6 Die Motivation der Familiennamen
6.1 Wohnstättennamen/Hofnamen
Der Großteil der finnischen Familiennamen geht, bedingt durch die sehr spezielle
Siedlungsweise, auf Hofnamen zurück und kann somit in die Kategorie
der Wohnstättennamen eingeordnet werden. Bis heute ist die Siedlungsstruktur
Finnlands von Einzelhofsiedlungen geprägt, die auch innerhalb einer Gemeinde
mehrere Kilometer auseinander liegen können. Die Benennung nach dem Namen
des Hofes bot demzufolge die einfachste und sicherste Möglichkeit, einen Menschen
eindeutig zu identifizieren.
Diese Hofnamen wiederum leiten sich entweder vom Namen des Besitzers
oder von landschaftlichen Gegebenheiten ab.
Von den zehn häufigsten Familiennamen Finnlands sind acht von Örtlichkeiten
bzw. Ortsnamen abgeleitet: Virtanen (virta ‘Strom, Fluss’ + -(i)nen), Nieminen
(niemi ‘Landzunge’ + -(i)nen), Mäkinen (mäki ‘Berg, Buckel, Hügel’ + -(i)nen),
Mäkelä (mäki + -lä), Hämäläinen (‘der aus Häme’, Stadt in Südwestfinnland),
Laine (laine ‘Welle’), Koskinen (koski ‘Stromschnelle’ + -(i)nen), Järvinen (järvi
‘See’ + -(i)nen).
6.2 Herkunftsnamen
Die finnischen Herkunftsnamen beziehen sich weniger auf Ortsnamen, sondern
eher auf Regionen bzw. Nationalitäten. Hierzu gehören Karjalainen ‘der aus
Karelien’ (Karjala), Lappalainen ‘der aus Lappland’ (Lappi), Salonen ‘der aus
Salo’, Saksalainen ‘der Deutsche’ (Saksa), Ruotsalainen ‘der Schwede’ (Ruotsi)
oder Venäläinen ‘der Russe’ (Venäjä).
6.3 Übernamen
Die Übernamen spielen insgesamt eine geringere Rolle, auch wenn der Name
Korhonen der zweithäufigste finnische Familienname ist. Dieser Familienname
kann als Übername für einen tauben, dümmlichen oder arroganten Menschen
erklärt werden. Auf Platz neun der finnischen Namen findet sich Heikkinen, der
436
Marko Meier
entweder auf finnisch heikko ‘schwach’ oder auf der Kurzform Heikki zum germanischstämmigen
Rufnamen Heinrich basiert.
6.4 Patronyme
Patronyme begegnen im Finnischen als eingliedrige Namen, dass heißt unter bloßer
Wiedergabe des Vatersnamens (z. B. 1469 Bengt Gunnari ‘Bengt, Sohn des
Gunnari’)25, als patronymische Ableitung mit dem finnischen Namenwort -poika
‘Sohn’ (z. B.: 1467 Olle Råkonpoika)26 oder häufig auch endend auf -son.27
Ausgesprochen häufig sind die patronymischen Namen mit dem Suffix -(i)nen
abgeleitet, wobei es sich hierbei häufig um jüngere Namenbildungen handelt
(vgl. Abschnitt 7).
Spätestens seit der Bronzezeit, so belegen archäologische Funde, bestand ein
intensiver Kontakt zu germanischen Stämmen. Die Mehrzahl der germanischstämmigen
Rufnamen gelangte seit der Eisenzeit ins Finnische. Ein Unterschied
zwischen den in dieser Zeit übernommen Namen und denen, die aus dem Schwedischen
und Deutschen im Mittelalter adaptiert wurden, lässt sich nicht feststellen.
28 Aus den Namen wurden in der Regel vereinfachte Kurzformen vom Typ
Heikki zu Heinrich gebildet, vgl. die Familiennamen Heikkinen und Heikkilä sowie
Heinonen (Heinrich), Hartikainen (< Hartmut, Hartwig etc.), Raukkola (<
Ragnhild, Ragnar).
Bedeutend für den finnischen Rufnamenschatz war die Christianisierung, die
seit der Jahrtausendwende stattfand, wobei sowohl die römisch-katholische als
auch die russisch-orthodoxe Kirche eine Rolle spielte. Die aus diesen religiösen
Zusammenhängen übernommenen Rufnamen wurden an das finnische Lautsystem
angepasst und, wie bei der Übernahme der germanischstämmigen Rufnamen,
verkürzt und suffigiert, vgl. Ovaska aus Athanasius, Hannula aus Juhannus
(< Johannnes), Mattila (< Matthäus), Pietarinen aus Pietar (< Petrus).
