Rechtskunde einführung in das strafrecht der bundesrepublik deutschland anhand von tötungsdelikten


Strafen, Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe und nichtvergeltende Strafrechtsfolgen



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5. Strafen, Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe und nichtvergeltende Strafrechtsfolgen

Ganz im Sinne der zuvor skizzierten pragmatischen Haltung in der Handhabung des staatlichen Strafens ist die Initiative des Stadt­staates Hamburg zu sehen. Dort war schon 1969 Straftätern, die die ihnen auferlegte Geldstrafe nicht hatten bezahlen können und darum gemäß § 4360 die vom Gericht bei der Verhängung der Geldstrafe für den Fall von deren "Uneinbringlichkeit" schon mit­ausgesprochene "Ersatzfreiheitsstrafe" zu verbüßen gehabt hätten,


"Häftling gestorben

Der 28 Jahre alte Häftling Peter G. ist am Freitag in der Justizvollzugsanstalt Glasmoor an einem akuten Herz- und Leber-Versagen gestorben, so die Justizbehörde. Peter G. sollte eine ‘Ersatzfreiheitsstrafe‘ (statt Geldstrafe) wegen Diebstahls absitzen. ..."


die Möglichkeit eröffnet worden, stattdessen gemeinnützige Arbeit zu leisten: „Schwitzen statt sitzen.“

Die Hintergründe: Obwohl weniger als 7,5 % der Verurteilten hinter Gittern landen, sind die Strafvollzugsanstalten hoff­­nungslos überfüllt - in den vergangenen zehn Jahren bis 2003 hat sich die Zahl der Gefangenen um mehr als 50 Prozent auf 62.000 erhöht -, und der Bedarf an Haftplätzen steigt wei­ter, denn 84 % der 622.390 von deutschen Gerichten 1991 aus­gesprochenen Strafen waren Geldstrafen (521.291) - der Prozentsatz dieser beiden Hauptstrafen zueinander war dann auf höherem Niveau gleich hoch geblieben -, die wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage von immer weniger Verurteilten bezahlt wer­den können.

Das Strafvollzugsgesetz sieht zumindest für die "Ruhezeit" die Einzelunterbringung vor. Angesichts dieser sich gegenseitig hochschaukelnden Faktoren fehlen rund 8.000 Haftplätze.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2002 klargestellt hat, dass die Doppelbelegung einer Einzelzelle unter bestimmten Umständen gegen die Menschenwürde der Inhaftierten verstoße, klagen immer mehr Strafgefangene wegen des so gewerteten Verstoßes gegen ihre Menschenwürde Schmerzensgeld ein und erhielten im Schnitt bislang 100 € pro Hafttag - richtig Geld, das sie mit regulärer Arbeit nicht verdient hatten.



Die meisten Länder versuchen, sich drohenden Zahlungen wegen Überbelegung per Gesetz zu entziehen. Über den Bundesrat wollten sie den Anspruch auf eine Einzelzelle aus dem Strafvollzugsgesetz streichen lassen. Die Bundesregierung jedoch lehnt dies ab. Sie will den überbelegten Strafvollzug anders entlasten: "Schwitzen statt sitzen" ist die Devise; statt kurzer Haftstrafen soll gemeinnützige Arbeit geleistet werden. Bei „Kurzstraflern“ könnten statt einer Geldstrafe zusätzlich Fahrverbot verhängt werden, um die Ersatzfreiheitsstrafe zu umgehen und gleichwohl sehr eindringlich auf den Straftäter einzuwirken (wenn der kein passionierter Benutzer des Öffentlichen Personennahverkehrs ist).
Für diesen Personenkreis besteht die Möglichkeit, durch einen (zunächst) sechsstündigen - in einem laut Meldung in Das Parlament vom 21.06.02 nach gesetzlicher Neufassung auf drei Stunden zu reduzierenden - Arbeitseinsatz einen Ta­ges­satz der Geldstrafe abzuarbeiten. Wesentliches Kriterium der für die „ambulante Sanktionsmöglichkeit“ vorgesehenen einfachen Aushilfsarbeiten muss sein, dass sie unregelmäßig anfallen, damit durch diese Tätigkeiten nicht regu­läre Arbeitsplätze gefährdet oder abgeschafft werden. Diese Rege­lung ist auch für den Staat vorteilhaft, denn er spart Geld, weil die Kosten für die sonst einzurichtenden Haftplätze zwischen € 80–100,- pro Tag zu veranschlagen sind61; mindestens aber spart der Staat ca. € 15,- für Verpflegung und Wäsche, die letztlich der Steuerzahler aufzubringen hätte. Und nun findet – in zugegebenermaßen sehr bescheidenem Rahmen – mindestens noch eine Wertschöpfung (und manchmal sogar eine Arbeitsplatzvermittlung) statt! Für den Hamburger Staat ergab sich 2002 folgende Rechnung: 820 Personen mit im Mittelwert 27 Tagen Arbeitseinsatz haben durch ihre Teilnahme an „Arbeit statt Haft“ 22.350 Hafttage à 90,- € vermieden und ersparten dem Stadt-Staat so 2 Mill. € Haftkosten für die ansonsten fällige Ersatzfreiheitsstrafe. Für 2005 wurde nicht weiter differenziert mitgeteilt: 33.253 Tagessätze Geldstrafen seien in gemeinnützige Arbeit umgewandelt worden, was dem Hamburger Staat 3 Mill. € erspart habe.
Andere Bundesländer haben das von Hamburg angeregte Verfahren zwischenzeitlich in einer Verordnung geregelt, aber meines Wissens noch nicht alle in einem Gesetz; der aktuelle Stand ist nicht publiziert worden. Nach diesen Verordnungen kann der Verurteilte eine gemeinnützige Arbeit beantragen, ist aber nicht in allen Bundesländern sicher, dass ihm die Vergünstigung auch gewährt wird. (Und auch nicht alle zu einer Geldstrafe Verurteilten wollen ersatzweise arbeiten! Wenn sie vielleicht sowieso arbeitslos herumhängen, dann sitzen sie lieber ein paar Tage ab und »sparen« das Geld für ihnen wichtigere Ausgaben.) Die Tendenz, gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe anzubieten, scheint bei den Gerichten im Schwinden begriffen zu sein. Die behauptete Uneinbringlichkeit der durch Urteil auferlegten Geld­strafe kontrolliert die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungs­behörde. Sie kontrolliert, ob das Geld wirklich uneinbringlich ist oder von einem Arbeitslosen lieber für den nächsten Urlaub aufgespart wird, und er stattdessen lieber einsitzt, um sich finanziell nicht einschränken zu müssen. Und wir haben noch keinen Artikel im GG: "Urlaub ist Deutschenrecht". Notfalls muss der Verurteilte auf seinen Urlaub und die erhofften Urlaubsbekanntschaften verzichten. Aber einige der Verurteilten sitzen lieber ihre Strafe ab, als dass sie zahlen oder sie abar­bei­ten. Die können doch nicht alle darauf hoffen, solches im wahr­sten Sinne des Wortes unglaubliche Glück zu haben, wie der in der Schweiz Inhaftierte der nachfolgend wiedergegebenen Zeitungsmel­dung vom 30.06.83:
"Vier Wochen mit Freundin in der Zelle

Aargau/Schweiz. Die Freundin eines Häftlings lebte vier Wochen in der Strafanstalt Lenzburg im Schweizer Kanton Aargau, ehe das Liebesnest entdeckt wurde. Nach Ende der Besuchszeit schmug­gelte er sie am 25. Mai auf dem Weg zum Gefängnisausgang in seine Zelle. Erst am 24. Juni wurde der Fall aufgedeckt, als ein Aufseher eine weibliche Stimme hörte.

