3 Geographische Verteilung
Die zehn häufigsten hier ermittelten italienischen Familiennamen in Deutschland21
sind 1. Russo, 2. Costa, 3. Esposito, 4. Gallo, 5. Rossi, 6. Romano, 7. Greco,
8. Bruno, 9. Marino, 10. Rizzo. Von diesen Familiennamen sind Russo, Esposito,
Rossi, Romano, Greco und Rizzo auf Karte 1 dargestellt. Costa, Gallo, Bruno
und Marino wurden nicht berücksichtigt, weil sie nicht eindeutig italienisch sind.
Rossi wurde trotz Konkurrenz mit Herkunftsnamen zu dem Siedlungsnamen Rössing
(Ostfalen) aufgenommen, da der Name in Ostfalen nur selten vorkommt und
daher die Konkurrenz als geringfügig zu veranschlagen ist. Die Kreise repräsentieren
die relative Zahl der Telef. pro dreistelligem Postleitzahlbezirk (PLZ). Der
auffällige Kreis südwestlich von Hannover repräsentiert PLZ 387 mit lediglich
10 Telef. auf Russo (alle in 38704 Liebenburg) und 1 Telef. auf Romano. Mit
Ausnahme dieses Kreises bilden die sechs Namen keine regionalen Häufungen
innerhalb des Gesamtverbreitungsgebiets.
20 HANKS 2003, I, S. 552.
21 Eventuell ist ein anderer italienischer Familienname häufiger als einer der hier genannten. Eine
vollständige Abfrage italienischer Familiennamen in Deutschland ist nicht möglich, deshalb
auch keine exakte Rangfolge. Familiennamenkarten für Italien lassen sich mit einem öffentlich
zugänglichen Kartierungsprogramm im Internet unter www.gens.labo.net/en/cognomi/ erstellen.
Italienische Familiennamen in Deutschland
343
Kartiert man andere häufige italienische Familiennamen oder Namengruppen
(z. B. die Familiennamen auf -etti), ergibt sich ein ganz ähnliches Bild: Die Telef.
finden sich im äußersten Süden, Südwesten, in Westdeutschland bis zum Ruhrgebiet,
in Wolfsburg (wo die Volkswagen-Werke ein wichtiger Arbeitgeber u. a.
für italienische Migranten sind), seltener in den weiteren norddeutschen Großstädten,
in Berlin, sehr selten in den neuen Bundesländern. Weicht die Verteilung
häufiger (vermeintlich) italienischer Familiennamen in Deutschland stark von
diesem Bild ab, liegen Konkurrenzen vor. Grande 411 beispielsweise ist über
ganz Deutschland verstreut, wie auf Karte 2 zu sehen ist (die Kreise repräsentieren
die absolute Zahl der Telef. pro dreistelligen PLZ). In Italien kommt der
Name vor allem im Süden vor. Für Deutschland geben KOHLHEIM/KOHLHEIM
(2005, S. 287) folgende Bedeutungserklärungen an: „1. Herkunftsname zu dem
gleich lautenden Ortsnamen (Holstein). 2. Niederdeutscher Übername zu mnd.
grande ‘groß’ (< lat. grandis ‘groß’) für einen groß gewachsenen Menschen. […]
3. Italienischer oder spanischer Übername zu italien. / span. grande ‘groß’.“
Die oben aufgeführte Rangfolge italienischer Familiennamen in Deutschland
deckt sich nicht mit derjenigen der häufigsten Familiennamen in Italien. Dies
hängt u. a. mit den oben erwähnten Konkurrenzen zusammen, so dass z. B. spanische
und portugiesische Familien einen Teil der Namenträger von Costa stellen.
