§ 23a AufenthG - Härtefallaufenthaltserlaubnis
VG Berlin 21 A 656.04, B.v. 11.02.05 Anspruch auf Duldung während der Befassung der Härtefallkommission. Entgegen der offenbar vom Antragsgegner vertretenen Ansicht genügt es nicht, einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer für die Dauer der Aussetzung der Abschiebung während der Befassung der Härtefallkommission schriftsätzlich das Unterbleiben der Abschiebung zuzusichern. Es durfte vielmehr schon nach der Systematik des AuslG und nunmehr insofern gleichermaßen nach der des AufenthG einen ungeregelten Aufenthalt nicht geben. Ist daher aufgrund eines Abschiebungshindernisses oder einer Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung nicht binnen kürzester Zeit durchzuführen, muss dem Ausländer eine die Strafbarkeit des weiteren Aufenthaltes ausschließende Duldung erteilt werden (BVerfG, InfAuslR 2003, 185).
VG Schleswig 2 B 68/05, B.v. 21.06.05, InfAuslR 2005, 466; Asylmagazin 2005, 34 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/7235.pdf Entscheidungen der Härtefallkommission sind als bloßes Verwaltungsinternum mit Gnadenentscheidungen nicht vergleichbar und gerichtlich nicht angreifbar.
OVG NRW 18 B 1476/05, B.v. 26.09.05 www.asyl.net/Magazin/Docs/2005/M-5/7333.pdf Kein Rechtsschutz gegen Entscheidung der Ausländerbehörde, einem Härtefallersuchen nach § 23 a AufenthG nicht zu entsprechen.
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Schwantner A., Übersicht der Rechtsgrundlagen, Zusammensetzung und Internet-Fundstellen zu den Härtefallkommissionen in den Bundesländern
www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/HFK_Laenderuebersicht.pdf
§§ 30, 32, 32a AuslG - Aufenthaltsbefugnis
VG Berlin 35 A 493/95, B.v. 12.07.95 - rechtskräftig, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1227.pdf Ein querschnittgelähmter Bosnier, der aufgrund seiner Behinderung keine Arbeit finden kann, hat Anspruch auf einen Aufenthaltsbefugnis gemäß der Weisung der Ausländerbehörde v. 12.6.95, obwohl er die in der Weisung geforderte Voraussetzung, seinen Lebensunterhalt aus legaler Erwerbstätigkeit zu sichern nicht erfüllt.
Die Weisung verstößt insoweit gegen das Verbot der Diskriminierung Behinderter in Art 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz. Eine nach mehrjähriger Duldungspraxis (Kettenduldungen über 3 1/2 Jahre) geschaffene Regelung nach § 32 AuslG darf im übrigen nicht Voraussetzungen aufstellen, die viele der sich seit Jahren hier aufhaltenden Flüchtlinge aufgrund ihrer persönlichen Umstände nicht erfüllen können (unbegleitete Minderjährige, alte Menschen, alleinstehende Frauen mit Kindern, Arbeitsunfähige u.a.).
VG Berlin 35 A 2436/94, Urteil, B.v. 31.07.95, IBIS e.V.: C1228: Flüchtlinge aus Bosnien haben auch bei Sozialhilfebezug generell Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Eine Weisung zu § 32 AuslG darf nicht Voraussetzungen aufstellen, die viele der sich seit Jahren hier aufhaltenden Flüchtlinge nicht erfüllen bzw. aufgrund ihrer persönlichen Umstände nicht erfüllen können.
VG Wiesbaden 4/1 E 930/94, B.v. 12.12.95, IBIS e.V.: C1229 Bei der bundesweiten Aufnahme bosnischer Flüchtlinge handelt es sich faktisch um eine Regelung nach § 32a AuslG, weshalb den Betroffenen anstelle von Duldungen Aufenthaltsbefugnisse erteilt werden müßten und den Kommunen die Sozialhilfekosten vom Land zu erstatten sind.
Dazu VGH Hessen 10 UE 459/96, Urteil v. 18.02.97, EZAR 015 Nr. 13, der die Entscheidung des VG Wiesbaden aufgehoben und den Kommunen keinen Erstattungsanspruch zugebilligt hat, bestätigt durch
BVerwG 1 B 139/97. B.v. 26.09.97, NVwZ 1998, 184: Weder Art. 28 Abs. 2 GG noch eine überproportionale Kostenbelastung der Kommunen durch die Flüchtlingsaufnahme gewähren den Kommunen einen Anspruch darauf, daß die oberste Landesbehörde nach § 32 a AuslG anordnet, bestimmten Flüchtlingsgruppen eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen.
