6 Weiteres zur Bildung der Familiennamen
im (Neu-)Griechischen
Die häufigsten Suffixe, d. h. die patronymischen, sowie eine Reihe wichtiger erster
nominaler Komponenten zusammengesetzter gr. FN wurden schon unter
Punkt 4 besprochen, weil diese Elemente Kriterien für die Identifizierung eines
Namens als griechisch an die Hand geben. Es lässt sich aber natürlich weit mehr
zur Bildeweise der gr. FN sagen, wobei wir uns hier auf das Wichtigste beschränken
müssen.
6.1 Geschichtliches zu den griechischen Familiennamen
In der Antike gab es bei den Griechen noch keine FN, einen ersten Ansatz in dieser
Richtung bildeten aber die maskulinen Patronymika, vor allem die auf -ídes
und -ádes, die dem Individualnamen beigefügt werden konnten. In der Kaiserzeit
wurden viele lateinische Namen ans Gr. adaptiert, z. B. Antonius, Paulus, Aemilia
> Antónios, Páulos (neuere Aussprache: Pávlos), Aimilía (neuere Ausspr.: [em-]).
Manche der agr. und lat. Namen konnten sich als Taufnamen ins Christentum
hinüberretten, und die Männernamen darunter haben z.T. – etwa ab dem 10. Jh. –
Familiennamen aus dem Griechischen
487
als Basis für FN gedient, z. B. Anton-ópulos [and-], schon byzantinisch, oder
Pavl-ídes u. ä., 18., häufiger erst 19. Jahrhundert. Im Ganzen hat aber das Christentum
das Nameninventar von Grund auf umgestaltet: Viele alte Namen fielen
fort, weil ihnen das Odium des Heidentums anhaftete, eine größere Anzahl hebräischer
Namen, besonders aus den Evangelien, wurde in mehr oder weniger
gräzisierter Form als Taufnamen aufgenommen, etwa Thomás, und eine Reihe
neuer griechischer Namen nach spezifisch christlichen Begriffen geschaffen,
z. B. Anastásios/ía von anástasis ‘Auferstehung’, Athanásios/ía von athanasía
‘Unsterblichkeit’ oder Zusammensetzungen mit Christós ‘Gesalbter’ als erster
Komponente (Christó-phoros ‘Christus-träger’) usw. Insgesamt war jedoch die
Zahl der Individualnamen gegenüber der heidnischen Zeit deutlich zurückgegangen,
und in mittelbyzantinischer Zeit machte sich die häufige Homonymie in den
Großstädten des Reiches, vor allem in Konstantinopel, immer unangenehmer bemerkbar.
So wurden persönliche Beinamen zur Unterscheidung von Individuen
mit gleichem Taufnamen unumgänglich, und allmählich konnten sie auch vererbt,
d. h. zu FN werden. Dieser Prozess verlief aber keineswegs überall mit
gleicher Intensität, und besonders in ländlichen, von der byzantinisch-osmanischen
Hauptstadt weit entfernten Gebieten, etwa in Epiros oder auf CY, verfügte
ein Teil der bäuerlichen Bevölkerung noch im 19. Jh. nicht über feste FN. Erst
nach der Wiedererringung der gr. Staatlichkeit (1830) bzw. nach der Errichtung
der britischen Herrschaft über Zypern (1878) wurde die Institution des FNs verallgemeinert.
In vielen Fällen war das einfachste Mittel hierfür, den Genitiv vom
Taufnamen des Familienvaters der ältesten Generation – gewöhnlich in seiner
kirchensprachlichen Form – für die Zukunft zum patronymischen FN zu machen
(siehe 5.2).- Im Folgenden soll nun noch auf einige wichtigere Kategorien
gr. FN außer den schon in den Punkten 4 und 5.1 – 5.3 besprochenen eingegangen
werden.
6.2 Familiennamen von Berufsbezeichnungen
(nach Suffixen gegliedert)
-áris: < -ários < lat. -arius: Frau Tsang-ári ‘Frau/ Tochter eines Herrn
Schuster’ < tsang-ári(o)s von mgr. tzánka ‘persischer Schnabelschuh’;
anders betont etwa Fúrn-aris ‘Bäcker’ < lat. furnarius
Günther Steffen Henrich
488
-ás: am häufigsten; schon spätantik in Beinamen, auch augmentativ
(siehe 4.2 Ende): Sider-ás ‘Schmied’
Kalamar-ás ‘Schreiber’ < kalamári ‘Tintenfass’ u. v. a.m.
