Revolution für die Freiheit



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Die russischen Flugzeuge


Das belagerte und bombardierte Madrid wurde für das Volk zu einer wahren Hölle. Für die Korrespondenten gab es nun keine Frontfahrten mehr, dafür genügte die U-Bahn. Im Hotel kamen wir mit einem Italiener ins Gespräch, der sich an unseren Tisch setzte. Er war Flugzeugtechniker und arbeitete in Alicante. Vertraulich und etwas naiv erzählte er uns, in Alicante ständen seit über einem Monat mindestens fünfzig russische Flugzeuge einsatzbereit.

«Und warum erscheinen sie nicht über Madrid?» war unsere erstaunte Frage.

«Oh, sie werden kommen, glauben Sie mir! Nach allem, was ich gehört habe, werden die Flugzeuge am 7. November, dem Jahrestag der russischen Revolution, da sein. Sie werden sehen, ob ich recht habe.» Er behielt recht. Am 7. November tauchten zum erstenmal die russischen Flugzeuge am Madrider Himmel auf. Die Bevölkerung erlebte das Schauspiel heftiger Luftkämpfe. Wir sahen sie wieder vom Hoteldach aus mit an. Der Jubel war unbeschreiblich. Auf den Straßen wurde getanzt, demonstriert, musiziert. Die leise Hoffnung, die Stadt werde von nun an nicht mehr unter den feindlichen Fliegerangriffen leiden, erfüllte sich allerdings nicht. Doch wenigstens mußte der Gegner jetzt schwere Verluste in Kauf nehmen, seine Raids wurden vorsichtiger und seltener. Mit dem Einsatz der russischen Flugzeuge und Tanks gewann die Verteidigung Madrids, ja der ganze Kriegsverlauf neue, hoffnungsvollere Perspektiven. Die Regierung Caballero proklamierte ihre Siegeszuversicht, denn jetzt schien zumindest die materialmäßige Überlegenheit Francos ausgeglichen. Diese Hoffnung stützte sich auf die in Volk und Regierung weit verbreitete Meinung, die russische Hilfe werde nun mit voller Wucht einsetzen, die italienische und deutsche Einmischung gebührend beantworten.

Die politischen Wirkungen der russischen Hilfe waren sofort zu spüren. Sprunghaft stieg die Mitgliederzahl der schwachen Kommunistischen Partei an, ihre Forderungen wurden schärfer, ihr militärisches Potential verdoppelte sich. Die russischen Flugzeuge, die Artillerie, die Tanks und die Techniker standen ausschließlich ihren Einheiten zur Verfügung. Von Moskau aus geleitet, organisierten die kommunistischen Parteien der ganzen Welt den Zustrom von Freiwilligen nach Spanien. Freiwillige waren sie wohl alle jene, die in Spanien dem Faschismus Einhalt gebieten wollten: hingebungsvoll, enthusiastisch und naiv, dabei ahnungslos, von welchen Kräften sie gesteuert wurden. Schon im Ausland, vor allem in Paris, wurden die Freiwilligen auf ihre politische Zuverlässigkeit geprüft und dann in Spanien nochmals durchleuchtet, bevor man sie in die internationalen Brigaden schleuste. Anfänglich bildeten sich die Brigaden nach sprachlichen, später als gemischte Gruppen. Ihre militärischen Leiter waren entweder treue Parteikommunisten oder bewährte Mitläufer, die politischen Kommissare ausgewählte kommunistische Parteiführer. Die Kader der Brigaden bestanden zu sechzig Prozent aus Kommunisten, im Hintergrund agierten die russischen Offiziere Techniker, Spezialisten und Ausrottungs-

Mit den russischen Offizieren, Technikern und Spezialisten konnte kein Kontakt hergestellt werden. Die Leute wohnten in besonderen, jedem Unbefugten streng verschlossenen Gebäuden; mit der Bevölkerung hatten sie kaum Berührung: Die Militärpersonen kamen nicht einmal mit ihren militärischen Einheiten zusammen. Letztere wurden aus dem Generalstabszimmer dirigiert, die Befehlsübermittlung erfolgte durch spanische oder ausländische nichtrussische Kommunisten. Mit den Fachleuten erschienen aus Moskau und dem Westen die Praktiker der Geheimpolizei mit dem Auftrag, alle Gegner der kommunistischen Politik auszumerzen. Den geheimen Polizeiapparat, der mit seinen Tribunalen, Privatgefängnissen und Überfallkommandos unabhängig von der spanischen Polizei und Justiz funktionierte, leiteten die Russen nicht direkt; vielmehr benützten sie auch dazu spanische und ausländische Kommunisten. Die Gegner der Kommunisten sollten diesen Apparat bald zu spüren bekommen und fürchten lernen. Bei unseren Besuchen an der Stadtfront von Madrid, in Gesprächen mit deutschen und italienischen Freiwilligen auf Urlaub in Madrid merkten wir nur zu oft die feindliche Einstellung dieser Leute gegen alles, was nicht russisch oder nicht kommunistisch war. Auf meine Frage, wie es denn komme, daß nicht ein einziger russischer Soldat, von Infanterieeinheiten ganz abgesehen, in den Brigaden diene, erhielt ich von diesen Freiwilligen die Antwort: «Bringen Sie Ihre antikommunistische Propaganda woanders an!»

Auf meinen Hinweis, bei Franco stünden doch eine ganze italienische Armee und starke deutsche Einheiten im Einsatz, kam die Erwiderung: «Keine Angst, die Russen kommen noch.» Es war pure Zeitverschwendung. Die moralische Wirkung der russischen Hilfe, die geschickte Propaganda der Kommunisten, die diesen Beistand politisch auszunützen wußte, zauberten das krasse Mißverhältnis zwischen der deutschitalienischen Waffenhilfe für Franco und der politisch genau dosierten russischen Unterstützung für die Republik glatt hinweg. Voller Mißtrauen, teils zu Tode erschreckt, wandten sich unsere Gesprächspartner von uns ab, mieden uns künftig wie die Pest.