Vor dem aargauischen Großen Rat (Parlament) gab es jetzt ver­legene Stellungnahmen. Der zuständige Regierungsrat Louis Lang meinte: ‘Auch ein humaner Strafvollzug, wie wir ihn in der Strafanstalt Lenzburg kennen, hat seine Grenzen.'"
Und die »tiefere Weisheit«, warum in manchen Gefängnissen zwischen inhaftierter Person und Besucherin eine Glastrennscheibe eingebaut ist, um z.B. den Austausch von Kassibern, das Einschmuggeln von Rauschgift, Waffen und selbst zunächst so harmlos erscheinenden Dingen wie Industrieklebstoff von vornherein zu unterbinden, und warum ohne Glastrennscheibe oft ein Berührungsverbot besteht, was von Insasse und Besucherin bei längerer Haftdauer dann als unmenschlich und die Beziehung zerstörend empfunden und wiederholt angeprangert wurde, wird aus nachfolgender Meldung deutlich:
„SPANIEN
Häftling klebt sich an Freundin fest

Wahrhaft unzertrennlich sind ein in Spanien inhaftierter Deutscher und seine Freundin. Bei einem Besuch im Gefängnis klebte der Mann seine Hand an der seiner Partnerin fest. Bislang konnte niemand den Klebstoff lösen.

Madrid - Das Paar wurde nach Angaben von Behörden in ein Krankenhaus in Madrid gebracht. Der Deutsche sagte, er habe mit der Aktion auf seine Situation in dem Zuchthaus aufmerksam machen wollen. Der 39-Jährige war im April auf einen deutschen Haftbefehl hin gefasst worden. Er soll in Frauenhandel und Prostitution verwickelt sein. Ob er ausgeliefert wird, steht noch nicht fest.

Die beiden Festgeklebten müssen in der Klinik bleiben, bis es den Ärzten gelingt, die Hände voneinander zu trennen, teilten die Justizbehörden mit. Dann werden die beiden einem Richter vorgeführt. Zusammen dürfen die beiden aber nicht vor Gericht erscheinen.

(Spiegel Online 10.08.04)

Man darf aber nicht nur auf das Glück hoffen, wenn man inhaftiert ist. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied! Es muss darum nicht immer die Freundin sein, wenn die Hormone drücken. Außerdem ist es ja auch sehr umständlich, erst eine Freundin von außen einzuschmuggeln. Weniger aufwendig und darum eleganter und sicher auch wesentlich abwechslungsreicher wusste ein in deutscher Strafhaft einsitzender Türke die Umstände seiner Inhaftierung zu gestalten und seinem sexuellen Notstand abzuhelfen:


"Sex-Skandal im Kieler Gefängnis

Vier junge Wärterinnen erfüllten die Wünsche des ‘Bordellkönigs'

Er nannte sich ‘König von Kiel': Faruk D. (31), Boß im Rotlicht-Milieu an der Förde. Obwohl seit zwei Jahren im Gefängnis, hatte er alles: Frauen, Sex, Telefon, Kontakte nach außen - es war nur eine Frage des Geldes. Jetzt flog das süße Leben hinter den Gittern auf. Die Justiz ist geschockt: Vier Anwärterrinnen (20 bis 25 Jahre) versorgten den Häftling mit Liebe und Informationen.

Der Türke hatte versucht, einen Landsmann zu erschießen, und saß seit Januar 1991 in Untersuchungshaft. Sein Fall zog sich in die Länge, bis erst eineinvierttel Jahr später im März 1992 das Urteil, sieben Jahre Haft, gesprochen wurde. Doch weil die Anwälte eine Wiederaufnahme beantragten, wurde es erst im Januar 1993 rechtskräftig. Faruk D. blieb so in seiner Einzelzelle in der Justizvollzugsanstalt Kiel in Untersuchungshaft mit all ihren Vergünstigungen gegenüber einer Strafhaft.

Dort setzte sich der Zuhälter, dessen Brutalität gefürchtet ist, schnell durch. Er konnte jederzeit stundenlang an einem der drei Kartentelefone Gespräche in alle Welt führen, obwohl er dafür eigentlich als Untersuchungshäftling eine richterliche Genehmigung benötigt hätte.

Mithäftlinge gaben später an, dass bei ihnen bekannt gewesen war, dass er die Wärter entweder gekauft oder eingeschüchtert hatte.

Unter den Vollzugsbeamten waren nicht nur Männer, sondern auch Frauen. Vier von ihnen, zwischen 20 und 25 Jahre alt, hat er in seiner Zelle »vernascht« und von ihnen sogar Nacktfotos gemacht, die er unter den Häftlingen rumgezeigt hat.

Aber so angenehm das Leben im Knast auch war - Faruk D. wollte sich an dem Mann rächen, der es ihm verschafft hatte. Er setzte - per Telefon - 50.000 Mark Belohnung auf den Kopf des Kieler Staatsanwaltes aus, der ihn angeklagt hatte.

Anfang Februar bekam die Kripo dann einen Tip aus dem Kieler Rotlicht-Milieu. Damals ahnte noch niemand etwas von dem Sex-Skandal in dem Gefängnis.

Die Polizei stellte den Staatsanwalt und seine Frau unter Polizeischutz und begann mit den Ermittlungen. Die Spur führte zu Faruk D. Obwohl er im Gefängnis saß, schafften seine Prostituierten noch immer Geld für ihn an. 5.000 Mark netto pro Woche und Frau, schätzen Insider.

Am 8. März durchsuchten die ermittelnden Beamten die Zelle des Verdächtigen. Dabei fanden sie offenbar die Nacktfotos der Wärterinnen. Leugnen war zwecklos. Aus einer Morddrohung wurde ein Justizskandal. ...

Der bedrohte Staatsanwalt fürchtet weiter um sein Leben. Er wird rund um die Uhr von Beamten des Mobilen Einsatzkommandos bewacht. Denn wer garantiert ihm, dass Faruk D. nicht auch in Lübeck die Wärter kauft?" (nach HH Abendblatt 18.03.93)


Der Mann muss eine beneidenswerte sexuelle Ausstrahlung gehabt haben - schon Atatürk62 sagte: "Es gibt keine größere Lust, als als Türke zu leben." -, sonst hätten die armen Mädchen ihre Berufsbezeichnung "Vollzugsbeamtin" sicher nicht so wörtlich genommen. So weit durfte das Berufsethos nicht gehen. Da ist mir als Staatsbürger die schweizerische Variante wesentlich lieber! Und das vorherige schadenfrohe Lächeln über die Schweizer Vollzugsbeamten erstirbt auf den Lippen! Dort war nur ein zu humaner Strafvollzug zu belächeln - und nicht ein (zügel)loser zu beklagen wie in Kiel.
Und wenn man in Haft sitzt, Türke ist, notgeil wird und keine willige deutsche »Vollzugsbeamtin« findet? Dann kann einem unter Umständen ein einfaches Loch helfen:
Häftlinge zeugen Baby in der Zelle

