1 Familiennamen aus germanischen Sprachen Ulf Timmermann Friesische Familiennamen



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Familienname

Reihenfolge

Polen

Frequenz

Polen

Streuung

Polen

Reihenfolge

Ruhrgebiet

Frequenz

Ruhrgebiet

Streuung

Deutschland

D¹browski 4 92 945 ganz Polen,

v. a. in der

Woiwodschaft

Warschau;

seltener in

Südostpolen

10;


FamN mit

14 Var.


509 v. a. Nord- und

Westdtl., in

einem Bogen

von Hannover

bis Stuttgart;

große Konzentration

im

Ruhrgebiet



Grabowski 20 54 653 regelmäßig in

ganz Polen

8;

FamN mit


3 Var.

549 Grabowski

streut regelmäßig

in Dtl.;


Grabowsky

und Grabovski

in Nord- und

Westdtl.;

starke Konzentration

im

Ruhrgebiet



Polnische Familiennamen im Deutschen

199


Familienname

Reihenfolge

Polen

Frequenz

Polen

Streuung

Polen

Reihenfolge

Ruhrgebiet

Frequenz

Ruhrgebiet

Streuung

Deutschland

Kamiñski


Var.

Kamieñski

7 87 935

1 514


regelmäßig in

ganz Polen;

seltener in

Südostpolen;

v. a. in Nordostpolen

2 zusammen

mit

der Var.


Kamienski,

FamN mit


9 Varianten

809 Kamienski

– v. a. im

Ruhrgebiet;



Kaminski

– regelmäßig

in Dtl.;

andere Var. in

Nordwest- und

Westdtl.


Kowalski 2 131 940 regelmäßig in

ganz Polen;

am häufigsten

in der


Woiwodschaft

Warschau


4;

FamN mit


6 Var.

639 Kowalski und



Kowalsky in

ganz Dtl. mit

Konzentration

an der Westgrenze;

andere

Formen sind



auf der Linie

Duisburg–

Köln–Stuttgart

weniger häufig

vertreten

Koz³owski 12 72 368 regelmäßig in

ganz Polen,

seltener in

Südostpolen

7;

FamN mit



9 Var.

562 v. a. in einem

Bogen von

Hannover bis

Stuttgart

Nowak 1 220 217 regelmäßig in

ganz Polen,

seltener in

Südostpolen

1;

FamN mit



17 Var.

1 761 v. a. in einem

Bogen von

Hannover bis

Stuttgart

Szymañski 10 84 527 regelmäßig in

ganz Polen

9;

FamN mit



11 Var.

547 v. a. in einem

Bogen von

Hannover bis

Stuttgart; einige

Var. streuen

in ganz Dtl.

200


Barbara Czopek-Kopciuch

Familienname

Reihenfolge

Polen

Frequenz

Polen

Streuung

Polen

Reihenfolge

Ruhrgebiet

Frequenz

Ruhrgebiet

Streuung

Deutschland

Wencel außer

Liste

von 300


2 497 regelmäßig in

ganz Polen

3;

FamN mit


4 Var.

808 Wentzel und



Wenzel in ganz

Dtl.; andere

Var. streuen in

einem Bogen

von Hannover

bis Stuttgart

Wieczorek 28 46 920 v. a. in Oberschlesien,

Zentral-


und Großpolen,

seltener


in Nord- und

Nordostpolen

6;

FamN mit


25 Var.

536 Wieczorek

streut regelmäßig

in ganz


Dtl.; andere

Var. streuen in

einem Bogen

von Hannover

bis Stuttgart

Wiszniewski

Var.:

Wiœnewski



außer

Liste


von 300

3

4 530



104 418

v. a. in Nordostpolen;

v. a. in Zentral-

und Nordzentralpolen;

seltener in

Südpolen


5;

FamN mit


24 Var.

613


(mit Wisniewski)

Varianten Wisniewski

und

Wischnieski

streuen in ganz

Dtl.; andere

Var. streuen

auf einem

Bogen Duisburg

–Köln–

Frankfurt/



Main–Stuttgart

Wie die Tabelle zeigt, haben die 10 populärsten Familiennamen polnischer Herkunft

im Ruhrgebiet eine andere Reihenfolge als die Familiennamen in Polen.

Nur der Name Nowak nimmt in beiden Fällen den ersten Platz ein. Andere Namen

aus der Ruhrgebiets-Liste findet man in Polen unter den 300 populärsten Familiennamen.

Eine Ausnahme bildet der Familiennamen Wencel, der im Ruhrgebiet

eine vordere Position einnimmt, wohingegen er in der polnischen Liste nicht

vorkommt. Familiennamen polnischer Herkunft haben in deutscher Sprache viele

Varianten, aber ihre geographische Verbreitung zeigt, dass sie (mit einigen Ausnahmen)

vor allem in Westdeutschland anzutreffen sind. Sie bilden ein bogenförmiges

Gebiet entlang der Westgrenze des Landes von Hannover über Duisburg,

Köln, Frankfurt a. M. bis Stuttgart.

Polnische Familiennamen im Deutschen

201


Die Familiennamen polnischer Herkunft in Deutschland sind für den Onomasten

von erheblichem Interesse. Hier sind noch viele Familiennamen erhalten

geblieben, die gegenwärtig in Polen nicht mehr vorkommen. Sie weisen darüber

hinaus zahlreiche Lautmerkmale und Apellativa auf, die nur den Dialekten

bekannt sind. Die Offenlegung des durch Integration ins Deutsche überlagerten

Reichtums polnischer Familiennamen ist eine schwierige Arbeit und ähnelt in

manchem der Lösung eines komplizierten Rätsels. Die Aufdeckung der die Substitutionsprozesse

steuernden Mechanismen ermöglicht zugleich vertiefte Einsichten

in die Interferenz- und die onymische Integrationstheorie. Insgesamt zeigt

das Material, dass die im Ruhrgebiet und weiteren Gebieten Deutschlands vertretenen

polnischen Familiennamen, obwohl im Herkunftsland manchmal nicht

mehr vorhanden, in Struktur, Frequenz und Motivation mit den gegenwärtig in

Polen vorkommenden Namen übereinstimmen.

Literatur

BREZA, E. 1981: Sposoby germanizacji antroponimów polskich na Pomorzu. In: Nazewnictwo obszarów

jêzykowo mieszanych. Ksiêga referatów Miêdzynarodowej Konferencji Onomastycznej

w Gdañsku, 25–27 paŸdziernik 1977, red. H. Górnowicz. Wroc³aw, S. 107–115.

BRZEZINOWA, M. 1989: Polszczyzna Niemców. Kraków.

CZOPEK-KOPCIUCH, B. 2004: Nazwiska polskie w Zag³êbiu Ruhry. Kraków.

CZOPEK-KOPCIUCH, B. 2005: Nazwiska polskie w Zag³êbiu Ruhry a nazwiska w Polsce. In: Onomastica

L, S. 243–254.