Außerdem stammen die meisten italienischen Gastarbeiter aus Süditalien,
weshalb typisch süditalienische Familiennamen wie Russo, Esposito, Romano
und Marino in Deutschland überproportional vertreten sind.22 Umgekehrt sind
Bianchi und Colombo in Deutschland unterproportional vertreten, wohl weil sie
norditalienisch sind.23 De Luca tritt in Deutschland verhältnismäßig selten auf,
obwohl der Name hauptsächlich in Süditalien vorkommt.24 Ein Grund könnte die
Unsicherheit in der Schreibung der Präposition sein. So gibt es in Deutschland
neben De Luca 22 noch de Luca 34, Deluca 20, DeLuca 3, De-Luca 3. Wesentlich
häufiger ist einfaches Luca 97, das in Italien jedoch ungleich seltener ist als
De Luca25. Auch Luca kommt in Italien vor allem im Süden vor. Zählt man alle
diese Varianten zusammen, erhält man eine den anderen Fällen in etwa entsprechende
Summe von 179 Telef. in Deutschland.
22 KUNZE 2004, S. 221.
23 DE FELICE 1979, S. 80, 105.
24 DE FELICE 1979, S. 154.
25 Nach Angaben von DE FELICE 1980, S. 33 –41.
Kathrin Dräger
344
Stuttgart
Frankfurt
Köln
München
Nürnberg
Wolfsburg Berlin
Dortmund
Hamburg
Russo, Esposito, Rossi, Romano, Greco, Rizzo
Italienische Familiennamen in Deutschland
345
Stuttgart
Frankfurt
Köln
München
Nürnberg
Wolfsburg Berlin
Dortmund
Hamburg
Grande 411
Karte 2: Familienname Grande
Kathrin Dräger
346
4 Fazit
Bislang existieren zu italienischen Familiennamen in Deutschland keine deutschsprachigen
Monographien oder Nachschlagewerke. Karten mit der Verbreitung
italienischer Familiennamen in Deutschland dürften auch für die Migrationsforschung
von Interesse sein. Amtliche Statistiken erfassen lediglich, wie viele
Italiener mit italienischer Staatsangehörigkeit sich wo in Deutschland aufhalten.
Sie umfassen jedoch nicht die italienischstämmigen Familien deutscher Staatsangehörigkeit,
die teilweise seit mehreren Generationen in Deutschland leben.
Verbreitungskarten zeigen, dass sich die häufigsten italienischen Familiennamen
in Deutschland in jenen Regionen finden, in denen sich die Gastarbeiter seit den
1950er Jahren bevorzugt niedergelassen haben. Dabei ergibt sich ein deutlich
abweichendes Bild gegenüber der Verbreitung von französischen, spanischen,
ungarischen, polnischen oder türkischen Familiennamen in Deutschland.26
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26 Zum türkischen Namen Kaya s. KUNZE / FREIENSTEIN 2007, S. 27, Karte 1; zu den anderen
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Italienische Familiennamen in Deutschland
347
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349
RITA HEUSER
Französische Familiennamen in Deutschland
1 Franzosen in Deutschland und ihre Namen
1.1 Franzosen in Deutschland und Einwanderung
aus französischsprachigen Gebieten
Was haben die bekannten Namensträger Theodor Fontane, Oskar Lafontaine,
Thomas de Mazière, Anette Schavan, Sophie von Laroche, Friedrich de la Motte
Fouqué, Friedrich Karl von Savigny, Hermann Aubin, Georg Racke gemeinsam?
– Einen deutschen Vornamen und einen französisch klingenden Familiennamen.
An diesen Beispielen bekannter Namensträger kann man bereits die Variantenvielfalt
der Namen französischen Ursprungs erkennen.
Die meisten in Deutschland vorkommenden französischen Familiennamen
gehen wohl hauptsächlich auf historische Einwanderungsschübe, politische und
wirtschaftliche Kontaktsituationen1 und Bevölkerungsmischung in den Grenzgebieten
zurück. Die in der Bundesrepublik lebenden französischen Staatsbürger
tragen ebenfalls einen Teil bei. Nach Auskunft des statistischen Bundesamtes2 leben
(mit dem Stand vom 31. 12. 2006) 104 085 Franzosen in Deutschland (davon
48 090 Männer, 55 995 Frauen). Damit steht Frankreich an 14. Stelle der Länder,
deren Staatsbürger sich in Deutschland aufhalten.
