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Die Grundaxiome der Evolutionstheorie liefern wie erläutert nur ein allgemeines Erklärungsschema. Die Hauptarbeit der Erklä­rung liegt einerseits auf den kontingenten Anfangs- und Randbedingungen, die oft nur vermutet werden, weshalb es sich bei evolutionstheoretischen Erklärungen oft nur um wie-möglich-Erklärungen handelt (vgl. Schurz 1999, 110f). Zweitens erlauben die rekursiven Diffe­renz- oder Differentialgleichung der Populationsdynamik häufig keine geschlos­senen Lösungen, weshalb eine weitere Erklärungsarbeit im Durchspielen der rekur­siven Glei­chungen für viele Generationen liegt. Diese Gewichts­verlagerung der Erklä­rungs­arbeit weg von Grundprinzipien hin zu Randbedingungen und Simu­lations­modellen hat die Evolutionstheorie mit anderen Theorien komplexer Dyna­­mi­ken gemeinsam.

Den Einwand, dass die Evolutionstheorie nicht empirisch überprüfbar ist, haben wir in Kap. xx anhand der BE bereits entkräftet. Es wurde auch kritisiert, mit der Evolutionstheorie könne man nur ex-post-facto erklären, aber nicht voraussagen. Zunächst ist hervorzuheben, dass die Erklärungs-Voraussage-Asymmetrie kein Grund, einer Theorie ihren empirischen Gehalt abzusprechen (Vollmer 1988, 276f). Erklärungs-Voraussage-Asymmetrien treten voralledem bei Systemen mit instabiler Dynamik auf (Schurz 1989), doch die Dynamik der Evolution ist größtenteils stabil oder sogar approximativ stabil – die Evolution tendiert dazu, Chaos zu eliminieren. Einen theoretischen Grund, warum man mit der Evolutionstheorie keine Voraussagen anstellen könnte, gibt es jedenfalls nicht. Kennt man die wahrscheinlich auftretenden Varianten, und kann man von der Stabilität gewisser selektierender Parameter ausgehen, so lassen sich mit der Evolutionstheorie auf der Grundlage der im nächsten Kapitel dargestellten mathematisch-populationsdynamischen Modellen gute Voraussagen über die Richtung der Evolution machen, also über das, was sich in seiner Häufigkeit durchsetzen wird - natürlich nur mit Wahrscheinlichkeit und ohne genaue Zeitangaben. Unvorhergesehene Änderungen der selektierenden Bedingungen werden solche Voraussagen immer durch­kreuzen; aber auch physikalische Voraussagen sind nur unter der Vorgabe stabiler Randbe­dingungen möglich (vgl. Schurz 2000).