CZOPEK-KOPCIUCH, B. 2006: Nazwiska od dwucz³onowych przezwisk w Zag³êbiu Ruhry. In: Munuscula

Linguistica in honorem Alexandrae Cieœlikowa oblata. Krakow, S. 143–155.

DT-Info & Route ’99. Digitale Karte. Teleatlas.

MICHALEWSKA, M. T. 1991: Polszczyzna osób bilingwalnych w Zag³êbiu Ruhry w sytuacji oficjalnej.

Kraków.

RYMUT, K. 2001: Nazwiska Polaków u pocz¹tku XXI wieku. CD-Rom.



RYMUT, K.; J. HOFFMANN (Hg.). 2006: Lexikon der Familiennamen polnischer Herkunft im Ruhrgebiet.

Band 1 (A–L). Kraków.

SKOWRONEK, K. 2001: Wspó³czesne nazwisko polskie. Kraków.

SMOCZYÑSKI, P. 1965: Trudnoœci Niemców z wymow¹ polsk¹ oraz zwi¹zane z tym lingwistyczne

problemy. In: Jêzyk Polski XLV, S. 22–31.

203


EWA JAKUS-BORKOWA

Polnische Familiennamen in Österreich

Slawische Familiennamen sind in Österreich oft zu finden. Dies ist verursacht

durch den viele Jahrhunderte währenden Zuzug von Slawen aus den Grenzgebieten

und aus benachbarten Ländern und natürlich auch aus Polen.

Polen haben sich seit langem in ganz Österreich angesiedelt.1 Es ist wichtig,

sich daran zu erinnern, dass schon am Ende des 11. Jahrhunderts im Kloster

Ossiach in Kärnten unser König Boles³aw Œmia³y Zuflucht gefunden hat, als er

nach dem Totschlag an Bischof Stanis³aw aus Szczepanów aus dem Land fliehen

musste. In Ossiach befindet sich auch sein Grab. In späteren Zeiten hat König Jan

III. Sobieski mit seiner polnischen Armee eine besonders große Rolle gespielt,

als er im 17. Jahrhundert Wien vor dem türkischen Ansturm gerettet hat. Der

Kaufmann Stanis³aw Kulczycki hat die im Krieg gegen die Türken eroberten

Kaffeebestände der Verwendung zugeführt und damit in Mittel- und Westeuropa

das Trinken des Kaffees bekannt gemacht. Die folgenden Jahrhunderte haben

das Schicksal Polens stärker mit Österreich verbunden, teils durch den Anschluss

Galiziens mit Kraków in den Jahren 1772 und 1795, teils auch, weil das reiche

und stabile Gebiet der Monarchie für unsere Landsleute sehr anziehend gewesen

ist, besonders stark im Zusammenhang mit den politischen und ökonomischen

Veränderungen im vergangenen Jahrhundert und auch noch gegenwärtig auf

Grund der Globalisierung und des Zusammenschlusses im vereinten Europa.

Auf polnische Familiennamen stößt man in Graz, der Hauptstadt des Bundeslandes

Steiermark, wo ich mich oft aufhalte, auf Schritt und Tritt. Neben uns

wohnt Frau Lipinski; der Arzt im Nachbarhaus heißt Wisniewski. Eine Bekannte

von der Universitätsklinik trägt den Namen Pluta, ihr Chef ist Prof. Zapotocky.

Meine Physiotherapeutin heisst Inge Drost.

Auch auf dem alten Sankt-Peter-Friedhof markieren polnische Namen den

Weg zur ewigen Ruhestätte der Verwandten meines Mannes.2 Vom Friedhofstor

1 Siehe z. B.: WERESZYCKI 1986; LIJEWSKI 1987; LEITSCH / WAWRYKOWA 1988; BRO¯EK 1990,

S. 51–67.

2 An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Mann für seine Hilfe bei der deutschsprachigen

Version bedanken.

204


Ewa Jakus-Borkowa

rechts und weiter geradeaus finden sich neben der Mauer die ältesten Grabstätten

vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Man geht vorbei an

Denkmälern auf der einen Seite mit Namen wie: Schimkowitz, Kosack, Krassnig,



Daszyñski, Sadnik, Walloch, auf der anderen Seite lesen wir: Perz, Zgaga,

Adamek, Fizia, Ryziensky, und weiter: Tomschitz und Gatkiewicz. Dann bei einer

Kreuzung der Wege begrüßt man das Grab der Familie Jaworski (Juliane



Jaworski † 1940, Julie Jaworski † 1973; so heißen auch meine Verwandten in

Pommern in Polen), der Familie G¹tkiewicz (Emilie von G¹tkiewicz † 1939)

und Zachariasiewicz (Josef B. Zachariasiewicz † 1970). Bei einer Weggabelung

sollte man den Mittelweg geradeaus gehen entlang der Gruft der Familie Ritter



¯elawski-Jelita (die Inschrift ist in ausgezeichneter polnischer Orthographie:3

Seweryn Ritter ¯elawski-Jelita † 1907). Auf der linken Seite sind die Familien

Trutnowski (Franz Trutnovsky † 1954) und Bañkowski (Auguste Bankowska

† 1939) bestattet, auf der rechten Seite liest man die Namen Prosicki (Theresia



Prosizky † 1948), Nowak (Franciska Novak † 1947), Rehorski (Familie Rehorska)

und Niesz. Schliesslich halten wir bei der Grabstätte des Herrn Roman Lewicki

(Roman Lewicki, 1854–1905). Schon auf dieser kurzen Strecke erinnern

mich viele Namen an meine Heimat.

Diese Anthroponyme sind mir trotz verschiedener Änderungen sehr vertraut,

sie sind voll lesbar und semantisch klar, wenn auch, wie in Polen, verschiedene

Deutungsmöglichkeiten bestehen:4 der Familienname Lipinski, ursprünglich polnisch

Lipiñski, gehört zum Appellativ lipa ‘Linde’ oder zu altpolnisch lipieñ ‘lipiec’

(Juli); Wisniewski – das ist Wiœniewski – vom Ortsnamen Wiœniewo oder

direkt vom Appellativ wiœnia ‘Sauerkirschenbaum’; Pluta – identisch mit dem

Dialektwort pluta ‘Lache, Pfütze’, kann aber auch ‘einen Menschen, der spuckt’

(in Zusammenhang mit dem Verb pluæ ‘spucken’), bedeuten sowie ‘Unwetter’.

Der Personenname Zapotocky (< Zapotocki) ist Komposition aus za ‘hinter’ und



potok ‘Bach’, wie in deutscher Sprache: Hinterbacher; und Drost kommt vom

Appellativ drozd ‘Drossel’.