25 VAHTOLA 1997, S. 269.
26 Ebd.
27 Die Patronyme auf -son sind innerhalb der finnischen Familiennamen von den son-Namen
schwedischer Herkunft kaum zu trennen und finden hier keine Beachtung.
28 VAHTOLA 1997, S. 269.
437
Die finnischen Familiennamen in Deutschland
6.5 Berufsnamen
In einigen wenigen Fällen leiten sich finnische Familiennamen auch von Berufsbezeichnungen
ab, wie etwa 1484 Philpus Seppä (zu finnisch seppä’
‘Schmied’)29. Unter den finnischen Familiennamen in Deutschland tauchen nur
wenige Berufsnamen auf, zu nennen sind Hormila (zu hormi ‘Schornstein, Esse’
z. B. für den Kaminkehrer), Paakkari (zu schwedisch bagare ‘Bäcker’), Pelttari
(zu schwedisch bält ‘Gürtel, Gurt’ für den Sattler oder finnisch pelti ‘Blech’ für
den Blech- oder Kupferschmied oder Puukari zu puukko ‘Messer’).
Im Vergleich zum deutschen Familienamensystem, in welchem bekanntlich
17 der 20 häufigsten Familiennamen Berufsnamen sind, spielen sie in Finnland
eine eher untergeordnete Rolle. Der Familienname Seppäla ‘Schmied’
findet sich als häufigster finnischer Berufsname auf Rang 50 der Familiennamen.
7 Die neuzeitliche Namengebung im Zuge
der Nationalstaatsbewegung
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die finnische Familiennamenlandschaft
zweigespalten. In Ostfinnland verwendete die Mehrheit der bäuerlichen Bevölkerung
seit Jahrhunderten weitergegebene Familiennamen, während in Westfinnland
nur der Adel, die gebildeten Schichten, die Handwerker und Kaufleute sowie
Angehörige des Militärs Familiennamen trugen.
Die bäuerliche Bevölkerung in Westfinnland wurde anhand ihrer Wohnstätte
identifiziert, in Kirchenbüchern wurde der Rufname in Verbindung mit dem Vatersnamen
verwendet, allerdings in der schwedischen Form auf -son, Metronyme
waren ausgesprochen selten.
Im Zuge der finnischen Nationalbewegung, die aus den finnischsprachigen
gebildeten Schichten seit der Mitte der 1840er Jahre hervorging, setzte eine bewusste
Annahme finnischer Familiennamen ein. Öffentlichkeitswirksam wurde
diese Entwicklung mit der Konsolidierung der finnischsprachigen Volksschulen,
in denen die Lehrer den Schülern finnische Familiennamen verliehen.
29 Ebd.
30 Nach PAIKKALA 1999, S. 133.
438
Marko Meier
Mit der schrittweisen Einführung
des Finnischen als zweiter Amtssprache
gingen auch national gesinnte
Pfarrer dazu über, ihren Gemeindemitgliedern
finnische Namen einzutragen,
häufig sogar ohne deren Kenntnis. Ein
Großteil der westfinnischen Bevölkerung
wählte den Namen jedoch selbst.
Als Zentren dieser Entwicklung und
des nahezu gleichzeitigen Aufkommens
finnischer Familiennamen im
Westen des Landes stellten sich die
Lehrerseminare und Bildungsanstalten
sowie die Pfarrgemeinden heraus.
Als Benennungsmotive wurden einer
Studie zufolge die klassischen, historisch gewachsenen Familiennamenmotivationen
wie Haus- oder Hofname, Name des Kirchspiels, einer bestimmten Naturgegebenheit,
der Beruf des Namensträgers sowie – und das ist das Besondere
– ein früher bereits vorhandener familiennamenähnlicher Beiname gewählt, auch
bestimmte oft familienbezogene Rufnamen flossen in die Namenwahl ein.31
Häufig spielten hier bestimmte Namenmoden eine Rolle, wie der Familienname
Virtanen (zu virta ‘Strom, Fluss’), der in der Region Uusimaa in Südfinnland
gehäuft auftrat, zeigt. Auch bestimmte Bildungsmuster wurden bevorzugt gewählt,
so wurde beispielsweise das Suffix -nen als vermeintlich typisch finnisches
Familiennamensuffix ausgesprochen häufig zur Namenbildung verwendet.