Dass man mit der biologischen Evolutionstheorie so wenig Voraussagen machen kann, liegt eher an den großen Zeiträumen, auf die sich solche Voraussagen beziehen müssten; solange gibt es diese Wissenschaft noch gar nicht. Abgesehen davon hat der Mensch die selektierenden Bedingungen derart extrem verändert, dass von stabilen Selektionsbedingungen kaum die Rede sein kann. Aber in begrenzten Szenarien sind Voraussagen wohl möglich. Z.B. kann man voraussagen, und mittlerweile auch empirisch bestätigen, dass seit der Erfindung und allgemeinen Verfügbarmachung der Brille – ceteris paribus - die Kurzsichtigkeit des Menschen sukzessive zunehmen wird, oder dass bei allgemeiner Verfügbarmachung von künstlicher Vermehrung die sexuelle Sterilität allgemein zunehmen wird (entsprechend den erläuterten Auswirkungen des Wegfalls von bewahrender Selektion). Speziell im Bereich der kulturellen Evolution, die ein viel schnelleres Tempo besitzt als die biologische, kann man etwa voraussagen, dass bei Gleichbleiben der Wettbewerbsbedingungen des kapita­listischen Marktes weiterhin alle technologisch Innovationen (wie künstliche Intelligenz & Robotik, Nanotechnologie, gezielte Genmanipulation, u.a.m.) tatsächlich auch umgesetzt werden (gemäß Anders’ ‚zynischem’ Imperativ „Können impliziert Sollen“ 1995, §2), und zwar ohne jede Rücksicht auf die gerechtfertigten ethischen Beden­ken, solange solche ‚ethischen Bedenken’ auf die selektierenden Parameter der Ökonomie keinen Einfluss besitzen. Generell lautet die Faustregel, um auf evolutionärer Grundlage Voraussagen anzustellen, also so: suche im Gewirr der vielfältigen Wandlungen und Moden solche Selektions­para­meter, die durch diese hindurch stabil bleiben; was diese bevorzugen, wird sich auf lange Sicht evolutionär durchsetzen. Im Kulturleben lässt sich auf diese Weise etwa voraussagen, dass - ceteris paribus - weiterhin die televisionelle Bilderbeglückung den Genuss von Literatur ver­drän­gen wird, und hierbei die si­­­mulative Ersatzbefriedigung von Urinstinkten weiterhin dominieren wird.
3.3 Genuine evolutionäre Funktion und prototypische Normalität
Die Begriff der Funktion ist ein anhaltendes wissenschaftstheoretisches und naturphilosophisches Thema. Betrachten wir funktionale Aussagen der Grundform: System (Organismus) A hat Merkmal/Subkomponente (Organ) B, damit es die Funktion C ausführen kann. Es gibt zwei simple Funktionalitätsbegriffe, die wir für die Evolution ausschließen können. Erstens den intentionalen Funktionsbegriff: jemand hat A mit Merkmal B absichtlich so konstruiert, damit es die Wirkung C besitzt  die Wirkung ist nur Zweck, weil es jemanden's Intention entsprach. Der intentionale Funktionsbegriff, der im Mikrobereich menschlicher Handlungen seine Berechtigung hat, führt angewandt auf die Makroperspektive der Evolution zum Kreationismus, den wir hinlänglich kritisiert. Zweitens gibt es den genuin teleologischen Funktionsbegriff  in diesem ist drückt das "damit" eine eigene Art teleologischer Kraft aus; auch diese Vorstellung haben wir hinlänglich kritisiert. Drittens ist das "damit" nicht als simples kausales "weil" aufzufassen, denn dann würde ja die Ursache C aus der kausalen Zukunft in die eigene kausale Vergangenheit zurückwirken. Aber wir können das "damit" auch wie erläutert als Quasi-Zweck einer evolutionären Entwicklung verstehen. In diesem Sinne haben eine Reihe von Autoren, an prominenter Stelle Millikan, haben den Begriff der biologischen (bzw. verallgemeinert: evolutionären) Funktion so expliziert, dass er (etwa im Gegensatz zu Cummins Analyse) diese evolutionäre Quasi-Zweck-Komponente beibehält, aber naturalistisch bleibt.

Entsprechend dem Ansatz von Millikan (1984, Kap. 1, 28; 1989, 13) and Neander (1991, 174) ist C eine evolutionäre ('proper') Funktion des Merkmals/Organs B von Spezies A gdw A's Genotyp selektiert wurde weil A vermittels B durch Funktion C zur evolutionären Fitness von A beigetragen ha. (Fn.: Dies ist Neanders kondensierte Version; Millikan 1984, 28, bezieht die Selektion explizit auf den Selektionsvorteil gegenüber den existierenden Konkurrenten). Millikans Begriff der "proper function" wird in Becker (90) als "Eigenfunktion" übersetzt, was ich für unglücklich halte, da der Begriff "Eigenfunktion" erstens in der Mathematik etwas anderes bedeutet und zweitens die Funktion C des Organs B dem Millikan-Ansatz zufolge eben kein intrinsisches Merkmal von B ist, sondern von der Evolutionsgeschichte abhängt. "Genuin" wäre die genauere, aber wenig griffige Übersetzung; ich bevorzuge die Bezeichnung evolutionäre Funktion (Ridley 331 spricht von 'natürlicher Funktion'). Diese Definition des Funktionsbegriff, den auch Sober (1993, 84) unterstützt, ist eine Spezialfall des so genannten etiologischen Funktionsansatzes (Wright 1976), wonach A B hat um Funktion C zu bewirken gdw A mithilfe von b C bewirkt und C für A in gewisser Weise 'gut' ist, wie immer dies genau analysiert wird (im Evolutionsfall bedeutet es Selektionsvorteil; vgl. Bedau in Allen et. al). Kennzeichnend für diesen Funktionsbegriff ist seine historische Natur: wie Neander (174) betont, können bestenfalls intentionale Funktionen a-historisch expliziert werden, durch Rekurs auf den Willen des Agenten's sofern dieser noch gegenwärtig ist. Bei evolutionären Funktionen muss immer die relevante Selektionsgeschichte berücksichtigt werden.