-tzís [_-dzis]: < türk. -cÒ/ci/cu/cü ‘-macher, -händler’, zumeist auch an türk.
Stämmen: Bakir-tzís < bakÒr-cÒ ‘Kupferschmied’ oder ‘Kupferwarenhändler’
10
-tes: (schon agr.; das Suffix z. T. betont): Ráp-tes/Ráf-tis ‘Schneider’;
Yfan-tís ‘Weber’ usw.
Es gibt auch FN von Berufsbezeichnungen ohne besonderes Suffix, z. B. Didaskálou
‘(Sohn des) Lehrers’.
6.3 FN von Einwohnerbezeichnungen (Ethnika) –
schon im byzantinischen Mittelalter zahlreich
Wie in 6.2 ist die Vielfalt der Suffixe, verglichen etwa mit dem Dt., wo es in beiden
Kategorien fast nur -er gibt, bemerkenswert. Die folgenden Suffixe außer
-ézos und -lis sind alle schon agr.:
-éos (-á8ò): Santorin-éos ‘von der Insel Santorín(i) stammend’, Athin-éos
‘Athener’ u. a.
-ézos: < ital. -ese: Frau Kalavr-ézou < Calabrese
-inós (-enós,
auch -ianós): Frau Vouts-inoú ‘aus einem Ort Vútsi kommend’
-iótes: Marathovoun-iótis ‘aus Marathó-vuno(n), d. h. Fenchel-berg (CY)
stammend’
-ítes: Pol-ítis ‘aus der Póli(s), der byzantinisch-osmanischen Hauptstadt,
also Konstantinopel, kommend’
-lis: < türk. -lÒ/li/lu/lü (allgemeines Adjektivsuffix): Várna-lis ‘(Grieche)
aus Warna’ [dieser Fall dem Verf. nur aus Griechenland bekannt]
– andere solche FN sind endbetont.
Familiennamen aus dem Griechischen
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10 Dass – wie in allen Balkansprachen – Handwerker- und Händlerbezeichnungen sowie daraus
entstandene FN in hohem Maße aus dem Türkischen stammen, erklärt sich aus dem osmanischen
Zunftsystem mit dem Türkischen als offizieller Sprache.
Auch existieren natürlich FN von Völkernamen ohne spezielles Suffix, z. B.
Vláchos ‘Aromune’ oder Frau Frágou – leicht idiomatische Transkription statt
Fránk(o)u oder Fráng(o)u von Fránkos (schon byz.) ‘Franke, d. h. Westeuropäer,
Katholik’. Selten ist bloße Maskulinisierung eines fem. oder neutr. Ortsnamens
durch Anfügen von -s, etwa Gótovo-s (Ãê-) [g-] von Gótovo, einem slavischen
Dorfnamen in Makedonien.
6.4 Familiennamen aus Übernamen (Spitz- und Spottnamen)
Diese Kategorie scheint bei den Griechen besonders verbreitet zu sein:
a) spöttisch nach Titeln: Vasiliás ‘Kaiser, König’, D(o)úkas < lat. dux (oblique
Kasus duc-) ‘Herzog’
b) nach seelischen oder körperlichen Besonderheiten: Tebel-giánnis, mit leicht
idiomat. Transkription von tembélis < türk. tembel ‘faul’, Exa-dáktylos
‘sechs-fingrig’, Kolovós ‘verstümmelt’, Zerv-ákis von zervós ‘Links(händer)’
c) nach Tieren und Pflanzen: Coúrt-is (frz.-engl. Umschrift) < türk. kurt ‘Wolf’,
Kókoras ‘Hahn’; Skórdo-s ‘Knoblauch’
d) nach Gegenständen: Frau Trubéta < tru[m]béta < ital. trombetta ‘kleine Trompete’
u. v. a.m.
