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nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung, willkürliche Gewalt, inländische Fluchtalternative



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nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung, willkürliche Gewalt, inländische Fluchtalternative



BVerfG, 2 BvR 260/98 und 2 BvR 1353/98 v. 10.8.2000, IBIS e.V. R7877, InfAuslR 2000, , 521; NVwZ 2000, 1165, www.Bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/frames/2000/8/10

Asyl für Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan: Das BVerfG hat die Fälle zur erneuten Entscheidung an das BVerwG zurückverwiesen: "Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschwerdeführern Asylrecht auf Grund einer zu eng gefassten Begrifflichkeit für die Erscheinungsform der quasi-staatlichen Verfolgung versagt, die zudem letztlich politische mit staatlicher oder quasi-staatlicher Verfolgung vollkommen gleichsetzt; es hat damit die Anforderungen an das Vorliegen politischer Verfolgung im Sinne von Artikel 16a, Abs. 1 überspannt." Die Frage der Staatlichkeit der Verfolgung darf nicht losgelöst vom verfassungsrechtlichen Tatbestandsmerkmal des "politisch" Verfolgten betrachtet und nach "abstrakten staatstheoretischen Begriffsmerkmalen" geprüft werden. "Die Frage, ob in einer Bürgerkriegssituation nach dem Fortfall der bisherigen Staatsgewalt von einer Bürgerkriegspartei politische Verfolgung ausgehen kann, beurteilt sich folglich maßgeblich danach, ob diese zumindest in einem "Kernterritorium" ein solches Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität (...) tatsächlich errichtet hat."
BVerwG 9 C 20.00, 21.00 und BVerwG 1 C 30.00, 31.00, 32.00 - Urteile v. 20.02.01, InfAuslR 2001, 306 und Inf AuslR 2001, 353; NVwZ 2001, 815 und 818; DVBl 2001, 997 und 1000; EZAR 202 Nr. 31. Aus Pressemitteilung BVerwG: Quasistaatliche Verfolgung in Afghanistan? Das BVerfG hatte die Verfahren an das BVerwG zurückverwiesen und die Anforderungen des BVerwG an staatsähnliche Herrschaftsorganisationen in einem andauernden Bürgerkrieg als zu eng beanstandet. Das BVerwG hat die Verfahren nunmehr zur erneuten Feststellung und Würdigung der Lage in Afghanistan anhand des geänderten Maßstabs an den VGH Kassel bzw. das OVG Koblenz zurückverwiesen. Dabei müssen diese Gerichte auch die inzwischen geänderte Lage in Afghanistan berücksichtigen. Dazu gehört insbesondere, dass sich in Afghanistan nur noch zwei Machtblöcke gegenüberstehen - die Taliban in 85% bis 95% des 650.000 Quadratkilometer großen Staatsgebiets und die sog. Nordallianz im restlichen Gebiet. Sollte der Machtbereich der Taliban heute als quasistaatliche Herrschaftsorganisation anzusehen sein, wird das OVG Koblenz ggf. zusätzlich prüfen müssen, ob den an diesem Verfahren beteiligten Frauen bei einer Rückkehr politische Verfolgung durch die fundamentalistischen Taliban auch wegen ihres Geschlechts droht.
BVerwG 9 C 16/00, U.v. 16.01.00, NVwZ 2001, 572; InfAuslR 2001, 241; Asylmagazin 4/2001, 35; IBIS e.V: M0152. Ein Asylbewerber, dem in seinem Heimatstaat politische Verfolgung droht, kann auf das Gebiet einer inländischen Fluchtalternative verwiesen werden, wenn er es von Ausland aus in zumutbarer Weise erreichen kann. Eine Rückkehr in sichere Landesteile von Ausland aus kann in diesem Sinne nur dann unzumutbar sein, wenn sie ihm dauerhaft nicht möglich ist.
Das BVerwG verweist mit dieser Rspr. Kurden aus dem Nordirak auf die eventuelle Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr von Deutschland über die Türkei in den Nordirak mit Hilfe eines deutschen Reisedokuments und eines türkischen Visums. Zur Klärung, ob diese Möglichkeit tatsächlich besteht, wurde das Verfahren an den VGH Bayern zurückverwiesen.
VG Frankfurt/M 3 E 30495/98.A (2), U.v. 29.08.01, NVwZ-RR 2002, 460, IBIS C1729. Die Klägerin, ein neunjähriges Mädchen, wurde in der Elfenbeinküste geboren, besitzt jedoch die Staatsangehörigkeit von Mali. Im Asylfolgeverfahren wurde das Kind wegen der ihm drohenden Genitalverstümmelung als asylberechtigt anerkannt. Eine entscheidungserhebliche neue Tatsache kann auch eine geänderte innere Einstellung sein, z.B. eine Gewissensentscheidung bei einem Kriegsdienstverweigerer oder eine andere Einstellung bei einem Asylsuchenden. Die in zwei vorangegangenen Asylverfahren erfolglose Mutter hat vorliegend glaubhaft dargelegt, dass sie früher noch eine Befürworterin der Beschneidung gewesen sei bzw. diese als soziale Notwendigkeit gesehen habe und erst später grundlegendes Wissen dazu vermittelt bekommen habe, das es ihr ermöglicht habe ihre Einstellung zu ändern. Dadurch stellte sich für die als gesetzliche Vertreterin der Klägerin erstmals das Problem der Zwangsbeschneidung als Menschenrechtsverletzung.