Die Betonung, dass Organ B mittels Funktion C zur Fitness beigetragen hat, trägt dem Problem der Unterscheidung von genuinen Funktionen und kausalen Nebeneffekten Rechnung: so ist es die evolutionäre Funktion des Herzens, das Blut zu pumpen und zu zirkulieren, während das Herzschlaggeräusch nur ein Nebeneffekt davon ist, der selbst keine besondere evolutionäre Funktion darstellt, jedenfalls nicht in der biologischen Evolution (Cummins 1975; Bigelow and Pargeter 1987). Es sind auch nicht alle für das Lebewesen guten Funktionen evolutionär adaptiv; z.B. ist es für den fliegenden Fisch gut, durch die Gravitationskraft wieder ins Wasser zurückzufallen, aber die Gravitationswirkung ist nicht durch die Evolution selektiert worden (Ridley 331).

Schurz (2992) nennt evolutionär funktionale Merkmale eines Organismus auch fundamentale prototypische Merkmale, und ihre kausalen Nebenfolgen abgeleitete prototypische Merkmale. Damit wird der Begriff der evolutionären Normalität im Sinne von Prototypizität expliziert, auf den sich einerseits eine Vielzahl von Philosophen der Evolution (Millikan, Neander, u.a.m.) und andererseits Sprachwissenschaftler (Prototypentheorie der Bedeutung) sowie nichtmonotone Logiker (Logik der Prototypizität) berufen haben.

Zunächst einige weitere Beispiele  bezogen auf die BE und die KE: It is a proper function of matches to light when struck because they have been selected for this effect. It is a prototypical side-effect of matches that their flame sometimes burns one's fingers. But it is not prototypical for matches to have a certain colour, etc. It is a fundamental prototypical trait of human noses to smell, and also, to stick out from the face, for these traits are, or have, proper functions. It is also prototypically normal for human noses to get cold at their top in the winter, but, of course, merely in the derived sense, as an unavoidable side-effect. It is not prototypically normal for human noses to support glasses (cf. Voltaire's "Dr. Pangloss", quoted in Gould and Lewontin 1979, 583). Having legs, clearly, is prototypically normal for humans (in the fundamental bio­lo­gical sense), but not having short or long longs, because there was no dominant bio­logical selection for short versus long legs. Prototypical normality higher order classes. Flying-ability is prototypically normal (in the fundamental sense) within the entire class of birds, although for certain (exceptional) species of birds, such as emus or penguins, lack of flying-ability is prototypically normal.

In Schurz (2002xx) wird zu zeigen versucht, dass in der Evolution prototypische Normalität meistens auch statistische Normalität impliziert, d.h., dass das jene vererbbaren Merkmale, welche langfristig positiv selektiert wurden, normalerweise auch die statistisch dominanten Merkmale einer Spezies sind. Dagegen haben nämlich sowohl Philosophen der Biologie wie nichtmonotone Logiker argumentiert (Millikan (1984, 5) unterscheidet evolutionäre Normalität von Anbeginn von statistischer Normalität).

