Dienstag, 09. Dezember 2008
Zur Panichida und zur Göttlichen Liturgie für den verstorbenen Patriarchen hat es heute wieder den ganzen Tag nur geregnet - es ist, als trauere auch der Himmel. Viele meiner Kommilitonen sind dort gewesen, da ich aber eine Erkältung im Anflug habe und ich diese nicht zu einer Grippe ausbauen wollte, bin ich zu Hause geblieben, denn ich hätte sicher draußen vor der Kirche stehen müssen. Elena simste mir soeben, dass es tatsächlich wohl so gewesen sei und dass die Nacht viel schöner gewesen sei, dass ich quasi nichts verpasst hätte. So etwas in der Art hatte ich mir schon gedacht. Ich bin dann zu Mittag in die Stalowaja gefahren und habe dann erfahren, dass alle Veranstaltungen wegen der Trauerfeierlichkeiten bis 17 Uhr ausfallen. So habe ich in Ruhe gegessen, zwei Briefe geschrieben und mich dann mit Olga getroffen und habe zunächst mit ihr und ihren Freunden Russisch gesprochen und dann mit ihr deutsch - unser Sprachtandem hat also wieder stattgefunden. Während ich die Briefe geschrieben habe, kamen zwei Mitstudenten in die Stalowaja und waren noch ganz traurig von der Trauerfeier. Sie haben mir zum Schluss ein kleines Bild des verstorbenen Alexej II. geschenkt.
Patriarch Alexej II. muss ein unheimlich weiser Mann gewesen sein, der in der Russisch-orthodoxen Kirche anfangs noch nicht beliebt, dann aber von den Gläubigen sehr verehrt wurde. Er wurde am 23. Februar 1929 in estischen Hauptstadt Tallin geboren und hieß mit weltlichem Namen Alexej Michailowitsch Ridiger (Rüderiger), er war also deutschstämmig. Sein Vater floh nach der Oktoberrevolution von St. Petersburg nach Estland und empfing 1942 die Priesterweihe, Alexej acht Jahre später und 1961 zum Mönch und zum Bischof von Tallin und Estland geweiht. Nach dem Tode Patriarch Pimen I. wurde er 1990 Patriarch von Moskau und der ganz Russland. Zu seinem Lebenswerk zählt mit Sicherheit das Wiedererstarken der Russisch-orthodoxen Kirche in Russland und ihren Aufbau nach dem Sowjetzeit. Das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche ist recht gespalten, einerseits kam es während seiner Zeit zur einer großen Annäherung, aber auch zu vielen Streitigkeiten. Letztendlich ist ein Patriarch nach 18 Jahren Amtszeit von der Welt gegangen, der unter seinem Kirchenvolk ebenso beliebt war wie der vor nunmehr drei Jahren verstorbene Papst Johannes Paul II.
Mittwoch, 10. Dezember 2008
Heute hatte ich wieder meine Erlebnisse mit der russischen Eisenbahngesellschaft. Ich bin am Morgen zunächst in Elenas Gemeinde zur Göttlichen Liturgie gefahren und wollte eigentlich einen Zug nehmen, der mich fast bis vor die Kirche zur Station Savjolovskaja bringt. In die Station Pererwa fuhr auch ein Zug ein, nur habe ich nicht mitbekommen, ob der Zug auch wirklich zu meinem Ziel fährt, bin aber erst einmal mitgefahren, weil es ja der Richtige hätte sein können. Im Zug habe ich neben einem russischen Eisenbahner gesessen und ihn auf mein Problem angesprochen. Seine Antwort war, dass keine Züge von Pererwa nach Savjolovskaja durchfahren, das wollte er mir auch dann noch nicht glauben, als ich ihm den Fahrplan unter die Nase gehalten habe. Nach etlichen Minuten schaltete sich ein anderer Mann ein und sagte, dass dies möglich ist - ich habe es ja selbst oft genug schon ausprobiert - und dann wurde mir gesagt, dass der Zug, in dem ich sitze, nur bis zum Kursker Bahnhof fährt. Ich war also einen Zug zu früh eingestiegen. So habe ich dann nur kurz auf den richtigen Zug warten müssen. Die andere Begebenheit spielte sich im Jaroslawler Bahnhof ab, wo ich versucht habe, einen Fahrplan nach Sergijew Possad zu bekommen. Es scheint jedoch keine gedruckten Fahrpläne mehr zu geben, die ich kaufen könnte. Zur Sicherheit habe ich noch einen Bahnangestellten gefragt, der auch keine Ahnung hatte und mich nur auf den großen Fahrplan in der Bahnhofshalle verwiesen hat, den ich dann zu Teilen fotografiert habe. Erst bin ich nach etwas mehr als drei Monaten Moskauaufenthalt schlauer als der Angestellte im Zug und dann ist es in einem großen Bahnhof noch nicht einmal möglich, Fahrpläne zu erhalten. Morgen will ich noch einmal versuchen, in die Hauptzentrale zu gehen und dort eine Art Kursbuch zu kaufen.