Natürlich begegnen auch unveränderte mask. Substantive und besonders Adjektive
als (Teile von) FN, und es ist oft nicht einfach, solche von Spottnamen zu unterscheiden:
Während Chryso-mállis ‘Gold-haar(ig)’ wohl positiv oder wertneutral
gemeint war, dürfte etwa Xénos ‘Fremder’ in älterer Zeit eher mit negativem
Unterton gesagt worden sein.
6.5 Weiteres zur Länge griechischer Familiennamen,
d. h. zu Ableitung und Komposition
Die Ausländern auffallende Tatsache, dass gr. FN großenteils „recht lang“ sind,
erklärt sich durch die besondere Fähigkeit des (Gesamt-)Griechischen, leicht Ableitungen
und Komposita zu bilden, und konkret dadurch, dass von diesen Möglichkeiten
in der Personennamenbildung ausgiebig Gebrauch gemacht wird.
Günther Steffen Henrich
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Viele modifizierende Suffixe sind zwei-, einzelne sogar dreisilbig (-ó-pulos), Suffixhäufung
ist sehr verbreitet, und oft treten noch erste Komponenten hinzu, u. a.
die oben unter 4.3 behandelten. So kann es im Einzelfall bis zu etwa zehnsilbigen
FN kommen, und die Anekdote von einem gr. Gastwirt in Chicago ist durchaus
glaubhaft, der sich darüber geärgert habe, dass er kaum jemals mit seinem FN angeredet
wurde: Gästen, die das dennoch taten, habe er eine Mahlzeit spendiert;
der Arme soll Papa-vlacho-dimitr-ak-ópoulos (‘Pope + Aromune [oder allgemein
transhumanter Nomade] + Demétri[o]s + dimin. -ak- + patronym. -ópulos’)
geheißen haben, sein FN umfasste also nicht weniger als fünf Kompositionselemente!
6.6 Gräzisierung fremdsprachlicher Familiennamen
Im Mittelalter wanderten verschiedene nichtgriechische Volksgruppen auf gr.
Territorium zu, seit etwa 600 n. Chr. Slaven, in Kleinasien zu verschiedenen Zeiten
kleine Gruppen von Armeniern, im balkanischen Reichsteil von Byzanz während
des 9.–10. Jh.s Aromunen (Vlachen) und ab ca. 1300 Albaner; auf manchen
Inseln ließen sich seit dem 13. Jh. Italiener nieder. Alle diese Gruppen gräzisierten
sich allmählich größtenteils. Soweit sie schon über eigene FN verfügten, wurden
diese phonetisch und morphologisch dem mittel- und neugr. System angepasst:
An vokalisch auslautende fremde Namen trat das maskuline Nominativ-s,
z. B. wurde ital. barba ‘Bart’ zu Bárba-s, auf CY Párpas, bulgar. vladíka ‘Bischof
’ (Spitzname) zu Vladíka-s [-ä-], gräkoalban. gljat-i ‘der Große’ > Gliáti-s
(Ãê-) [g-]. Konsonantischem Auslaut wurde Vokal + -s hinzugefügt: slav. krávar'
‘Kuhhirt’ > Krávar-is, neuwestarmenisch P‘acht‘-ik ‘kleiner Glücklicher’ >
Pachtík-os, aromun. und alban. búkur ‘schön’ > Búkur-as/is11 [die beiden letzten
Beispiele nicht aus meinem „deutschländischen“ Material].
Eine starke Welle orientalischen Wortguts ergoss sich, wie in alle Sprachen
Südosteuropas, infolge der osmanischen Landnahme auch ins Griechische. Die
in weiterem Sinne türk. Lexeme, die sich auch in den FN niederschlugen, wurden
in der Regel noch, wie soeben gezeigt, gräzisiert, z.B. kuyum-cu ‘Gold- und Silberschmied’
> Kougioum-tzís, sarÒ ‘gelb (d. h. von ungesunder Gesichtsfarbe)’ >
Familiennamen aus dem Griechischen
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11 Das letzte Beispiel nicht aus meinem „deutschländischen“ Material.
Sar(r)í-s, uzun ‘hochgewachsen’ > Ouzoún-is. Das türk. -oðlu ‘Sohn’ in den Namen
vieler gr. Familien aus Kleinasien blieb aber gewöhnlich, weil sein -u an die
gr. genitivischen FN auf -(o)u erinnerte, indeklinabel, nahm also das -s nicht
mehr an: Aiwát-oglou, Altín-oglou (< türk. altÒn ‘Gold’) usw.