Es gibt aber nur zwei Hauptgründe, warum ein selektiv vorteilhaftes Merkmal nach genügend langer Selektion nicht auch statistisch dominant wird (Details s. Schurz 2002xx). Erstens, wenn das Merkmal nicht vorwiegend vererbt bzw. reproduziert wird, sondern von Umgebungsbedingungen abhängt  dann handelt es sich aber um kein reproduktives Merkmal, und wir schränken die Bezeichnung "prototypisches Merkmal bzw. Funktion" darauf ein. Zweitens, wenn es in der Selektionsgeschichte des Merkmals neben Phasen positiver Selektion auch Phasen negativer Selektion gegeben hat. Wir verstehen die Definition des "Beitragens zur Fitness" aber so, dass in der gesamten Geschichte der jeweiligen Spezies das Merkmal mit seiner Funktion fast immer bzw. überwiegend positiv zur Fitness beigetragen hat. Aufbauend auf diesen Grundlagen wird dann in Schurz (2002) analytisch gezeigt, dass in der Evolution ein prototypisches Merkmal im explizierten Sinn auch die überwiegende Zeit  bis auf Ausnahmephasen  statistisch dominant sein muss  denn wenn solche Ausnahmephasen zu häufig vorkommen, dann kommt Evolution zum Erliegen. Der Vorschlag löst auch einen Konflikt zwischen gegenwartsbezogenen und historischen Funktionsbegriffen. Gegenwartsbezogene Funktionsbegriffe identifizieren eine Funktion mit der aktualen gegenwärtigen Disposition des Organs, zur Fitness beizutragen (Bige­low and Pargeter 1987). Millikan (1984, 29) wendet dagegen ein, der gegenwartsbezogene Ansatz könne nicht dem Begriff einer Fehlfunktion Rechnung tragen: beispielsweise ist es immer noch die evolutionäre Funktion eines geschädigten Pankreas, Insulin zu produzieren, weil er deswegen im Menschen selektiert wurde, und nur deshalb können wir sagen, dass der vorliegende Pankreas, der nicht mehr genügend Insulin produziert, seine evolutionäre Funktion nicht mehr ausüben kann, also biologisch fehlerhaft ist. Bigelow und Pargeter müssten dagegen sagen, dass der Pankreas seine biologische Funktion verloren hat. Kurz, ein Organ kann auch eine evolutionäre Funktion zu besitzen, ohne sie tatsächlich auszuüben oder gar ausüben zu können (Laurier 1996, 27f). Andererseits würde ein rein historischer Ansatz dazu zwingen, zu sagen, dass es immer noch die Funktion des menschlichen Blinddarms ist, Zellulose zu verdauen, weil der Blinddarm die Verkümmerung jenes Darmteiles ist, der im Vorfahren der Menschenspezies Zellulose verdaute (Laurier 1996, 33). Schurz schlägt vor, die Selektionsgeschichte eines Organs in Hinblick auf eine Funktion nur auf die Geschichte einer jeweiligen Spezies A zu relativieren, und nicht noch auf die Vorfahren dieser Spezies hinaus zu beziehen (vgl. auch Kitcher 1993, 486-9, der hier fünf verschiedene Versionen unterscheidet).