Heute war der Festtag der Ikone der Gottesmutter "Snamenije", zu deren Ehre ein Teil der Gemeinde "Hl. Märtyrerinnen Vera, Nadjeschda, Ljuba und Mutter Sofia" gewidmet ist. So wurde heute auch nicht an dem Hauptaltar die Liturgie gefeiert, sondern an dem linken Nebenaltar. Es waren sogar noch recht viele Leute da, mehr als dreißig, drei Priester und natürlich Diakon Vater Igor. Letzterer hat eine kräftige und tiefe Stimme, mit der er recht feierlich singen kann. Während des Glaubensbekenntnisses und des Vater Unsers singen Chor, Diakon und Gemeinde zusammen - Vater Igor so laut, so unrhythmisch und unmelodisch, dass er den ganzen Chor durcheinander gebracht hat und beim Vater Unser einen verwunderten Blick in Richtung des Chores warf. Bei einem weiteren Gesang mit dem Chor wurde er von Vater Pawel ausgebremst und alles mit einem Kopfschütteln gewürdigt, den fast hätte er wieder den Chor zum Schweigen gebracht. Dies macht die Gemeinde so sympathisch für mich, dass hier nicht alles so perfekt ist und das es manchmal auch etwas zum Schmunzeln gibt. Während der Predigt von Vater Boris, dem Gemeinde- und Oberpriester, fing im Altarraum auf einmal jemand an mit der Bohrmaschine zu arbeiten. Die Matuschka öffnete die linke Türe zum Altarraum, schimpfte fürchterlich und ging dann kopfschüttelnd aber lächelnd zum Kirchenausgang. Mir kommt das dort alles wie eine kleine Familie vor, mit allen Fehlern und Schönheiten.
In der Stalowaja hat mir ein Kommilitone meinen Taschencomputer optimiert, so dass ich da jetzt noch besser mit arbeiten kann. Nun habe ich eine Bibel in dem Gerät, ich kann damit ins Internet, ich habe ein neueres Wörterbuch und noch ein paar andere Verbesserungen, die alles übersichtlicher machen.
Donnerstag, 11. Dezember 2008
Am heutigen Morgen hatte ich endlich etwas Zeit, einmal wieder etwas in meinen russischen Büchern zu lesen. Und als ich dann in der Elektritschka saß und darüber nachgedacht habe, habe ich gemerkt, dass ich ja doch mehr verstanden habe, als ich bis dahin angenommen habe. Da bin ich ganz froh drüber. Nach dem Essen in der Stalowaja und der Vorlesung "Vergleichende Theologie" bei Vater Valentin habe ich mich dann auf die Suche nach einem Elektritschka-Kursbuch gemacht, das es aber offenbar nicht gibt oder ausverkauft. Ich habe zunächst nur - ohne mir etwas dabei zu denken - einen Fahrplan der Elektritschkas vom Pavelejezker Bahnhof gekauft - und mich kurz darauf etwas geärgert, weil ich 55 Rubel für einen Haufen recht schlechter Kopien zu teuer finde. In der Metro habe ich dort aber eine Verbindung zum Flughafen Domodedovo gefunden, bei der ich nicht den Expresspreis bezahlen muss. Und so hat sich die Anschaffung schon wieder rentiert. Dennoch finde ich es eigenartig, dass hier einen Haufen Elektritschkas fahren, ohne das ein Takt erkennbar wäre - und dass es dafür keinen Gesamtfahrplan gibt.