Bereits im 16. Jh. kamen die ersten Flüchtlinge aus Glaubensgründen aus den
französisch sprechenden Gebieten der spanischen Niederlanden in die Pfalz. So
entstand 1579 die wallonisch-reformierte Gemeinde Otterberg.3 Aus der Picardie,
Lothringen und dem Raum Lüttich-Malmedy kamen wallonisch-hugenottische
Einwanderer, die die Gemeinde Annweiler gründeten. Die um 1615 in der französischen
Gemeinde Kassel verzeichneten Familiennamen weisen auf eine Ein-
1 Als Beispiel sei hier die Zugehörigkeit der französischsprachigen Grafschaft Mömpelgard zu
Württemberg zwischen 1397–1792 genannt, s. HIRSCH 1965 / 69, S. 215.
2 DESTATIS; vgl. auch NEUHAUS 1997, S. 57 f.
3 PAUL 1997, S. 205 f.
Rita Heuser
350
wanderung aus dem frankophonen Belgien, aber auch aus dem niederdeutschen
Sprachgebiet hin.4 Nach 1648 waren aufgrund von Abwanderung, Kriegsverheerungen,
Seuchen viele Dörfer und Städte menschenleer. Die deutschen Fürsten
strebten danach, die Einwohnerzahlen wieder zu erhöhen, Landwirtschaft,
Handel und Handwerk wieder zu beleben. Geflohene Bürger sollten wieder
zurückkehren, mit Privilegien und Steuervergünstigungen5 wurde aber auch
im Ausland für eine Ansiedlung geworben. Vor allem aus der Schweiz, Tirol,
Frankreich und dem Piemont (Waldenser)6 folgten viele diesen Aufrufen. Besonders
in Gemeinden westlich von Mannheim und südlich von Landau, aber
auch in den norddeutschen Städten ließen sich hugenottische Siedler schon vor
der Aufhebung des Edikts von Nantes nieder.7 Während des so genannten „Ersten
Refuge“ im 16. Jh. entstanden vielerorts Neugründungen von eigenständigen,
selbstverwalteten Koloniesiedlungen (z. B. Frankenthal 1562, Otterberg
1579) und von Neustädten (Neu-Hanau).8 Während des Pfälzischen Erbfolgekrieges
mit Frankreich verließen viele französische Siedler die Pfalz und
gingen nach Hessen (vor allem nach Hanau) und Brandenburg.9 Katholische
Einwanderer kamen besonders im Zuge des Festungsbaus zwischen 1680 und
1697 als Handwerker in die Westpfalz, viele katholische Beamte, Kaufleute,
Händler, und Landwirte ließen sich im 17. Jh. in der Stadt Homburg (Saarland)
und Umgebung nieder.
Am bedeutendsten war die Zuwanderung von ca. 38 000 bis 44 000 Hugenotten,
die zwischen 1685 und 1730 nach der Aufhebung des Edikts von Nantes in
Deutschland Zuflucht fanden. Davon ließen sich 16 000–20 000 in Brandenburg-
Preußen nieder, in Hessen-Kassel 3 800, im Rhein-Main-Gebiet 3 400, in der
Pfalz und in Zweibrücken 3 400, in Franken (Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-
Bayreuth) ca. 4 000, in Württemberg 3 000, in Niedersachsen 1 500, in
den Hansestädten 1 500.10
4 WOLFF 1985, S. 68 f.
5 Zu diesen Begünstigungen s. SCHRÖDER 1992, S. 257 f.; DÖLEMEYER 2005, S. 35–44.
6 S. dazu KIEFNER 1990, S. 165–177.
7 KOPITZSCH/STEPHAN-KOPITZSCH 1992, S. 286.
8 Vgl. KUBY 1973, S. 31 f.; ESCHMANN 1989, S. 9; KLINGEBIEL 1990, S. 67–79; KLINGEBIEL
2005, S. 14 f.