Schließlich wird in Schurz (2002) gezeigt, wie die zwei Haupteinwände gegen die Verknüpfung von evolutionärer (prototypischer) und statistischer Normalität bereinigt werden können. (1.) Es ist richtig, dass ein Organ B einer Spezies A mit Funktion C die Funktion nicht immer, ja nicht einmal oft, ausüben muss  beispielsweise ist die sexuelle Fortpflanzung wohl das evolutionär wichtigste Merkmal, aber wird bei etlichen Tieren nur sehr selten ausgeübt (Millikan xx). Das dabei reproduzierte Merkmal ist aber nicht die Ausübung der Funktion, sondern die Disposition zur Ausübung der Funktion unter dafür passenden Umständen, und diese Disposition ist bei fast allen Mitgliedern der Spezies A vorhanden. Kurz, die prototypischen Merkmale sind im Regelfall keine aktualen Merkmale, sondern Dispositionsmerkmale. (2.) Es ist richtig, dass durch eine Umweltkatastrophe z.B. alle Vögel einer Population ihre Flugfähigkeit verlieren könnten  und dann müsste man für diesen kurzen Zeitraum sagen, es wäre zwar die normale Funktion der Flügel, das Fliegen zu ermöglichen, aber aufgrund sagen wir gewisser federzersetzender Giftstoffe in der Nahrung können die Flügel dieser armen Vögel dies nicht mehr leisten. Für diesen kurzen Zeitraum ist dann der Zusammenhang zwischen prototypischer und statistischer Normalität durchbrochen (s. Neander 1991, 182, Wachbroit 1994, 580, Millikan 1984, 29, Laurier 1996, 47, fn. 4, und Cummins 1976, 755f). Aber der Punkt ist, dass diese Phase in der Geschichte dieser Vogelspezies nur eine Ausnahmephase sein kann. Denn (1.) entweder stirbt die Spezies dann aus, oder (2.) sie erlangt ihre Flugfähigkeit schnell wieder, weil die Giftstoffe in der Nahrung wieder verschwinden, oder (3.) einer Subpopulation gelingt es, in einer anderen ökologischen Nische, in der Flugfähigkeit nicht benötigt wird, zu überleben (etwa auf einer Insel)  dort aber entwickelt sich die Subpopulation zu einer anderen Spezies, in der die verkümmerten Flügel nicht mehr die evolutionäre Funktion des Fliegens besitzen. Aus allen drei Fällen ergibt sich die Konsequenz, dass die Phase der Unterbrechung von evolutionärer und statistischer Normalität in der Geschichte der gegebenen Vogelspezies nur von kurzer Dauer war.



3.4 Mathematische Evolutionstheorie I: gerichtete Evolution ohne Häufigkeitsabhängigkeit die Standardszenarien
3.4.1 Stabilität, Indifferenz und Instabilität von Trajektorien
Bevor wir mit dem eigentlichen Thema beginnen, seien die Begriffe der Stabilität, Inffferenz und Instabilität von Zuständen bzw. Trajektorien eines Systems erklärt. Dbei geht es um die Frage, wie sehr Trajektorien, die zu unterschiedlichen ANfangsbedingungen starten, sich voeinander entfernen. Abb. xx zeigt ein einfaches Beispiel eines Systems mit stabilem Gleichgewichtszustand: eine Kugel rollt  von einer beliebigen Seiten her kommend  in eine Senke und bleibt dort stabil lie-

Weg
Gleichgewichtspunkt, 'Attraktor'

Zeit
Abb. xx System mit stabilen Endgleichgewicht: Kugeln rollen in eine Senke.
gen. Abb. xx links zeigt die zugehörigen zeitabhängigen Trajektorien; egal, wo die Trajektorien starten, so münden sie alle in denselben Endzustand hinein. Man nennt die Eigenschaft solcher Trajektorien auch asymptotische Stabilität11 (im Gegensatz zur indifferenten Stabilität, die wir gleich besprechen. Im diesem Fall kann der Endzustand des Systems vorausgesagt werden, ohne seinen Anfangszustand genau zu kennen, solange nur bekannt ist, dass der Anfangszustand in einer sehr großen Klasse von Anfangszuständen liegt  in unserem Beispiel alle Anfangszustände, worin die Kugel innerhalb der Halbkugel losgelassen wird. Solche qualitative Voraussagemnöglichkeit in einfachen evolutiven Szenarien auf; und generell ist Evoluton etwas, dass nicht Chaos sondern Gleichgewicht bzw. Ornung bewirkt; gegeben dass die Selektionsbedingungen einigermaßen stabil sind (Sober 1983 nannte solche Erklärungen 'equilibrium explanations').