Eine relativ systematische amtliche Gräzisierung vieler türk. FN der 1923
aufgrund des Vertrags von Lausanne aus der Türkei nach Griechenland umgesiedelten
Orthodoxen – die Religionszugehörigkeit, nicht die Muttersprache bildete
das Kriterium für den Minderheitenaustausch zwischen den beiden Staaten – erfolgte
damals durch die gr. Behörden: Man übersetzte eine große Zahl solcher
Namen ins Griechische, wenn auch teilweise nur zur Hälfte. So konnte aus Yanoðlu/
Giánn-ogl(o)u (ngr. Jánnis ‘Hans’ + türk. -oðlu) amts- und kirchensprachliches
Ioann-ídes oder der Genitivname Ioánn(o)u werden, aber z. B. Aslan-oðlu,
Topal-oðlu (< türk. aslan ‘Löwe’, topal ‘hinkend, lahm’) halbtürkisch bleiben:
Aslan-ídis, Topal-ídis. Ähnlich verhält es sich etwa mit dem schwerer durchsichtigen
pontischen Koumous-ídis < Gümü’-oðlu (türk. gümü’ ‘Silber’). – Namen
von Mittel- und Westeuropäern sowie Russen, die sich seit dem 19. Jh. in Griechenland
niederließen, wurden dagegen im Allgemeinen nicht mehr stark gräzisiert:
Maier > Máger, Moser > Mózer, Schliemann > Sléman; russ. MiÔskij >
Mílski. Gleiches gilt von alban., bulg., russ., poln., rumän. und georgischen FN
der vielen Arbeitsmigranten, die seit Ende der 80er Jahre nach Griechenland und
der meist palästinensischen Arbeitnehmer, die neuerdings nach CY gekommen
sind. Nur etymologisch gr. Namen auslandsgriechischer Einwanderer (aus Südalbanien/
Nordepiros und der ehemaligen SU) werden z.T. regräzisiert.
7 Lateinschriftliche Wiedergabe
griechischer Familiennamen im Deutschen
Stärkere Germanisierung griechischer FN war nur in älterer Zeit, etwa vor dem
Ersten Weltkrieg (Periode der Einzelmigration) üblich: Theochár (Leipzig, 18.
Jh.) < Theocháres, (von) Kárajan (Österreich, 19. Jh.) < Kara-jann-ópulos,
vielleicht auch Piláwa < Pilav-ás ‘Hersteller von piláfi/vi (Art Reiskuchen)’ <
türk. pilav. Seltener wird heute in der jüngeren Generation wieder, wenn auch
nur hinsichtlich der Schreibung, germanisiert, z.T. im Zusammenhang mit Einbürgerung.
Günther Steffen Henrich
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Familiennamen aus dem Griechischen
493
Wie bereits oben (Punkt 3) bemerkt, gibt es wegen des Spagats zwischen
der von mancher Seite erhobenen Forderung auf Nachahmung der historischen
gr. Schreibung und dem Wunsch nach möglichst lautgerechter Wiedergabe
eine ziemlich chaotische Vielfalt verschiedener Umschriften. Gehen wir vom
gr. Alphabet aus und richten wir unser Augenmerk besonders auf die im dt. Sprachraum
üblicheren Wiedergaben nicht eindeutiger Buchstaben und Digraphen:
áé: (agr. [ai], neuer [e]; nach dt. Tradition ä, z. B. Pädagoge) wird heute phonetisch,
als e, wiedergegeben: Konto-lémis (zu ëáéµ5ò ‘Hals’) ‘Kurz-hals’;
aber ai = áú: Gaitan-ídis < gaïtáni (< lat.) ‘Schnur’,
áõ: (agr. [au], neuer [av/af]) ebenfalls gewöhnlich nach moderner Aussprache:
Mavro-geórgi ‘(Angehörige des) Schwarzgeorgs’; ein Vater schreibt sich
Kóstas Papastávrou, sein Sohn germanisierend Markus (statt gr. -os) Papastawru;
dagegen aber Afthent-ákis < Áõèåíô-3êçò ‘Herr-chen’,
: (agr. [b], neuer [v]) in der Regel v: Vonikákis, selten germanisierend w: Aiwátoglou
(die entsprechende Person trägt auch bereits den nichtgriechischen
Vornamen Patrick),
ã: (agr. [g], neuer [ã] bzw. [j]) meist historisch g: Gerolymátos, seltener j: Lájios
‘dunkel (von Tieren)’, obwohl dies eher ohne [i] gesprochen wird; Gaitan-
ídis.