9 PAUL 1997, S. 209.
10 BIRNSTIEL 1992, S. 74, Fußnote 12 und Karte der Kolonien, ebd. S. 75; DÖLEMEYER 2005,
S. 35; SCAPOLI u. a. 2005, S. 78.
351
Französische Familiennamen in Deutschland
Die Peuplierungspolitik der deutschen Fürsten nach dem Dreißigjährigen
Krieg unterstützte darüber hinaus die Zuwanderung katholischer und protestantischer
Handwerker und Kaufleute unabhängig von der religiösen Verfolgung in
ihren Heimatländern. Die im Gefolge der Französischen Revolution (1789) nach
Deutschland gekommenen Emigranten, hauptsächlich Adelige, Geistliche und
Gelehrte, haben im Vergleich nur wenige Spuren im Familiennamenschatz hinterlassen.
In der Folge der wiederholten Besetzungen der Pfalz, des Rheinlandes,
des Mainzer Kurstaates, des Saarlandes und deren Angliederung an das französische
Staatsgebiet wurden höchst wahrscheinlich immer wieder Soldaten und
Verwaltungsbeamte dort sesshaft.
2 Familiennamen in Frankreich – Entstehung,
Entwicklung, Motivation
Erste Familiennamen kamen im 10. / 11. Jh. im südlichen Frankreich auf. Die
Diffusion des zweigliedrigen Namensystems Rufname + Familienname erfolgte
flächendeckend im 13. Jh. und zwar von Süden nach Norden, von den Städten
in die ländlichen Gebiete, von den adeligen Familien in bürgerliche und zuletzt
bäuerliche Bevölkerungsschichten. Ein Grund für die Entstehung der Familiennamen
war u. a. die Reduzierung des Rufnamenbestands durch Rufnamenmoden
(Jean und Pierre waren die häufigsten Rufnamen im Mittelalter s. MENANT 1992,
S. 28). Mit dem Erlass von Villers-Cotterêts wurde 1539 die Führung von Taufregistern
verbindlich, damit wurde auch die schriftliche Fixierung der Namen
bestärkt. Die Unverändlichkeit der Familiennamen wurde mit dem Gesetz vom
23. August 1794 festgelegt.11
Basierend auf Daten handelsüblicher Telefon CD-ROMs aus dem Jahr 2002
ergeben sich 495 104 verschiedene Familiennamentypes (von 6,03 Mio. Familiennamenträgern
= Telefonanschlüsse) in Frankreich.12
Zu den allochthonen Namen in Frankreich gehören die korsischen, elsässischen,
flämischen, bretonischen Familiennamen, heute kommen in zunehmenden Maße
11 DAUZAT 1977, S. 40; MULON 1990, S. 93; MENANT 1992, S. 24–30; PITZ 2007, S. 221.
12 SCAPOLI u. a. 2005, S. 76; GOEBL 2005, S. 82. PITZ 2007, S. 224, geht von ca. 800 000 unterschiedlichen
Namen aus (unter Einschluss von Namen fremder Herkunft). Kartierungsmöglichkeiten
frz. Familiennamen bieten u. a. Internetseiten wie JTosti, NoFam, Geopat und basierend
auf Telefonanschlüssen: Pages Jaunes.
Rita Heuser
352
Namen aus den ehemaligen Kolonialgebieten (Maghreb, Indochina, z. B. Nguyen
auf Platz 88 der hundert häufigsten Familiennamen in Frankreich) und den Überseeterritorien
hinzu. Es treten auch auffallend viele Namen spanischer Herkunft
auf (z. B. Garcia auf Platz 8).
