zens«, die von vornherein das —> Böse und den ethischen Kompromiß einkalkuliert, überboten. Der schon im AT mitgeteilte Zielhorizont leuchtet auf: heilig wie Gott im ganzen Wandel (iPetr 1,15). Konkreter »Ort« des neuen Handelns ist unumgänglich die Lebensgestaltung des einzelnen (Indivi- dual-E.) Röm 12,1-2. Besonderes Übungsfeld der neuen Gerechtigkeit sind die Aufgaben, Bedürfnisse und zwischenmenschlichen Probleme der christlichen Gemeinschaft (Gemeinde-E.) Röm i2,9ff. Darüber hinaus soll die Praxis des Glaubens zu einem neuen Verhalten in der nichtchristlichen Gesellschaft führen, das die Bereitschaft zur Feindesliebe einschließt und das Ziel hat,
den anderen für Gott zu gewinnen (Sozial- E./Missionarische E.) (Röm 12,9f.; iPetr
f.).
Die Verwirklichung christlicher E. beginnt folgerichtig mit Umkehr und Befreiung des Menschen vom Zwang der Sünde (Röm 6). Ihre Entfaltung geschieht von Gott aus durch die Kraft des Heiligen Geistes, (Röm 8; Gal 5), vom Menschen aus durch ein ganzes Zurverfügungstehen für Gottes Ziele (Röm 6,12ff.; 12,1 f.), und den damit verbundenen Kampf gegen konkurrierende Eigenziele (Röm 8,12.; Gal 5,16f.). Das NT garantiert kein perfektes Gelingen der »neuen Kreatur«, verheißt aber der »im Geist« vollzogenen Lebensgestaltung die Erfahrung der
Freiheit vom Zwangscharakter der alten Existenzweise.
Der Maßstab biblischer E. ist kein Gebotekatalog, sondern —» Jesus Christus selbst als das Urbild des neuen Menschen (Kol 3,9h), wie besonders M. —> Kahler und St. Neill herausgearbeitet haben. Maßstab für unsere Lebensgestaltung ist seine Gesinnung (Phil 2), seine Art zu lieben (Joh 13,34-f.), seine Art zu dienen (Joh 13), kurz, sein ganzer konkreter Lebensvollzug (ijoh
. Wenn auch eine vordergründig-gesetzliche Nachahmung abgewiesen werden muß, so geht es doch um die geistgewirkte Formung des Menschen nach dem Bilde Christi jKol 1,28). Dieser personale Maßstab ist allerdings kein Gegensatz zum —» Gesetz (Zehn —> Gebote). Als Heilsweg ist es klar abgewiesen, ebenso klar aber ist es als Grundorientierung der Lebensgestaltung für Christen und Nichtchristen und als Maßstab für Gottes —» Gericht vorausgesetzt. Christen allerdings leben nicht gesetzes- orientiert, sondern unter der Führung des Geistes christusorientiert und erfüllen so die Gerechtigkeit, die dem Gesetz wirklich entspricht (Röm 8,4).
E. IM PIETISTISCHEN UND ERWECKLICHEN BEREICH
Von der Grundüberzeugung her, daß die —» Rechtfertigung in der Zueignung durch die —» Wiedergeburt den Menschen nicht nur gerecht erklärt, sondern zu einem gerechten Handeln erneuert, haben pietistische und erweckliche Bewegungen im Unterschied zum übrigen Protestantismus ein zentrales Interesse an der ethischen Frage. Inspiriert durch die angelsächsische —» Heiligungsbewegung wurden in einer Vielzahl von Vorträgen und praktisch-theologischen Schriften die Zentralgedanken von der Möglichkeit des Bleibens in Christus und vom Sieg über alle erkannte Sünde verbreitet. Besondere gedankliche Durchdringung leisteten O- —» Stockmayer und Th. —> Jellinghaus. Theologen, die in der Gesamtlinie dieser Position der E. nahestehen, sind A. —» Schlat- ter, R. Luther, E. -> Brunner, A. Köberle, O.
S. v. Bibra. Gefährdungen der pietistischen E. sind a) eine Neigung zur Beschränkung auf die Lebensgestaltung des einzelnen (Individualethik), b) eine Überlagerung der wichtigen Themen der E. durch eine zu starke Beobachtung von Randfragen (—» Mitteldinge),
gelegentliche perfektionistische Töne beim Ringen um das biblische Niveau einer E. Ihr Hauptvotum aber, das wohl nirgends so schwer zu formulieren war wie im deutschen Protestantismus, bleibt dies, daß es im Evangelium um das Tun des Willens Gottes geht, und daß die Gnade dazu ermächtigt.
Gegenwärtige Tendenzen
Die E. der dialektischen Theologie und des Existentialismus hat ihre Zuspitzung in der sog. Situationsethik erfahren, deren Anschauungen wie ein Sauerteig fast alle gegenwärtigen Konzepte der E. durchsetzen. Danach kann es außer dem Gebot der Nächstenliebe keine verbindlichen Maßstäbe mehr geben. Nur so ist das Ziel dieser E. garantiert, daß der einzelne in der jeweiligen Situation aufgrund vernünftigen Abwägens in Freiheit entscheidet, was richtig ist. Diese E. möchte gegenüber jeder —> Gesetzlichkeit die individuelle Wegführung wahren, schafft aber nicht nur die Gesetzlichkeit, sondern das sittliche Gesetz selbst ab und ist darin ein Ausdruck der gesamtgesellschaftlichen Demontage verbindlicher Maßstäbe. Die christliche Gemeinde reagiert auf dies ethische Allgemeinklima teils mit einer ver- christlichten Situationsethik, teils mit neuer Gesetzlichkeit, zum größten Teil aber mit Ratlosigkeit.
Die Unterweisung zur E. hat heute eine mehrfache Aufgabe: a) In der allgemeinen Normenkrise muß sie die bleibende Bedeutung des Gesetzes erhellen, b) In der harten Auseinandersetzung um die menschliche Freiheit muß sie deutlich machen, daß der Mensch seine wirkliche Identität erst dadurch findet, daß er sich Gott und seinen guten Zielen zur Verfügung stellt, c) Notwendig ist dazu aber eine klare Einführung der Funktion des Heiligen Geistes als der Kraft zur Identifizierung mit Gottes Zielen und zum Tun des Guten, d) Wenn die Reichweite des biblischen Konzeptes der E. weitergehen soll als bis zu einer richtigen ethischen Theorie und zur redlichen Mühe einzelner hochmotivierter Christen, dann ist christliche —» Gemeinde nötig, wo Gottes Wille miteinander erfahren und eingeübt wird und so der Mut entsteht, auch im säkularen Alltag Gottes neue Gerechtigkeit zu leben
Lit.: M. Kahler, Die Wissenschaft der christlichen Lehre, 19663 - A. Schiatter, Die christliche E., 19614 - K. Heim, Die christliche E., 1955 - N. H. Soe, Christliche E., 1965-1 - O. S. v. Bibra, Die Bevollmächtigten des Christus, 19698 - St. N^fll
Heiligkeit, 1962 -K. Bockmühl, Gott im Exil, 197 s - ders., Evangelikale Sozialethik, 1976