Die Unfähigkeit, Freiheit zu ertragen



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Die Unfähigkeit, Freiheit zu ertragen


Man muss

an die Konsequenzen der Kultur glauben,

und wenn man in einer Schulklasse unterrichtet,

muss man wissen,

dass das, was man den Schülern

vermittelt und kulturell antut,

Folgen haben wird,

später,


gegenüber den Kameraden,

den Freunden,

den Familienmitgliedern,

gegenüber Leben und Tod,

in der Trauer und in der Freude.

Die mitgegebene Kultur

wird menschliche und politische Konsequenzen

ganz konkreter Art haben.

Jeanne Hersch
Inhaltsverzeichnis

1. Grundsätzliche Gedanken zum

anerkannten Erziehungsauftrag der Grundschule ………………….. 5
2. Zum Geleit ………………………………………………………………. 7
3. Die Plytenbergschule im Wandel der Zeit und Anforderungen …… 15

3.1 Die Plytenbergschule als Symbol der Fürsorge der Stadt Leer

für ihre Jugend …………………………………………………………. 19

3.2 Allgemeine Betrachtungen über Schulbauten (1953) ……………… 21

3.3 Im Jahr 2000 wird die Plytenbergschule eine „Verlässliche

Grundschule“ …………………………………………………………… 23


4. Situation der Schule – die pädagogische Ausgangslage ………….. 25

4.1 Die Konsequenzen …………………………………………………….. 26

4.2 Welche Maßnahmen ergreift die Schule ……………………………. 26
5. Der Schulvormittag …………………………………………………….. 28

5.1 Die Unterrichtsstruktur ………………………………………………… 28

5.2 Die Pausen ……………………………………………………………… 30

5.3 Die Betreuungsstunde ………………………………………………… 30

5.4 Der Vertretungsunterricht ……………………………………………... 31
6. Der Schulkindergarten der Plytenbergschule ………………………. 32

6.1 Eröffnung des Schulkindergartens 1965 ……………………………. 32

6.2 Weiterer Verlauf ……………………………………………………….. 32

6.3 Heutiger Zustand ……………………………………………………… 33

6.3.1 Lernorte innerhalb der Schule ……………………………………….. 33

6.3.2 Lernorte außerhalb der Schule ……………………………………… 33

6.3.3 Ausstattung für die Lehrkraft ………………………………………… 34

6.4 Ziel des Schulkindergartens …………………………………………. 34

6.5 Welche Kinder besuchen nun den Schulkindergarten? ………….. 34

6.6 Ersatz für ein Familienleben ………………………………………… 35

6.7 Zusammenarbeit mit den Eltern …………………………………….. 35

6.8 Integration ……………………………………………………………... 35

6.9 Hilfsmöglichkeiten, welche die Schule vermittelt ………………….. 36

6.10 Zusammenarbeit mit anderen Lehrkräften, Betreuungspersonen . 36

6.11 Besondere Einschulung ……………………………………………… 36

6.12 Einzugsbereich ……………………………………………………….. 36


7. Kooperation zwischen der Plytenbergschule und der

Tagesbildungsstätte (TBS) der Lebenshilfe e. V. …………………. 37



    1. Darstellung der Tagesbildungsstätte ……………………………….. 38

    2. Bisheriger Verlauf der Kooperation …………………………………. 38

    3. Erste Bewertungen – nach einem Jahr …………………………….. 40

    4. Weiterer Verlauf der Kooperation im Schuljahr 2003/04 …………. 41

    5. Schuljahr 2004/05 …………………………………………………….. 42

    6. Schuljahr 2005/06 …………………………………………………….. 43

8. Das Schulleben ……………………………………………………….. 44

8.1 Wir sind miteinander ………………………………………………….. 44

8.2 Rhythmisierung innerhalb des Schullebens ……………………….. 46

8.3 Rhythmisierung innerhalb der Grundschulzeit …………………….. 46

8.4 Rhythmisierung innerhalb des Jahreskreises ……………………… 47

8.5 Ausgestaltung der Schule im Jahreskreis ………………………….. 48
9. Zusammenarbeit mit weiteren pädagogischen Einrichtungen …… 50