Am Abend habe ich Nudeln mit einer Tomatensoße gekocht, die ich dann mit Stephan verspeist habe. Es ist zum Glück noch Soße übergeblieben, so dass ich auch noch was für morgen haben werde. Der Abend wird jetzt recht kurz, weil ich morgen schon früh aufstehen muss - um 5:26 wird mich das Handy wecken werden. Ich hoffe, dass ich nachher um 23 Uhr spätestens im Bett liege, damit ich morgen nicht ganz so arg müde bin.
Freitag, 12. Dezember 2008
Und dann klingelte der Wecker heute Morgen wirklich schon um 5:26 Uhr, denn um 5:56 Uhr ging dann die Elektritschka. Die Zeit reichte zum Glück noch für eine Tasse Pfefferminztee, damit meine Halsschmerzen auch den Chorgesang überstehen. Den Rest habe ich allerdings in der Elektritschka und in der Metro gefrühstückt. Ich hatte mir gestern Abend noch Brotscheiben und Käsescheiben geschnitten und mit einer Mandarine und einem Becher Joghurt in meiner Brotkiste verstaut. So habe ich es tatsächlich stressfrei zur Elektritschka geschafft. Wobei Vitali heute morgen große Augen gemacht hat im Anblick der großen Kiste. Ich glaube, dass ich noch nie eine solch große Brotdose hatte.
Die Göttliche Liturgie war übrigens nur für den ersten Kurs und fand nicht in der Kirche, sondern in einem Haus neben der Kirche statt, wo eine Art Kapelle zu finden ist, allerdings mit einem recht großen Baptisterium in Kreuzform - mit Treppenstufen und in Kreuzform. Das war nun wieder sehr interessant zu sehen. Nun wünsche ich mir insgeheim zu sehen, wie es zum Einsatz kommt. Die Göttliche Liturgie war dann in einer ganz besonderen Atmosphäre: Diakon Vater Alexej und zwei Priester - darunter Vater Nicolai - haben gedient. Die Kirche war dann nur von Kerzen erleuchtet - gerade so vielen, wie zum Lesen der Texte benötigt wurden. So war es ein wirklich wunderschöner Morgenanfang und Tageseinstieg. Und anschließend gab es in der Stalowaja ein Frühstück, das aber nicht auf meine übliche Verzehrmenge zugeschnitten war. So war ich froh, dass ich noch vor der Liturgie etwas gegessen habe.
Um 9 Uhr war dann die Vorlesung zum Alten Testament, in der mich dann die Müdigkeit übermannt hat, ich habe mich aber im Gegensatz zu anderen Studenten recht gut geschlagen. Die Vorlesung zum Neuen Testament im Anschluss ist überraschend ausgefallen, so dass ich mir in der Tat ein paar Sorgen um Vater Alexej mache, der sonst immer eine Vertretung schickt. Die freie Zeit habe ich genutzt, um Materialen für eine Hausarbeit zusammenzukaufen, die ich mir für das nächste Jahr bis zum Sommer vorgenommen habe und die ich mir gerne in Münster an der Universität anrechnen lassen möchte. Und ich bin sogar fündig geworden und habe einen interessanten biblischen Kommentar von Kirchenvätern und anderen Autoren vom 1.-8. Jahrhundert zum Markusevangelium gefunden. Da will ich bei nächster Gelegenheit mal drin lesen.
