkannt, dass er ein Kreuz auf seinem Schleier trägt, was aber nicht der Fall war. Und so haben wir lange hin- und herdiskutiert. Letztendlich sind wir an dem Punkt gelandet, ob ein orthodoxer Bischof immer ein Bistum hat. Die Antwort lautet: Hat er, da er auch immer den Namen einer Stadt oder einer Region im Namen trägt. Es gibt also keine Titularbischöfe. Unser Dozent ließ aber offen, ob es tatsächlich so streng gehandhabt wird.

Dann sind wir noch in ein Café eine Kleinigkeit essen gegangen. Für mich gab es Hot Dogs und ein paar Hamburger. Doch unter Hot Dog und Hamburger versteht man hier etwas völlig anderes: Der Hamburger ist eigentlich nur eine Frikadelle, die zwischen die Hälften einer Teigtasche versteckt ist, darüber Ketchupsoße und etwas Dill. Und eine Gurkenscheibe ist auch dabei. Der Hot Dog besteht aus den gleichen Zutaten, nur dass anstatt der Frikadelle ein Würstchen darein gequetscht wird. Der Dozent hat uns dann noch eine Flasche Wein ausgegeben, den wir dann aus Plastikbechern getrunken haben. Das Café war recht "altertümlich" eingerichtet: Ein paar Stühle und Tische, Tapeten und Gardinen im Stil der 70er und eine Verkaufstheke. Und das war es dann eigentlich auch schon. Dann sind wir noch zu der Eisbude am Bahnhof gegangen, die gerade zumachte und haben der Verkäuferin noch ein Eis abschwatzen können. Deswegen haben wir dann auch gleich wieder den Zug verpasst.

Im Zug kurz vor der Endstation hieß es dann Abschied nehmen von Janka und dann ganz schnell zur Station Kalandschovskaja hechten, dort eine Fahrkarte kaufen und um dann wieder eine Elektritschka zu verpassen. Den Zug habe ich noch am Bahnsteig stehen sehen, ihn aber leider nicht mehr mitbekommen. Alles in allem fehlten ganze 10 Sekunden. So musste ich dann über 40 Minuten warten und war kurz vor Torschluss im Wohnheim.

Dann habe ich noch versucht Elena zu erreichen, mit der ich morgen einen Ausflug machen will, habe sie aber bislang nicht erreichen können.

 

 



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