Die historischen Familiennamenlandschaften stimmen weitgehend mit den
Dialektgebieten Frankreichs überein (Langue d’oil – Französisch; Franko-
Provenzalisch; Langue d’oc – Okzidentalisch). Die Familiennamenlandschaft
Frankreichs ist stark regional geprägt, sowohl auf lexikalischer Ebene (Bsp. Dumont
(frz.) vs. Delpuech (okz.) vs. Puig (katal.)), als auch auf phonologischer
und morphologischer Ebene (Bsp. Fabre vs. Fevre, vs. Faure (okz.) vs. Lefevre
(frz.)).13
Trotz der Vielfalt der französischen Namen ist nach KREMER (1996, S. 1271)
kaum eine spezifische morphologische Physiognomie greifbar.14
Die Patronyme sind häufig ohne Zusatz aus germanischen und christlichen
Rufnamen abgeleitet (Bernard, Guillaume, Martin, Pierre). Typische Bildungsformen
sind vor allem: Rufname + hypokoristische Suffixe (Guillot < Guillaume),
Präposition (+ Artikel) + Rufname (Alamichel, Degeorge, Ageorges, Deguy). Appellativ
+ Rufname (Grandpierre, Jeanfils), Rufname + Rufname (Jeandidier)
sind seltener. Ein typisches patronymisches Suffix wie das deutsche -ing und das
skandinavische -sen fehlt im Französischen.
Bei den Herkunftsnamen werden meist die einfachen Siedlungsnamen übernommen
(Besançon, Bourgogne, Lyon). Bildungen mit Präposition + Siedlungsnamen
(Delignac, Demars) sind ebenso häufig, seltener sind Einwohnerbezeichnungen
(Lyonnais, Lyonnait, Tournois).
Die Wohnstättennamen sind meist Zusammensetzungen aus Präposition +
(Artikel) + Substantiv (Dubois, Dujardin, Delafontaine) bzw. mit Artikel ohne
Präposition (Laroche). Daneben stehen Formen ohne Präposition / Artikel (Roche,
Fontaine).
Bei den Berufsnamen stehen einfache Berufsbezeichnungen – meist gekennzeichnet
durch denominales -ier, -er (+ on) und deverbales -eur – neben Formen
mit Artikel (Letailleur vs. Tailleur) und Hypokoristika (Tissot, Tisserandot).
13 Zur Verteilung der Varianten zu ‘Faber’, ‘Wilhelmus’, ‘Podium’ in Frankreich s. DAUZAT 1977,
S. 319, 321, 323; FABRE 1996, S. 1104 f., K. 169.3, 169.4.
14 Im Folgenden s. KOHLHEIM 1996; KREMER 1996; DAUZAT 1977; DAUZAT 1994; PITZ 2007,
S. 221–225; GERMAIN / HERBILLON 2007, S. 31–44.
353
Französische Familiennamen in Deutschland
Bei den Übernamen sind Hypokoristika häufig (Blondet, Blondin, Blondel,
Blondeau), neben Formen mit und ohne Artikel (Leblond, Blond).
3 Die französischen Familiennamen in Deutschland
3.1 Berücksichtigung in der Literatur, Nachschlagewerke
Das umfangreichste Nachschlagewerk zu den Familiennamen der Hugenotten im
Deutschen (ZAMORA 1992) umfasst als Untersuchungsgebiet das heutige Bundesland
Niedersachsen. Seine Materialsammlung basiert auf den Kirchenbuchabschriften
der niedersächsischen Hugenottengemeinden zwischen 1661–1890, die
in der Hugenottenkartei der Wallonischen Bibliothek Amsterdam erfasst sind.
Mit den französischen Familiennamen in der Pfalz und ihren Eindeutschungen
beschäftigen sich CHRISTMANN 1961 und KEIPER 1891; Deutungen enthält auch
CHRISTMANN 1965. Darüber hinaus liegen einige kleinere Aufsätze (LÉVY 1961;
HIRSCH 1965 / 1969; SCHÜCKINGIN-SASSENBERG 1936; GRISSON 1975) und Verzeichnisse
(CORDIER 1930; MANOURY 1949 / 1950; Namenlisten auch in KIMMEL
1973) vor. Als grundlegende etymologische Namenbücher für französische Namen
sind u. a. zu nennen MORLET 1991, DAUZAT 1994, DEBRABANDERE 1993. Da
oftmals eine französische Grundform nicht mehr ohne weiteres zuzuordnen ist,
wäre darüber hinaus eine stärkere Berücksichtigung der Familiennamen französischen
Ursprungs in den deutschen etymologischen Namenbüchern wünschenswert.