Anschließend habe ich meinen freiwilligen Küchendienst schon eine Dreiviertelstunde eher angefangen - dieses Mal mit Möhren schälen. Meine Münsteraner Kommilitonen können sich gut vorstellen, wie das ausgesehen hat: Eigentlich habe ich jede Möhre einer ausführlichen Qualitätskontrolle unterzogen, so dass ich dann nach zwanzig Minuten, als wir zum Essen gerufen wurden, nicht mehr ganz so viel Hunger hatte. Und dann bin ich der üblichen Arbeit nachgegangen: Tassen waschen, Teller von Essensresten befreien und ich habe noch etwas im Saal die Tabletts abgewaschen und Tische abgeputzt. Als kleinen Lohn gab es dann heute für mich ein paar Gebäckstücke.
In der Chorstunde gab es dann eine Hiobsbotschaft: Morgen muss ich wieder zur gleichen Zeit aufstehen und wieder im Chor singen. Ich habe daraufhin fürchterlich vor mich hingeflucht und -geschimpft, so dass Anton ganz entsetzt geschaut hat. Ich hatte versehentlich Russisch gewählt. Aber ich weiß auch, dass ich morgen trotz des frühen Aufstehens wieder mit ganzem Herzen dabei sein werde und letztendlich dankbar bin, dass ich dabei bin. In der Chorstunde hatte unser Chor aber starke Probleme und er wollte längst nicht so, wie Vater Alexej46 es gerne gehabt hätte. Er hat ebenso wie ich entsetzlich geschimpft und geflucht. Ich denke, dass wir einfach alle zu müde waren. Zudem habe viele eine Erkältung, ich mit Halsschmerzen eingeschlossen, so dass wir manchmal nicht den richtigen Ton getroffen haben und alles viel länger als gewöhnlich gedauert hat.
Anschließend habe ich mich noch mit der Lehrerin Katja und Elena zum Deutsch sprechen in Arkadija getroffen. Heute haben wir aber nur etwas über eine Stunde miteinander gesprochen, weil ich einfach viel zu müde war und nicht mehr richtig wollte und konnte. Und dann saß mir ja auch schon der nächste Tag im Nacken, der morgen auch um 5:26 Uhr beginnen wird.
Anschließend habe ich zu Hause nur noch geduscht, mit Stephan Nudeln mit Tomatensoße und seinen Kapusta-Salat gegessen und mich dann ziemlich bald ins Bett verkrümelt. Nun hoffe, ich dass mein völlig überstrapazierter Hals morgen etwas besser ist. Heute Abend kann ich zumindest gut merken, dass ich ihn habe.
Kurz bevor ich mich ins Bett verkriechen wollte, wurde mir von zwei Studenten gesagt, dass am Samstag oder Montag eine Revision des Wohnheims auf dem Plan steht und ich doch mein Zimmer aufräumen möge, alles Lebensmittel verschwinden lassen solle. Ich war eigentlich darauf gefasst, sofort im Bett zu liegen, ich habe dann aber noch eine halbe Stunde benötigt, alles in Tüten zu verpacken und zu verstauen. Und vor allem der Elektrokamin musste weg, bevor ich ihn verboten bekomme. Nun habe ich das meiste in meinem Koffer verstaut und noch einiges in Kartons auf dem Schrank und darin verstaut. So ist es doch wieder später geworden, als ich dachte.
Samstag, 13. Dezember 2008 - Fest des Heiligen Apostels Andrej (Andreas)
Wie der erste Apostel und Bruder des Herrn,
bitte Andreas, den Herrn aller Welt,
Frieden dem Weltall zu schenken
und unseren Seelen große Gnade.