ãã: (agr. [Ûg], neuer [Ûg] bzw. [Ûg]) gewöhnlich ng: Angel-áki ‘Angehörige eines
Herrn Engel-chen’; in Griechenland manchmal unphonetisch als gg transliteriert:
Aggeláki,
ãé: antevokalisch (agr. [gi], ngr. [j]) meist historisch gi: Giánnis ‘Hans’ (zugleich
FN); aber auch nach engl.-frz. Konvention (bes. bei Zyprioten) y:
Yann-ópoulos ‘Nachkomme des Jánnis’; in der DDR (und den neuen Bundesländern)
nach dt. Konvention gewöhnlich j: Papa-jánnis,
ãê: (agr. [Ûk]; neuer [Ûg] bzw. [Ûg], am Wortanfang [g] bzw. [g]) überwiegend
ng: Stángos < slav. Stán-ko; Frang-oul-ákis ‘lieber kl. Katholik’; seltener historisch
nk: Fránkos; im Anlaut G-: Gliátis, Gótovos, selten so im Inlaut –
nach leicht idiomatischer Aussprache: Frágou,
ä: (agr. [d], neuer [ä]) fast immer historisch d: Kasap-oúdis ‘Nachkomme des
Fleischers’ < türk. kasap/b, Nikola-ídes ‘Abkömmling des Nikóla(o)s’ usf.;
bei Zypern- und Albaniengriechen nach engl.-alban. Konvention manchmal
dh: Dhoro-thé(o)u ‘(Sohn) des Dorótheos ‘Gottesgeschenk’; in englischspr.
Ländern selten sogar th: Thaniél (Kanada) für sonstiges Daniél,
åé : (klass. [e:, ei], später [i]) fast nur phonetisch i: Chil-ás von )å8ëç ‘Lippen’,
ein Grieche in Hamburg schreibt seinen FN lateinschriftlich Fotinós, eine in
Berlin wohnhafte Dame ihren Vornamen aber Foteiní 12,
åõ: (klass. [eu], später [ev] bzw. [ef]) in der Regel phonetisch: Paraskev-ópoulos
in Hamburg, aber Paraskewópoulos in Köln/Leipzig ‘Nachkomme des Paraskev-
ás (< Paraskeví ‘Freitag’)’; dagegen Eleftheri-ádis ‘Sohn des Elefthérios’
(< åëåõèåñ8á ‘Freiheit’),
: (klass. [zd, dz], später [z]) meist z: Lázos (Kf. von Lázaros < Hebr.; auch
FN), daneben seltener Lásos; in der DDR war s üblich: Zaprásis [tsa_prazis]
– s. u. ôó,
ç: (agr. [Ë:], später [e:], neuer [i]) teils historisch e (dann hier als e notiert): Nikola-
ídes; etwas öfter phonet. i: Pant-ídis ‘Nachkomme des Pántos (Kf. von
Pant-eleémon ‘All-erbarmer’)’,
é: antevokalisch ngr. überwiegend [j] bzw. mit vorangeh. ë, í [Ô, n], immer i:
Asiménios < asem-énios ‘ungestempelt (von Edelmetall): > silbern’ (Gold
musste in Byzanz behördlich gestempelt werden),
k: (agr. [k], neuer [k] bzw. [c]) großenteils k (so immer vor [e, e/i, y]): Koulópoulos,
Kyriákou (CY, vom Vornamen Kyriákos, älter -ós, ‘dem Herrn geweiht’);
aber auch nach lat.-frz.-it.-engl. Konvention c: Canávas < kannávi
‘Hanf’, Caratzás < türk. kara-ca ‘schwärzlich’,
µð: (agr. [mp]; später [mb], im Wort- u. Silbenanlaut [b]) meist phonet. (m)b:
Haralamb-ídis ‘Nachkomme des Charálampos ‘freudeglänzend’’; Bakirtzídis,
Bourboúdis, Brávo-s < bravo,
íô: (agr. [nt]; später [nd], im Anlaut [d]) schwankt zwischen nt und nd/D:
Pant-ídis, Konstantínou, Anton-ak-ópoulos, aber auch Diamand-opoúlou
‘Angehörige des Sohnes eines Diamantís < diamánti ‘Diamant’ (diese Transkription
unterscheidet also nicht zwischen [ä]- und -[d]-); in Fällen wie
Delí-s < türk. deli ‘Draufgänger’ kann man nicht wissen, ob Nô- [d-] oder
gräzisiertes .- [ä-] gemeint ist,
_é: (agr. [oi], später [y], ngr. [i]; nach dt. Tradition ö: Ökonomie) überwiegend
phonet. i: Ikonómou ‘(Sohn des) Verwalters’; aber auch nach engl. Konvention
e: Económou,
Günther Steffen Henrich
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12 Obwohl man beide Namen mit -åé - zu schreiben pflegt, scheinen sie doch nicht mit dem Adj.