Stichproben in den Familiennamenbüchern (BAHLOW 1985; BRECHENMACHER
1957–1963; KOHLHEIM/KOHLHEIM 2006; GOTTSCHALD 2005; NAUMANN
2007) ergaben für die Namen Hussong, Gerdon keinen Eintrag, für Schillo, Racke
und Ruffing wurde die Möglichkeit einer Herkunft aus dem Französischen
meist nicht erwähnt
Häufig wird von den so genannten „Hugenottennamen“ gesprochen, gemeint
sind aber meist allgemein Namen französischen Ursprungs. „Hugenotte“
wird häufig als Sammelbegriff für Auswanderer reformierten Glaubens benutzt,
die aus Frankreich, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, der Schweiz
und Italien stammten. Der Begriff ist problematisch, da einerseits nicht alle
hugenottischen Immigranten frankophon waren (dazu s. ZAMORA 1992,
S. 55 f.), andererseits französische Namen auch mit katholischen Einwanderern
nach Deutschland kamen (s. WOLFF 1985, S. 71 f.). Namen, die ausschließlich
Rita Heuser
354
der Religionsgemeinschaft der Hugenotten zugeordnet werden können, gibt es
nicht. Ob ein Familienname auf hugenottische Herkunft hinweist, kann nur mit
Hilfe der Familienforschung belegt werden. Erschwerend ist hierbei, dass viele
hugenottische Familien in Deutschland statt des französischen Namens den
deutschen Familiennamen der eingeheirateten Ehefrau weiterführten oder ihren
Namen weitgehend eindeutschten. HARTWEG erwähnt sogar den Vorgang, dass
einige Deutsche, die in eine hugenottische Kolonie eingeheiratet hatten, ihren
Namen „französisierten“.15 Welchen Anteil die Namen der Hugenotten an den
französischen Namen in Deutschland haben, in wie weit sie erhalten geblieben
sind bzw. verändert wurden, ist noch ungeklärt. Eine geeignete Datengrundlage
für eine weitere Auswertung der französischen Namen in Deutschland, die auf
die hugenottische Einwanderung zurückgehen, könnte die Datenbank „Base de
Données de Refuge (CNRS)“ mit 240 000 Einträgen bzw. personenbezogenen
Datensätzen auf der Grundlage der Auswertung archivalischer Quellen bilden.
Sie wird betreut vom Centre d’Analyse et de Mathématique Sociales (CAMS),
Atelier d’Ingénierie des données du Centre National de la Recherche Scientifique
in Paris.
3.2 Französische Sprache in Deutschland
Lange Zeit wurde die französische Sprache als Alltags- und Unterrichtssprache
in den meist als geschlossene Kolonien angelegten hugenottischen Gemeinden
gepflegt und bewahrt. Die Herkunft der Zuwanderer aus den unterschiedlichen
Herkunfts- und Dialektgebieten Frankreichs führte vielerorts zur Entwicklung
zu einer Art Dorfsprache.16 Die sprachliche und kulturelle Assimilation verlief in
den hugenottischen Gemeinden unterschiedlich, erfolgte aber meist in der dritten
Generation mit der Übernahme der deutschen Sprache und mit der Verbindung
mit deutschen Ehepartnern.17 Französisch wurde zunehmend als Alltagssprache
15 Zur fortschreitenden Eindeutschung und dem Sprachwechsel im Berliner Refuge während der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts s. HARTWEG 1990, S. 35 f.; HARTWEG 2005, S. 121–126;
zum Sprachwechsel in ländlichen Gemeinden in der Uckermark und Hessen s. KADELL 1980,