9.1 Zusammenarbeit der Plytenbergschule mit den Kindergärten …… 50

9.2 Besonderheiten in der Zusammenarbeit mit dem

Kindergarten Pastorenkamp …………………………………………. 52



    1. Zusammenarbeit mit der „EULE“ – Einrichtung des Kreisverbandes

des Diakonischen Werks …………………………………………….. 52

    1. Zusammenarbeit der Plytenbergschule mit dem Kinderschutzhaus

des Kinderschutzbundes Leer ……………………………………….. 53

    1. Zusammenarbeit mit anderen Institutionen ………………………… 54

    2. Zusammenarbeit mit den anderen städtischen Grundschulen

und den weiterführenden Schulen ………………………………….. 55
10. Therapie in der Schule – oder „Wenn die Maus nicht zum

Berge kommt …“ ……………………………………………………… 56



    1. Der Grundgedanke …………………………………………………… 57

    2. Fazit ……………………………………………………………………. 59

11. Grundlegende Bildung ………………………………………………. 61

11.1 Konkretisierung der Rahmenrichtlinien des Faches Mathematik .. 61

11.1.1 Das Fördern …………………………………………………………… 63

11.1.2 Beurteilung der Leistung im Mathematikunterricht ………………... 64

11.1.3 Prozessbezogene Kompetenzbereiche ……………………………. 64

11.1.4 Inhaltsbezogene Kompetenzbereiche ……………………………… 65

11.1.5 Anforderungsbereiche ……………………………………………….. 66

11.2 Konkretisierung der Rahmenrichtlinien des Faches Deutsch ……. 67

11.3 Konkretisierung der Rahmenrichtlinien des Faches Sachunterricht 70

11.3.1 Allgemeines …………………………………………………………… 70

11.3.2 Perspektiven des Sachunterrichtes im Kontext

des Stoffverteilungsplans ……………………………………………. 71


      1. Wie die Schüler im Sachunterricht lernen …………………………. 72

      2. Die Kompetenzbereiche des Faches Sachunterricht im Kontext

des Stoffverteilungsplans ……………………………………………. 72

      1. Die Methoden und Verfahren des Faches Sachunterricht ………. 73

      2. Leistungsmessung und Leistungsbewertung im Fach Sachunterricht 74

      3. Schriftliche Lernkontrollen …………………………………………… 76

    1. Konkretisierung der Rahmenrichtlinien des Faches Englisch …… 76

      1. Allgemeines …………………………………………………………… 76

      2. Das will der Englischunterricht leisten ……………………………… 77

11.4.2.1 Interkulturelle Kompetenzen ………………………………………… 77

11.4.2.2 Funktionale kommunikative Kompetenzen ………………………… 78

11.4.2.3 Methodenkompetenz …………………………………………………. 79

11.4.3 Methodik ……………………………………………………………….. 80

11.4.4 Fazit …………………………………………………………………….. 81

11.4.5 Themen ………………………………………………………………… 82

11.4.6 Leistungsfeststellung und Benotung ………………………………… 83

11.5 Konkretisierung der Rahmenrichtlinien des Faches Textiles Gestalten 85

11.6 Konkretisierung der Rahmenrichtlinien des Faches Sport ……….. 86

11.6.1 Äußere Rahmenbedingungen ……………………………………….. 86

11.6.2 Schwerpunkte des Unterrichts ………………………………………. 87

11.6.3 Arbeitsgemeinschaften, Wettkämpfe und zusätzliche Angebote … 87

11.6.4 Der Schulhof als Bewegungsraum ………………………………….. 88

11.7 Konkretisierung der Rahmenrichtlinien des Faches Werken …….. 88

11.7.1 Lernortbeschreibung ………………………………………………….. 88

11.7.2 Werkangebote …………………………………………………………. 89

11.8 Das Arbeiten am und mit dem Computer …………………………… 91

11.9 Förderkonzept der Plytenbergschule ……………………………….. 95

11.9.1 Vorwort …………………………………………………………………. 95

11.9.2 Neue Organisationsformen für den Unterricht …………………….. 97

11.9.3 Förderkonzept …………………………………………………………. 98
12. Fortbildungskonzept der Plytenbergschule ………………………… 101
13. Der Förderverein ……………………………………………………… 102
14. Der Schulelternrat der Plytenbergschule …………………………… 104