Ein Familienname, der auf dem Grabstein Schimkowitz geschrieben wird, ist

ein altes Szymkowic oder Szymkowicz, eine Ableitung vom Vornamen Szymek <



Szymon ‘Simon’; Kosack hat früher die Form Kosak gehabt und beruht auf dem

3 Man darf aber nicht vergessen, dass auf die Form und Orthographie der Grabinschriften die Familien

grossen Einfluss haben.

4 Familiennamenerklärungen nach: RYMUT 1991, 1999 und 2001; ROSPOND 1967 und 1973.

205

Polnische Familiennamen in Österreich



Appellativ kos ‘Amsel’, metaphorisch auch für einen ‘schlauen Menschen’, oder

auf kosa ‘Sense’, zu kosiæ ‘Getreide oder Gras schneiden’ – sehr wahrscheinlich

jedoch ist dieser Name identisch mit dem schlesischen Dialektwort kosak ‘breite

Sichel; Schürhaken’. Das Anthroponym Krassnig wurde umgebildet aus Kraœnik,

das zu verbinden ist mit dem Adjektiv krasny ‘wunderschön’; man vergleiche

das Appellativ krasa ‘rote Farbe; Schönheit’, aber auch krasiæ ‘verschönern;

mit Fett bestreichen (kulinarisch)’. Der Personenname Daszynski klingt auf

polnisch Daszyñski und ist motiviert durch den Ortsnamen Daszyna, der vom

altpolnischen Hypokoristikum Dasz < David oder von einem altpolnischen

Vornamen wie Dalebor oder Dargorad kommt; Sadnik ist zu verbinden mit

dem Appellativ sad ‘Garten mit Fruchtbäumen’ oder mit dem Adjektiv sadny

‘gärtnerisch’; und Walloch, urkundlich Wa³och aus gemeinpolnisch Wa³ach,

ist gleich dem Ethnikum Wa³ach ‘aus der Walachei Stammender’ oder dem

Appellativ wa³ach ‘kastriertes Pferd’, mit schlesischen Eigenschaften: das lange



a wird als o realisiert. Der Name Perz ist das Resultat einer Onymisierung des

Substantivs perz ‘eine Unkrautart’, früher auch ‘Distel’ und ‘Staub’; Zgaga beruht

auf einem sehr bissigen Spottnamen Zgaga, identisch mit dem Appellativ zgaga

‘Sodbrennen’; Adamek geht auf den biblischen Namen Adam zurück, der schon

seit dem 12. Jahrhundert in Polen häufig vorkommt; und Fizia ist die polonisierte

Form eines deutschen Personennamens Fiess ‘schlauer Feind’ oder Viss < Vinzenz.

Der Familienname Ryzienski (richtig: Ryzieñski) hat zu tun mit dem Adjektiv

ry¿y ‘rötlich’ oder mit dem Zeitwort ryzaæ ‘schneiden’; Tomschitz, ursprünglich

Tomczycz, ist zu verbinden mit dem Vornamen Tomek < Tomasz ‘Thomas’; und

Gatkiewicz ist zum altpolnischen Verbum gataæ / gadaæ ‘sprechen, plaudern’ zu

stellen oder zu gaciæ ‘abdämmen’ bzw. zum Substantiv gaæ ‘Deich’.

Der Name Jaworski ist nach einem in Polen häufig vorkommenden Oikonym

gebildet wie Jawor, Jaworze, die zum Appellativ jawor ‘Ahorn’ gehören;



G¹tkiewicz ist aus G¹dkiewicz umgebildet, das zur Basis g¹daæ ‘spielen’ oder

zum Wort g¹dek ‘Musikant’ zu stellen ist; und Zachariasiewicz beruht auf dem

Vornamen Zachariasz ‘Zacharias’. Das Geschlecht ¯elawski-Jelita hat im ersten

Teil des Namens als Grundlage ¯el, ein Hypokoristikum des Vornamentyps



¯elis³aw, ¯elimir (ein Zusammenhang mit dem Oikonym Zelewo kann aber nicht

ausgeschlossen werden); der Name des Stammwappens Jelita kommt vom Appellativ



jelito ‘Darm’. Das Anthroponym Trutnowski (auf dem Grabstein: Trutnovsky)

ist vom Ortsnamen Trutnowo herzuleiten, der zum Verbum truæ ‘vergiften’

in Beziehung steht; Bañkowski (auf dem Grab: Bankowski) ist vermutlich eine

206


Ewa Jakus-Borkowa

Ableitung vom Ortsnamen Bañki in der Umgebung von Bia³ystok, der wiederum

zum Substantiv bañka ‘Kanne’ gehört; Prosicki (geschrieben Prosizky) ist von

der Kurzform des Vornamens des Typus Prosimir herzuleiten oder vom Verbum



prosiæ ‘bitten’; und Nowak (auf der Grabplatte: Novak) vom Adjektiv nowy ‘neu’

(Nowak ist der häufigste Name in Polen5). Der Familienname Rehorski ist sehr

wahrscheinlich ein älteres Rechorski von Rach / Rech, Diminutiv der Vornamen

Racibor, Rados³aw, Rachwa³ (‘Raffael’) oder vom Verbum rachowaæ ‘rechnen’;

Niesz ist gleich der Kurzform Niesz von Vornamen wie Niegos³aw; und Lewicki

stützt sich auf das Adjektiv lewy ‘links’ oder auf den Vornamen Leon oder auf den

hebräischen Namen Lewy. All diese Anthroponyme lauten wie in Polen, aber oft

in der Schreibung und im Gebrauch der Formen der dazu gehörenden Vornamen

sind sie anders als im traditionellen slavischen Namenschatz. Es macht uns bewusst,

dass wir in einem fremden Land sind.

In diesem Beitrag möchte ich die Problematik der Funktionsweise polnischer

Familiennamen in der deutschen Sprache auf dem Gebiet Österreichs synthetisch

darstellen. Wie kompliziert sie ist, belegen bereits die oben angeführten Beispiele,

obwohl ich diejenigen ausgewählt habe, die die wenigsten Zweifel hervorrufen.

Das Forschungsmaterial, das in der vorliegenden Studie ausgewertet wurde,

bilden die Familiennamen, die aus den gegenwärtigen Telefonbüchern einiger österreichischer

Großstädte – Innsbruck, Klagenfurt und Land Salzburg – aus den

Jahren 1990–1992 von Mieczys³aw BUCZYÑSKI und Beate PERTL6 exzerpiert

wurden. Recherchen wurden auch in Graz (1993) von Krystyna NOWIK und mir7

durchgeführt. Obwohl nicht das gesamte Material von Österreich untersucht wurde,

besitzen dennoch die hier präsentierten Ergebnisse einen allgemeineren Aussagewert.

Mit dem Thema des Namentransfers von einem in ein anderes Sprachsystem beschäftigten

sich viele Sprachwissenschaftler (vgl. dazu die Literatur); auch die polnischen

Anthroponyme wurden zum Gegenstand ihrer Überlegungen. Besonders die

Forschungsergebnisse von Barbara CZOPEK-KOPCIUCH8, die die polnischen Familiennamen

im Ruhrgebiet untersuchte, zeigen eine große Analogie mit Resultaten unserer

Untersuchungen, weil hier die gemeinsame Aufnahmesprache das Deutsche ist.