(Troparion)
14 Uhr: Und wieder klingelte der Wecker heute Morgen schon um 5:26 Uhr, und heute Morgen bin ich nur schwer aus dem Bett gekommen. Und war ziemlich grantig, weil es wieder so früh war und war drum und dran, mich wieder hinzulegen und zu schlafen - vor allem auch wegen der Halsschmerzen, die ich immer noch habe. Ich habe sie wegen der vielen Chorsingerei auch bislang nicht auskurieren können. Die Zeit hat aber wieder für einen Pfefferminztee gereicht, der meinem Hals sehr gut getan hat. Und so habe ich wieder in der Elektritschka und der Metro gefrühstückt und war pünktlich zur Probe im Musikraum der Fakultät. Und um kurz vor acht waren wir dann in der Fakultätskirche und haben zunächst eine kleine Panichida für den verstorbenen Patriarchen gesungen und dann die Göttliche Liturgie. Wir haben einige Troparien für den Heiligen Apostel Andreas gefeiert und so ging mir langsam das Licht auf, das ja heute mein Namenstag in der Russisch-orthodoxen Kirche ist. Zum Schluss haben wir noch das Glückwunsch-Lied "Auf viele Jahre" gesungen - für zwei Priester mit dem Namen Andrej, die uns dann gesondert gesegnet haben. Nach der Liturgie sind wir dann gemeinsam in der Stalowaja essen gegangen, wo zu meiner Überraschung die Tische festlich gedeckt waren, leckere Salate auf dem Tisch standen und, da ich mal wieder etwas spät war, wurde, als ich die Türe öffnete, gerade das Tischgebet gesungen: Ein "Vater Unser" und drei "Herr, erbarme Dich." Zunächst wurde vom Dekan der theologischen Fakultät in die Runde gefragt, wer denn alles Andrej heiße und dann fragte er nach meinem Namen. Und dann wurde auch für uns drei "Auf viele Jahre" gesungen. Während dem Essen wurde ein Kurzporträt über den verstorbenen Patriarchen gezeigt und zum Schluss haben wir gemeinsam wieder die Litija der Panichida gesungen. Und wieder war ich hin und weg von dem schönen Gesang, da unser Chorleiter, Vater Alexej, sie wunderschön gesungen hat und wir mit kräftiger Stimme geantwortet haben. Und dann haben mir einige Leute gratuliert und ich habe sogar ein kleines Geschenk bekommen. Und auch der Dekan der Fakultät, Vater Nicolai, hat mir gratuliert - und mir die Frage gestellt, wann ich heiraten würde. Und nun mache ich mir gerade Sorgen, dass ich hier in einem völlig falschen Licht stehe, dabei meine ich mich doch nicht anders zu verhalten als in Münster oder als unter meinen Freunden. Ich habe vor lauter Überraschung gar nicht mehr auf seinen Gesichtsausdruck achten können. Zwischendurch hat Olga mich gefragt, ob ich meinen Namenstag noch feiern möchte, während ich für etwa eine Stunde in der Küche beim Abwasch und Abräumen der Tische geholfen habe. Während ich hier an altbewährter Stelle im Internet sitze, ist Lena gerade vorbeigekommen, hat mir eine Tafel Schokolade auf den Tisch gelegt und hat nur gesagt, dass ich ein größeres Geschenk noch heute Abend bekommen würde. Vielleicht täusche ich mich, aber ich hatte den Eindruck, dass alle zwischenzeitlich verschwunden waren. Ich habe ein leises Gefühl, dass mich heute Abend noch irgendetwas erwartet.
23 Uhr: Es hat mich nichts mehr erwartet und es ist alles ruhig verlaufen - ich bin froh darüber, denn ich bin einfach nur noch übermüdet und ich habe fürchterliche Halsschmerzen, bin aber nicht heiser. Ich denke, dass ich zuviel gesungen habe und mich nun etwas schonen sollte. Ich bin, wie ich geplant hatte, noch in der Vesper in Elenas Gemeinde gewesen und wir haben anschließend beide noch gemeinsam gegessen und eine Tasse Tee getrunken. In Elenas Gemeinde habe ich von Anna Nikiforovna ein kleines Geschenk bekommen - ein Neues Testament, das sie liebevoll in Papier eingeschlagen hat und mit einem roten Stift "Evangelium" und ein orthodoxes Kreuz draufgemalt hat, dann ein Heft mit der Akafist der Patronen und eine Mini-Ikone mit dem Heiligen Andreas.