S. 638 f.; BÖHM 2005, S. 127–133.
16 LICHTENTHAL-MILLÉQUANT 1985, S. 202.
17 KADELL 1980, S. 657; LICHTENTHAL-MILLÉQUANT 1985, S. 201–222; SCHRÖDER 1992,
S. 265; ZAMORA 1992, S. 61.
355
Französische Familiennamen in Deutschland
verdrängt und blieb als „lingua sacra“ dem Gottesdienst vorbehalten. Die französische
Sprache wurde als Kirchensprache auch dann beibehalten, wenn sie
von den Gemeindemitgliedern nicht mehr verstanden wurde (ESCHMANN 1989,
S. 12). Mit der Eingliederung der ursprünglich unter Selbstverwaltung stehenden
französischen Pfarrgemeinden in den Verband der deutsch-reformierten
Kirche verlor das Französische auch seine Rolle als Kultsprache.18 Vom Rückgang
der Kenntnis der französischen Sprache waren auch die Familiennamen
betroffen, zunehmend veränderte sich Aussprache und Schriftbild. Die Eindeutschung
der Namen geschah zunächst wohl eher im Gebrauch der deutschen
Bevölkerung und im mündlichen Bereich sowie bei der Verschriftlichung
durch Schreiber, die des Französischen unkundig waren, später aber
auch durch bewusste Entscheidung der Namensträger in dem Bestreben nach
Anpassung.
3.3 Die häufigsten französischen Familiennamen
3.3.1 Die häufigsten Familiennamen in Frankreich
Bei den häufigsten Familiennamen in Frankreich dominieren im Gegensatz zum
Deutschen bei den Einzelnamen (absolut) die Patronyme auf den ersten drei Plätzen,
gefolgt von Wohnstättennamen (Dubois) und Übernamen (Petit, Moreau).
Ein Berufsname findet sich erst auf Platz 14 (Lefebvre).
Fasst man die Varianten der Namen zu einem Typ zusammen, sieht die Reihenfolge
etwas anders aus. Der Typ Faber ‘Schmied’ nimmt mit allen Varianten
(Le Goff, Lefevre, Faivre, Faur, Fabre, Lefebre u. a.) die Spitzenposition in
Frankreich ein, gefolgt von Übernamen (Rouge, Roig ‘rothaarig’; Moreau(x),
More, Morel(l) ‘dunkel, braun’), Patronymen (Martin, Pierre) und Wohnstättennamen
(Dumont ‘vom Berg’; Dubois ‘aus dem Wald’).19
18 KADELL 1980, S. 671; HARTWEG 1990, S. 36; HARTWEG 2005, S. 122.
19 KREMER 1996, S. 1266; KUNZE 2003, S. 117.
Rita Heuser
356
3.3.2 Vorkommen der häufigsten französischen Familiennamen
in Deutschland
Kartiert wurden auf Karte 120 von den zwanzig häufigsten Namen in Frankreich
(s. Tabelle 1) nur die Namen, die sich graphisch von deutschen Namen abheben:
Dubois 283, Durand 154, Petit 148, Fournier 125, Roux 125, Leroy 100, Moreau
99, Blanc 94, Lefebvre 36. Die häufigen Patronyme Martin, Bernard, Thomas,
Robert u. a. kommen in identischer Form auch als Familiennamen deutscher Herkunft
vor.
Als Schwerpunktgebiete zeigen sich auf Karte 1 die historischen und rezenten
Einwanderungs- und Kontaktgebiete im Westen und Süden (zur regionalen Verteilung
aktuellerer Einwanderung aus Frankreich s. NEUHAUS 1997, S. 57), vor
allem Rheinland, Niederrhein, Saarland, Eifel, Hunsrück, Württemberg, weniger
stark dagegen das Rhein-Main-Gebiet, Hannover, Brandenburg.
Auffallend ist, dass sich die nördlichen Einwanderungsgebiete nicht markant
abheben, obwohl ca. drei Viertel der hugenottischen Einwanderer sich nördlich
der Mainlinie niederließen (s. KLINGEBIEL 1990, S. 68).
Eine Kartierung der häufigsten wallonischen Namen (Dupont 443, Dubois
283, Dumont 248, Lejeune 167, Renard 116, Leclerq 1; ohne Lambert, Martin,
Simon, Laurent. Häufigkeitsliste s. KREMER 1996, S. 1266; GERMAIN / HERBILLON
2007, S. 62) ergibt eine noch stärkere Profilierung des westlichen Einwan-
20 Quelle: DFA = Deutscher Familiennamenatlas, Stand 2005.
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