VG Berlin 35 A 1608/95, B.v. 22.01.96, InfAuslR 5/96, 188; NVwZ-Beilage 7/96, 51, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1230.pdf Flüchtlinge aus Bosnien, die von eigener Erwerbstätigkeit leben, haben trotz gegenteiliger Weisung des Innensenators auch weiterhin Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für ein Jahr nach § 32 a AuslG sowie auch nach § 30 Abs. 4 AuslG. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des VG Wiesbaden - 4/1 E 930/94 v. 12.12.95 - sowie auf in Brandenburg sowie Sachsen-Anhalt bereits erteilte Aufenthaltsbefugnisse nach § 32a AuslG stellt das VG fest, daß es keiner ausdrücklichen Einigung des Bundes und der Länder zur Anwendung des § 32 a bedarf, die Voraussetzungen des § 32a liegen vielmehr bereits vor, weil Bund und alle Länder Kriegsflüchtlinge aus Bosnien durch die einvernehmliche Erteilung von Duldungen aufgenommen haben. Es ist nicht zu erwarten, daß aufgrund der rechtlichen Situation oder der politischen Verhältnisse eine Rückkehr vor Sommer 1997 beabsichtigt ist.
Das Gericht verweist auf Anhang 7 des Dayton-Friedensabkommens, wonach sich die Unterzeichner verpflichtet hatten, die Rückkehr-Modalitäten dem UNHCR zu überlassen. Deutschland als Mitglied der Bosnien-Kontaktgruppe habe den Vertrag als Zeuge ("witnessed by") mitunterzeichnet und damit dem Verfahren zugestimmt. Der Bundesinnenminister sagte dem UNHCR zu, vorläufig auf Fristen zu verzichten. Der UNHCR hat am 16.1.96 in Genf einen Rückführungsplan vorgelegt, der eine Rückkehr der Flüchtlinge aus Deutschland in zwei Jahren vorsieht. Der Plan sieht vorrangig die Rückkehr der mindestens 1 Million Flüchtlinge innerhalb Bosniens vor, danach sollen die mindestens 500.000 Flüchtlinge folgen, die in den anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawien Zuflucht gefunden haben. Erst danach sieht der UNHCR die Rückkehr der mehr als 700.000 Flüchtlinge vor, die von anderen europäischen Staaten aufgenommen worden sind, von denen sich etwa 400.000 in Deutschland aufhalten. Nach Einschätzung des DRK können etwa zwei Drittel der überwiegend moslemischen Flüchtlinge nicht in ihre Heimat zurück, weil ihre Heimatorte in einem Gebiet liegen, das den Serben zuerkannt worden ist. Die Zahl nimmt weiterhin zu, da das Abkommen von Dayton erneut zu erheblichen Flüchtlingsströmen geführt hat, wie eine große Zahl von moslemischen Flüchtlingen bestätigt, die in den letzten Wochen in Berlin eingetroffen ist. Die der Kontrolle der bosnischen Regierung unterliegenden Gebiete sind mit einer Vielzahl moslemischer Flüchtlinge übervölkert, viele Gebiete durch ca. 3 Millionen versteckter Landminen nicht bewohnbar. Eine Rückführung einer so großen Zahl von Flüchtlingen aus ca. 30 Ländern, die eine ohnehin fragile Lage nicht gefährden soll, kann nicht aufgrund einer nationalen Entscheidung, sondern - wie auch eigentlich vorgesehen - aufgrund einer international geplanten und durchgeführten Aktion erfolgen
Sinngemäß ebenso mit aktualisierter Begründung: VG Berlin 35 A 934.96 v. 22.07.96, IBIS e.V.: C1231, EZAR 015 Nr. 9.
OVG Lüneburg vom 16.08.95 - 4 M 4710/94, IBIS C1375 - Das OVG hat in einem Beschluss zum Leistungsbezug eines libanesischen Flüchtlings mit Duldung nach AsylbLG die Verweigerung von Leistungen nach § 2 AsylbLG u.a. mit dem Argument begründet, der Betroffene hätten Aussicht, eine Aufenthaltsbefugnis zu erhalten mit der Folge, dass Anspruch auf Sozialhilfe nach § 120 BSHG hat. ... Ein anderes Ergebnis lässt sich hier auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, die Antragsteller, die zur Zeit keine Aussicht hätten, von der Botschaft des Libanon neue Ausweispapiere zu erhalten, würden sonst auf (unbestimmte) Dauer auf dem deutlich gesenkten Leistungsniveau der §§ 3 ff. AsylbLG gehalten.