So ist aus dem heutigen Tag, der mit dem frühen Aufstehen so schrecklich anfing, ein schöner Tag geworden. Zumal ich auch viele E-Mails bekomme von Leuten, die meine Weihnachtspost erhalten haben und sich darüber freuen. Das ist doch eigentlich die größte Freude am Schenken - die Freude der anderen!
Lasst uns den erstberufenen Apostel Christi
den Prediger des Heiligen Evangeliums,
den gotterfüllten Aufklärer des russischen Landes,
den ruhmvollen Andreas,
mit Liedern lobsingen,
der auf dem Hügel des Glaubens stand
wo er das Kreuz durch seine Hand aufstellte
und uns wie seine Kirche vor Ergriffenheit
ihres Weges zu Christus dem höchsten Fortsetzer zurufen:
Freue Dich, Andreas, erster Apostel Christi.
Sonntag, 14. Dezember 2008
Als ich in der katholischen Kirche von der Kommunion in die Bank zurückkehren wollte, sah ich zufällig Elena an einem Pfeiler in der Kirche stehen, alleine und total in sich zusammengesunken, einfach nur ein Haufen Elend. Auf dem Weg zu einem Café wäre sie fast zusammengebrochen. Ihre Oma ist in der Nacht verstorben und sie hat keine Minute geschlafen und schien mit ihren Kräften völlig am Ende. Nach Kaffee, Croissants und Kuchen, O-Saft und einem Salat sah sie wieder gesunder aus. Dennoch habe ich ihr ein kleines Kraftpaket aus Bananen und Traubenzucker zusammengestellt. Dann sind wir zu ihrer Kirchengemeinde gefahren und als ich Anna Nikiforovna gefunden hatte, fing diese auch gleich an zu handeln. Dann habe ich noch solange gewartet, bis wir den Friedhof gefunden haben, auf dem die Oma beerdigt werden soll. Dieser liegt allerdings sehr weit außerhalb von Moskau und ist nur mit dem Bus zu erreichen. Den hat sie im Internet bei einer bekannten Familie gefunden, wo wir uns noch ein wenig mit Tee, Khaki und Keksen stärken konnten. Anschließend hatte ich dann das Gefühl, sie alleine lassen zu können. Nun wollte sie noch einige kleinere Sachen erledigen und dann für die Englischklausur lernen, die ihr morgen bevorsteht. Nun wird Elena wohl die ganze Beerdigung alleine organisieren werden.
Ich selbst bin anschließend zu meinem Internetplatz gefahren, wo ich dann lange mit meinen Eltern telefoniert habe und so das Neuste aus der Heimat und Familie erfahren konnte. Auch hier gibt es so einiges, was mir große Sorgen bereitet.
Ich selbst habe immer noch starke Halsschmerzen und ich hoffe, dass ich sie ohne einen Arztbesuch bekämpft bekomme. Zumindest beunruhigen mich diese Schmerzen langsam etwas, da sie im Gegensatz zu gestern anstelle besser eher schlechter geworden sind. Eigenartigerweise fühle ich mich körperlich aber nicht angeschlagen, was sonst ein Zeichen für eine Erkältung sein könnte. Nun neigt sich heute Abend ein Tag zu Ende, der noch viel Veränderung in der Zukunft mit sich bringen wird. Ich hoffe, dass die Veränderungen nicht zu negativen Auswirkungen führen werden und meine Sorgen unbegründet sind.
Montag, 14. Dezember 2008
Den Wecker habe ich mir gestern erst gar nicht gestellt, ich war mich sicher dass ich pünktlich vor Abfahrt des Zuges zur Universität wach werden würde - und so war es auch. Als mein erster Blick auf die Uhr im Handy ging, stand dort 9:17 Uhr. Das habe ich zum Anlass genommen, aufzustehen. Nach dem Mittagessen in der Uni habe ich dann festegestellt, dass die Vorlesung wieder einmal ausfällt. Ich habe mich dann mit Olga getroffen und wir haben zusammen deutsch und russisch gesprochen - und bin dabei von ihr auch über die Heiratsgerüchte angesprochen worden. Mittlerweile weiß ich nicht mehr, ob ich das noch lustig finden sollte. Anschließend kam ein Joghurt-Transport, wo ich noch ein wenig beim Tragen geholfen habe. Dementsprechend bin ich jetzt für diese Woche mit kleinen Leckereien versorgt.