5 Auf der Rankingliste der 300 häufigsten Familiennamen in Polen hält Nowak den ersten Platz,

s. SKOWRONEK 2001, S. 189.

6 BUCZYÑSKI / PERTL 1993, S. 85–93.

7 JAKUS-BORKOWA / NOWIK 2002, S. 15–24.

8 CZOPEK-KOPCIUCH 2004 und 2005, S. 243–254.

207

Polnische Familiennamen in Österreich



Die Namenverzeichnisse der Einwohner in Österreich enthalten eine erhebliche

Menge von slavischen Anthroponymen, darunter auch von Polen. Die genaue

Zahl der polnischen Familiennamen ist noch nicht genau bekannt. BUCZYÑSKI

und PERTL denken, dass sie in dem von ihnen untersuchten Gebiet schätzungsweise

20 000–25 000 beträgt, also ca. 10 % aller Namen. Nach den Befunden in

Graz ist diese Zahl auch relativ hoch, aber weitaus niedriger, nämlich nicht mehr

als 5 %; in Österreich sind das durchschnittlich ungefähr 8 %.

Die Unterscheidung der polnischen Familiennamen (FN) von allen anderen

reichlich auftretenden slavischen war oft sehr schwer, weil die Substitutionsveränderungen,

die sich aus dem Kontakt mit deutschen Sprachsystemen ergeben, häufig

so weit gegangen sind, dass die typischen unterscheidenden Sprachmerkmale

verschwinden. Außerdem: die alte urslavische Sprachgemeinschaft hinterließ

viele gleiche Basen und dieselben Formanten, die zwar vom Slawentum zeugen,

die aber auf keine konkrete Sprache hinweisen. Um in dieser Situation sicher zu

sein, dass die sprachliche Herkunft des jeweiligen Namens richtig beurteilt wurde,

sollte man am besten die Abstammung (mit Hilfe von Fragebögen, persönlichen

Befragungen oder Archiv- und Stammbaumforschungen, was BUCZYÑSKI

und PERTL durchzuführen begonnen haben) jeder Familie, die einen slavischen

Nachnamen trägt, feststellen. Leider, wegen des Reichtums der Materialien und

auf Grund des Datenschutzes, scheint dies nicht möglich zu sein.

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass bei der Klassifizierung der Familiennamen

(ausgenommen bei der Analyse der Herkunft der semantischen Basis) vor

allem zwei Kriterien für die genetische Einordnung der Namen beachtet werden

müssen: das phonetische und das morphologische Kriterium, wobei das phonetische

als das übergeordnete anzuerkennen ist. Im Fall der Übereinstimmung in

beiden Aspekten mit anderen slavischen Sprachen sollte man gewöhnlich diesen

Sprachen den Vorrang geben, deren geographische Lage und Geschichte eine

stärkere Bevölkerungsmigration nach Österreich (Slowenien, Kroatien, Tschechien,

Slowakei) als vom weit entfernten Polen bewirken konnte. Darum wurden

in unseren Untersuchungen zu den polnischen Namen diejenigen gezählt, deren

Struktur typisch für die polnische Anthroponymie ist und die die spezifischen

Entwicklungsmerkmale des polnischen phonetisch-phonologischen Systems aufweisen,

vgl. z. B. die FN: Broda, Cichy, D³ugosz, Mrozowski, Wdowiak, Zgaga

und ¯elawski.

Manchmal haben uns bei der Klassifizierung die bei den Nachnamen angegebenen

Vornamen zusätzliche Informationen gegeben. Bei den Familiennamen,

208

Ewa Jakus-Borkowa



bei welchen man nicht ausschließen kann, dass sie aus anderen slavischen Sprachen

kommen können, weil sowohl die Basen, die den Anthroponymen zugrunde

liegen, als auch die Suffixe in vielen Sprachen vorkommen, haben die Vornamen,

wenn sie keine polnische Tradition hatten und für andere slavische Sprachen typisch

sind, zur Eliminierung aus der polnischen Gruppe geholfen; so ist z. B.

der Markovic geschriebene FN (vielleicht polnisch Markowicz) nicht gerechnet,

weil er von den Vornamen Dragisa, Drogica und Olgica begleitet wird. Diese

Argumente führten aber zur Entscheidung, dass der Nachname Medek (< Miedek



/ Miodek) wegen des altpolnischen Vornamens Stanislav (< Stanis³aw) zu den

polnischen FN gezählt wurde. Vornamen bei der Bestimmung der Herkunft von

Familiennamen heranzuziehen (natürlich mit der nötigen Vorsicht) scheint auch

darum richtig zu sein, weil sich die klassischen slavischen Vornamen unter den

nicht-slavischen Nationen keiner größeren Beliebtheit erfreuen; deswegen kann

ihr Vorkommen über die Herkunft von Familiennamen gut informieren.

Es ist allgemein bekannt, dass sich beim Kontakt zweier Sprachen zahlreiche

Interferenzen ergeben, die alle Untersysteme, darunter Nach- und Vornamen, erfassen.

Die Familiennamen als die eine Person identifizierenden Glieder unterliegen

gewöhnlich früher und schneller als die übrigen Sprachebenen auf Grund

ihrer formal-juristisch gebräuchlichen Funktionen unterschiedlichen Modifikationen.

Das haben wir auch in den Untersuchungen von Anthroponymen in Österreich

gesehen. In der Praxis sind hier zwei entgegengesetzte Tendenzen zu

beobachten.9 Die erste kommt zum Vorschein im Streben der Person nach der

Erhaltung der ursprünglichen Form (meistens einer geschriebenen) des Namens,

nach der Verschonung von allen Veränderungen. Der Grund dafür ist gewöhnlich

eine emotionale Anhänglichkeit, Hochachtung für die Familientradition, Vaterlandsliebe,

der Gedanke der Identifizierung mit der eigenen Heimat, aber auch

ein Beharren wegen gesetzlicher Konsequenzen. Die zweite – jedoch der ersten

entgegengesetzte – Tendenz beruht auf dem Streben nach der möglichst schnellen

Umwandlung des Namens und dem Verwischen seiner Fremdartigkeit sowie auf

dem Streben nach einer schnellen Assimilation und der Anpassung an die den

Namen empfangende Sprache sowohl in der Schrift als auch in der gesprochenen

9 Vgl. hierzu die Ausführungen von BARTMIÑSCY 1978, S. 64–68; BUCZYÑSKI / PERTL 1993,

S. 85–93; CYGAL-KRUPA 1993, S. 103–112; CZOPEK-KOPCIUCH 2004 und 2005, S. 243–254;

EICHLER 2006, S. 168–172; JAKUS-BORKOWA / NOWIK 2002, S. 15–24; LYRA 1966, S. 289–304;

WIERZBICKA 1993, S. 341–348; WÓJTOWICZ 1981, S. 203–210.