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1. Grundsätzliche Gedanken

zum anerkannten Erziehungsauftrag

der Grundschule

____________________________________

Dem Pluralismus der Werte und Interessen wie auch der Vielschichtigkeit der Lebensbedingungen unserer Gesellschaft, die oftmals die Funktionalität des Menschen gegenüber der Beachtung der Subjektivität des Individuums in den Vordergrund stellt, kann die Schule nicht begegnen, indem sie sich als reine Unterrichtsschule interpretiert und die pädagogische Legitimation für diese Auffassung von dem Leistungsanspruch der modernen Gesellschaft ableitet. Ebenso darf sich der Auftrag der Schule unter dem Aspekt der Erziehung nicht in der Form einer Sozialisierungsanstalt erschöpfen. Die Konsequenz dieser Sichtweise wäre eine Vermittlung und unkritische Übernahme tradierter Werte, Normen und Konventionen. Bei beiden Auffassungen besteht die Gefahr, dass der junge Mensch einer Fremdbestimmung anheim fallen könnte, da die Befähigung des Kindes zu eigenverantwortlichem Entscheiden, Handeln und Denken nicht ausreichend Beachtung fände. So ist die erstrebenswerte, moralische Haltung nicht von „richtigem Wissen“ zu trennen und dieses Wissen nicht von einer Verbindlichkeit zu Haltungen und Sinnorientierungen.

Das Kind bringt schon eine Vielzahl von Werthaltungen mit. Die Schule muss sich daher zu ihrem Erziehungsauftrag bekennen, um dem Kind Hilfe zu leisten zur Anbahnung und Weiterentwicklung von Eigenverantwortlichkeit, Selbsterziehung und auch zur reflektierten Bindung an Werte und Normen, die die mündige Teilhabe am Leben mit anderen Menschen in der Gesellschaft mit ihren spezifischen Anforderungen begünstigen.

Hinzu kommt, dass das Kind in seinem Verlangen unterstützt werden muss, sich selbst zu verwirklichen. Die Schule sollte dem Kind derart begegnen, dass sie ihm einerseits die Möglichkeit zur persönlichen Entfaltung gewährt, es andererseits mit einem Orientierungsschema bekannt und vertraut macht, das ihm Hilfe gibt, sein Denken und Han-
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deln in Verbindung zu setzen mit verbindlichen Werten eines Zusammenlebens mit anderen und seiner gesamten, es umgebenden Umwelt.

Der Schule obliegt als pädagogischer Institution der Auftrag der Erziehung, da für sie im Vordergrund stehen muss, sowohl die Wahrung des Individuums wie auch die Ansprüche der Gesellschaft zu beachten. Dieses Spannungsfeld birgt einen Prozess in sich, während dessen das Kind bei zunehmender Einsicht und Erkenntnis über sich selbst und seine Umwelt seinen Handlungsradius erweitert. Mit diesem sich erweiternden Handlungsradius einher gehen die Anforderungen, die das Leben an den jungen Menschen stellt. Entzieht sich hier die Grundschule der Aufgabe der Erziehung, also der wert-vollen Begleitung während der ersten Schritte außerhalb der Familie, so zwingt sie indirekt das Kind dazu, sich Leitbilder, in vielleicht unreflektierter Weise, in seiner (schnelllebigen) Umwelt zu suchen. Werte und Normen, die die Schule vermitteln kann, können dem Kind helfen, seine Lebenswirklichkeit als solche zu erkennen und zugleich klarer zu durchschauen, zu ordnen und ihm so eine Grundlage zu geben, sich selbst auf eine Weise in Beziehung zu sich selbst und seiner Umwelt zu setzen, die ihm einen eigenverantwortlichen Selbststand innerhalb der Gesellschaft und der Gemeinschaft mit anderen ermöglicht. Die Schule darf sich nicht darauf beschränken, Werte und Normen nur zu nennen, sondern sie muss den Kindern die Möglichkeit geben, sich im realen Zusammenleben mit ihnen zu beschäftigen, auseinanderzusetzen, sie zu erleben. Nur durch das Erleben wird die Sichtweise des Kindes bereichert und eine Bindung an Werte und Normen über die eingehende und begleitete Auseinandersetzung mit ihnen erreicht.