foteinós ‘leuchtend, glänzend’ identisch, sondern von (ta) Phóta, dem volkstümlichen Namen
des Epiphanias-Festes, abgeleitet zu sein, könnten also mit einfachem Iota geschrieben werden.
_õ: (klass. [o:, ou], später [u]) überwiegend nach frz.-engl. Konvention ou, seltener
lat.-ital.-deutscher u: Anastas-opoúlou ‘Angehörige des Sohnes des Ana -
stási(o)s’, Ouzoúnis u. v. a. m., aber auch Andrian-opúlu (‘[H]adrian’, kontaminiert
mit andr- ‘Mann’) u. ä.; in der DDR u: Kipurós ‘Gärtner’,
_P-: traditionell mit Rh- wiedergegeben; seit etwa einem Jh. wird im Gr. das (;)
und gewöhnlich auch in lat. Umschrift das -h- weggelassen: Ráptes/Ráftis,
Frau Rózou (< r[h]ózos ‘Astloch’) u. ä.,
ó: (außer vor stimmhaftem Konsonant immer – auch intervokalisch! – stimmlos)
überwiegend einfaches s: Asiménios [asi-], Anastasiádis [-stasi-] usw.,
aber intervokalisch nach vor allem frz.-dt. Konvention auch -ss-: Dross-inákis
(< dros-inós ‘tau-ig, taufrisch’), Hassábi (s. o.), Vassil-ak-ópoulos,
ô: (erst mgr./ngr., [dz]) in meinem Material ausschließlich tz: Chatzi- bzw. Hatzi-
(s. o.) usw.,
ôó: (erst ngr., [ts]) meist ts: Frau Tsakmáki ‘Feuerzeug’ < türk. çakmak, Antonítsis
‘Kleiner vom Anton’ usw. In der DDR orientierte man sich in diesem wie
andren Punkten (Benutzung von j, w sowie u ohne vorangehendes o) an dt.
Konvention, nahm also z: Zaprásis [tsa_prazis], FN eines bekannten
Dresdner gr. Malers (< tsaprázi ‘silberner oder goldener Trachtenschmuck’
< türk. çapraz),
õ: (bis etwa 1000 n.Chr. [y], dann [i]) öfter historisch y: Frau Ypsilánti, Symeon-
ídis usw., aber auch phonet. i: Argir-ídis (vom Vornamen Argýris < Anárgyros
‘der kein Geld nimmt’, urspr. Beiname der hl. Ärzte Kosmás und Damianós),
Frau Makri-geórgi (CY, < ngr. makrýs ‘lang’ [agr. makrós]),
ö: (klass. [p;], später [f ]) meist phonetisch f – wohl auch wegen der für die
Transliteration geforderten 1 : 1-Buchstabenentsprechung: Fotinós, Arfarás,
Kara-fótis ‘schwarzer Phóti[o]s’, Ráftis; selten nach gelehrter Tradition ph:
Frau Photiádou, Herr Sophocléous (CY; agr. Gen. von Sophoklês) – dessen
dt. Ehefrau schreibt sich Sophokléus,
_: (klass. [k;], später [x] bzw. [ç]) vorwiegend nach lat.-dt. Tradition ch: Chalkídis
(< chalkós ‘Kupfer’, Chatzi-, Chilás, Chrysomálli, Páschos [-sx-], Tsocha-
tzís < türk. çuha-cé ‘Tuch-händler’; aber auch, gewöhnlich am Wortanfang
– ob, weil [x-] in germ. Stämmen des Dt. nicht vorkommt? – h: Haralamb-ídis,
Hassábi (CY), Hatzi- neben Ch., Hotaman-ídis (dieser erscheint in einer andren
Liste mit Ch-), Hintl-óglou < türk. Hint-li-oðlu ‘Sohn eines Inders/sehr
dunklen Menschen’ (derselbe anderswo als Ch-). Die H-Fälle haben mit Ausnahme
von Haralambídis türkisches Etymon (türk. h ist meist [h], seltener [x]).