209


Polnische Familiennamen in Österreich

Sprache, die häufig von dem Angestellten (und seinem manchmal übertriebenem

Eifer) abhängig ist, der Schwierigkeiten mit dem Eintragen des jeweiligen Namens

hat. Aber die persönlichen Beweggründe der Namensträger, die Anthroponyme

phonetisch zu schreiben, können manchmal die Ausübung bestimmter

beruflicher Funktionen sein, die von dem Namen eine für das Umfeld leichte

Aussprache erfordern. Ein anderes Mal sind die Gründe dafür kommerziell, z. B.

die leichtere Werbung für die eigene Firma. Äußerst selten wird für Werbezwecke

die fremde, für Einheimische aber sehr schwierige Form des Namens gebraucht;

z. B. wirbt in Graz Herr Trzeœniewski (mit dieser schwierigen Orthographie) für

sein Geschäft mit folgender Parole: „Die Waren in meinem Geschäft sind so gut,

wie schwer mein Familienname auszusprechen ist.“

Die wichtigste Bedeutung für das Funktionieren des Namens in einem neuen

Sprachsystem haben die innersprachlichen Faktoren, weil in einem neuen

Sprachsystem die Proprien der Adaption und einer Reihe von Substitutionen10

unterzogen werden. Diese Substitutionen erscheinen vor allem auf zwei Ebenen:

der graphischen und der phonetischen. Beide Ebenen sind in demselben Maße

wichtig, weil die Namen entweder in der schriftlichen Form (die die Aussprache

beeinflusst) oder in der mündlichen Form (die auf die Schreibweise rückwirkt)

gebraucht und erkannt werden. Die Adaptionsstufe der Anthroponyme hängt mit

dem Grad der Unterschiede in den Systemen beider Sprachen zusammen. Die

empfangende Sprache lehnt in der Regel diese Merkmale ab, die mit ihrem System

nicht übereinstimmen und für sie nicht unterscheidend sind. Sie behält aber

das, was in ihrem orthographisch-phonischen und morphologischen System enthalten

ist. Das zeigt sich deutlich im Fall der gesammelten polnischen Familiennamen

in Österreich. Sie können in zwei unterschiedliche Hauptgruppen geteilt

werden.

Die erste Gruppe enthält die Anthroponyme, die ihre ursprüngliche Gestalt



behalten haben. Es betrifft vor allem die orthographische Treue, weil die durch

die Österreicher vorgenommene phonetische Realisation der Zunamen von der

originalen entscheidend abweichen kann. Der korrekt auf polnisch geschriebene

Nachname Kozio³ wird beispielsweise als [kocjol] ausgesprochen, die polnischen

10 Es gibt eine reiche Literatur über deutsch-polnische Sprachsubstitutionen, siehe z. B.: BREZA

1981, S. 107–115; GÓRNOWICZ 1969, S. 159–189; ROSPOND 1957, S. 3–19. Viele ähnliche Substitutionen

wie bei FN polnischer Herkunft in Österreich findet man auch bei den slavischen

Orstnamen in diesem Land, siehe z. B.: POHL 1992, S. 1–88, besonders S. 7–10.

210

Ewa Jakus-Borkowa



Namen Perz wie [perc] und Zarzycki wie [carciki] gesprochen. Als Beispiele aus

Österreich für polnische Familiennamen mit der erhaltenen polnischen Schreibweise

kann man hier anführen: Adamczyk, Baran, Bednarz, Bratusiewicz, Cichocki,

Dobrowolski, Drozd, Dzida, Garbus, Gatkiewicz, Grochal, Lewicki,

Skorupa u. a. Für die schriftliche Wiedergabe dieser Anthroponyme reicht das

deutsche Alphabet aus. Die Gruppe von Namen dieser Art ist nicht umfangreich,

man muss aber trotzdem die Sorgfalt der österreichischen Angestellten bestätigen,

die sich Mühe gegeben haben, die polnischen Familiennamen mit ihrer originalen

Schreibweise und mit dem originalen Klang wiederzugeben (falls es möglich

war) und dies umso mehr, als es oft Nachnamen betrifft, die zwar die im deutschen

Alphabet vorhandenen Buchstaben enthalten, die sich aber in phonetische,

dem Deutschen fremde Gruppen verbinden, vgl. die FN: Brodacz, Charzewski,



Chwoja, Czmiel, Dziewulski, Karczmarczyk, Rdzeniewski, Strzelba, Wietrzyk,

auch mit korrekt geschriebenen, für Österreicher schwer aussprechbaren Vornamen:



Karnasiewicz Katarzyna, Niedzielski Zdzis³aw, Nowakowski Andrzej u. a.

In den letzten Jahren kann man in Österreich eine große Verbesserung dieser

Situation beobachten: Die offiziellen Familiennamen der neuen polnischen Emigranten

(und Gaeste wie Politiker, Autoren, Schauspieler, Künstler, deren Namen

man z. B. in der Presse oder auf Plakaten findet) sind (fast) korrekt wie auf

Polnisch geschrieben, auch wenn sie für die Österreicher fremde Schriftzeichen

enthalten (vgl. G¹tkiewicz, Trzeœniewski, Zieliñski – oder wie im Juni 2007 in

Graz Reklame für Musiker aus Polen: Krzysztof B¹czek).

Die zweite, eindeutig größte Gruppe von polnischen Nachnamen in Österreich

bilden die Anthroponyme, deren Sprachstruktur von der Struktur des österreichischen

Deutsch unterschiedlich ist. Sie werden durch den verschiedenen

Adaptions- und Substitutionsgrad charakterisiert, vor allem auf den orthographisch-

phonetischen und morphologischen Ebenen.

Die orthographisch-phonetischen Substitutionen erscheinen jedesmal in

polnischen Familiennamen, die in ihrer originalen Form andersartige Zeichen

enthalten als es der Phonembestand des Deutschen bedingt. Die größte Schwierigkeit,

die den Österreichern die polnische Sprache bereitet, liegt in ihrem phonologischen

System. Das Polnische besitzt eine Reihe von harten und weichen,

dentalen und alveolaren Phonemen, von nasalen Vokalen und von Konsonantengruppen:

-szcz-, -œæ-, -strz-, -drz-, -trzc- u. ä. Durch die von der originalen

Orthographie sehr abweichenden Schreibungen der einzelnen in Österreich vorkommenden

polnischen Anthroponyme kommt es zu verschiedenen graphischen

211


Polnische Familiennamen in Österreich

Varianten desselben Namens, z. B. ist der relativ einfache FN Polaczek geschrieben

als: Polaczek, Polacsek, Polatschek, Polacek, Polasek; WoŸniak als: Woschnagg,

Woschnak, Woschank, Wozak und das komplizierte Wrzeœnik als: Wriesnik,

Wriesnig, Wresnik, Wresnig, Wressnig, Wreschnig, Wressnigg, Wreßnig oder

Wreßnigg. Wie es vor allem Nekrologe und Inschriften auf Grabsteinen zeigen,

erscheinen gelegentlich Nachnamen in zwei Versionen. Die offizielle Form ist

stark an das Deutsche angelehnt, die private behält die genaue polnische Schreibung.