Meine Halsschmerzen sind heute wesentlich besser geworden und ich habe Hoffnung, dass sie nicht in eine Erkältung umschlagen. Die verschiedenen Mittel zeigen jetzt scheinbar doch ihre Wirkung. Das beruhigt mich sehr und ich hoffe, dass es morgen noch besser ist.
Einen Teil des Abends habe ich damit verbracht, in meinem Zimmern nach der vermeintlichen Revision, die die einzelnen Zimmer gar nicht betraf, wieder wohnlich herzustellen. Dabei habe ich so einiges umorganisiert und versucht, alles sinnvoller zu strukturieren.
Dienstag, 16. Dezember 2008
Heute ist es nun quasi amtlich geworden - bis einschließlich der Ferien finden keine Vorlesungen mehr statt, da jetzt Prüfungsphase ist - einige Studenten haben elf Prüfungen - sowohl kleine als auch große. Ich habe mir ja vor ein paar Tagen eine Hausarbeit vorgenommen, die ich jetzt in Angriff nehmen möchte - etwas eher als gedacht. Nun werde ich auch mehr Zeit finden zum Vokabeln bzw. russisch lernen und vielleicht den ein oder anderen Ausflug machen. Damit ist heute völlig überraschend eine ganz andere Situation eingetreten, mit der ich überhaupt nicht gerechnet habe. Ich denke aber nicht, dass jetzt Langeweile eintritt. Ich habe so viele interessante Bücher hier gefunden, in denen ich gerne lesen möchte und auch sonst noch einiges vor.
Heute habe ich eine Karte bekommen, die ich eigentlich schon zu meinem Namenstag erhalten haben sollte, diejenige aber vergessen hat, sie mir zu geben. In der Karte ist unheimlich viel auf einen Punkt gebracht und ich möchte ein wenig über diese Karte nachdenken.
Der Text lautet: "Unserem Bruder. Du bist der beste Superstar. Wörtlich: Ich gratuliere Dir." (Gemeint ist: "Wir gratulieren Dir. ") und "Du bist der Allerbeste! Ich liebe und verstehe Dich! Welch starkes Glück hatte ich, Bruder, mit Dir! In allem Gelingen, wünsche ich Dir Glück! Sei erfolgreich und sei Du selbst."
Diese Karte trifft den Nagel an für sich auf den voll Kopf, da sie gut das Verhältnis zu meiner Kommilitonen zu mir zeigt. Viele Dinge finden sich auf der Karte wieder, die ich in diesen ersten Monaten hier erleben durfte: Da ist zum einen der "Superstar". Es ist zwar ganz schön, wenn man bekannt ist, viele Hände schüttelt, mich fast jeder grüßt und jeder gerne mit mir sprechen möchte. Es ist aber auch umso schwerer, Zeit für mich zu finden, so dass ich mich mal zurückziehen kann. Meistens klopft dann doch wieder irgendwer an meiner Türe und ich mag dann auch nicht gerne nein sagen. Und bei der orthodoxen Damenwelt scheine ich auch ziemlich beliebt zu sein, da ich mehr Kontakte zu Studentinnen oder Lehrerinnen pflege als eigentlich alle anderen Jungs hier. Dementsprechend gehen jetzt schon seit ein paar Wochen Heiratsgerüchte um, die ich zunächst zwar auf die leichte Schulter genommen habe, seitdem mich aber Vater Nicolai darauf angesprochen hat, bin ich mir noch nicht sicher, ob diese Gerüchte nicht zu weit ins Dekanat vorgedrungen sind. Olga hat mir aber zu meiner Beruhigung gesagt, dass dort darüber gelacht wird. Würde es hier eine studentische Klatschzeitung geben, dann würde ich sicherlich ziemlich oft auf der Titelseite stehen. Zum Glück erhalte ich noch keine Liebesbriefe, Teddybären