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2. Zum Geleit
___________________________

Sobald das Kind auf dem Schulgelände verweilt, beginnt ein weiterer Bereich seines täglichen Lebens neben dem in seiner Familie. Sobald das Kind das Schulgelände am Mittag wieder verlässt, erwartet es auch hier wieder – das Leben.

So ist es nicht nur ein Schüler, der uns besucht, sondern ein Kind, ein junger Mensch, dem die Schule auf seinem Weg zum Erwachsensein helfen kann, indem sie ihn bei der Entfaltung seiner Persönlichkeit, Fähigkeiten und Anlagen unterstützt und versucht, ihm Orientierung zu geben. Orientierung, die ihm die Begegnung mit sich, seinen Mitmenschen und seiner Lebenswelt bewusst machen als einen Sinnzusammenhang, an dem er selbst als humanes Wesen beteiligt ist und innerhalb dessen er eine wichtige Aufgabe besitzt.

Dazu bedarf es nicht nur der Beachtung der Individualität des Kindes mit seiner Sichtweise vom Leben und seinen subjektiven Erfahrungen, sondern auch der Grundlegung von Wissen und Haltungen, derer es bedarf, um sein Leben zunehmend selbstständig und in einer seinen Mitmenschen und seiner Umwelt verantworteten Weise führen zu können.

Das Leben wird nur dann als sinnvoll erfahren, wenn es eine Bedeutung für den Menschen besitzt und in allen seinen Nuancen auch erlebt werden kann. Sinn erhält es in dem Augenblick, in dem die eigene Existenz bereichert wird durch human begründbare Bezüge zur eigenen Lebenswelt. Somit sehen wir ‚Schule’ als eine durch die Gesellschaft legitimierte Institution in der Aufgabe stehend, dem Kind diese Bezüge zu ermöglichen und ihm über eine dem Kind und dem Gedanken der Humanität verpflichtete Erziehung seinen persönlichen Selbststand anzubahnen.

Somit steht das Leben in der Schule einerseits unter der Prämisse einer auf die Zukunft ausgerichteten Erziehung, andererseits möchte sie die Gegenwart des Kindes bereichern und sie als Ausgangspunkt ganzheitlichen Lernens und Sich-Entwickelns nehmen, um dadurch einen begründeten Grundstein zu legen im Sinne eines erzieherischen Gesamtzusammenhangs.

Innerhalb dieses erzieherischen Gesamtzusammenhangs ist Unterricht als integrative Komponente anzusehen. Ein erziehender Unterricht hat die Aufgabe, „das Lernen von

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Kenntnissen mit der Entwicklung eines reflektierten Selbstverhältnisses der Kinder zum Gelernten zu verbinden und so eine Handlungskompetenz zu fördern, die Sach- und Sozialkompetenz umfasst“1.

So deuten wir das Leben in der Schule – das Schulleben – als einen gestalteten pädagogischen Zusammenhang, durch den das Kind sich nicht nur in, sondern auch durch die Gemeinschaft mit anderen erfährt. Eine Gemeinschaft, in der die Erfahrung und die Sichtweise des anderen einen Ausgangspunkt für die individuelle Hinterfragung eigener Vorstellungen bieten können wie auch einen Sinnbezug fördern, der durch das gemeinsame Leben zu verbindlichen Werten entsteht und somit über die Gemeinschaft wieder Rückwirkungen in Form eines vorbildlichen Lebens auf das Individuum besitzt.

Der Begriff „Schulleben“, bei F. Fröbel2 (1782-1852) in seiner „Menschenerziehung“ erstmalig erwähnt, bezeichnet die Kontinuität von familialer und schulischer Erziehung. Gemeint ist die Beziehung von Familie, Schule und Leben im Sinne einer ganzheitlichen Entwicklung des Menschen. Die Familie als Ort der Geborgenheit und Sicherheit, des Kennenlernens von Ordnungen und des menschlichen Miteinanders stellt demnach die Grundlage für das Leben in der Schule dar. Mit Hinblick auf die erhöhte Anzahl von „Ein-Eltern-Familien“ können der Schule durch ein gestaltetes Schulleben durchaus kompensatorische Aspekte zugeschrieben werden.