In der „Kleinen Zeitung“ (Graz) waren zwei Nachrufe für ein und dieselbe

Person abgedruckt: Golaschevsky – von der Firma – und Go³aszewski – von der

Familie.


Die Hauptmodifizierung in dieser Gruppe ist der Ersatz der polnischen Grapheme

mit diakritischen Zeichen durch die Buchstaben des deutschen Alphabets.

Als Konsequenz hat sich natürlich die Aussprache geändert, es folgen u. a. die

Dispalatalisierung und Denasalierung.

In polnischen Anthroponymen, die in Österreich heimisch geworden sind,

sieht man sehr viele Substitutionen. Besonders wichtig sind:

1) im Vokalbereich:

– die Nasale -¹- und -ê- werden durch -a- und -e- ersetzt, z. B.: Bia³ow¹s >



Bialowas, Pl¹s > Plass; Mêka > Meka, Prêdota > Predota. Gleichzeitig

gibt es auch Beispiele, in denen das -¹- durch -o- wiedergegeben wurde,

vgl.: G¹siak > Gosak, K¹kol > Kokol; oder die Nasalierung von -¹- und

-ê- durch die modifizierte Schreibweise in phonetischer Form -on- // -om-,

-an- // -am-, auch -um- (für -¹-) oder -en- // -em-, selten -um- (für -ê-),

wie in den FN: B¹czek > Bonschek, D¹browski > Dombrowski, Go³¹b >

Golamb, K¹cki > Kuntschky, Krêpak > Krumpak, Moczygêba > Moczygemba;

– das polnische -ó- (das so genannte -u- mit Strich) wird am häufigsten durch

das -o- ersetzt, siehe FN: Bar³óg > Barlog, Bród > Brod, Dó³ > Doll, Góra

> Gora, Król > Krol; manchmal wird phonetisch -u- geschrieben: Górka >



Gurka, Grób > Grub, Józefowicz > Jusefowitsch, Wróbel > Vrubl;

– ein typisches Merkmal ist die Verwechslung der polnischen Laute (auch

Buchstaben) -y- und -i-, der das Fehlen der ähnlichen Unterscheidung in

der deutschen Sprache zugrunde liegt, z. B.: B³aszczyk > Blascik, Kiszka



> Kyska, Motyka > Motika, Szyd³owski > Schidlofski // Schidlofsky, Trutnowski

> Trutnovsky, Zima > Zyma;

212


Ewa Jakus-Borkowa

– sehr interessant ist das Phänomen der phonetisch-graphischen Zeichen, die

in den untersuchten Anthroponymen verwendet werden, aber die der polnischen

Sprache fremd sind; dies zeigt eine starke Adaptation an das österreichische

Deutsch; so werden z. B. die polnischen Vokale -e- und -o- als

-ö- geschrieben, vgl. die FN: Go³y > Gölly, Kopka > Köpke // Koepke, Lew

> Löw // Loew, Œmiech > Smöch, Wesz > Wöss; manchmal erscheinen Umlaute

auch bei anderen Vokalen, z. B. -a- oder -u-, wie bei: Buczek > Bücek,



Frankowicz > Fränkowitsch, Jacek > Jäcki.

– Ein anderes, dem polnischen Rechtschreibsystem fremdes Zeichen ist -ß-.

In den untersuchten Familiennamen kommt es äußerst selten vor, siehe:

Grzeœnik // Grzesznik > Kraœnik // Kreßnik // Kressnig, Brze¿nik > Breßnigg

oder: Pleœnik // Plêœnik > Pleßnigg. Man kann sagen, dass das -ß- das substituierte

doppelte -ss- verschiedenen Ursprungs ersetzt.

2) im Konsonatenbereich:

– der im Deutschen im Alphabet und in der Aussprache unbekannte Buchstabe

-³- wird ausnahmslos in Schrift und Aussprache durch -l- ersetzt, wie in

den FN: D³ugosz > Dlugosch, Ga³ka > Galka, Kozie³ > Kosel, Micha³ek



> Mihalek, S³up > Slup, Sokó³ > Sokol;

– die weichen Phoneme: æ, dŸ, ñ, œ, Ÿ, die im Deutschen unbekannt sind,

werden regulär in den polnischen Familiennamen der diakritischen Zeichnen

beraubt, wodurch eine Dispalatalisierung und eine große Ausspracheveränderung

erfolgt, vgl.: Æwiek > Cvek, Grzebieñ > Greben, GroŸnik >

Groznik, Lipiñski > Lipinski, Miœ > Mis. Gewöhnlich wird auch der Buchstabe

-i- fortgelassen, der die Weichheit der polnischen Konsonanten in der

Stellung vor Vokalen signalisiert, z. B.: Bartodziej > Bartodej, Œmiech >



Smech. Das polnische œ, Ÿ sind ab und zu durch das deutsche -sch- oder -ss-

substituiert, wie in den FN: Paœla > Passlach, Wiœniewski > Wischnewski,

dagegen das -æ- durch -tz-, -z-: Cichy > Zichy, Marciak > Martzak, und

-- durch -d-: Brodzik > Brodik, K³adzieñski > Kladensky;

– das dentale polnische -¿- verliert gewöhnlich seinen Punkt, z. B.: Ba¿ant

> Bazant, B³a¿ej > Blazej, Krzy¿ > Kriz; die alveolaren -ž- (-¿-) und -š-

(-sz-) können gegen -sch- ausgetauscht werden, z. B.: Je¿ > Jesch, Bartosz



> Bartosch, oder gegen -s- und -ss-, vgl.: Groszek > Grosek //Grosseck,

manchmal gegen -tsch-: Eliaszek > Eliatschek, Szeliga > Tscheliga; der

Laut -è- (-cz-) wird selten als -cz- wiedergeben, z. B.: Oczko > Oczko,

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Polnische Familiennamen in Österreich

¯aczek > Zaczek, häufiger als -c-, -ci-, -ch-, -sch-, -tz-, -tsch-, wie in den

FN: Babicz > Babitsch, Deszczowicz > Descovich, Olejniczak > Oleyniciak,



Szewczyk > Sevcik, auch nach dem ungarischen Muster als -cs-: Bogacz

> Bogacs, Czajka > Csajka, Stateczny > Sztatecsny;