Zwar haben die Antragsteller zu 1.) und 2.) nicht Aussicht, eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG zu erhalten, da auch diese - wie die Leistungsberechtigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG - voraussetzt, dass der freiwilligen Ausreise oder der Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die sie nicht zu vertreten haben. Sie haben aber nunmehr die konkrete Aussicht, spätestens nach Ablauf von zwei Jahren ab Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ausreisepflicht eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 4 (i.V.m. Abs. 5) AuslG zu erhalten.
Voraussetzung ist, dass sie (weiterhin) zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses erfüllen, sich also weiterhin ernsthaft bei der Botschaft des Libanon um Ausstellung von Ausweispapieren bemühen. Diese konkrete Aussicht auf Änderung ihres ausländerrechtlichen Status und damit ihrer Leistungsberechtigung rechtfertigt es, bis zum Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 30 Abs. 4 AuslG die Leistungsbeschränkung der §§ 3 ff. AsylbLG aufrechtzuerhalten.
VG Göttingen 1 B 1260/96, B.v. 07.01.97, IBIS e.V.: C1250. Familienangehörige haben Anspruch auf eine Aufenthaltsbefugnis nach §§ 30, 31.1 AuslG, wenn ein Ehepartner als Konventionsflüchtling nach § 51.1 AuslG, 70.1 AsylVfG über eine Aufenthaltsbefugnis verfügt. Zwar mag grundsätzlich der Regelversagungsgrund des § 7.2.2 AuslG (aus eigenen Mitteln gesicherter Lebensunterhalt als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung) im Rahmen eines Familiennachzugs nach § 31 AuslG Anwendung finden.
Etwas anderes muß aber gelten, wenn es um die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem politischen Flüchtling geht. Dem als Flüchtling anerkannten Ehepartner ist es nicht zuzumuten, seiner Frau und den Kindern in die Türkei zu folgen, um dort mit seiner Familie zusammenzuleben. Es ist auch kein Drittstatt ersichtlich, der bereit wäre die Familie aufzunehmen. Mit Rücksicht auf den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie ist den Antragstellern daher trotz ihrer derzeitigen Sozialhilfebedürftigkeit die Möglichkeit zu geben, die Familieneinheit im Bundesgebiet herzustellen.
Anmerkung: Ein Anspruch auf Familiennachzug, wenn ein Ehepartner als Konventionsflüchtling anerkannt ist, ergibt sich auch aus folgenden Entscheidungen: BVerwG, , IBIS e.V.: C1251, InfAuslR 1995,24; VGH Ba-Wü NVwZ-RR 1996, 533, 535 1. Spalte; OVG NRW, IBIS e.V.: C1252, NVwZ 1994, 602.
VGH Ba-Wü 13 S 1191/97 v. 22.07.97, IBIS C1376, InfAuslR 1998, 75. Einem abgelehnten Asylbewerber, der wegen eines Abschiebehindernisses geduldet wird, kann eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3, 4 bzw. 5 AuslG nicht erteilt werden, wenn Sozialhilfebedürftigkeit als Regelversagungsgrund nach § 7 AuslG entgegensteht. Ermessen zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ist erst in atypischen Einzelfällen eröffnet.
Ebenso VGH Ba-Wü 1 S 103/96 v. 24.09.97, IBIS C1377, InfAuslR 1998,78. Eine Abweichung von den Regelversagungsgründen Sozialhilfebedürftigkeit und Obdachlosigkeit kann bei einer 11-köpfigen Familie gerechtfertigt sein, wenn die große Mehrzahl der Familie infolge Alters oder Sorge für die Familie nicht arbeiten gehen kann.
VGH Ba-Wü 13 S 3121/96 v. 17.12.98, EZAR 015 Nr. 17; InfAuslR 1999, 133; VBlBW 1999, 150; IBIS C1421. Ein Ausnahmefall, der das sonst ausschlaggebende Gewicht der Regelversagungsgründe des Sozialhilfebezugs und der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts beseitigt und eine Ermessensentscheidung nach § 30 Abs. 3 AuslG ermöglicht, kann darin liegen, wenn das der freiwilligen Ausreise und der Abschiebung entgegenstehende Hindernis (hier aus Art. 6 Abs. 1 GG) auf unabsehbare Zeit fortbesteht.