Somit gelangt man zu den beiden Komponenten des „Schulleben“-Begriffs: Schule und Leben.

1. Die Schule verstanden als pädagogische Institution hat dabei diejenige Aufgabe der Erziehung, dem jungen Menschen Hilfe zu leisten bei seiner geistigen, körperlichen, musischen und charakterlichen Entwicklung mit dem Ziel einer eigenverantwortlichen Selbstständigkeit und mündigen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben mit Bezugnahme auf die individuellen Lernvoraussetzungen des Kindes3. Es wird hier die Bedeutung der Schule für die Gegenwart des Kindes wie auch für seine Zukunft deutlich.

Damit steht sie in dem Spannungsfeld, das sich „zwischen der Wahrung des Individuums und den Ansprüchen der gesellschaftlichen Anforderungen bzw. der objektiven Kultur öffnet“4.

Diese Lernprozesse beschränken sich aber nicht auf „Kenntnisse, und kognitive Fähigkeiten, sondern auch auf Werteinstellungen, normative Überzeugungen und Sinn-

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orientierungen“5. Demnach muss die Schule einem ganzheitlichen Verständnis des Kindes folgen, das „Kopf, Herz und Hand“ des jungen Menschen berücksichtigt, um der geforderten Aufgabe der Hilfestellung zu seiner Entwicklung und seines Selbststandes gerecht zu werden.

Damit sehen wir Schule unter dem Postulat der „Wahrung der Menschenbildung und der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten“6 stehend, wobei die lebenskundliche Bedeutung nicht durch die voneinander getrennte Behandlung dieser Aspekte entsteht, sondern durch eine Integration entsprechender Lernprozesse, die sich an dem Entwicklungsstand der Kinder und an der Bedeutung für ihr jetziges und zukünftiges Lebens orientieren. Weder soll hiermit das Leben den Kindern angepasst, noch sollen die Kinder geltenden Maßstäben „unterworfen“ werden. Das Ziel der pädagogischen Einrichtung „Schule“ muss es sein, den Kindern Inhalte zu vermitteln, die ihnen „zum Schlüssel zum Verständnis der Welt und Sinndeutung ihres Lebens werden können“7.

2. Dem Leben in Bezug auf Schule soll angelehnt an E. Weber in unserer Schule durch Berücksichtigung folgender Aspekte Rechnung getragen werden:

a) Leben im Sinne der Lebendigkeit: Die Spontaneität, Kreativität und Produktivität der Kinder erhalten Einzug in die Schule.

b) Leben im Sinne der Lebensnähe: Das in der Schule Gelernte soll Anknüpfungspunkte im außer- und nachschulischen Lebensbereich der Kinder haben, also die Lebenswirklichkeit der Kinder in das Schulgeschehen integrieren.

c) Leben im Sinne von Lebensernst: Die Schule stellt keinen „Schonraum“ dar, der der realen Auseinandersetzung mit dem in der Schule Gelernten entgegensteht. Die Schule soll Möglichkeiten bieten, Konsequenzen und Realisierungschancen durch aktive Auseinandersetzung des Kindes mit dem Gelernten erfahrbar zu machen, besonders in Bezug auf Werte und das eigene Verhalten in erzieherisch relevanten Situationen.

d) Leben im Sinne von Lebensfülle: Ein Aspekt des Lebens unter vielen ist seine Vielschichtigkeit. Als solches steht es in Beziehung zur ganzheitlichen Entwicklung des Kindes und das Kind selbst wieder in vielfältigen Betätigungsfeldern seiner Umwelt. Kognitive, affektive und motorische Lernziele sollen Berücksichtigung finden, Theorie und Praxis sollen in einem sich ergänzenden Verhältnis zueinander stehen, Neigun-


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gen und Interessen der Kinder sollen Eingang in die Schule finden, Arbeit und Erholung wechseln sich ab etc.

e) Leben im Sinne sozialen Lernens: Humanes Zusammenleben und –arbeiten, Rücksichtnahme, gegenseitige Hilfestellung und Unterstützung, gesittete Umgangsformen sind Hauptaspekte eines pädagogisch gestalteten Lebens in der Schule.

f) Leben im Sinne von Lebensbejahung: Voraussetzung ist die Ermöglichung eines kindgemäßen Lebens in der Schule mit besonderer Beachtung der Gegenwart des Kindes. Das Kind soll sich in seiner Einzigartigkeit angenommen wissen, Geborgenheit und Sicherheit erfahren, über Können und Wissen hinaus in seinen sozialen, musischen, praktischen und gestalterischen Fähigkeiten gefördert werden. Geselliges Zusammenleben, gemeinsame Aktivitäten können dem Kind zu einer erfüllten Gegenwart verhelfen, die eine fruchtbare Grundlage für das weitere Leben des Kindes darstellen kann.