Istanbul - Weil ihr Verlangen stärker als die Zellenmauer war, ist ein Häftlingspärchen in der Türkei zu weiteren vier Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der wegen Mordes eingesperrte Mann (40) und die wegen eines Bombenanschlags inhaftierte Frau (27) hatten ein Loch in die Mauer zwischen ihren Zellen gebohrt - neun Monate später brachte die Frau ein Kind zur Welt. Afp“ (HH A 28.02.05)
Wofür mögen sie verurteilt worden sein? Wegen Sachbeschädigung, weil das Loch in der Wand ja nicht zu klein gewesen sein kann?
1998 startete Berlin eine Bundesratsinitiative, um gemeinnützige Arbeit als der Geld- und der Haftstrafe gleichwertige dritte Hauptstrafe in das Strafensystem des StGB aufzunehmen. Die Ableistung von gemeinnütziger Arbeit werde nach Meinung der Landesjustizminister eine positive Wirkung auf einen Straftäter haben, weil von ihm eine aktive, auf gesellschaftliche Wiedergutmachung gerichtete Tätigkeit gefordert werde. 2002 wurde ein Gesetzentwurf in das Parlament eingebracht, dass ein (nur noch) dreistündiger Arbeitseinsatz einem Tagessatz entsprechen solle. 2004 wurde der Anwendungsbereich von „Schwitzen statt sitzen“ auf Verurteilungen bis zu sechs Monaten Haft ausgedehnt.
In diesem Zusammenhang sollte auch noch kurz die nun auch bei uns angedachte und in die öffentliche Diskussion geratene Form der in Hausarrest mit einer elektronischen Fußfessel zu verbringenden »Haft«strafe nach amerikanischem und inzwischen auch schwedischem und niederländischem Vorbild, wo der elektronische Hausarrest neben Freiheits- oder Geldstrafe zu einer eigenständigen Strafform geworden ist, erwähnt werden. Dazu muss man wissen, dass die USA im Jahr 1995 mit 30 Milliarden Dollar für den Strafvollzug mehr Geld ausgaben als für Erziehung.63 Diese Form der Haftverbüßung scheint zunächst das Ei des Kolumbus zu sein, weil einerseits die Gefängnisse überfüllt sind, somit nicht genügend Haftplätze – zu 96 % für Männer und nur zu 4 % für Frauen - zur Verfügung stehen, diese Lösung daher für den Staat preiswerter erscheint und auf der Täterseite die sozialen, insbesondere die familiären Beziehungen eines Täters so gering wie möglich belastet werden – obwohl manche Frauen sicherlich froh wären, wenn ihnen ihre Männer oder Lebenspartner einige Zeit von ihrem Leib gehalten würden! Kritiker bezweifeln auf jeden Fall das vorgebrachte Kosteneinsparungsargument: Durch die Anschaffung der Geräte, die permanente personalintensive(!) Überwachung der Signalübertragung rund um die Uhr und die Notwendigkeit verstärkter unangemeldeter häuslicher Kontrollen durch Sozialarbeiter oder Bewährungshelfer schmelze das Kostenargument zusammen. Dann bliebe aber immer noch das Argument des geringst möglichen Eingriffs in die Sozialbeziehungen – nicht nur des Täters, sondern auch der durch seine Inhaftierung Mitbetroffenen. Und das ist ein nicht nur juristisch starkes Argument, denn unter der Geltung des Grundgesetzes hat jeder einen Bürger belastende Eingriff wegen des Übermaßverbotes auf der geringst möglichen Eskalationsstufe zu erfolgen. Intakte Sozialbeziehungen sind grundsätzlich die besten Voraussetzungen für eine Resozialisierung – wenn sie sich nicht auf das Rotlicht-Milieu beziehen!
Staatliches Strafen hat sich, wie jedes staatliche Handeln, zunächst an dem in Art. 1 GG normierten Gebot der Ach­tung der Menschenwürde auszurichten. Darum sind z.B. im Gegensatz zu früher geübter Praxis am Tag der jeweiligen Verhandlung auf den Terminrollen vor den Sitzungszimmern nur noch u.a. die Namen der Angeklagten notiert, nicht aber mehr die ihnen zur Last gelegten Delikte, um so einer Stigmatisierung durch den Aushang vorzubeugen: der Beschuldigte kann ja auch freigesprochen werden, läuft dann aber weiter nach dem vielleicht schon auf Plutarch, auf jeden Fall auf Bacon zurückgehenden Motto: „Semper aliquid haeret“ (= „Irgendetwas bleibt immer hängen“), mit einem weitergetratschten Makel herum, gegen den er sich nur sehr schlecht wehren kann. Ein weiterer Fixpunkt für die Ausrichtung staatlichen Strafens ist das in den Art. 20 III und 28 I GG zum Ausdruck kommende Rechtsstaatsprinzip und der von diesem Zentralbegriff abgeleitete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei staatlichen Eingriffen in die Sphäre eines Bürgers. Eine Strafe, die die Menschenwürde verletzte oder gegen das Rechtsstaatsprinzip verstieße, eventuell indem sie – woran auch immer gemessen - »unverhältnismäßig« wäre, ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und darf nicht verhängt werden.

Obwohl sich die USA als gewachsene Demokratie schon seit einigen hundert Jahren diesen Werten verpflichtet fühlen – jedenfalls dann, wenn es sich um die Belange des weißen Mannes handelte, nicht um die der Indianer, Sklaven oder deren Nachkommen -, scheinen deren Richter (zum Teil?) ein anderes Verständnis von Menschenwürde zu haben. Anders ist das für ein deutsches Gericht undenkbare Urteil eines kalifornischen Richters nicht zu verstehen:


"T-Shirt rettet vor Gefängnis

Visalia - Russael Hackler ist im neuen Jahr gleich zwei Sorgen los: Er muss nicht ins Gefängnis und weiß heute schon, wie er sich in Zukunft zu kleiden hat. Der vorbestrafte Dieb und Einbrecher sollte ins Gefängnis. Um dem Staat die Kosten von fast 8 000 Dollar im Jahr zu ersparen (und weil die Gefängnisse überfüllt sind) fällte Richter Howard Broadman in Kalifornien dieses Urteil: Der 35jährige muss ständig ein T-Shirt tragen - mit der Aufschrift: ‘Meine Vorstrafen plus zwei gestohlene Kästen Bier ergeben vier Jahre Gefängnis.' Auf dem Rücken steht: ‘Ich bin auf Bewährung entlassen.'"
In der Stadt Corpus Christi, Texas, nahe der mexikanischen Grenze, dem Ort mit der größten Rate an Teenagerschwangerschaften landesweit, glaubt ein mexikanischstämmiger US-Richter »Gnadenlos«, der „den Neffen eines Richterkollegen zum Tode verurteilt [hat], obwohl er, wie er sagt, auch anders hätte entscheiden können. … Aber der Pfarrer sagte mir, es gäbe zu viele Verbrecher“ (SPIEGEL 09.07.01), (teilweise nur geglaubte) Sexualstraftäter dadurch therapieren zu können, dass er vor dem Gebäude ihrer Wohnung Schilder mit der Aufschrift: „Gefahr. Hier lebt ein aktenkundiger Sexualverbrecher.“, aufstellen und an ihre Autos Hinweise mit dem Wortlaut: „Danger. Registered Sex Offender In Vehicle. Report suspicious behavior to: xxx“. aufkleben lässt, um sie öffentlich zu brandmarken. Diese Praxis wird nicht nur in Texas, sondern auch in einigen anderen Bundesstaaten der USA so angewandt. „Das soll keine Strafe sein. Ich möchte nur die Bürger schützen: Sie sollen wissen, wer bei ihnen wohnt. Und die Sexualstraftäter sollen sich beobachtet fühlen.“, wird der Richter als unbestechlicher Rächer mit dem Hang zu symbolischen Strafen nicht müde zu betonen. Die Öffentlichkeit wird so für die Umerziehung von Straftätern rücksichtslos nutzbar gemacht.

Autofahrer, die betrunken am Steuer gesessen hatten, müssen dort manchmal 12 Stunden lang mit großen Schildern, auf denen sie Reue über ihr Vergehen bekunden, an Kreuzungen stehen. Ein Kollege in Corpus Christi lässt Schüler, die den Unterricht geschwänzt haben, mit Schildern um das Gerichtsgebäude laufen, auf denen steht: „Entschuldigt, dass ich eure Steuergelder verschwende.“ Richter Cicconetti aus Ohio, so war schon berichtet worden, ließ einen Mann, der einen Polizisten als Schwein beschimpft hat, strafweise neben einem lebenden Schwein an einer Straßenecke stehen.


