Bleibende Spannungen
„Wenn man heute in Deutschland als psychologischer Wissenschaftler empirisch-religionswissenschaftliche Forschungsarbeiten durchführen oder initiieren möchte, so läuft man Gefahr, sich angesichts der besonderen Entwicklung der deutschsprachigen Religionspsychologie einigen Mißverständnissen ausgesetzt zu sehen: Wendet man sich an die psychologische Fachöffentlichkeit, muß man sich nicht nur mit den Problemen einer fehlenden Forschungstradition und -infrastruktur auseinandersetzen, sondern auch befürchten, von den Fachkollegen voreilig als Vertreter einer Religionsapologetik mißverstanden oder in die Nähe der methodischen Traditionen der theologischen Religionspsychologie oder der Psychoanalyse gerückt zu werden und damit seine wissenschaftliche Reputation zu gefährden. Wendet man sich hingegen an Theologen oder Religionswissenschaftler, wird man, um nicht in den Verdacht einer unreflektierten Religionskritik oder eines psychologischen Reduktionismus zu geraten, sein Wissenschaftsverständnis gesondert begründen und erläutern müssen, wobei man feststellen wird, daß eine kommunikationsermöglichende Forschungssprache vielfach erst entwickelt werden muß. Wendet man sich schließlich an eine breitere gesellschaftliche Öffentlichkeit, wird man zu berücksichtigen haben, daß die persönliche Religiosität zwar einen zentralen, aber in der Regel sehr privaten Lebensbereich darstellt.“
Vorwort in: Helfried Moosbrugger/Christian Zwingmann/Dirk Frank (Hg.), Religiosität, Persönlichkeit und Verhalten. Beiträge zur Religionspsychologie, Münster-New York 1996, V. (Hervorhebungen von S.H.).
A „dilemma so characteristic of academic psychology: when presenting ‘theories’ which the majority of its practitioners considers ‘scientific’, the interested public is bored stiff, whereas what the public recognizes as interesting ‘psychology’ (for instance psychoanalysis, not to mention the work of Jung) is regarded by ‘real’ psychologists as too ‘speculative’.“
Troels Norager, Experience and Interpretation. Reflections on the Problem of Conceptualizing Religious Experience, in: Archiv für Religionspsychologie, Bd.21, Göttingen 1997, 70-79, Zit. 70.
Gegenstand der Religionspsychologie
„Simply put, we study people, not religion, and this is not a denigration of religion, but a statement of psychology’s basic goal.”
Spilka, Bernard / McIntosh, Daniel N., ed. (1997), The Psychology of Religion. Theoretical Approaches, Colorado-Oxford, XI.
„Viele erwarten von der Psychologie, daß sie sie ins Herz der Religion einführe und ihnen deren tiefsten Sinn enthülle. ... Wir müssen solche Erwartungen enttäuschen. ... Die Psychologie aber als positive Wissenschaft, befaßt sich nur mit den Erscheinungen: sie erforscht die Religion, so wie sie sich im Menschen manifestiert und strukturiert.“
Vergote, Antoine (1970 [1966]), Religionspsychologie, Olten-Freiburg, 15f.
Die Religionspsychologie ist „das wissenschaftliche Studium dessen, wie die Religion in der Psyche der Menschen, d.h. in ihren Gedanken, ihrem Verhalten und Erlebnis funktioniert“
Holm, Nils G. (1997), Religionspsychologie gestern und heute, in: Archiv für Religionspsychologie, 22, 15-27; 16.
Kapitel I: Das empirische Theoriemodell
„Das vorwissenschaftliche Denken begrenzt seinen Gegenstand nicht; kaum hat es eine besondere Erfahrung gemacht, versucht es sie schon für die verschiedensten Bereiche zu verallgemeinern“. [...]
„Der wissenschaftliche Geist kann sich nur konstituieren, wenn er den nicht wissenschaftlichen Geist ausrottet.“
„Die Bilder [...], deren sich die Alltagserfahrung bedient, um ihren vor-wissenschaftlichen Einsichten Ausdruck zu verleihen, sind ebenso ein Hindernis auf dem Wege des wissenschaftlichen Fortschritts wie ein unverzichtbarer Bestandteil all jener Mythen und Vorstellungen, aus denen sich die Dichtung speist.“
Bachelard, Gaston (21984), Die Bildung des wissenschaftlichen Geistes, Frankfurt/Main, 119, 14, 21 (Vorwort Lepenies).