Eine entsprechende Adressatenorientierung verlangt nach einer Benennung der Grundbedürfnisse von Kindern, denen wir uns verpflichtet sehen. Dies in Anlehnung an die psycho-sozialen Grundbedürfnisse von Kindern, die für uns von Bedeutung sind:


  1. Das Bedürfnis nach Liebe, Geborgenheit und Sicherheit: „Dieses ist in stabilen, verlässlich und emotional befriedigenden Beziehungen gewährleistet (…) und unabdingbar für das Sich-Selbst-Annehmen-Können“8.

  2. Das Bedürfnis nach neuen Erfahrungen: „Sie sind Vorbedingung geistigen Wachstums (…), das sich in einem fortdauernden Wettstreit mit der Umwelt der Kinder entwickelt“9.

  3. Das Bedürfnis nach Lob und Anerkennung: „Dieses fordert kognitive, emotionale und soziale Lernleistungen (…), die kräftigen Ansporn brauchen (…) und die positive (…) Einstellung des Lehrers zu dem noch nicht ausgeschöpften Potential an Entwicklungsmöglichkeiten“10.

  4. Das Bedürfnis nach Verantwortung: „Selbstständige Verantwortung muss geübt werden, unter der Anleitung von Erwachsenen, die Zug um Zug abgebaut wird. (…) Schulische Aktivitäten müssen der Mitbeteiligung und Mitgestaltung der Schüler offenstehen, wenn sich Schule dem wirklichen Leben öffnet“11.

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Alle genannten Bedürfnisse finden zu jeder Zeit der kindlichen Entwicklung ihre Berechtigung, können aber wechselnde Gewichtungen zu unterschiedlichen Zeiten erfahren.

Auf dieser Grundlage haben wir eine Einteilung von Schulleben-Elementen vorgenommen, die sich auf zwei Ebenen ansiedeln lässt: Das positive Lebensgefühl einerseits und das Lernen im Handeln andererseits. Die verschiedenen Aspekte beider Bereiche bedingen und verstärken einander und sollen an dieser Stelle exemplarisch aufgeführt werden:


  1. Die vertraute, freundliche Umgebung: Klassenzimmer mit Wohnatmosphäre (Blumen, Wandschmuck, Ausstellungsgegenstände, etc.), Räume, in denen die Kinder sich zu Hause fühlen können.

  2. Das kleingruppentypische Miteinanderumgehen: Vertrauen, Kameradschaft, gegenseitiges Helfen und Verstehen, geringe Distanz untereinander; es geht nicht darum, den Kindern eine „heile Welt“ zu präsentieren, sondern ihnen zu zeigen und für sie erfahrbar zu machen, dass das Leben viele schöne und wertvolle Seiten haben kann.

  3. Die familienhafte Arbeitsteilung und schrittweise Verantwortungsübernahme: Schulklasse als familiäre Gemeinschaft, Arbeitsteilung durch Übernahme von Ämtern (Blumen-, Tafel-, Ordnungsdienste, Verantwortungsübernahme bei Pausenaufsichten, Vorbereitung von Ausflügen und gemeinsamen Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Schule).

  4. Der Wechsel von Arbeit und Feiern: Einbettung der Arbeitsabschnitte in gestaltete Mußezeiten (Morgenfeier, Tages-/Wochenabschluss, gemeinsame Frühstückspause), Geburtstage, Feste auch mit anderen Klassen, Theater- und Musikveranstaltungen, Lese- und Erzählstunden, etc.

  5. Das Lernen durch zumeist soziales Handeln: Übung sozial-ethischen Verhaltens, gemeinsame Regelung von Problemen in der Klasse, Patenschaften, Gruppenarbeit, ansatzweise Schülermitverantwortung, Schulbücherei, etc.