In Chicago werden erwischte Bordellbesucher nach dem Motto „Name and Shame“ im Internet an den neuzeitlichen Pranger gestellt!
CHICAGO
Freier am Online-Pranger

"Sauberer Weg" nennt sich euphemistisch die Webseite der Polizei von Chicago. Die dürfte weltweit zu den populärsten ihrer Art gehören: Allein die aktuelle Seite mit den Porträts von Männern, die sich bei Prostituierten erwischen ließen, schauten sich Hunderttausende an.

Die mittelalterliche Einrichtung des Prangers erlebt in den USA ein Comeback. Die moderne Technik hilft mit. In Chicago stellt die Polizei neuerdings die Fotos von Männern auf ihre frei zugängliche Website, die beim Umgang mit Prostituierten erwischt worden sein sollen. Gleich mitgeliefert werden Name, Alter und Adresse.

Die Neugier des Publikums auf die bislang etwa 200 Fotos ist enorm. In den ersten vier Wochen wurde die Seite rund 400.000 Mal angeklickt. Die Behörden der Millionenstadt sprechen von einer "Abschreckungsstrategie": Die Freier sollten vor ihren Frauen, Familien und Nachbarn bloßgestellt werden.

Bürgermeister Richard Daley sagte bei der Vorstellung der Aktion, es gehe vor allem darum, die Prostituierten aus ihrer Lage zu befreien: "Sie haben ein schreckliches Leben. Eine verantwortliche Gesellschaft muss ihnen helfen, ihr Leben zu ändern, und junge Frauen davon abhalten, in die Prostitution zu geraten."

Dies soll erreicht werden, indem vor allem die Nachfrage gesenkt wird. Ob der Pranger jedoch den gewünschten Effekt zeigt, muss sich erst erweisen. Noch würden einige Monate gebraucht, um die Resultate auszuwerten und zu entscheiden, ob die Maßnahme revidiert oder erweitert werde, sagt Polizeisprecher David Bayless.

Das Foto jedes einzelnen mutmaßlichen Freiers wird 30 Tage lang zur Schau gestellt. An der Unschuldsvermutung stört sich die Polizei von Chicago dabei nicht. Die Bilder werden gezeigt, auch wenn die Schuld des Mannes noch gar nicht feststeht. Die Akten über Festnahmen seien schließlich öffentliche Dokumente, argumentieren die Behörden. Sollte sich die Unschuld eines Verdächtigen herausstellen, könne er nachträglich beantragen, dass seine Festnahme wieder aus den Akten gestrichen wird. Die öffentliche Demütigung lässt sich damit freilich nicht mehr rückgängig machen.

Zweifel erlaubt: Wie wirkt "Abschreckung"?

Neben der Zurschaustellung werden die Freier in Chicago zudem weiterhin mit den bisherigen Mitteln - Geldbußen, Gefängnis, Beschlagnahmung des Autos - bestraft. Prostitution ist in Chicago wie in den meisten Teilen der USA illegal und dennoch weit verbreitet. In der Metropole am Michigan-See arbeiten nach offizieller Schätzung zwischen 16.000 und 25.000 Prostituierte. Im vergangenen Jahr wurden dort 3204 Prostituierte und 950 Freier festgenommen sowie 862 Autos konfisziert.

Chicago ist nun zwar nicht die erste Stadt, die den Pranger wieder entdeckt, um dem ältesten Gewerbe der Welt zu Leibe zu rücken, mit ihren drei Millionen Einwohnern aber bislang die größte. Auch in Akron im Bundesstaat Ohio werden Fotos von Freiern ins Netz gestellt - aber nur von solchen, die bereits verurteilt sind. In Denver in Colorado ist es das Fernsehen, das die Fotos zeigt. Und im kalifornischen Oakland wird die Kundschaft der Prostituierten auf in der ganzen Stadt klebenden Plakaten Schimpf und Schande preisgegeben.

Experten zweifeln allerdings an der Wirksamkeit der Pranger-Politik. Die Chicago-Koalition für die Obdachlosen, eine in der Arbeit mit Prostituierten engagierte Initiative, hat in einer Umfrage herausgefunden, dass nur etwa ein Siebtel des Sex-Gewerbes auf der Straße stattfindet. Die meisten Freier suchten legale Einrichtungen wie Striptease-Clubs, Massagesalons und Begleitagenturen auf, wo sie dem Zugriff der Polizei entzogen seien.

Hinzu komme, dass die Pranger-Aktion das bei vielen Freiern vorhandene Gewaltpotential steigern könne. Als Folge der Bloßstellung könnten sie durchdrehen und auf die Prostituierten oder ihre eigenen Frauen daheim "losgehen", fürchtet Daria Mueller von der Koalition für die Obdachlosen.



Daniel Jahn, AFP

SPIEGEL ONLINE 19.07.05


In Chicago wie in vielen anderen Teilen der USA ist Prostitution verboten, wenngleich weit verbreitet. In der Metropole am Michigan-See arbeiten nach offizieller Schätzung zwischen 16 000 und 25 000 Prostituierte. 2004 wurden dort 3204 Prostituierte und 950 Freier festgenommen sowie 862 Autos konfisziert.

DIE WELT 23.07.05

Obwohl in Chicago wie in vielen anderen Teilen der USA Prostitution verboten, wenngleich weit verbreitet ist, arbeiten in der Metropole am Michigan-See nach offizieller Schätzung zwischen 16.000 und 25.000 Prostituierte. 2004 wurden dort 3.204 Prostituierte und 950 Freier festgenommen sowie 862 Autos konfisziert.

Auch in Akron im Bundesstaat Ohio werden Fotos von Freiern ins Netz gestellt. In Denver in Colorado werden die Fotos im – örtlichen? - Fernsehen gezeigt, und im kalifornischen Oakland wird die Kundschaft der Prostituierten sogar auf in der ganzen Stadt klebenden Plakaten Schimpf und Schande preisgegeben (DIE WELT 23.07.05).

Etwas Entsprechendes zu Art. 1 GG scheint es dort nicht zu geben – jedenfalls dann nicht, wenn mit evangelikaler Strenge gegen »die Sünde« gekämpft werden soll. Dann lautet das Glaubensbekenntnis: "Die Würde des Notgeilen ist antastbar!"

Manche Kollegen stehen diesen Richtern nicht nach und wollen ihnen auch nicht nachstehen. Aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten werden immer wieder erstaunliche Urteile berichtet:


„Anhänglich

SAD Columbia - Drakonische Strafe für eine Mutter aus Columbia (South Carolina): Ihre Tochter wird 30 Tage fest an sie gekettet. Deborah Harter (38) muss überwachen, dass die 15jährige nicht wieder klaut und zur Schule geht.“ (HH Abendblatt 15.12.95)


„Zurück ins Heim

SAD New York - Zwei Monate war Tonya Kline an ihre Mutter, später an ihren Stiefvater gekettet. So wollte ein Richter in Moncks Corner (South Carolina) weitere Straftaten der 15jährigen verhindern. Jetzt muss sie ins Heim. Die Mutter nimmt Drogen.“ (HH A 15.02.96)

„In Großbritannien, Italien und Belgien haben Zeitungen vorbestrafte und vermeintliche Sexualstraftäter mit Namen und Bild veröffentlicht. In Großbritannien kam es zu Lynchversuchen“ (SPIEGEL 09.07.01).