Sachverhalt: Es handelt sich um ein syrisches Ehepaar mit drei Kindern, der Ehemann genießt Abschiebeschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG, es ist nicht absehbar dass die Verhältnisse in Syrien sich ändern werden, deshalb kann die Ehe auf unabsehbare Zeit nicht in Syrien geführt werden, u.a. mangels Kindergeldanspruchs ist nicht absehbar, dass die Familie unabhängig von Sozialhilfe werden kann.
VG Berlin 35 A 3811.97 v. 25.2.99, InfAuslR 1999, 376, IBIS e.V. C1497 Anspruch auf Aufenthaltsbefugnis für traumatisierte Bosnier. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis sowohl nach § 30 Abs. 3 als auch nach § 30 Abs. 4 AuslG vor, steht der Behörde ein Ermessen darüber zu, ob sie eine solche Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Als Ermessenskriterien können die Dauer der Abschiebungshindernisse und die Art der Duldungsgründe sowie die Schwere der zu erwartenden Beeinträchtigungen im Falle der Ausreise herangezogen werden. Eine Reduzierung des der Ausländerbehörde eingeräumten Errmessens kommt insbesondere dann in Frage, wenn die Dauer des Aufenthalts des Ausländers in Deutschland aufgrund von bürgerkriegsbedingten Traumata unabsehbar ist und die Erteilung eines rechtmäßigen Aufenthaltstitels für den Erfolg der auf mehrere Jahre angelegten Psychotherapie von Belang ist.
Zur Begründung verweist das VG auf die UNHCR-Position vom 22.6.98, wo es bezüglich jener Gruppen, die weiter internationalen Schutzes bedürfen, unter Ziffer 3.1 heißt: "Es kann angenommen werden, dass ehemalig in Konzentrationslagern oder Gefängnissen Inhaftierte, Opfer oder Zeugen von Gewalt sowie schwer traumatisierte Personen schwere Verfolgung auch von Hand der örtlichen Bevölkerung erlitten haben. Eine Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina kann vernünftigerweise nicht von ihnen erwartet werden. Viele der Personen, die für ihre Verfolgung verantwortlich waren, sind weiterhin auf freiem Fuß in Bosnien-Herzegowina, manche sogar in offiziellen Positionen. Zeugen vor dem internationalen Gerichtshof für das frühere Jugoslawien sollten gleichermaßen geschützt werden. Alle diese Gruppen benötigen fraglos Langzeitlösungen außerhalb Bosnien-Herzegowinas."
Diese Auffassung deckt sich mit den Erfahrungen nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur: Niemand wäre beispielsweise ernsthaft auf den Gedanken gekommen, ehemals Verfolgte oder gar Überlebende aus Konzentrationslagern zwangsweise nach Deutschland zu den Verursachern ihrer Traumata zurückzubringen, und zwar völlig unabhängig von der Tatsache, dass dort nach 1945 keine akute Wiederholungsgefahr mehr bestand.
Gerade aus dieser Erfahrung heraus wurde in Art. 1 C Nr. 5 Abs. 2 GK ein Anspruch auf Aufenthalt u.a. für Kriegstraumatisierte geschaffen, auf den sich auch die Klägerin berufen kann (vgl. VG Ansbach AN 4 K 81 C.638 v. 24.5.84; VG Karlsruhe A 12 K 10192.98 v. 18.5.98; VG München M 21 K 96.53206 v. 5.5.98). Auch im Asylverfahren genießen Traumatisierte in solchen Fällen einen besonderen Schutz vor einem Wiederruf der Anerkennung (§ 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG). Denn auch eine Wiederherstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse bedeutet im Einzelfall nicht, dass sich der psychische Zustand des Flüchtlings in Anbetracht seiner vergangenen Erlebnisse völlig geändert hat, ganz abgesehen davon, dass eine Änderung des Regimes nicht immer auch eine völlige Änderung in der Haltung der Bevölkerung bedeuten muss (vgl. UNHCR, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, S. 37).