  6. Das Einbeziehen von Menschen aus der näheren Umgebung: Einladen von Gästen bzw. Informationsträgern in die Schule, Elternkontakte, Veranstaltungen für die Öffentlichkeit, Ausstellungen etc.

  7. Das gelegentliche Aufsuchen der schulischen Umwelt: Wanderungen und Fahrten, Schullandheimaufenthalte, Lernen an der Wirklichkeit (Aufsuchen von Arbeitenden, Einrichtungen bzw. Betrieben am Ort), Museums- und Theaterbesuche, Wetterbeobachtungen etc.

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Diese Aufführung von möglichen Schulleben-Elementen genügt nicht dem Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr soll aufgezeigt werden, von welcher Vielfalt das Leben in der Schule geprägt sein kann, verfolgt man die Lebensbereiche der Kinder. Die einzige Einschränkung, die die weitere Hinzunahme von Elementen erfährt, ist die Beachtung erzieherischer Leitideen. Diese Auffassung darf aber nicht dazu führen, dass Elemente, die seit langer Zeit Beachtung erfahren, unkritisch weiter belebt werden. Die Hinterfragung geschieht auf der Grundlage dessen, wie weit das einzelne Element vor den aus der Erziehung abgeleiteten Zielen verantwortbar und sinngebend ist und wie es sich aus der (heutigen) Sicht der Kinder interpretieren lässt.

Da der Mensch selbst in den lebenslangen Prozess seiner Entfaltung einbegriffen ist, können auch die Aspekte der grundlegenden Bildung nur auf der Basis dieser Kontinuität der menschlichen Entwicklung gesehen werden. Auch hier sollte sich die Schule als Teil des Lebens der Kinder interpretieren, der seine Bedeutung sowohl für die Gegenwart des Kindes besitzt wie auch für seine Zukunft. Dies bedeutet, den Kindern „bei der Erschließung ihrer Lebenswirklichkeit und bei der Bewältigung gegenwärtiger Probleme“12 Hilfe zu leisten und die Kinder vorzubereiten auf die Angebote und Anforderungen weiterführender Schulen. Hilfe kann im Zusammenhang mit der grundlegenden Bildung auf die Grundschule nur bedeuten, Bildung anzubahnen.

Damit werden zwei Richtungen deutlich, in die die Komponente „Unterricht“ gedeutet werden muss. Zum einen beschreibt sie grundlegend als für alle Menschen in gleicher Weise verbindlich. Danach ist jedes Kind in Bezug auf Kenntnisse, Einsichten und Haltungen entsprechend seiner Voraussetzungen zu fördern. Zum anderen beinhaltet sie das „Keimhafte, das sich langsam anbahnende Gewinnen von Haltungen und Tugenden, an denen der Mensch ein Leben lang zu arbeiten hat“13. Bildung ist dann erreicht, wenn der Mensch aus Einsichten Haltungen hervorbringt, wenn ihm durch Kenntnisse Sinndeutungen möglich sind, die ihn befähigen, seine Existenz in ihrer Bedeutung für sich und andere zu erfassen und die Lebenswirklichkeit klarer zu durchschauen. So ist der Begriff der Bildung weder zu trennen vom Unterricht, noch von der Erziehung. Kenntnisse, Lerntechniken können nicht isoliert werden von dem, was sie für den einzelnen Menschen zum Aufbau von Werthaltungen, Einsichten und Kön-

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nen bedeuten. Der erziehende Unterricht ermöglicht die von Werten getragene Bezugnahme des Individuums zu seiner fachlichen Kompetenz. Das Ziel der selbstständigen Lebensführung unter Zuhilfenahme eines dem Gewissen verantworteten fachlichen Wissens befähigt den Menschen zu einem Leben, das Bezüge zu sich und der Umwelt in ein Verhältnis bringt, das die Spannweite dieser beiden Pole, Mensch und Umwelt, durch ein sittliches Leben zu erfüllen vermag.

Dieses bedeutet für das schulische Handeln die Forderung nach einer Bildung, die in möglichst vielen unterschiedlichen Lebensbereichen Grundlegung erfährt und dem Wesen des Menschen in seiner Ganzheit entgegenkommt.