Und nicht nur in Großbritannien: Solche der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Dateien scheinen auch in den USA von einigen selbsternannten Sittenwächtern als ein Freibrief zur Tötung verstanden zu werden. Um eine Diskussion über diese Strafpraxis zu ermöglichen, gebe ich hier den Inhalt eines Zeitungsberichts über die Auswirkungen des »Internet-Prangers« wider – und wir hier in Deutschland müssen überlegen, ob wir so etwas zulassen wollen, wobei aber letztlich das BVerfG auf der Grundlage von Art. 1 GG: "Die Würde des Menschen ist unantastbar.", urteilen würde:


Achtung! Hier wohnt ein Sexualverbrecher

Schutzgesetz: Jeder Amerikaner kann jetzt im Internet sehen, ob ein haftentlassener Kinderschänder in seiner Nähe lebt. Viele Städte verordnen "Bannmeilen" um Schulen und Schwimmbäder. Bereits mehrere Ex-Häftlinge wurden ermordet.

Die Informationen über rund 500 000 vorbestrafte Sexualtäter sind nicht etwa in Polizeiakten versteckt, sondern stehen im Internet. Jeder Amerikaner kann sie sich jederzeit kostenlos unter der Internetadresse www.nsopr.gov oder www.familywatchdog.us beschaffen und so überprüfen, ob und gegebenenfalls wo in seiner Nachbarschaft ein einschlägig Vorbestrafter wohnt oder arbeitet und wie er aussieht. Auch Angaben zu dem oder den von ihm begangenen Delikt/en sind im Internet nachschaubar.

Der Aufbau dieser öffentlichen Datenbank zum Schutz vor Kinderschändern und anderen Sexualverbrechern ist dem so genannten "Megan's Law" … zu verdanken. Das 1996 erlassene Gesetz machte es für alle verurteilten Sexualtäter im Lande zur Pflicht, sich registrieren zu lassen und jeden Wohnungswechsel bei der Polizei anzuzeigen. Die Angaben werden dann umgehend ins so genannte "National Sex Offender Public Registry" (NSOPR), das nationale Register für Sexualstraftäter, übernommen und US-weit ins Internet gestellt.

In diesem Internetverzeichnis werden aber auch Personen wie z.B. eine 43-Jährige ihr ferneres Leben lang als "registered sex offender" aufgeführt, die 2002 zu drei Jahren Haft verurteilt worden war, weil sie einvernehmlichen Sex mit einem 15-Jährigen gehabt hatte. Dieser Frau, die wieder einen ordentlich dotierten Job bei einer Kirche in Atlanta (US-Staat Georgia) hat, wird es unmöglich gemacht, noch einmal "ganz von vorn anfangen", weil ihr Heimatstaat Georgia während ihrer Haftzeit eines der härtesten Gesetze zum Schutz vor Sexualstraftätern in den USA verabschiedet hat: Es untersagt registrierten Sexualverbrechern, im Umkreis von 300 Metern von Plätzen und Gebäuden mit Kindern zu leben, zu arbeiten oder sich dort aufzuhalten. Das betrifft Schulen, Kindergärten, Jugendheime, Kirchen, Parks, Sportanlagen, Schwimmbäder, Volksfeste sowie Haltestellen von Schulbussen. Weil es in Georgia mehr als 150.000 Bus-Stops für Schüler gibt, sind Sexualstraftäter quasi aus jeder Ansiedlung, in der Kinder leben, verbannt. Das ist bewusst gesetzlich so gewollt: "Wir wollen solche Leute einfach nicht in unserem Staat haben!"

Damit steht Georgia keineswegs allein. Immer mehr Staaten, Städte und Gemeinden in den USA machen es vorbestraften Sexualtätern durch bewusst weiträumig festgelegte "Bannmeilen" um Schulen, Kindergärten und Spielplätze schwer bis unmöglich, sich dort niederzulassen.

Eine weitere Prangerwirkung wird erreicht, wenn, wie z.B. in der texanischen Küstenstadt Corpus Christi, von einem Richter zusätzlich angeordnet wird, dass jeder registrierte Sexualstraftäter ein 60 mal 50 Zentimeter großes Schild vor seinem Haus aufstellen muss. Aufschrift: "Gefahr. Hier wohnt ein registrierter Sexualstraftäter. Bei verdächtigem Verhalten bitte folgende Nummern anrufen: . . . " Dann folgen drei Telefonnummern von Polizei, Sozialamt und einer Hilfsorganisation für Sexualopfer. Die gleiche Warnung müssen die Betroffenen auch als Aufkleber auf ihre Autostoßstangen kleben.

Bürgerrechtsorganisationen beklagen die Folgen von "Megan's Law" für Vorbestrafte. "Diese Menschen, und das bleiben sie trotz ihrer Verurteilung noch immer, haben keine Chance der Resozialisierung und müssen nicht selten um ihr Leben fürchten oder begehen Selbstmord, weil sie keinen Ausweg mehr sehen", kritisiert eine Frau vom "Southern Center for Human Rights". Erst vor knapp drei Monaten fischte sich ein 20-Jähriger in Maine aus der Internet-Datei viele Namen von Sextätern heraus und erschoß zwei von ihnen. Bei seiner Festnahme beging der 20-Jährige Selbstmord; er trug 34 weitere Namen aus der Datei bei sich.

Die Morde sind keine Einzelfälle, die Täter solcher Gewaltakte zeigen oft trotz langjährig zu verbüßender Haftstrafen keine Reue. Einer wird mit dem Satz zitiert: "Ich will nicht, dass Leute die Seelen kleiner Kinder stehlen. Ich sitze 30 Jahre für etwas ab, das ich moralisch für gerechtfertigt halte."

Überweigend werden solche Morde als hinzunehmende Ausnahmen angesehen, weil der Nutzen des Registers für Eltern und Gemeinden solche Fälle mehr als aufwiege.

Das sehen Betroffene und deren Angehörige, wie z.B. die Mutter eines der Mordopfer, natürlich ganz anders. Ihr Sohn hatte nichts anderes verbrochen, als dass er im Alter von 19 Jahren mit seiner damaligen Freundin wenige Tage vor ihrem 16. Geburtstag Geschlechtsverkehr gehabt hatte. Er erhielt eine viermonatige Gefängnisstrafe, weil in den meisten US-Staaten Volljährige keine sexuelle Beziehung zu Minderjährigen haben dürfen, auch wenn diese bereits 17 sind – und ist so nun einer der 500.000 registrierten Sexualstraftäter.

In Washington gibt es inzwischen erste Bestrebungen, solche Fälle aus dem Sexualstraftäter-Register zu streichen.

In zehn Bundesstaaten soll künftig jeder Sexualverbrecher vor seiner Haftentlassung psychiatrisch untersucht und bei mutmaßlicher Wiederholungsgefahr notfalls lebenslang in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden.

Andere Städte haben Versuche gestartet, in denen entlassene Sexualstraftäter zwar keine Wohnrestriktionen auferlegt bekommen, jedoch elektronische Fußfesseln tragen müssen, damit man sie von der Polizeizentrale aus auf Schritt und Tritt auf dem Bildschirm verfolgen und gegebenenfalls eingreifen kann.

(Nach HH A10.07.06)

Solche InternetPranger-Strafpraxis ist für einen sensiblen Menschen zu nah an dem mittelalterlichen Strafverständnis z.B. der Brandmarkung oder der Bestrafung von Betrügern mit dem Messer als äußerlich sofort erkennbare "Schlitzohren": An ihren Ohren sollt ihr sie erkennen!

Es verwundert mich Mitteleuropäer, dass die US-Amerikaner solche Strafen zu tolerieren scheinen. Sie scheinen es selbstgerecht zu lieben, denn in den USA werden die Richter für eine bestimmte Wahlperiode vom Volk gewählt, und aggressives Durchgreifen gegen Sexualstraftäter steigert die Popularität und hilft, die Wiederwahl abzusichern!
Staatliches Strafen hat - auch bei allen getroffenen Erleichterungen - streng gesetzmäßig zu bleiben.

