Revolution für die Freiheit



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Franco vor Madrid


Die Lage Madrids wurde täglich bedrohlicher, Francos Truppen standen wenige Kilometer vor der Stadt. Madrid war umzingelt. Nur die Straße über Aranjuez nach Valencia und Katalonien befand sich noch fest in der Hand der legalen Regierung. Im Guadarramagebirge rannte sich der Gegner an inzwischen stark befestigten Stellungen den Kopf ein. Die technische Überlegenheit der Putschisten war eindeutig, vernichtend. Die «Moros», die «Bandera» (Fremdenlegion), die italienischen Einheiten, artilleristisch und fliegerisch gut ausgerüstet und ausgebildet, die Macht der deutschen Messerschmittmaschinen wirkten auf die Kampfmoral der Regierungstruppen niederschmetternd. Die Republik hatte alldem nichts oder doch nur veraltetes Material entgegenzustellen. Andre Malraux, der von Zeit zu Zeit bei den Berichterstattern auftauchte, versuchte mit leidenschaftlicher Energie, die republikanische Luftwaffe zu organisieren. Francos Artillerie, vor der Stadt zusammengezogen, hämmerte nun Tag und Nacht ins Häusermeer. Unter der doppelten Wucht der Fliegerangriffe und des Artilleriefeuers begann Madrids Leidensweg.

Ende Oktober setzten sich Francos Vorhuten in den Vororten von Madrid fest. Im Kreise der ausländischen Korrespondenten begannen nervöse Diskussionen. Wird Madrid fallen? Bleibt die Regierung in der Hauptstadt? Viele bereiteten eine überstürzte Abreise vor, forderten Flugzeuge, um schnell wegzukommen.

Ohne die Initiative der schwankenden Regierung abzuwarten, dekretierten Gewerkschaften und Parteien die allgemeine Mobilmachung. Die Sirenen heulten, die Lautsprecher forderten die Einwohner auf, die Verteidigung der Stadt selbst in die Hand zu nehmen. Das Volk von Madrid erhob sich. Männer, Frauen, Kinder marschierten in langen Kolonnen, Lieder singend, Waffen und Werkzeuge tragend, in die bedrohten Stadtviertel, hoben Gräben aus, schleppten Sandsäcke, bauten Barrikaden aus Steinen und Möbeln, verschanzten sich in den Häusern. Eine neue Energiewelle riß die Bevölkerung mit, die Hauptstadt zu retten. Niemand wußte genau, wo die feindlichen Truppen angriffen, wichtig war nur, sie aufzuhalten, nicht durchzulassen. «No pasaran» («Sie kommen nicht durch») wurde zur Losung des Tages. Langsam kam Ordnung in den bislang chaotischen Abwehrkampf, nahm die Verteidigung militärische Formen an. Im Hotel wurden wir Berichterstatter nicht mehr bedient, die Kellner hatten ihre Schürzen abgebunden, lagen irgendwo im Schützengraben, hinter Barrikaden, organisierten die Verpflegung für die vorderste Linie. Die Kommunistische Partei, von der russischen Propaganda geführt, von russischen Offizieren geleitet, baute ihr fünftes Regiment auf, aus dem sie in wenigen Wochen eine moderne und schlagkräftige Einheit schuf. General Miacha, Offizier der alten republikanischen Armee, wurde zum Oberbefehlshaber von Madrid ernannt. Das Volk brauchte eine Gestalt, ein Symbol, das seinem Verteidigungswillen konkreten Ausdruck gab. Von unserem bisher verschonten Hotel sahen wir nachts die Feuersbrünste, hörten das Sirenengeheul der Feuerwehr und Ambulanzen, das Einschlagen der Geschosse.

Aus Katalonien eilte der anarchistische Führer Buenaventura Durutti mit zweitausend Mann Madrid zu Hilfe. Durutti, der populärste Leiter der FAI, fiel schon in den ersten Abwehrkämpfen. Seinen Tod umwitterten dunkle Gerüchte; seine Anhänger ließen durchblicken, er sei von den Kommunisten liquidiert worden.