usw. Auf der Karte findet sich aber auch mein berühmt gewordener Spruch, der nach wie vor an meiner Türe hängt und grammatikalisch unkorrekt bleibt: Mnoga Stress (Viel Stress). Dieser resultiert ja aus den Sprachschwierigkeiten, wo sich einige Studenten unterer Kurse im Wohnheim drüber lustig gemacht hatten. Auf der Karte findet sich auch die erste vernünftige Schneeballschlacht wieder, die ich mit einem Haufen Mitbewohnerinnen gemacht habe: "Wir lieben Dich... aber dennoch werden wir Dich mit Schnee überschütten." Und für eine Fortsetzung dieser bin ich natürlich immer zu haben. Es fehlt eigentlich nur noch der Schnee. Und dann haben wir noch die Glückwünsche "Endloser blauer Himmel und eine Hose voller Glück!!! Gute Karte, nicht wahr? Sei ein Kämpfer!" und "Von ganzer Seele Glückwünsche zu Deinem Namenstag! Gottes Hilfe in allem." Und auch dies kann man in Russland und in Moskau in jedem Fall gut gebrauchen! Diese Karte kommt im Wesentlichen vom Chor - wie unschwer zu erkennen ist. Wenn ich mir in Zukunft diese Karte anschaue, dann werden gerade mit ihr viele schöne Erinnerungen verbunden sein. Passend dazu habe ich soeben einen Spruch in meinem Adventskalender gefunden, den ich ja geschenkt bekommen habe:
Das Geschenk der Lebensfreude
Genießen können -
mich an kleinen Dingen freuen:
dem Duft des Tannenzweigs,
der Wärme einer Kerze,
- dem Menschen neben mir...
Weihnachten ist die unfassbare Zusage:
Du bist nicht allein!
Den Nachmittag habe ich mir eigentlich anders vorgestellt, als er dann wirklich gekommen ist. Zunächst habe ich noch ein wenig mit Olga und Nina deutsch und russisch gesprochen, dann alleine mit Olga auf dem Flur. Als wir fertig waren und ich eigentlich gehen wollte, sprach mich eine Studentin an, mit der ich mich schon mal unterhalten habe und ich habe die Gelegenheit genutzt, mich nur auf russisch unterhalten zu können. Irgendwann machte Juri Valerjewitsch auf sich aufmerksam, mit dem ich mich dann ebenfalls noch ausführlich unterhalten habe und wo wir beide festgestellt haben, dass meine Russisch-Sprachkenntnisse doch besser geworden sind. Das soll aber wie gesagt noch lange nicht heißen, dass ich damit ansatzweise zufrieden wäre. Zumindest habe ich das erste Mal in einem Gespräch mit ihm nichts mehr nachfragen müssen. Während wir uns zusammen unterhalten haben, schaltete sich eine Studentin ein, die gerne mit mir etwas auf Englisch machen wollte - Valentina. Eigentlich konnte sie überhaupt kein Englisch - nicht einmal die Grundzahlen konnte sie. Ich hatte irgendwann den Eindruck, dass sie sich für mich interessiert und dies ein Versuch war, mit mir anzubandeln. Letztendlich habe ich das alles ausgehalten und hoffe, dass sie sich nicht so schnell wieder bei mir meldet. Irgendwie hatte ich die ganze Zeit ein ungutes Gefühl bei der Sache.
So dachte ich, dass ich heute pünktlich zu Hause bin und noch was lesen und lernen kann, aber das hat mal wieder nicht geklappt. Den Abend habe ich dann mal wieder mit dem Beantworten von E-Mails verbracht und ziemlich viel Zeit dafür verbraucht. Nun habe ich die Hoffnung, dass es wenigstens morgen Nachmittag etwas wird.
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