Das StGB kennt als Hauptstrafen bisher nur Freiheits- und Geldstrafen (§§ 38-43). Außerdem gibt § 44 die Möglichkeit, bei unter Verwendung eines Kfz begangenen Straftaten, wie z.B. Trunkenheitsfahrt, Dro­gen­beförderung und -aufbewahrung mit und im Kfz, Schmuggel und Wilderei mit einem Kfz, als so genannte Nebenstrafe ein Fahrverbot von 1-3 Monaten Dau­er zu erteilen, das nicht mit der in § 69 geregelten Entziehung der Fahrerlaubnis verwechselt werden darf - auch wenn die nun zu beschaffende Monatskarte für die Benutzung der öffentlichen Nahverkehrsmittel gleich teuer ist. (Seriöser ausgedrückt: Für den Bestraften ist es zunächst gleich, auf welcher juristischen Basis er nächstens einige Zeit nicht mehr selber ein Auto fahren darf. Allerdings kann nach dem Ablauf des Fahrverbotes gleich wieder gefahren werden, die »Pappe« wird auf dem Revier bereitgehalten oder sogar per Einschreiben rechtzeitig wieder zugestellt. Bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis dagegen muss u.U. in einem langwierigen Verfahren mit „Idioten-Test“ - psychologisches Unbedenklichkeitsgutachten - der Führerschein als Fahrerlaubnis erst wieder erarbeitet werden.) Darüber hinaus werden im StGB u.a. noch die Nebenfolgen des Verlustes der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts geregelt, Verfall und Einziehung sollen die zu einer Straftat benutzten Gegenstände aus der Verfügungs­ge­walt des Straftäters herauslösen und Verbrechensgewinne abschöp­fen. (Aber z.B. im Fall der Fa. Imhausen, die unter Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch den verbotenen Bau von Giftgas­fa­bri­ken in arabischen Ländern wie Libyen rund 35 Mill. DM (€ 18 Mill.) gescheffelt hat, war als Angebot zur Erleichterung der Ermittlungen durch Geständnis des Hauptbe­schul­digten in einem Vorab-Deal mit dem Gericht auf diese Möglichkeit bewusst verzichtet worden! Der Firmeninhaber durfte die durch seine Straftaten gescheffelten 35 Millionen behalten. Dem zeitungslesenden Normalbürger fehlt jedes Verständnis dafür, dass sich entgegen der in der entsprechenden gesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommenden Intention des Gesetzgebers Straftaten finanziell so lohnen können!)


Nun gibt es seit einiger Zeit Überlegungen, die Strafmöglichkeiten über Freiheits- und Geldstrafe hinaus unter Einbeziehung von Fahrverbot und Führerscheinentzug außerhalb der Verkehrsdelikte oder der vorstehend genannten unter Einsatz eines Kfz begangenen Delikte mit weiteren selbständigen Hauptstrafen generell zu erweitern, um einem Täter ein ihn nachhaltig/er beeindruckendes weiteres Übel auf der geglaubten Schmerzschwelle zwischen Geldstrafe und Inhaftierung zufügen zu können, denn für viele ist das Autofahren der Inbegriff von Freiheit. Da wird eine große Strafempfindlichkeit gemutmaßt. Als das StGB vor rund 130 Jahren 1871 geschaffen wurde, gab es das Auto ja noch gar nicht. Das wurde erst 1885 von Daimler und Benz erfunden. Darum sollten nach Meinung der Befürworter der angestrebten Neuregelung die inzwischen radikal veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse in die Überlegungen zur Reform des Systems der staatlichen Strafen mit einbezogen werden.
"Fahrverbot statt Haftstrafe?

Für eine verstärkte Verhängung von Fahrverboten auch bei anderen Straftaten als Verkehrsdelikten plädiert die Bürgerschaftsabgeordnete Helga Weise. Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion glaubt, dass Fahrverbote vor allem Männer empfindlich treffen können.

Frau Weise tritt für ein Sanktionssystem ein, das weniger Freiheitsstrafen vorsieht und dadurch die Gefängnisse entlastet. ..." (Hamburger Abendblatt 21.06.94)
"‘Es muß wehtun'

SPD-Vize fordert: Fahrverbot statt Geldstrafe

ap Frankfurt - Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Herta Däubler-Gmelin hat neue Strafmöglichkeiten in der Justiz vorgeschlagen. Statt Geld- oder Freiheitsstrafe solle man Straftätern den Führerschein entziehen oder sie zu gemeinnütziger Arbeit oder zur Wiedergutmachung verurteilen. Die üblichen Geld- und Freiheitsstrafen erfüllten in vielen Fällen ihren Strafzweck nicht, erklärte Däubler-Gmelin in der ‘Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung'. Strafe müsse nachdrücklich weh tun, sonst erfülle sie nicht ihren Zweck. Eine Geldstrafe sei die falsche Strafe, wenn ein Täter sie ‘aus der Hosentasche' bezahlen könne. Hier bewirke die Verurteilung zu zwei Wochen gemeinnütziger Arbeit am Stück mehr, weil der Täter dafür Urlaub opfern müsse. Sie könne sich auch vorstellen, dass einem Einbrecher oder Betrüger der Führerschein entzogen werde. Die Tat müsse möglichst in irgendeinem Bezug zum Auto stehen." (HH A 27.06.94)
Von grundsätzlich anderer Qualität als Strafen sollen von der Konzeption her die nichtvergeltenden Strafrechtsfolgen sein, deren Verhängung sich ebenfalls an dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit ausrichten muss. Es handelt sich dabei um die in § 61 aufgeführten und in den sich daran anschließenden Paragraphen näher ausgestalteten Maßregeln der Besserung und Sicherung. Sie sollen spezialpräventiv auf den Straftäter einwirken. Die Maßregeln der Besserung zielen auf die (Re?-)Sozialisierung des Täters. Die in manchen Urteilen zum Ausdruck kommende, vielleicht puritanischer Selbstgerechtigkeit entspringende Rigorosität amerikanischer Richter in ihrem (hier unterstellten) Bemühen um eine (Re-?)Sozialisierung des Täters wird sich bei uns in absehbarer Zeit zum Glück aber wohl nicht durchsetzen.
"Sinnvolle Strafe?

afp Houston - Zehn Jahre Haft bekam ein Texaner (22), weil er bei einem Autounfall angetrunken die Eltern von zwei Kindern getötet hatte. Die Richter verurteilten ihn außerdem dazu, die Unfallfotos in seiner Zelle aufzuhängen. Er solle immer vor Augen haben, wem er das Leben nahm."


Mit den Maßregeln der Sicherung will man die Gesellschaft vor Personen schützen, die ihr in Zu­kunft weiterhin gefährlich werden könnten. Von der Konzeption her sollen die Maßregeln der Besserung und Sicherung keine Strafen sein. Sie können daher auch gegen Schuldunfähige verhängt werden, die wegen ihrer für den Zeitpunkt der Tat festgestellten Schuldun­fä­higkeit nicht bestraft werden können - was, wie der Fall eines früheren Bundestagsabgeordneten zeigte, die spätere Ernennung zum Bundesinnenminister nicht ausschloss. Der war in einem gegen ihn gerichteten Meineidsverfahren wegen dieses mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bedrohten Verbrechens verurteilt worden. Um die ergangene erstinstanzliche Verurteilung irgendwie aus der Welt zu kriegen, machte er, gestützt durch ein (Gefälligkeits?-)Gutachten eines Arztes, erst in zweiter Instanz nachträglich Schuld­unfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat wegen „partieller Unzurechnungsfähigkeit“ geltend und erhielt sie – in einem Akt von Gnade oder anderem Entgegenkommen(?) – zuerkannt.64

Die gesetzlich vorgenommene Qualifizierung einer bestimmten Anordnung als nichtvergeltende Strafrechtsfolge der Maßregel der Sicherung sagt aber natürlich nichts darüber aus, ob z.B. ein mit Sicherungsverwahrung gemaßregelter Täter die sich an die zu verbüßende Haftstrafe zeitlich anschließende „Maßregel“ der Siche­rungs­verwahrung von bis zu 10 Jahren (für den Fall der ersten Anordnung) nicht als weit härtere »Strafe« empfindet als die eventuell kurzfristigere Hauptstrafe.