Der Eingriff, der der Klägerin droht, wäre eine äußerst schwerwiegende Verletzung ihrer physischen und psychischen Integrität und ihres personellen Selbstbestimmungsrechts, darüber hinaus würde er ihr Leben gefährden. Die genitale Verstümmelung bedeutet in der an der Elfenbeinküste verbreitetsten Form die teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris und/oder der Klitorisfalte sowie der kleinen Schamlippen. Sie wird gewöhnlich außerhalb medizinischer Einrichtungen mit einem nicht desinfizierten Messer oder Rasierklinge ohne Betäubung durchgeführt. das Mädchen hat nicht nur qualvolle Schmerzen zu ertragen, es kann an dem Eingriff verbluten oder - auch noch Jahre danach - sich gefährlich Infektionen zuziehen und wird insbesondere anfällig für Geschlechtskrankheiten, bei jeder Geburt besteht die Gefahr dass die Wunden wieder aufreißen, die tarmatische Erfahrung und die körperlichen Folgen beinträchtigen ihr Sexualleben stark. Die Beschneidung stellt sich somit als Eingriff dar, der in seiner Intensität den gravierendsten Erscheinungsformen asylerheblicher Verfolgung wie etwa der Folter nicht nachsteht. Er erfolgt wegen eines asylerheblichen Merkmals: der Zugehörigkeit zur Gruppe der Frauen. zwar hat die Elfenbeinküste die Beschneidung 1998 unter Strafe gestellt, doch hat dieser Schritt an der Beschneidungspraxis offenbar wenig geändert (vgl. Lagebericht AA v. 14.05.99, S. 5.; Auskunft von amnesty international an VG Hamburg v. 15.2.2001). In Mali stellt sich die Beschneidung als noch größeres Problem dar als an der Elfenbeinküste.

Die drohende Genitalverstümmelung ist als mittelbare staatliche Verfolgung zu qualifizieren, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen. Daneben erfüllt das ihr drohende Verfolgungsschicksal auch die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art 3 EMRK. Ferner greift das Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, da nicht zu erkennen ist, wie die Klägerin bei Rückkehr einer Beschneidung und damit einer besonders schweren und lebensbedrohlichen Verletzung entgehen könnte.