Abb. xx zeigt ein Beispiel eines Systems im indifferenten Gleichgewichts­zustand und die zugehörigen Trajektorien.  Kugeln auf einer wagrechten Ebene mit Reibung, die mit gleicher Anfangsgeschwindig­keit ange­stoßen jeweils ein Stückchen rollen  wo sie stehen bleiben hängt davon ab, wo sie sich anfangs befanden.


Weg

konstante Anfangs-

geschwindigkeit

Start: Stop:


Zeit

Abb. xx: System mit indifferenten Gleichgewichtszuständen: Kugel rollt auf Ebene mit Reibung.
Die Trajektorien dieses Systems sind (indifferent) stabil d.h., die sie bleiben zueinan­der in einigermaßen konstantem Abstand.12 In indifferenten Fall kann das System gevorausgesagt werden, wenn man den Anfangszustand kennt, und je genauer, desto besser  es gilt hier die Symmetrie von Erklärbarkeit und Voraussagbarkeit (s. Schurz xx). Anders verhält es sich in einem instabilen Gleichgewicht, so wie es in Abb.xxrechts aufgezeichnet ist  eine ideal runde Kugel steht auf der Spitze einer stabilen ideal runden Halbkugel. Unmessbar kleine Fluktuationen der Kugel nach rechts oder nach links entscheiden darüber, ob und auf welcher Seite die Kugel herunterrollen wird.

Weg

Bifurkationslinie

Zeit


Abb. ss: System mit instabilem Gleichgewichtszustand: eine ideale Kugel auf einer idealen Halbkugel.
Für jedes noch so kleine Intervall um den Anfangszustand s(to) herum gibt Trajektorien, die beide in diesem Ausgangsintervall starten, jedoch nach hinreichend langer Zeit extrem voneinander abweichen. Man nennt solche Trajektorien divergenten Trajek­torien, und spricht von Sensitivität gegenüber den Anfangsbedingungen.13 Ein Punkt im Zustandsraum des Systems, um den herum eine solche Sensitivität auftritt, nennt man auch einen Bifurkationspunkt. Instabile Systeme besitzen einen oder wenige solcher insta­bilen Bifurkationspunkte. Chaotische Systeme, die in den letzten Jahrzehnten viel diskutiert wurden, zeichnen sich dadurch aus, dass unter gewissen Bedingungen immer wieder neue Bifurkationen auftreten (s. z.B. Peitgen et al. 1998, Weingartner/ Schurz 1996). Chaotische Prozesse wurden mittlerweile in vielen Bereichen studiert,14 wir werden sie auch im Bereich der Evolutioinstheorie kennenlernen  wenn Entwickungsprozesse cheotisch werden. Für das Verhältnis von effektiver Voraussagbarkeit und Erklär­bar­keit folgt, dass keine effektive Voraussage des Endzustandes aufgrund des Anfangszustandes vorgenommen werden, denn die winzigen Fluktuationen, welche darüber entscheiden, ob die Kugel links oder rechts herunterrollt, ist grund­sätzlich kleiner als die Messgenauigkeit. Wenn man jedoch den Endzustand des Systems kennt, so kann man aufgrund der Tatsache, dass die Trajektorien deter­ministisch sind, den Ausgangszustand zurückberechnen  d.h in instabilen Systemen gibt es ex-post Erklärbarkeit ohne Voraussagbarkeit (s. Schurz xx).
3.4.2 Einfache Evolution unter den Kräften von Mutation und Selektion
Wir behandeln im folgenden zuerst die biologische Evolution, d.h. Evolution mit dem spezifischen Kennzeichen der sexuellen Vermehrung mit diploidem Satz von Repronen (Chromosomen) und diskutieren dann die Verallgemeinerungen ohne diese Besonderheit. Eine Menge von Varianten eines evolutionären Systems nennt man Population. Üblicherweise wird eine nach oben begrenzte Populationshäufigkeit angenomen, sodass bei unterschiedlichen Reproduktionsraten starke Selektion (im erläuterten Sinne) auftritt. Da man annimmt, dass die absoluten Populationshäufigkeiten alsbald, wegen des exponentiellen Wachstums, die obere Grenze erreichen, genügt es daher, die relativen Populationshäufigkeiten in Prozentsätzen anzugeben, welche wir im folgenden mit Wahrscheinlichkeitsvariablen p(X) oder kurz p etc. bezeichnen; die Populationshäufigkeiten gegebener Varianten müssen sich immer zu 100% aufaddieren. Alle inneren oder Umgebungsparameter, die eine Veränderung gegebener Populationshäufigkeiten und damit eine Selektion bewirken, nennen wir auch evolutionäre Kräfte. Wir setzen die populationsdynamischen Gleichungen, wie üblich, als Differenzgleichungen an. Man kann sie auch als Differentialgleichungen behandeln (s.Weibull xx), und wir werden auch diese Methode kennenlernen, welche im Regelfall, aber nicht immer zum gleichen Ergebnis führt. Darüberhinaus benutzen wir Computersimulationen. Grundsätzlich sind mathematische (analytische) Lösungen Computersimulationen immer vorzuziehen, wenn man sie haben kann, weil nur die ersteren die Aufschluss über die Abhängigkeit der Trajektorien von der Wahl der Systemparameter, Umgebungsparameter und Anfangsbedingungen geben, während die ersteren darüber nicht oder nur unvollständig bzw. punktweise Auschluss geben  indem man nämlich 'masive' SImulationen für eine grosse Menge möglicher Parametersetzungen und Anfangsbedingungen durchführt und dann induktiv verallgemeinert, interpoliert oder extrapoliert. Aber induktive Generalisierungen über Computersimulationen sind so unsicher wie alle induktiven Schlüsse. Dennoch sind Computersimulationen ein enorm wichtiges Hilfsmittel, erstens weil sie der Auffindung von mathematisch exakten Lösungen behilflich sind (Schurz xx), zweitens weil sie in komplizierten Fällen ungeheuer illustrativ und zeitsparend sein können, und drittens weil sie in Fällen, wo keine allgemeine mathematische Lösung greifbar ist, das beste ist, was man tun kann.