Folgende Einteilung soll dies deutlicher werden lassen:

1. Grundlegende Lerntechniken: Die Techniken des Lernens zu lernen dient als Grundlage

der Aneignung von Inhalten auf selbstständigem Wege sowohl in der Gegenwart wie auch in der Zukunft. Sie beziehen sich auf das Zuhören, Beobachten, Fragen, Abschreiben, Ordnen, Unterscheiden, Erarbeiten und das gemeinsame Sich-Bemühen um ein Ergebnis.

2. Grundlegende fachbezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten: Sie beziehen sich als erstes auf die Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens. Einerseits sind sie die Grundlage unserer Kultur und ihre Vermittlung dient damit der Selbstständigkeit innerhalb unseres Kulturkreises, andererseits bieten sie dem Menschen die Möglichkeit des Austausches und des Kontaktes mit seiner Umwelt im Sinne fortschreitender Bildung.

3. Grundlegende Kenntnisse und Einsichten: Sie dienen der Erschließung der eigenen Lebenswirklichkeit sowie einer ersten Auseinandersetzung mit lebensbedeutsamen Problemen unter Sach- und Wertgesichtspunkten.

4. Grundlegende Haltungen: Haltung meint das sittliche Empfinden, die Werteempfänglichkeit, die Verantwortung für den Mitmenschen, das Gewissen. Voraussetzung für die Bezugnahme zum Nächsten ist aber die Stärkung des Kindes selbst. Wird es von dem Lehrer und seinen Mitschülern geachtet, gelobt erfährt damit Wertschätzung, so wird sein Vertrauen in sich selbst gestärkt. Von dieser Grundlage aus ist es dann auch fähig, andere Menschen in ihrer Individualität zu schätzen. Ein Leben in Gemeinschaft wird dadurch Realität. Dieses Gemeinschaftsleben mit den Freuden und auch Konflikten, die es mit sich bringt, lässt die Bereicherung des eigenen Lebens durch gemeinsame Werte und gegenseitige Achtung erleben. Toleranz, Hilfsbereitschaft, aber auch Gewissenhaftigkeit und

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Verantwortungsbewusstsein mögen dabei nur einige Beispiele darstellen, wobei die Achtung der Natur und Gegenstände nicht ausgeschlossen sein darf. Auch hier gilt wieder, dass die Begegnung mit dem Leben selbst dieser Aufgabe nur förderlich sein kann. Die Vereinbarung von Regeln des täglichen Miteinanderlebens bis hin zur Übernahme von Verantwortung stärkt das Selbstwertgefühl, gibt Orientierung an verbindlichen grundlegenden Werten menschlichen Zusammenlebens und kann somit den gegenwärtigen und zukünftigen Selbststand fördern.

Es wird deutlich, dass das Kind an dem Prozess seiner Bildung aktiv teilnehmen sollte. Dies nicht nur aus dem Grund der Anschaulichkeit, nicht nur aus kognitionspsychologischer Sicht, sondern besonders wegen der erfahrbaren Erweiterung der eigenen Handlungskompetenz in Verbindung mit dem sich erweiternden Lebenszusammenhang des Kindes.

Die wünschenswerte, fortwährende Selbstbildung wird dadurch nicht als Zwang empfunden, sondern entsteht aus der Auseinandersetzung mit der Lebensumwelt. Diese Auseinandersetzung sollte somit in der Grundschule beginnend eine Bereicherung des eigenen Lebens darstellen, somit Motivation darbieten, sich dem Leben zu öffnen. Zwar kann das Leben durch die Schule nicht vorweggenommen werden, aber dadurch, dass es Einzug in die Schule erhält, kann diese durch ein pädagogisch gestaltetes Schulleben Hilfe leisten bei der Bewältigung von Fragen und Problemen, indem sie auf die Fragen und Probleme der Kinder eingeht und ihnen durch die grundlegende Bildung einen Ausgangspunkt, eine grundlegende Orientierung gibt, von der aus das Leben nicht als bedrohlich und „unfassbar“ erscheint.


In diesem Sinne sei auf die Zeilen Jeanne Herschs zu Beginn dieses Schul-Programms verwiesen.

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