Rodolfo Selke, verliebt wie er war, warnte Clara. Da er öfters mit Russen zusammentraf, hörte und sah er vieles, was anderen verborgen blieb. Er hatte mitgekriegt, wir beide seien sehr verdächtig. Am 8. November beschloß die Regierung Caballero, ihren Sitz von Madrid nach Valencia zu verlegen. Zur ungehinderten Abwicklung der Regierungsgeschäfte war das wohl notwendig, aber auf das spanische Volk, die Bevölkerung von Madrid wirkte der Entschluß niederschmetternd. Das Volk wollte die Regierung in der Stunde der Gefahr auf ihrem Posten in der bedrohten Hauptstadt wissen. Selbstverständlich mußte die ganze Kohorte der ausländischen Journalisten mit dem Regierungsapparat umziehen. Das paßte uns nicht, denn wir wollten in Madrid bleiben und in der Miliz aktiv sein. Wir sprachen darum bei der POUM vor, die sofort bereit war, mich aufzunehmen. Frauen allerdings durften laut Regierungsbeschluß jetzt nicht mehr mitkämpfen. Wir waren unentschieden, konnten keinen raschen Entschluß fassen. Rodolfo Selke suchte uns auf, beschwor uns, Madrid den Rücken zu kehren. Wir ließen uns überzeugen. Am 9. und 10. November setzte sich eine lange Autokolonne von Madrid nach Valencia in Bewegung. Es wurde scheußlich. Immer wieder hielten uns örtliche Kontrollen auf, unterzog man die Papiere einer genauen Prüfung und reichte sie dann mit finsterem Gesicht zurück. Einige Male mußten wir ausgiebige Beschimpfungen als Feiglinge hinnehmen. Rubio Hidalgo, dem Chef der Zensur, wurde ins Gesicht gespuckt, da er jeweils die Papiere vorzeigte. Den Ministern erging es nicht besser; erst nach langen Verhandlungen und Telefonaten mit Madrid wurde die Regierungskolonne durchgelassen. Die Arbeiter und Bauern verstanden nur eines: Die Regierung flieht...

Valencia war keine Frontstadt, hier ging das ruhige Provinzleben gemächlich weiter. Wohl wimmelte die Stadt von Militär, doch wußte niemand etwas Genaues über ihre Verwendung. Im Hotel einquartiert, fragten wir uns: Was wird nun? In den Büros herumlungern, die letzten Nachrichten aufschnappen, das lag uns nicht. Wir beschlossen, Spanien für eine gewisse Zeit zu verlassen. Mit Selke und Rubio Hidalgo hatten wir eine lange Aussprache. Da aus Madrid und anderen bedrohten Gebieten Frauen und Kinder zu Tausenden evakuiert worden waren, baten uns Selke und Hidalgo, in der Schweiz die Möglichkeiten zu sondieren, dort spanische Kinder und Waisen unterzubringen. Hinzu kam, daß ich unbedingt über den bisherigen Verlauf des Bürgerkrieges eine kurze Darstellung geben wollte. Aber eines war für uns ausgemacht - wir würden wieder nach Spanien zurückkehren.

Um diese Rückkehr zu sichern, gingen wir in Perpignan auf das Grenzbüro der FAI. Mit unseren Frontpapieren der zahlreichen anarchistischen Kolonnen, die wir besucht hatten, wurden wir gut empfangen, und es half auch, daß Clara blond war.

Während wir uns auf dem Büro mit den anarchistischen Kameraden unterhielten, hörten wir aus einem Nebenzimmer schweizerdeutsche Laute. Zwei junge Schweizer versuchten mühselig, den Anarchisten klarzumachen, daß sie an der Verteidigung der Republik teilnehmen wollten. Als Ausweisdokumente legten sie ihre Militärpapiere vor. Die Spanier verstanden einen blauen Dunst und lehnten mißtrauisch ab. Wir verwickelten die zwei in ein Gespräch. Sie kamen beide aus dem Tessin; der jüngere lebte dort bei seiner Mutter und war Rußlandschweizer, der ältere, ein Zürcher, trieb sich arbeitslos im Tessin herum. Beide waren politisch unbeschriebene Blätter, 21 und 23 Jahre alt, offenbar aufrechte Antifaschisten. Sie wollten sich in das Abenteuer des spanischen Krieges stürzen und verteidigten ihre Absicht energisch. Wir rieten ihnen davon ab, stellten ihnen vor, Spanien benötige eher Waffen und Lebensmittel als Menschen, brauche mehr die revolutionäre Unterstützung der europäischen Arbeiter. Es war in den Wind gesprochen, sie blieben jeglichen Vernunftsgründen unzugänglich, verlegten sich auf Bitten um unsere Intervention. Die naive Begeisterung rührte uns; wir rieten ihnen, die Sache zu überschlafen und verabredeten mit ihnen nochmals eine Zusammenkunft für den anderen Tag.

Sie waren pünktlich zur Stelle, entschlossener denn je, nach Spanien zugehen.

«Wenn ihr beide beim Komitee interveniert, lassen sie uns sicher hinein», bettelten sie. Wir taten es. Die Anarchisten kannten uns, auf unsere Bitte hin stellten sie den beiden die Grenzpapiere aus. Wir gaben ihnen verschiedene Adressen in Barcelona und überließen es ihnen, sich einer anarchistischen Organisation oder der POUM anzuschließen.



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