Mancher Verurteilte würde auch lieber eine höhere Strafe verbüßen und dann nicht hinterher zwei bis fünf Jahre lang der ihn einengenden Führungsaufsicht ei­nes Bewährungshelfers unterstehen, besonders wenn sich der Täter wieder in dem Rotlicht-Milieu tummeln möchte, aus dem heraus er sei­nen bisherigen Lebensunterhalt bezogen und seine Straftaten begangen hat.

Auch eine für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ausgesprochene Sperre für die Erteilung einer Fahrer­laubnis kann einen Täter, der beruflich auf seinen Führerschein angewiesen wäre, wesentlich härter treffen als die gegen ihn ver­hängte Hauptstrafe.

Ein verhängtes Berufsverbot kann ebenfalls här­ter als eine Hauptstrafe auf einen Täter wirken.
Für Jugendliche (§ 1 II JGG: ab 14, aber noch nicht 18 Jahre alt65) ist das Jugendgerichtsgesetz (JGG) vorrangig vor dem StGB, wenn die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters unter Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG. Das Jugendstrafrecht findet auch Anwendung, wenn es sich bei den Straftaten eines Heranwachsenden nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat, um eine Jugendverfehlung handelt, § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG. Die jugendlichen Straf­täter, und teilweie eben auch noch die Heranwachsenden, sollen noch nicht mit der "Keule des Strafrechts" bear­beitet, sondern vorrangig erzogen werden. "Tugend will ermuntert sein, Bosheit kann man schon allein." (W. Busch: „Plisch und Plum“). Die Grundarten jugendstrafrechtlicher Sanktionen sind Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel der Besserung und Sicherung sowie letztlich auch Jugendstrafe. Zusätzlich können als Nebenstrafen das Fahrverbot, der Verfall, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung angeordnet werden.

Es wurde durch sozialwissenschaftliche und kriminologische For­schungen nachgewiesen, dass z.B. in Deutschland beim ersten Gerichtsverfahren ge­gen einen Jugendlichen von 14 oder 15 Jahren die beste individu­elle Vorbeugung gegen die Begehung weiterer Straftaten durch die Einstellung des Verfahrens nach strafrichterlicher oder staatsanwaltlicher Ermahnung erreicht worden ist - was aber auch von der Schwere des begangenen Delikts abhängt. Der Einstellung war dann zuvor die angesprochene richterliche oder staatsanwaltliche Ermahnung vor­ausgegangen, um die auffällig gewordenen Jugendlichen ein bisschen in der Furcht des Herrn zu halten. Kritiker der von ihnen als zu hoch angesehenen Altersgrenze für die Strafmündigkeit (erst) ab 14 Jahren werden dem natürlich entgegenhalten, dass der Erfolg einer möglichst weitgehenden individu­ellen Vorbeugung gegen die Begehung weiterer Straftaten noch größer wäre, wenn das Kind schon vorher durch eine richterliche oder staatsanwaltliche Ermahnung geläutert werden könnte.


„Bewaffneter Süßigkeitenraub

Göttingen – In Göttingen haben zwei Brüder (13/15) zwei Martinssängern (12) mit vorgehaltener Pistole ihre beim Singen gesammelten Gelder geraubt. In Hannover zwangen zwei Jungen (11/13) zwei Mädchen (10/11) mit einem Küchenmesser zur Herausgabe ihrer ’ersungenen’ Süßigkeiten. (dpa)“ (HH A 13.11.01)
Dann wäre es bei einem deutschen Jugendlichen aus Darmstadt vielleicht nicht zu 231 Straftaten vor Erreichen der Strafmündigkeitsgrenze mit 14 gekommen. Und „Mehmet“ wäre nicht (laut Urteil des BVerwGs: unrechtmäßig) in die Türkei ausgewiesen worden.

Gemäß § 7 JGG können die dort angeführten Maßregeln aus dem Be­reich des StGB (Unterbringung z.B. in einer Erziehungsanstalt, Führungsaufsicht, Entziehung der Fahrerlaubnis) auch gegen 14-17-jährige Jugend­liche und 18- 20-jährige Heranwachsende angeordnet werden. Dane­ben wurde ein vielfältiges staatliches Instrumentarium geschaffen, dessen Ziel es ist, ohne Verhängung der in den §§ 17-19 JGG geregelten Jugendstrafe auszukommen, obwohl dieses letzte Mittel auch angewandt werden kann und, z.B. bei Tötungsdelikten, auch angewandt wird. Das In­stru­mentarium der erzieherischen Einwirkungsversuche besteht aus den in § 9 JGG aufgeführten Erziehungs­maß­regeln (Erteilung von Weisungen, Erziehungsbeistandsschaft, Fürsorgeerziehung), den in § 13 II JGG geregelten Zuchtmitteln (Verwarnung, Erteilung von Auflagen, Jugendarrest als Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest) und der gemäß § 17 JGG als Freiheitsent­ziehung - anders als in manchen Bundesstaaten der USA, wo auch schon elfjährige in Erwachsenenstrafanstalten einsitzen müssen66 - in einer Jugendstrafanstalt ausgestalteten Jugendstrafe mit einer Höchstdauer von zurzeit 10 Jahren, die nach den Vorstellungen von CDU-Politikern auf 15 Jahre erhöht werden sollte (in Kalifornien ist die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe ggen Jugendliche möglich). Nur aus diesem vollständig angeführten Sanktionskatalog darf ge­gen­über Jugendlichen und Heranwachsenden, die wegen "jugendtypischer Verfehlungen" noch nach dem Jugendstrafrecht abgeurteilt werden können, die Auswahl der jeweils zu verhängenden Maßnahme/n getroffen werden.

Eine jugendstrafrechtliche Besonderheit ist die sogenannte „Vorbewährung“, eine Bewährung vor der Jugendstrafe, die ihrerseits noch zur Bewährung ausgesetzt wrden kann. In einem solchen Fall wird die Entscheidung, ob eine Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen zu verhängen ist, ihrerseits noch einmal zur Bewährung ausgesetzt. Der Jugendliche erhält so die Chance, innerhalb eines durch das Gericht festzusetzenden Zeitraumes zu beweisen, dass die Verhängung einer Jugendstrafe gegen ihn zum Zwecke der Erziehung wohl doch noch nicht erforderlich sei. Der Jugendliche hat sich während dieses Zeitraumes aber selbstverständlich strafrechtlich nichts zu schulden kommen zu lassen, da andernfalls gegen ihn die in Aussicht gestellte Jugendstrafe verhängt werde. Darüber hinaus gilt der dezente aber bestimmte Hinweis des Croupiers: " Rien ne va plus!"