– der Engeverschlusslaut -c- in polnischen Nachnamen kommt als -c-, -z-

und -tz- vor (manchmal in denselben Anthroponymen), z. B.: Bielecki >

Bilezky, Biernacki > Bernatzky, Wacek > Wacek // Wazek // Watzek, Siedlnicki

> Sedlinitzky, ausnahmsweise auch als -sch- oder -ch-, vgl.: Palicki >

Palischky, Mocny > Mochny;

– in der österreichischen Version der untersuchten Anthroponyme sind verdoppelte

Konsonanten charakteristisch, was in der deutschen Sprache bedeutet,

dass der vorhergehende Vokal kurz ist; dies ist aber für die polnische

Sprache nicht typisch, vgl. die FN: Bielik > Billik, Dolnik > Dollnig, Jeleniec

> Jellenz, Krawczyk > Kraffczyk, Wilczko > Willtschke;

– im Polnischen ist das stumme -h- unbekannt. Es wird aber manchmal in den

hier behandelten Nachnamen nach einem Vokal eingeführt, um, genauso

wie in der deutschen Phonetik und insbesondere in den österreichischen

Mundarten, die Länge des Vokals in der vorangehenden offenen Silbe zu

markieren. Dies zeigen folgende Beispiele: Jahn < Jan, Kahlig < Kalik

und Uhsar < Uzar. Ein -h- erscheint auch in anderen Stellungen, vgl. die

FN: Brath < Brat, Blotho // Plotho < B³oto oder Thomik < Tomik;

– eine andere Erscheinung in den untersuchten polnischen Anthroponymen in

Österreich ist die Mischung der stimmhaften und stimmlosen Konsonanten.

Diese Opposition ist – anders als in der deutschen Phonologie – in der polnischen

Sprache sehr wichtig, in vielen substituierten Familiennamen in

Österreich ist sie aber verloren gegangen, z. B.: B³a¿ek > Blaschek, Gwizda

> Kwisda, Je¿yna > Jeschina, Kondratowicz > Kontratowics, Kowal >

Kowol > Kofol, Pawlik > Paflik, S³uga > Zluga, Wieprzek > Webschek,

¯ak > Schach, ¯a³oœnik > Saloschnig.

Verhältnismäßig oft wird in dem gesammelten Untersuchungsmaterial eine Erscheinung

aus dem Grenzbereich zwischen Phonetik und Morphologie wahrgenommen,

die auf der Reduktion des Vokals in den unbetonten Silben beruht

(ähnlich wie es in der deutschen Sprache der Fall ist und insbesondere in den

österreichischen Mundarten). In den polnischen Familiennamen betrifft es vor

allem die letzte Silbe, die das Suffix -ec enthält, und die häufig eine Umwandlung

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Ewa Jakus-Borkowa

des Auslautsuffixes -ek in -ke zeigt. Infolge der Reduktion des Vokals -e-, der hier

eine lautbildende Rolle spielt, erfolgt die Verkürzung des Wortes um eine Silbe,

z. B. der Name Bukowiec wird zu Bukovc, Golec > Golc, Jeleniec > Jellenz,



Koniec > Konz und Wujec > Wuitz. In einzelnen Fällen wurde dieses Phänomen

auch bei anderen Suffixen registriert, z. B. -ek: Janek > Jank, Polaczek > Pollatzk

oder ¯urek > Zurk. Auf die Änderung von -ek in -ke stösst man auch, z. B.:

Kroczek > Krocke, besonders häufig bei den Familiennamen, die den Diminutivvornamen

gleich sind: Gienek > Giencke, Januszek > Januschke, Micha³ek >



Michalke, Urbanek > Urbanke.

Eine auf der morphologischen Ebene sehr interessante Substitution betrifft das

grammatische Genus des polnischen Nachnamens im Österreichischen. Es betrifft

die Namen, die ursprünglich Adjektive gewesen sind, wie im Typ: Kowalski, Cichocki,



Zawadzki (auf -ski, -cki, -dzki) und Cichy (‘leise’), Zielony (‘grün’).

Im polnischen Anthroponymsystem haben die männlichen Familiennamen im

Nominativ Singular die Endung -i oder -y (Bukowski Piotr, Po³aniecki Pawe³)

und die weiblichen -a (Bukowska Maria, Po³aniecka Krystyna, und analogisch:



Cichy Kazimierz, Zielony Franciszek, aber: Cicha El¿bieta, Zielona Anna11). Im

deutschen System gibt es keine Unterschiede zwischen den weiblichen und männlichen

Familiennamen, es betrifft auch die polnischen, welche in Österreich verwendet werden.

Darum findet man meistens weibliche Nachnamen mit maskuliner Endung, wie:



Dlugopolsky (< D³ugopolski) Elisabeth, Gajski Stefanie, Glinski (< Gliñski)

Melita, Kijewski Theresiae, Makowski Euphrosine, Malliczky (< Malicki) Margaretha,

Naseradsky (< Nasieradzki) Erika, Rudnicki Herta, Skalicki Simone,

Skowronski (< Skowroñski) Theresia, Szumovsky (< Szumowski) Floriana, Tarnavsky

(< Tarnawski) Auguste, Wysocki Sylwia, sowie: Krotky (< Krótki) Brigitte,



Malli (< Ma³y) Helga, Nowy Maria, Pilna Silvia, Persi (< Pierwszy) Eleonore,

Velgi (< Wielgi ‘gross’) Christa. Diese Tendenz kann man schon in der ersten

Hälfte des 20. Jahrhunderts beobachten, was Inschriften auf Friedhofsdenkmälern in

Graz dokumentieren, z. B.: Juliane Jaworski † 1940, Julie Jaworski † 1973, Theresia

Prosizky † 1948; aber neben diesen Strukturen finden wir dort korrekte weibliche

Formen, z. B.: Auguste Bankowska † 1939. Auch in gegenwärtigen österreichischen

Telefonbüchern trifft man – leider vereinzelt – Anthropomyme auf -ska

11 Heutzutage sind jedoch aus formal-gesetzlichen Gründen und als Flucht vor den appellativischen

Bedeutungen auch die Formen des Types El¿bieta Cichy (nie aber Anna Kowalski)

zulässig. Siehe DOROSZEWSKI, S. 384.