Die ersten ausländischen Freiwilligen, vier- bis fünfhundert deutsche Emigranten, meist Kommunisten, im Bataillon «Thälmann» organisiert, marschierten Anfang November unter dem Jubel der Bevölkerung durch die Straßen von Madrid. Das Bataillon hatte an der Aragonfront, bei Tardienta, schwere Verluste erlitten. Jetzt krallte sich die kriegsgewohnte Einheit in den Gräben und den zerstörten Häusern des Universitätsviertels fest, schlug die wilden Angriffe der marokkanischen Truppen zurück. Der deutsche Kommunist Hans Beimler, ehemaliger Reichstagsabgeordneter, waltete als politischer Kommissar. Beimler fand einen raschen Tod. Auch um ihn wurde gemunkelt, er sei innerparteilichen Intrigen zum Opfer gefallen und hinterrücks erschossen worden.

Das Bataillon «Thälmann», daneben aber auch Tausende von polnischen, jugoslawischen, italienischen und deutschen Antifaschisten mit und ohne Parteibuch, waren die Keimzelle der internationalen Brigaden. In die anarchistischen und sozialistischen Formationen der Volksmiliz, der POUM, selbst in die bürgerlich-republikanischen Militär verbände reihten sich Freiwillige ein, um die sich keine Legenden woben.


Volksfrontregierung Largo Caballero


Anfang September wurde die bürgerlich-republikanische Regierung durch die Volksfrontregierung des Sozialisten Largo Caballero ersetzt. Der Wechsel war fällig und erwartet. Für den weiteren Verlauf des Bürgerkrieges sollte er entscheidend werden. Das wirtschaftliche, politische und militärische Gewicht des Kampfes trugen die Arbeiterschaft und die Bauern. Sie hatten den Putsch der Rebellengeneräle niederge schlagen, die Milizarmee gebildet; die Komitees und die Gewerkschaften brachten unter größten Schwierigkeiten die Wirtschaft in Gang, bauten die Verpflegung der Milizarmee und der Zivilbevölkerung auf, versuchten die Landwirtschaft zu kollektivieren. All das hatte in den ersten Monaten gegen die bürgerliche Regierung durchgesetzt zu werden. Die neue Regierung mußte die wirklichen Machtverhältnisse im Lande repräsentieren. Nach Verhandlungen hinter den Kulissen, an denen der russische Konsul Marcel Rosenberg entscheidenden Anteil nahm, wurde die Volksfrontregierung gebildet. Largo Caballero, Präsident der UGT, wurde Ministerpräsident und Kriegsminister. Sein Gegenspieler in der sozialistischen Partei, Indalecio Prieto, erhielt das Marine- und Luftfahrtministerium. Zwei Vertreter der kleinen Kommunistischen Partei traten in die Regierung ein: Uribe für die Landwirtschaft, Jesus Hernandez für Erziehung und Kultur. Fünf bürgerliche Republikaner saßen in diesem Kabinett, das bei einer solchen Zusammensetzung den Volks willen nur teilweise widerspiegelte. Die starke anarchistische Bewegung wurde gar nicht erst gefragt; es war klar, daß eine Regierungsbeteiligung der Anarchisten nicht in Frage kam. Die Volksfrontregierung sollte den legalen Rahmen der Republik nicht sprengen, die Beziehungen zum Ausland aufrechterhalten. Das konnte aber nur gelingen, wenn auch im Innern und nicht nur nach außen die Legalität gewahrt wurde. Die Regierung Caballero wollte und sollte eine «starke» Regierung sein. Sie war es nicht und wurde es nicht. Ihre Bildung erweckte in den kämpfenden Massen keinen starken Widerhall, wurde mit Mißtrauen aufgenommen. Die Macht lag bei den Gewerkschaften und den lokalen und regionalen Komitees der Arbeiter, Bauern und der Miliz. Auf diese Unzahl von Gruppen hatte die Regierung wenig Einfluß, sie waren beherrscht von Anarchisten und Sozialisten, die sich um Legalität keinen Deut kümmerten und ohne Rücksicht auf die Regierung ihren Kampf um eine soziale Umwälzung fortsetzten, so wie sie ihn verstanden. Diese «Unkontrollierbaren», wie sie von den Kommunisten genannt wurden, mußten der Regierungskontrolle unterstellt werden. Die russische Inspiratoren der spanischen Kommunisten versuchten es mit der bewährten Devise «Teile und herrsche» sowie mit politischer Erpressung. Um den Ausschüssen die Macht zu entreißen, forderten sie energisch den Eintritt der Anarchisten in die Regierung. Damit hofften sie, die anarchistische Bewegung zu spalten, ihren Einfluß zu brechen. Das Manöver gelang einige Monate später. Mit der Drohung, sie würden keine Waffen und Lebensmittel mehr liefern, erzwangen sie den Eintritt anarchistischer Führer in die Regierung Caballero. Mit dem Wachsen des russischen Einflusses nahm der Kampf gegen die Komitees scharfe Formen an: Das Bürger- und Kleinbürgertum sollte durch revolutionäre Maßnahmen nicht erschreckt werden. Ziel war die Bildung einer bürgerlichen Republik unter russischer Steuerung. Als «unkontrollierbar» galt den Russen alles, was sie selbst nicht lenken konnten, ob es sich nun um anarchistische, sozialistische oder andere Gruppierungen handelte. Mit dem Eintritt von Carcia Oliver und Federica Montseny in die Regierung wurden die Anarchisten Gefangenen der kommunistischen Politik. Getreu ihrer jahrzehntelangen staatsfeindlichen und anti-parlamentarischen Tradition hatten die spanischen Anarchisten sich nie weder an Wahlen noch am Parlamentsbetrieb beteiligt und auch nie Bündnisse mit marxistischen Parteien geschlossen. Die einzige Ausnahme bildeten die Volksfrontwahlen von 1936, als es darum ging, durch einen Wahlsieg die Gefängnistore für über 30 000 Arbeiter zu öffnen, die nach dem asturischen Aufstand verurteilt worden waren.