BVerwG 1 C 14.99 v. 01.02.00, EZAR 015 Nr. 21; InfAuslR 2000, 340 Leitsätze: "Wird der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen ist, nach Ablauf der Antragsfrist gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 AuslG gestellt, gilt dessen Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung erneut als erlaubt. Ein Ausländer hält sich im Sinne von § 30 Abs. 2 AuslG auch dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sein Aufenthalt aufgrund des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 69 Abs. 3 AuslG als erlaubt gilt."
VGH Ba-Wü 13 S 2740/99, U. v. 29.06.00, VBlBW 2001, 30 Liegt im Anwendungsbereich des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG ein Ausnahmefall in Bezug auf den Regelversagungsgrund des Sozialhilfebezugs vor, kann die Frage der Vermeidbarkeit der Notlage durch zumutbare Anstrengungen des Ausländers oder seiner unterhaltspflichtigen nächsten Angehörigen mit Blick auf das dem Regelversagungsgrund zugrundeliegende staatliche Interesse an einer Verhinderung des Missbrauchs der Sozialhilfe ein Geischtspunkt bei der Ermessensausübung sein (vgl. VGH Ba-Wü 13 S 3121/96, U.v. 17.12.98, InfAuslR 1999, 199).
VGH Ba-Wü 13 S 1726/99, U. v. 05.07.00, InfAuslR 2000, 491; VBlBW 2001, 113. Sachverhalt: Der Kläger, ein staatenloser Kurde aus dem Libanon, ist wg. versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und inziwschen aus der Haft entlassen, nach kankheitsbedingter Kündigung arbeitslos und bezieht Arbeitslosenhilfe und verdient durch eine Teilzeitbeschäftigung 630.- hinzu. Seine Frau und seine fünf mdj. Kinder sind im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen, die Familie bezieht ergänzende Sozialhilfe in Höhe von 2.100.- mtl. Der VGH verpflichtete die Ausländerbehörde, dem Kläger eine Aufenthaltsbefugnis nach § 31 Abs. 1, 30 Abs. 4 AuslG zu erteilen.
Gründe: Der Kläger ist nach Ablehnung seines Asylantrags seit mindestens zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig. Er weigert sich nicht, zumutbare Anforderungen zur Beseitingung von Abschiebungshindernissen zu erfüllen. Er ist weder im Besitz eines Passes noch von Reisedokumenten. Nach der Sachlage ist auszuschließen, dass er in den Libanon einreisen darf. Ein Ausnahmefall vom Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG kann vorliegen, wenn der Versagung der Aufenthaltsgenehmigung höherrangiges Recht entgegensteht. Dies ist insbesodnere anzun ehmen, wenn eine vielköpfige Familie auf Sozialhilfe angewiesen ist, weil die Mehrzahl der Familienmitglieder wegen ihres Alters oder der Sorge für die Familie keiner entgeltlichen Tätigkeit nachgehen kann oder wenn der freiwilligen Ausreise auf absehbare Zeit ein nicht zu behebendes Hindernis entgegensteht. Die Versagungsgründe der § 7 Abs. 2 und § 8 Abs. 2 gelten im Anwendungsbereich des § 30 Abs. 4 AuslG mit der Einschränkung, dass die Aufenthaltsbefugnis unbeschadet des Vorliegens eines Ausweisungsgrundes erteilt werden kann.
VGH Ba-Wü 13 S 413/00, B.v. 29.01.01, InfAuslR 2001, 169; IBIS C1628 Besteht die Wahrscheinlichkeit, dass durch Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden (Anspruch auf eine Arbeitsberechtigung nach § 286 SGB III - Wegfall der Arbeitsmarktprüfung), steht die Sozialhilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG) der Erteilung der Aufenthaltsbefugnis nicht entgegen. Der mit § 7 Abs. 2 Nr. 2 verfolgte Zweck wird durch die Erteilung der Aufenthaltsbefugnis nicht vereitelt, sondern gefördert, da wegen des verbindlich festgestellten und auf unabsehbare Zeit fortbestehenden Abschiebehindernisses nach § 53 Abs. 4 AuslG von der weiteren Anwesenheit des Klägers auch ohne Aufenthaltsgenehmigung auszugehen ist.