Die Methode der Abstraktion
„Nehmen wir an, ein Fischkundiger sei dabei, das Leben im Ozean zu erforschen. Er wirft sein Netz ins Wasser und fördert dann eine Auswahl von Fischen zutage. Er prüft seinen Fang und verfährt in der gewohnten Art eines Wissenschaftlers, um das, was der Fang kundtut, in ein System zu bringen. Er gelangt dabei zu zwei Verallgemeinerungen: 1. Kein Seegeschöpf ist weniger als zwei Zoll lang. 2. Alle Seegeschöpfe haben Kiemen. Beides stimmt für seinen Fang, und er nimmt versuchsweise an, daß beides, sooft er auch den Fang wiederhole, wahr bleiben werde. [...] Ein Zuschauer kann einwenden, daß die erste Verallgemeinerung falsch sei.‘ Es gibt eine Menge von Seegeschöpfen, die weniger als zwei Zoll lang sind. Nur eignet sich dein Netz nicht dazu, sie zu fangen.‘ Der Fischkundige weist diesen Einwand verächtlich ab.‘ Alles, was mit meinem Netz nicht gefangen werden kann, liegt ipso facto jenseits des Rahmens fischkundlichen Wissens und ist kein Teil des Fischreiches, wie es als Gegenstand fischkundlichen Wissens definiert wurde. Kurz gesagt, was mein Netz nicht fangen kann, ist kein Fisch.”
Arthur Eddington, Philosophie der Naturwissenschaften, Bern 1939, 28f.
Der Gegenstand der Religionspsychologie
„Deshalb ist ‚das psychische Leben der Person’ die allgemeinste Gegenstandsbestimmung der Psychologie.“
Heinz Müller-Pozzi, Psychologie des Glaubens, München 1975, 30.
„Der eigentümliche Forschungsgegenstand der Religionspsychologie ist das Seelenleben, soweit es religiös ausgerichtet ist ... .“
Wilhelm Pöll, Religionspsychologie. Formen religiöser Kenntnisnahme, München 1965, 16.
„In der ‚Psychologie der Religion’ gelangen die eigentümlichen Vorstellungen, Gefühle, Gedanken, Handlungen, welche die subjektive Wirklichkeit der Religion bilden, zu einer mit den Hilfsmitteln und Methoden der Psychologie unternommenen Darstellung.“
Oswald Külpe, Einleitung in die Philosophie, 19074, 103.
„Sie [die Religion] ist ein großes Ganzes, in dem sich der Mensch zu etwas Transzendentem - etwas anderem, jemandem anderen, verschiedenen Mächten, Göttern, Teufeln u.s.w - relatiert und das Engagement alleine oder mit anderen zusammen ausdrückt. Die Religionspsychologie wird dann das wissenschaftliche Studium dessen, wie die Religion in der Psyche der Menschen, d.h. in ihren Gedanken, ihrem Verhalten und Erlebnis funktioniert.“
Nils Holm, Religionspsychologie gestern und heute, in: Archiv für Religionspsychologie, Bd. 22, Göttingen 1997, 15-27, 16.
Dem Religionspsychologen genügt es, „die Glaubensvorstellungen soweit zu prüfen und zu systematisieren, als sie als Wort-, Symbol- und Verhaltensäußerungen beobachtet werden können. Die Existenz Gottes außer acht lassen bedeutet also, daß man die im Kern der Religion beschlossene Existenzübertragung nicht selber vollzieht und sich damit begnügt, daran in einer gewissen affektiven und vernünftigen Sympathie teilzunehmen, soweit es die Anerkennung einer menschlichen Möglichkeit fordert. ... Die Psychologie … als positive Wissenschaft, befaßt sich nur mit den Erscheinungen: sie erforscht die Religion, so wie sie sich im Menschen manifestiert und strukturiert.“
Antoine Vergote, Religionspsychologie, Olten 1970, 15f.
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