Das anarchistische Ideal war eine freie Gesellschaftsordnung, aufgebaut auf föderativer Basis von unten nach oben, ohne jedes staatliche Gefüge, durch gesellschaftliche Selbstverwaltung. Jetzt wirkte die Regierungsbeteiligung ihrer Führer wie eine Bombe auf die anarchistischen Arbeiter und Bauern. Die Organisationen der CNT und FAI wurden in ihren Grundlagen erschüttert, zersetzten und zerrieben sich in unaufhörlichen Kämpfen und Zänkereien. Damit war für die Kommunisten der Hauptfeind, auf den sie bisher gar keinen Einfluß ausübten, weitgehend lahmgelegt. Der Feldzug der Kommunisten mit Regierungshilfe gegen die Komitees und die revolutionären Errungenschaften führte innerhalb der anarchistischen Bewegung zu zahlreichen Neugruppierungen. So entstand vor allem in Katalonien die Richtung der «Amigos de Durutti», die am alten anarchistischen Gedankengut festhielt, sich jedoch in der Folge marxistischen Ideen annäherte. Besonders aber wandte sich die «Juventud libertaria», die anarchistische Jugendorganisation, gegen die Volksfrontpolitik ihrer Führer. Es kam in allen Teilen des republikanischen Gebietes zu scharfen Zusammenstößen zwischen anarchistischen und kommunistischen Gruppen. Dem bürgerlichen Flügel der Volksfront behagte die Unterstützung der kommunistischen Strategie; diesen mehr oder weniger republikanischen Vertretern konnte es nur nützen, wenn die Anarchisten und mit ihnen alle revolutionären Elemente ausgerottet wurden. Die Rückgabe der Betriebe an ihre alten Besitzer, des Landes an privatwirtschaftliche Unternehmen ging parallel mit der Zerstörung der landwirtschaftlichen Kollektiven, selbst der Genossenschaften, soweit sie nicht kommunistischer Kontrolle unterstanden. Kurz, die Wahrung der Legalität um jeden Preis mußte zum Konflikt mit all den Elementen führen, die eine revolutionäre, soziale Umwälzung anstrebten. Gleichzeitig mit dem politischen Angriff auf die «Unkontrollierbaren» setzte die polizeiliche Unterdrückung ein. Stalins Sicherheitspolizei etablierte ihren eigenen Apparat neben dem Regierungsapparat, um die physische Liquidierung aller unbequemen Rivalen in die Wege zu leiten. Mit ihrer Erfahrung gelang es ihnen, dafür zahlreiche Teile der Regierungsmaschinerie einzuspannen, zumal sie in ihr überall ihre Vertrauensleute hatten und auf die wirksame Mithilfe ihrer bürgerlichen Partner rechnen konnten.



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