VG München M 28 K 00.3474 v. 30.05.01, IBIS e.V. M0816 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/M0816.pdf Die Antragsteller, Ehefrau und Kinder eines russischen Deserteurs, der Abschiebeschutz nach § 53 IV AuslG wegen zu erwartender unmenschlicher Bestrafung und zunächst eine Duldung, dann ein Aufenthaltsbefugnis, inzwischen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt, haben sowohl nach der Altfallregelung 1999 (Weisung aufgrund § 32 AuslG, Anspruch auf Gleichbehandlung nach Art 3 GG, BVerwG v. 19.09.2000, InfAuslR 2001, 70) als auch nach § 30 Abs 3 AuslG Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen.
Sie können sich auf eine Ausnahme von der Passpflicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 AuslG berufen, da das russische Konsulat mangels legalem Aufenthalt in Deutschland die Ausstellung bzw. Verlängerung von Reisepässen verweigert und hierfür zunächst auf die Ausreise nach Russland und dort zu beantragende Reisedokumente verweist, wobei nach Einschätzung des Gerichts aufgrund des Status des Ehemannes als Deserteur die Ausstellung von Reisedokumenten in Russland jedoch äußerst ungewiss ist, was im Ergebnis eine Trennung der Familie auf unabsehbare Zeit bedeuten würde. Nach § 30 Abs 3 AuslG kann die Aufenthaltsbefugnis abweichend vom Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AuslG erteilt werden, weil die Antragsteller sich auf eine nicht zu vertretende rechtliche Unmöglichkeit i.S.d. § 55 Abs 2 AuslG berufen können (erzwungene Ausreise würde entgegen Art 6 GG Trennung der Familie auf unabsehbare Zeit bedeuten, und der Vater würde an der Ausübung seines Sorgerechts gehindert).
BVerwG 1 C 23.00, U.v. 15.02.01, InfAuslR 2001, 350 Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 30 IV AuslG müssen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erfüllt sein. Ein Ausländer ist grundsätzlich unanfechtbar ausreisepflichtig i.S.v. § 30 IV AuslG, wenn die zuständige Behörde ihm mit bestandskräftigem Bescheid die Abschiebung angedroht hat.
VGH Ba-Wü 11 S 2212/00 B.v. 10.9. 2001 InfAuslR 2002, 21 Zum Verhältnis Aufenthaltsbefugnis aufgrund Altfallregelungen nach § 32 AuslG - Aufenthaltsbefugnis aufgrund einer Einzelfallentschiedung nach §§ 30/31 AuslG, sowie zum Regelversagungsgrund Sozialhilfebedürftigkeit bei ausländerbehördlich verfügtem Arbeitsverbot - ausführlich siehe unter: "§§ 32 AuslG - Aufenthaltsbefugnis aufgrund einer Altfallregelung".
VG Stuttgart 4 K 2185/01, B.v.07.09.01, InfAuslR 2001, 191 War die Ausländerbehörde über mehrere Jahre hinweg bei der Beschaffung von Ausreise- oder Passdokumenten des Herkunftsstaates erfolglos, kann sie von dem betroffenen Ausländer keine weitergehenden Bemühungen i.S.d. § 30 Abs. 4 AuslG verlangen (hier: Palästinenser aus dem Libanon, Straftäter).
VG Lüneburg 1 A 1/98, U.v. 22.04.02, InfAuslR 2002, 367, Asylmagazin 11/2002, 31, IBIS M2596 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/M2596.pdf Anspruch des seit 1985 als Vertragsarbeiter in der CSFR und seit 1991 als Asylbewerber und dann mit Duldung in Deutschland lebenden vietnamesische Antragstellers auf eine Aufenthaltsbefugnis.
Da der Kläger bisher nicht ausgewiesen oder abgeschoben worden ist, die Sperrwirkung des § 8 Abs. 2 AuslG also nicht zum Zuge kommt, kann der Kläger eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3AuslG beanspruchen. Diese Vorschrift stellt ebenso wie die anderen Absätze eine allgemeine Härteklausel neben § 70 AsylVfG dar (Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 30 AuslG Rdn. 2), die u. a. dann eingreift, wenn Abschiebungshindernisse vorliegen und die Abschiebung (aus rechtlichen oder auch nur tatsächlichen Gründen) für einige Zeit – nicht nur vorübergehend – unmöglich ist. Dabei ist der gesetzlich bestehende Ermessensspielraum zum Zwecke der Reduzierung von ‘Dauerduldungen’ “möglichst auszuschöpfen, insbesondere in den Fällen, in denen sich eine Rückkehrmöglichkeit weiterhin nicht abzeichnet” (so ausdrücklich der Erlass des Nds.MI v. 21.01.02 - 45.2-12230/ 1-1, § 30).