Nun mag es sein, dass der vielleicht literarisch bewanderte Düsseldorfer Jugendstaatsanwalt, über den im Januar 1985 die Zeitungen berichtet hatten, nicht Roulett spielte - was verzeih­lich ist -, oder dass er Wilhelm Buschs "Plisch und Plum", in dem der Lehrer Bockelmann die beiden bösen Knaben statt mit der Keule des Strafrechts mit seiner „harten, guten, schlanken ... Haselrute“ auf den Pfad der Tugend zurückbrachte, für eine Ergänzung des JGG hielt oder für eine Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen des JGG zu Ungunsten der jugendlichen Straftäter für geeignet hielt. Das war nicht verzeihlich. Seine extensive Gesetzesausle­gung oder unzulässige Analogiebildung – die Grenze zwischen beiden kann fließend werden - brachte ihn selber wegen Körperverletzung im Amt und Rechts­beugung vor seinen gesetzlichen Richter: Er hatte straffällig gewordenen Jugend­lichen - je nach Delikt abgestuft, schließlich hatte er als Jurist den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit bei staatlichen Eingriffen verinnerlicht - als »gesteigerte Pflichten­mah­nung« "nach alter Väter Sitte" eine unterschiedliche Anzahl von Hie­ben mit der flachen Hand, einem Hosengürtel oder einem Rohr­stock ("six of the best") verabreicht und danach das Verfahren eingestellt. Seine zutreffende Verteidigung lautete: "Die Eltern und zum Teil die Jugendlichen selbst waren damit einverstanden." Das wird ihm in seinem eigenen Strafverfahren aber nicht wesentlich geholfen haben, weil die von ihm ergriffenen Maßnahmen im JGG nicht vorge­se­hen sind - obwohl sie in manchen Fällen bestimmt menschlicher ge­wesen sind als eine sich in Aktenvorgängen Stück für Stück aufbauende kriminelle Karriere! Manche Jugendlichen werden diesem Staatsanwalt später sicher ein Leben lang unendlich dankbar sein, dass er sie so billig und ohne Schaden für ihre Zukunft hatte davonkommen lassen! Aber unser Rechtssystem schützt die Haut von Unschuldigen, Beschuldigten und Verurteilten vor staatlicher Einwirkung - selbst bei beachtlicher Einwilligung; das wird sein gesetzlicher Richter dem Staatsanwalt, mit dem er vielleicht schon viele Jahre in Gerichtsverhandlungen zusammengearbeitet hat, in Erinnerung rufen. Und der Staatsanwalt wird sich nachträglich verzweifelt fragen, warum er sich aus pädagogischem Eifer hat hinreißen lassen, zwar nicht gesetzeskonform aber letztlich sehr menschlich und den Jugendlichen ausgesprochen verständlich mit ihren Straftaten umzugehen!


Andere Rechtssysteme gehen mit der Haut der Angeklagten weniger zimperlich um. Sie strafen noch so, wie es früher auch bei uns üblich war: an "Haut und Haar".
"Prügelstrafe für Urlauber

dpa Singapur - Harte Strafe für einen Singapur-Touristen: ‘Nur so aus Spaß' hatte der Amerikaner Peter Fay (18) in dem südostasiatischen Stadtstaat Autos mit Eiern beworfen und mit Farbe besprüht. Pech: Er wurde erwischt und nicht nur zu vier Monaten Haft verurteilt, sondern auch zu einer schmerzhaften Prügelstrafe - sechs Schläge mit einer Rattanrute. Zwar protestierte sogar US-Präsident Bill Clinton gegen das Urteil und drohte mit ‘wirtschaftlichen Konsequenzen', doch das Gericht blieb hart. Die Züchtigung mit dem Rattanrohr wird in Singapur unter ärztlicher Aufsicht auf das nackte Gesäß ‘verabreicht'. Steht der Verurteilte die Strafe nicht durch, wird die Prozedur nach einigen Tagen fortgesetzt. Die Schläge hinterlassen lebenslange Narben. Die Höchststrafe sind 24 Schläge.

Singapurs Innenministerium verteidigte das Prügel-Urteil. Ein Sprecher: ‘Uns ist nicht bekannt, dass Ausländer dünnhäutiger sind als wir. ...'"
Singapur wird vermutlich keine Probleme mit Autocrash-Kids haben, denn der Staatsgründer und langjährige Regierungschef Lee Kuan Yew sorgte dafür, dass die „alten Werte“ hochgehalten werden, weil sonst andernfalls Singapur „in der Gosse landen“ würde. „Wir hätten mehr arme Menschen in den Straßen, die im Freien schliefen, wir hätten mehr Drogen, mehr Verbrechen, mehr unverheiratete Mütter mit kriminellen Kindern, eine verunsicherte Gesellschaftund eine schlechte Wirtschaftslage. Die Schüler würden den Unterricht neicht mehr ernst nehmen. Sie würden ihren Lehrern nicht mehr zuhören.“67

Wickert kommentiert das mit dem Satz: „Der Erhalt der Ordnung ist sogar wichtiger als die Wahrung der Menschenrechte und gibt einige Beispielen dafür an: „Bestraft wird, wer in öffentlichen Toiletten die Spülung nicht betätigt, wer eine Zigarette auf die Straße wirft oder um Zentimeter falsch parkt. Einem Politiker, der sich bestechen läßt, wird der seidene Schal zugeschickt, damit er sich nach alter Tradition selbst erhänge. Und bei Rauschgiftschmuggel und »Vandalismus« ist zwingend die Auspeitschung vorgeschrieben.“


Zur Abrundung des Kapitels über Strafen und Maßregeln sei darauf hingewiesen, dass - abgesehen von Erziehungsberechtigten gegenüber ihren Zöglingen und sogenannten Vertragsstrafen - Strafen ausschließlich von einem Richter verhängt werden dürfen. Das gilt auch für Geldstrafen. Darum heißen die ins Portemonaie gehenden Maßnahmen der Verwaltungsbehörden ganz bewusst auch (nur) Geldbußen!
Neben dem staatlichen Strafen hat sich im Arbeitsleben in größeren Betrieben ein il­legales "Betriebsbußen-System" entwickelt, mit dem u.a. auch klei­nere Eigentumsverfehlungen geahndet werden. Der Vorteil für ein überführtes Betriebsmitglied besteht darin, dass ihm eine Straf­anzeige und damit ein staatliches Strafverfahren erspart wird. Ab und zu entbrennt über die nicht legale aber von den Be­troffenen im Allgemeinen begrüßte und totgeschwiegene Praxis der "Betriebsjustiz" ein Streit in der öffentlichen Diskussion. Ganz selten kommt es darüber zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. So hatte der frühere Fußball-Nationaltorwart Norbert Nigbur gegen seinen damaligen Arbeitgeber Schalke 04 ein Verfahren angestrengt: Er war von seinem Verein mit DM 2.500,- (€ 1.280,-) "Strafe" belegt worden, weil er an einem Sonntagmorgen nicht zum angesetzten Training er­schienen war. In einem Musterprozess vor dem Landesarbeitsgericht hatte die daraufhin bemühte Justiz mit ihrer Entscheidung den Trainern und Managern der Fußball-Bundesliga ein Instrument aus der Hand genom­men, mit dem sie bisher gerne und auch häufig ihre Spieler diszi­pliniert hatten. Das Landesarbeitsgericht sprach ein Verbot sol­cher Geldbußenpraxis aus. Diese Art von "Strafgewalt" dürfen die Bundesligaklubs jetzt nicht mehr über ihre Angestellten ausüben, denn Strafen dürfen nur vom Strafrichter verhängt werden. (Nicht bekannt ist, ob vertraglich vereinbarte Zahlungen für genau abge­sprochene Vertragsverstöße vereinbart werden können. Die Klubs arbeiteten jedenfalls damit; jedenfalls musste der die Fußballinteressierten der Nation immer wieder mit besonders raffinierten Toren begeisternde „Super Mario“ Basler bei Bayern München für ausgedehnte Kneipen- und Oktoberfestbesuche erheblich löhnen, einer kostete ihn 1998 inflationäre DM 10.000,- (€ 5.110,-). Und nicht nur er musste Kneipenausflüge und andere Verstöße finanziell büßen; aber die anderen schossen nicht solche manchmal unglaublichen Super-Tore!)

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