3.4.2.1 Hardy-Weinberg-Gleichgewicht: Das sogenannte Gesetz des Hardy-Weinberg-Gleich­gewichts beschreibt zunächst biologische Genotypenhäufigkeiten unter Abwesenheit evolutionärer Kräfte. Es hat insofern dieselbe Funktion wie das erste Newtonsche Axiome  ein kräftefreier Körper verharrt in Ruhe oder gleichförmiger Bewegung  in der klassischen Physik. Es besagt, dass aich wenn sich die Genotypen eines genetischen Lokus mit zwei Allelen (Varianten) A und a durch einen äußeren Einwirkung von ihrem Gleichgewicht entfernen, etwa weil einige Genotypen 'weggestorben' sind, sie sich bereits nach einer Generation wieder im Gleichgewicht von p2, 2pq und q2 befinden. Dabei setzen wir p = p(A) und q := 1p = p(a) als die Häufigkeit der einzelenen Allele A und a an. Gegeben diese Allelhäufigkeit, so beträgt die Genotypenhäufigkeit, wie wir beim Kapitel über Mendel bereits sahen, p2 = p(AA), 2pq = p(Aa) und q2 = p(aa). Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht ist im Grunde trivial, da aus der Mendelschen Zufallskombination von beliebigen Genhäufigkeiten in einer Generation das Mendelsche Genotypengleichgewicht für die nächste Generation zwangsläufig folgt. Ridley (87ff) rechnet dies wie folgt durch: angenommen, wir starten mit einer x-beliebigen Genotypenhäufigkeit p(AA) = a, p(Aa) = b und p(aa) = c := 1ab. Dann muss für die relativen Genhäufigkeiten (Allelhäufigkeiten) gelten:


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