Graphische Darstellung der empirischen Arbeitsweise:
Arno Anzenbacher, Einführung in die Philosophie, Linz 1981, 23.
Religionspsychologie
1. Ihr Gegenstand ist ein Teilbereich der Erfahrungswelt, und die Ergebnisse als Beschreibungs- und Begründungszusammenhänge sind nur in diesem Teilbereich bestätigungsfähig;
2. durch ein Konstrukt wird ihr Thema auf einen bestimmten Gesichtspunkt hin eingeschränkt während andere Gesichtspunkte unbeachtet bleiben;
3. ihr Thema kommt nur in der Weise in den Griff der Forschung, den die Methode zulässt.
Die Bestimmung von Religion/Religiosität
„Das Feld für die empirische Religionspsychologie ist unbegrenzt, d.h. sie reicht, so weit es religiöse Gefühle, Erlebnisse, Vorstellungen etc. gibt. ... Die ganze Religionsgeschichte mit ihrem unermeßlichen noch lange nicht aufgedeckten und vorgelegten Inhalt an Vorstellungen, Gefühlen, Handlungen, Kulten, Riten, Ausdrucksformen will beachtet sein. Neben der Beobachtung des eigenen Seelenlebens tritt die des fremden, neben die Gegenwart die unübersehbare Vergangenheit, neben die gleichmäßigen Massen von Daten gewöhnlicher Art die Verwertung der Erlebnisse der religiösen Persönlichkeiten, Genien, Stifter, Propheten: Confucius, Zarathustra, Buddha, Muhammed, Augustin, Luther etc.; neben die objektive Geschichtsschreibung die subjektiven Bekenntnisse, Zeugnisse, Selbstportraitierungen; neben das normale gesunde religiöse Leben die verschiedenen Krankheitsformen desselben. Das ergibt fürwahr eine Sammlung von riesigem Umfang und weitschichtigem Material.“
Adolf Frey, Eine Untersuchung über die Bedeutung der empirischen Religionspsychologie für die Glaubenslehre, Leiden 1911, 14.
„ [...] the term ‚religious experience‘ covers an exeedingly disparate array of events – from the vaguest glimmerings of something sacred to rapturous mystical unions with the divine. Clearly some basic elements must be systematically extracted from these diverse phenomena if they are to be discussed with any conceptual quality.“
„ … involving some communication, however slight, with a divine essence, that is, with God, with ultimate reality, with transcendental authority”
Stark, Rodney / Glock, Charles Y., American Piety. The Nature of Religious Commitment, Berkeley-Los Angeles-London 1968, 125, 15.
Das empirische Relativ
„Liegen derartige Relationen bei den Merkmalsausprägungen der beobachtbaren Sachverhalte (im empirischen Relativ) vor, so können die Objekte hinsichtlich ihrer Merkmalsausprägungen unter Erhaltung ihrer Relation oder ihrer Struktur im Zahlenraum abgebildet werden. Es entsteht ein numerisches Modell der Beobachtungen, in dem selbstverständlich nur die Relationen gelten dürfen, die auch im empirischen Relativ Gültigkeit haben. Daß gerade gegen dieses Postulat häufig verstoßen wird, indem numerische Operationen, z.B. statistische Berechnungen, ausgeführt werden, die unter Rücksicht auf die Strukturen im empirischen Relativ unzulässig sind, führt zu Forschungsartefakten und zu berechtigter Kritik der Ergebnisse.“
Edward Haub, Die Messung der Religiosität, in: Edgar Schmitz (Hg.), Religionspsychologie. Eine Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Forschungsstandes, Göttingen u.a. 1992, 265f.
Ein Konstrukt wird durch Definitionen von Religion/Religiosität gebildet: Was an einer Ausdrucksform kann als genuin religiös qualifiziert werden? Die Definition bestimmt die Auswahl der Indikatoren.
Indikatoren sind Merkmale bzw. häufig beobachtete Eigenschaften, von denen man annimmt, dass sich in ihnen Religiosität ausdrückt wie etwa: Glaube an Gott, regelmäßiger Vollzug von Riten, Gebetspraxis, Bibelkenntnis, visionäre oder mystische Erlebnisse, Gefühle der Geborgenheit oder der Angst.
Das Konstrukt wird operationalisiert im Messinstrument: Fragebögen bzw. Skalen
Die Skalen bestehen aus Items, also Fragen, die in bestimmter Weise angeordnet sind.
Das Ziel ist, Korrelationen zu finden, also auffällig häufige Zusammenhänge. Dazu müssen Eigenschaften, die Unterschiede aufweisen, in Relation zueinander gebracht werden wie etwa regelmäßiger Vollzug von Riten und Gefühle der Angst.
Relationen zu nicht-religiösen Eigenschaften können etwa in Hinblick auf physische oder psychische Gesundheit versus Krankheit untersucht werden oder im sozial-politischen Bereich auf autoritäre versus demokratische Einstellung.
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Religiosität kann Gegenstand der Untersuchung sein als Erfahrung, aber auch als Haltung, Verhalten oder Motivation.
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Sie kann unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden wie: soziale Interaktion, Kognition oder Symbolbildung.
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Es lassen sich Untersuchungsbereiche spezifizieren: in Kindheit und Entwicklung, bei besonderen Ereignissen wie Eheschließung oder Krankheit, Sterben und Tod sowie im Kontext von Grunderfahrungen wie Liebe, Angst oder Schuld, aber auch in Bezug auf „mental disorder“.
Religiosität als „commitment“ in fünf Dimensionen (Mehrdimensionalität):
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religiöse Erfahrung (experiential)
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Glaubensüberzeugung (ideological, belief)
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Praxis (ritualistic)
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Wissen (intellectual)
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Konsequenzen für Haltung und Handeln (consequencial).
Stark, Rodney / Glock, Charles Y. (1968), American Piety. The Nature of Religious Commitment.
Messen lassen sich:
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die Häufigkeit des Vorkommens: Zustimmung-Ablehnung
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Einstellungen als Wert, den bestimmte religiöse Indikatoren für die Untersuchungspersonen haben, die aufgefordert werden, Urteile abzugeben
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die Relation zu nicht-religiösen Indikatoren
Normative Voraussetzungen (Prämissen)
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stecken in den empirischen Wissenschaften, da diesen die Philosophie des Empirismus zugrunde liegt;
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stecken im psychologischen Konzept, das gewählt wird, und dessen Menschenbild;
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stecken im Konstrukt aufgrund der Auswahl von Indikatoren: „Do not forget what you have decided to neglect“ (Allport, Gordon W. (1968), The Person in Psychology. Selected Essays, Boston, 271)
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können in die Operationalisierung einfließen, wenn die konkreten Fragen die Indikatoren nicht exakt zum Ausdruck bringen (z.B. bei Allport);
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können aufgrund des Vorverständnisses der Interpreten in die Interpretation der Ergebnisse einfließen.
„The type of psychology one choses to follow reflects inevitably one’s philosophical presuppositions about human nature”.
Allport, Gordon W. (1968), The Person in Psychology. Selected Essays, Boston, 23.
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