§ 30 Abs. 3 AuslG enthält eine Rechtsgrundverweisung auf § 55 Abs. 2 AuslG, so dass es in Anwendung des Erlasses des MI Nds v. 21.01.01 auf die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise nicht ankommt und der behördliche Ermessensspielraum zugunsten der Antragsteller auszuschöpfen ist. Nachdem der Kläger hier bisher keine Ausweispapiere von der vietnamesischen Botschaft hat erhalten können, obwohl Anträge auf Rückübernahme seitens des Beklagten unter Vorlage des Reisepasses des Klägers gestellt worden sind, liegt es so, dass aus tatsächlichen Gründen – dem Verweigern seitens der vietnamesischen Behörden bzw. dem Fehlen von Einreisepapieren – sowohl eine Ausreise wie auch eine Abschiebung derzeit unmöglich sind. Auf den Versuch eine Einreise ohne Papiere oder die Erlangung von Papieren mittels Bestechungsgeldern muss der Antragsteller sich nicht verweisen lassen. Bei langjährig in Europa lebenden ehemaligen Vertragsarbeitern ist zudem von einer Rückkehrgefährdung auszugehen (Einweisung in Lager).
VG Frankfurt M. 1 G 2002/02(2) B.v. 24.6.02, IBIS M2190 Anspruch auf Aufenthaltsbefugnis wg. außergewöhnlicher Härte gem. § 30 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. weil dem Ausländer jahrelang (hier: 32 Jahre) eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt bzw. verlängert wurde, obwohl dafür keine rechtliche Grundlage gegeben war (hier: ständiger Sozialhilfebezug); Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gem. § 30 Abs. 2 AuslG.
VG Berlin 21 A 589/02, U.v. 09.08.04, IBIS M5692, Asylmagazin 12/2004, 31. www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/5692.pdf
Aufenthaltsbefugnis für einen Palästinenser aus dem Libanon nach §§ 30 Abs. 3 und 4 AuslG. Der Ausländer genügt seinen Mitwirkungspflichten bei der Beschaffung eines Reisedokumentes, wenn er einen Antrag stellt und die erforderlichen Formulare ausfüllt (OVG Bautzen, InfAusIR 2002, S. 298, 299). Ihm kann nicht abverlangt werden, eine Einreise in den Zielstaat ohne Papiere zu versuchen oder ein Reisedokument durch Bestechung oder ähnliche Handlungen zu erlangen (VG Lüneburg, InfAuslR 2002, S. 367).
Der Aufenthaltsbefugnis stand ferner nicht der Regelversagungsgrund des Sozialhilfebezuges gemäß § 7 Abs. 2 AuslG entgegen. Angesichts der seit Jahren andauernden Situation auf dem Berliner Arbeitsmarkt –auf diesen sind die betreffenden Ausländer aufgrund von § 56 Abs. 3 S. 1 AuslG (Residenzpflicht) beschränkt – kann es als praktisch ausgeschlossen angesehen werden, dass ein Arbeitgeber Arbeitsplätze an einen geduldeten Ausländer vergibt und sich damit der langwierigen Prüfung des Arbeitsamtes nach § 385 Abs. 1 SGB III aussetzt, falls kein Ausnahmefall extremer Qualifikation oder verwandtschaftlicher bzw. freundschaftlicher Beziehung vorliegt. Selbst wenn im Einzelfall derartige Arbeitsplatzzusagen vorliegen sollten, scheitert die Aufnahme der Arbeit an der fehlenden Arbeitserlaubnis. Bei dieser Sachlage kann einem Ausländer, der aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen weder freiwillig ausreisen noch abgeschoben werden kann, die mangelnde Sicherung des Lebensunterhalts aus eigener Erwerbstätigkeit nicht entgegengehalten werden.
VG Bremen 4 K 1152/03, U.v. 23.02.04, EZAR 015 Nr. 36 www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/5495.pdf
Eine Aufenthaltsbefugnis kann erteilt werden, wenn der Abschiebung des erfolglosen ehemals syrischen Asylbewerbers die Weigerung Syriens entgegensteht, diesem Passersatzpapiere auszustellen.
Literatur und Materialien:
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Tiedemann, P., Zur Verfassungswidrigkeit des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG, ZAR 2000, 265
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