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Polnische Familiennamen in Österreich



und -a an, wie: Bninska (< Bniñska) Irene, Derucka Danuta, Gutowska Halina,

Kalicka Maria, Kopatschka (< Kopacka) Martha, Sosnowska Isabella, Wlodkowska

(< W³odkowska) Karin, und: Bystra Ilona, Schara (< Szara) Stefanie,

was keine Abweichung von der oben angegebenen Regel ist. Für die Erklärung

dieser Erscheinung muss man die Ausführungen von BUCZYÑSKI und PERTL12,

sowie von Z. CYGAL-KRUPA13 als zutreffend annehmen, dass nach dem II. Weltkrieg

viele Frauen allein nach Österreich, ohne Ehemänner, gekommen sind und

ihre offiziellen Familiennamen in femininer Form sind genau aus den polnischen

Dokumenten in die österreichischen übertragen. Später sind diese Namenformen

ein Ergebnis der Übernahme des Mutternachnamens auf die Kinder beider Geschlechter,

die nicht in Polen geboren oder mit alleinstehenden Müttern hierher

gekommen sind. Der Nachname wurde dann in die Dokumente in der weiblichen

Form eingetragen. Die weitere Verbreitung ging schon natürlicherweise vom

Sohn auf die Frau und auf die Kinder über. Dies begründet den Gebrauch der

Formen auf -ska und -a nicht nur in Bezug auf die Frauen, der polnischen Sprachnorm

gemäß, sondern auch auf die Männer, was zu dieser Norm in Widerspruch

steht und für einen Polen erstaunlich ist, z. B.: Bilska (< Bielska) Walter, Debska

(< Dêbska) Franz, Stepnicka Hubert, Wuschinska (< Wuszyñska // Woszyñska)

Werner, Zieliñska Johann, oder: Budna Karl und Chlubna Arnold.

Die Aufmerksamkeit sollte man auch noch auf ein anderes interessantes

Problem lenken. Weil viele polnische Anthroponyme von der lebendigen

Muttersprache getrennt und schon vor langer Zeit auf österreichisches Gebiet

gekommen sind, erhielten sich in ihnen alte, schon historische Lexeme und

Strukturen. Zu solchen archaischen Formen gehören Familiennamen wie: Szwiec

(heute Szewc ‘Schuhmacher’) oder Ujj // Ujec (heute Wuj, Wujec // Wujek ‘Onkel,

Oheim’). Es konnten auch die heutzutage in Polen seltenen Pronominalnachnamen

registriert werden wie: Nasz ‘unser’, und sogar die Satzformen: Witamwas ‘ich

begrüße euch’, Nemanitsch < Niemanic ‘es gibt nichts’ und Netzas < Nieczas

‘es ist keine Zeit’. Es sind auch alte, besonders für Schlesien typische zweiteilige

Anthroponyme erhalten, die von Beinamen abgeleitet wurden, z. B.: Mimohodek



< Mimochodek ‘der im Vorbeigehen’, Konopasek < Koniopasek ‘der, der Pferde

hütet’, Moczygemba < Moczygêba ‘der Trunkenbold’, aber auch die interessanten

Nachnamen, die ein Anoikonym enthalten, wie: Jassniker < Jasnykierz ( jasny

12 BUCZYÑSKI / PERTL 1993.

13 CYGAL-KRUPA 1993.

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Ewa Jakus-Borkowa

‘hell’, kierz ‘Wurzel’), Kocijaz < Kocijaz (koci < kot ‘Katze’, jaz ‘(Stau-)Wehr’),



Kalliwoda < Kaliwoda (kali < kalaæ ‘besudeln’, woda ‘Wasser’), Kurzidim <

Kurzydym (kurzyæ ‘stauben’ und dym ‘Rauch’).

In der Sammlung der polnischen in Österreich vorhandenen Anthroponyme

gibt es viele Belege mit Dialektmerkmalen, z. B.: Dworok < Dworak, Grof <

Graf, Kowol < Kowal, Melcsok // Meltschok < Mielczok < Mielczak, Musiol <

Musio³ < Musia³ oder Poliwoda < Paliwoda, und wie auf einer Grabinschrift

vom Sankt-Peter-Friedhof in Graz: Walloch < Wa³och < Wa³ach, in denen der

Vokal -o- die Fortsetzung des alten langen -a- ist; dies kann uns darüber informieren,

dass die Emigranten aus Schlesien gekommen sind.

Außerdem erhielten sich, auf Grund der Trennung von der lebendigen Sprache

und auf Grund der Unverständlichkeit der ursprünglichen etymologischen

Bedeutung in einer Gesellschaft, in der sie funktionieren, in Österreich polnische

Familiennamen, die bei einem bestehenden Kontakt zur Muttersprache als

beleidigend oder lächerlich empfunden werden könnten; wahrscheinlich wären

sie in Polen verändert worden.14 Es sind meistens Nachnamen, welche zu tun

haben mit sehr prosaischen oder vulgär benannten Körperteilen (Cycek, Flak,

Garb, Jelito, Kiszka, Kuper, Sram//Srom, Zadek), mit verschiedenen negativen

menschlichen Bewegungen und Eigenschaften (Gach, Golec, Grochot, Jebawy,



Kwiczor, Kurde//Kurda, Moczygêba, Niedorost, Niewart, Osrajnik, Oszczak,

Pyskaczek, Sracznik, ¯a³oœnik oder – metaphorisch – Zgaga), mit Tieren, welche

als schlechtere Gattung angesehen werden (Oœlak, Wesz, Wieprzek, Wa³ach). Oft

gibt es sekundäre Assoziationen mit heute nur mit Zurückhaltung verwendeten

Worten (FN Mocznik, etymologisch zu moczyæ ‘nass machen’, vgl. moczary

‘Sumpf, Morast’ – heute besteht die Konnotation mit mocz ‘Harn’). In Österreich

werden sie ohne jegliche pejorative Bedeutungen verwendet, oft auch deshalb,

weil sie der deutschen Sprache graphisch stark angepasst worden sind.

Sicher gibt es noch viele andere Änderungen. Leider konnte bei den gesammelten

Anthroponymen hinsichtlich der Namenträger nur in seltenen Fällen Näheres

über ihre Herkunft eruiert werden. Daher kann man nicht feststellen, wie oft bei

der Adaption der polnischen Familiennamen an das österreichische Deutsch z. B.

ein Abschneiden von Morphemen oder Modifikationen durch eine Apokope sowie

verschiedene Übersetzungen und Lehnübersetzungen vorgenommen wurden.

14 Vgl. z. B.: BUBAK 1982, S. 91–108; MINIAK 1995, S. 197–206, und JAKUS-BORKOWA 1998,

S. 93–101.

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Polnische Familiennamen in Österreich

Aber derartige Beispiele haben BUCZYÑSKI und PERTL15 in privaten Gesprächen

mit Namenträgern erklärt; so wurden z. B. die polnischen FN M³ynarz in Österreich

zu Müller und Nowak zu Neugebauer geändert. Einige Belege sind im Material

aus Graz registriert, vgl. den FN Wilczak < wilk ‘Wolf’, der als Wildschak

mit der Assoziation zu deutsch Wild adaptiert wurde, oder Groszek < groch ‘Erbse’

als Grosseck – zu gross und Ecke.

Am Ende sollte man noch einmal sagen, dass die Problematik der Verwendung

und dass die Substitutionsmethode der polnischen Familiennamen in der deutschen

Sprache auf dem Gebiet Österreichs, trotz vieler regionaler Eigenschaften,

sehr ähnlich ist der Situation in anderen Ländern, wo polnische Emigranten wohnen,

z. B. in den USA, Deutschland oder Frankreich, jetzt auch in Großbritannien

und Irland.


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