Familiennamen aus dem Griechischen
495
ø: [ps] immer ps: Psáltou ‘(Sohn) des psáltis = Kirchensängers’ usw.,
ù: (agr.: langes offenes o; ngr. kurz, wie Omikron) immer o, also nicht von der
Wiedergabe des Omikron unterschieden, z. B. Symeon-ídis. Man könnte o
transliterieren, wie von bayr. Behörden in den 90er Jahren – erfolglos – versucht:
Symeonídes; davon ist hier jedoch abgesehen, weil eindeutige Retransliteration
in vielen Fällen ohnehin nicht möglich wäre;
_: (agr. [h]-, später verstummt), 1982 abgeschafft, wurde schon vorher in der
Regel lateinschiftlich nicht wiedergegeben; vereinzelt begegnet es als H-:
Hélena (der latinisierte agr. Individualname Heléne),
<: (Trema, das getrennte Aussprache zweier Vokalbuchstaben anzeigt) kommt
in meinem Material aus Deutschland nicht vor; im franz. Sprachgebiet wird
es aber natürlich benutzt: Nicolaïdès u. ä.
Die historischen Doppelkonsonanten werden in der Regel auch in Lateinschrift
bewahrt: Kallí-stratos ‘kalli- Variante von kalo- = schön + stratós = Heer’ (im
Agr. Individualname, heute FN), Frau Mavr-ommat-ídou ‘schwarz + ómmata =
Augen + -ídu’, Ioánnou, Phil-íppou < phílos ‘Freund’ + agr. (h)íppos ‘Pferd’.
Vereinzelt wird in Umschrift aber auch der eine der beiden gleichen Konsonanten
weggelassen: Hatzi-filípou.
Ein ganz anderes System wird neuerdings für elektronische Zwecke benutzt.
Hier ist das oberste Prinzip, eindeutige, sogar automatische Retransliteration zu
ermöglichen, und man bemüht sich, für griechische Buchstaben keine lat. Digraphen
zu benutzen, sondern 1 :1 zu übertragen. Dies System weist – mit kleinen
Varianten – folgende Entsprechungen auf, wobei z.T. rein äußerliche Ähnlichkeiten
maßgeblich sind: á a, _ b, ã g, ä d, å e, _ z, ç h, è q, é i, ê k, ë l, µ m, v n,
o o, ð p, ñ r, ó s, ò c, ô t, õ u, ö f, ) x, ø y, ù w. Da aus unerfindlichem Grund gewöhnlich
auf j verzichtet wird, kommt man somit für _ doch nicht ohne Digraph,
ks, aus. Gr. Digraphen werden jedoch strikt mit zwei lat. Zeichen wiedergegeben:
áé ai, áõ au, õ ou, µð mp, ãê gk usw. Besonders seltsam: Für den Akut wird
dem betonten Vokal ein lat. v nachgestellt. – Es dürfte klar sein, dass dies System
trotz aller Eindeutigheit für die „Normalumschrift“ von Namen nicht in Frage
kommt: Schreibungen wie Uyhlavnth für Õøçë_íôç, Fivlippoc Sumewnivdhc
für Ö_ëéðð_ò Óõµåùí_äçò wären doch wohl extrem gewöhnungsbedürftig.
Günther Steffen Henrich
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