VG Aachen, 2 K 1140/02.A und 2 K 1924/00.A, Urteile v. 12.08.03, IBIS M4068, Asylmagazin 10/2003, 30, www.asyl.net/Magazin/10_2003c.htm - E2, Pressemitteilung DAV 10.09.03 www.anwaltverein.de/03/02/2003/34-03.html Konventionsflüchtlingsanerkennung für 36-jährige Frau aus Nigeria und ihre 3jährige Tochter, weil ihnen Genitalverstümmelung droht. In Nigeria sei die Gefahr zwangsweiser Genitalverstümmelung weit verbreitet (Schätzungen von Experten variieren von 40 bis 90 %). Weil der nigerianische Staat hiergegen keinen effektiven Schutz bietet, hat das VG beiden Klägerinnen Schutz wegen „politischer Verfolgung“ gemäß der GK zugesprochen.
VG Berlin VG 1 X 23.03, U.v. 03.09.03, IBIS M4222, Asylmagazin 10/2003, 28, www.asyl.net/Magazin/10_2003c.htm - E1 Weibliche Genitalverstümmelung ist in Guinea politische Verfolgung.
VG Frankfurt/M. 3 E 31074/98.A (1), U.v. 10.07.03, IBIS M4009, Asylmagazin 10/2003, 32, www.asyl.net/Magazin/10_2003c.htm - E3 Weibliche Genitalverstümmelung in Sierra Leone keine politische Verfolgung und auch kein Abschiebehindernis nach § 53 AuslG.
VG Oldenburg 7 A 92/03, U.v. 07.05.04, IBIS M5063, Asylmagazin 2004, 32, www.asyl.net/Magazin/9_2004b.htm - F8 Flüchtlingsanerkennung nach § 51 AuslG wegen drohender Genitalverstümmelung in Togo.
VG Stuttgart A 10 10587/04, U.v. 17.01.05, IBIS M6172, Asylmagazin 3/2005, 20 , www.asyl.net/Magazin/3_2005b.htm - F6 Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG für Kosovo-Minderheiten (Roma , Ashkali und Ägypter) wegen nichtstaatlicher Verfolgung.
EuGH C-465/07 U.v.17.02.09 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2265.pdf Aufenthaltserlaubnis zum subsidären Schutz für Flüchtlinge aus dem Irak.

Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person i.S.d. Qualifikations-RL setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist.

Das Vorliegen einer solchen Bedrohung in einem internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit - ungeachtet ihrer persönlichen Situation - Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein.
Literatur und Materialien:


  • Bumke, U. Zur Problematik frauenspezifischer Fluchtgründe - dargestellt am Beispiel der Genitalverstümmelung. NVwZ 2002, 423

  • Deutscher Bundestag, Ausschuss für Menschenrechte, Protokoll Nr. 14/28 v. 29.11.99: Öffentliche Anhörung zum Thema "Nichtstaatliche Verfolgung", dazu: Ausschussdrucksachen Nrn. 117 und 136 bis 144 mit Stellungnahmen der Sachverständigen (BAFl, Hailbronner, Renner, Marx, UNHCR, Europ. Flüchtlingsrat, u.v.a.m.)

  • Heberlein, H., InfAuslR 2001, 43, Das UNHCR-Handbuch und seine Relevanz für die Asylpraxis

  • Klug, A., 50 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention - Flüchtlingsrechtliche Relevanz der "nichtstaatlichen" Verfolgung in Bürgerkriegen - die Rechtsprechung des BVerwG im Vergleich zur Praxis anderer europäischer Staaten. NVwZ-Beilage I 2001, 67.

  • Marx, R., InfAuslR 2000, 513, Neue Entwicklungen zum Begriff der quasi-staatlichen Verfolgung.

  • Müller, K. Nichtstaatliche Verfolgung - Untersuchung der Tragweite der Schutzlücke im deutschen Asylrecht, Hrsg Infoverbund Asyl/ZDWF e.V., Dezember 2000. Eine umfassende Zusammenstellung der Rspr. mit Erläuterungen.

  • UNHCR Berlin, 'UNHCR-Stellungnahme zur Rückkehrgefährdung afghanischer Staatsangehöriger', Januar 2001 (zu Menschenrechtssituation, Verfolgungsrisiko, Versorgungslage, Rückkehrmöglichkeiten).

  • UNHCR Genf, Hintergrundpapier zu Flüchtlingen und Asylbewerbern aus Afghanistan, April 2001, IBIS e.V. M0760


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