Teils wurden die bereits vorhandenen Bei- oder Familiennamen schwedischen
Ursprungs übersetzt: aus schwedisch Södervik wurde finnisch Lahti (schwedisch
vik = finnisch lahti ‘Bucht’) oder aus schwedisch Broman wurde finnisch Siltanen
(schwedisch bro = finnisch silta ‘Brücke’).
Am schwierigsten zu bewerten sind hier die Namen, die sich auf Naturgegebenheiten
beziehen, da sie sowohl auf die die Wohnstätte betreffenden Eigenschaften
bezogen sein können als auch auf sehr allgemeine Fakten Bezug nehmen,
bspw. die Vorliebe zur Natur.
31 MIKKONEN 1990, S. 179 ff.
Abb. 2: Die Zweiteilung der finnischen
Namengebung30
439
Die finnischen Familiennamen in Deutschland
Namen wie Jalonen (aus finnisch jalo ‘edel, vornehm’) sprechen hinsichtlich
der Namen, die sich auf Eigenschaften beziehen, für sich. Ähnlich abstrakte Namen
sind die, die auf bestimmte Ereignisse Bezug nehmen, die mehr oder minder
mit der Familiengeschichte zu verbinden sind, vgl. den Familiennamen Suurlaakko
(zu finnisch suurlaakko ‘Generalstreik’).32
7.1 Die Praxis der Namengebung im 19. / 20. Jahrhundert
Bei der Bildung der neuen finnischen Familiennamen spielte vor allem der Typus
der Namen auf -(i)nen eine große Rolle: In den 1870er Jahren machten sie 40 %
der angenommenen Familiennamen aus, in den Jahren 1890–1920 sogar 60 %.33
Die Gründe hierfür liegen vor allem in der Tatsache, dass dieser Namentyp in
Ostfinnland seit Jahrhunderten in Gebrauch war und daher die Vorstellung verbreitet
war, dass diese Endung zu einem finnischen Namen gehört. Etwa 25 %
der -(i)nen-Namen jüngeren Ursprungs basieren auf einem Toponym, meist dem
Hausnamen, vgl. Hausname Iso-Aho in Mittelfinnland oder Ahola in Häme (zu
Ahonen, finnisch aho ‘Schwende, Rodung’). Am Beispiel des Namens Järvinen
(finnisch järvi ‘See’), der aus einer früheren Form Särkijärvi entstanden ist, zeigt
sich, dass auch der Typus des Familiennamens aus einem früheren Bei- oder Familiennamen
mit Hilfe der Endung -nen gebildet wurde.
Auch das Bildungsmuster der Familiennamen auf -la ist in einigen Regionen
sehr oft verwendet worden. Der jahrhundertelangen Namenbildungstradition
folgend, wurden Bei- und Familiennamen unter Anfügen dieser Silbe
gebildet, wobei 60 % der Namen auf Toponymen, insbesondere Haus- und
Hofnamen, basieren, vgl. Koivula (zu koivu ‘Birke’) zum gleich lautenden Hofnamen.
34
Aus früheren Namen auch schwedischen Ursprungs wurden 12 % der Namen
auf -la gebildet, so etwa finnisch Paasiala aus schwedisch Helman, wobei das
schwedische Wort häll ‘Felsspalte’ durch die finnische Entsprechung paasi ersetzt
wurde.
32 Ebd.; wohl in Bezug auf den Generalstreik von 1905, in dem die finnische Bevölkerung von
Nikolaus II. die Wiederherstellung der Autonomie sowie die Schaffung einer nichtständischen
Volksvertretung zugesichert bekam.
33 Ebd. S. 184.
34 Ebd. S. 183.
440
Marko Meier
Die z. T. sehr alten zweigliedrigen Toponyme, die traditionsgemäß auf dem
Namen der Wohnstätte beruhen, finden sich ebenfalls sehr häufig unter den neuen
Namen. Hierbei gehen 36 % auf ein Toponym und 30 % auf einen speziellen
Haus- / Hofnamen zurück. Auch frühere Familiennamen sind zu dieser Gruppe zu
zählen.
Seit den 1890er Jahren begann sich der Typus des eingliedrigen Namens vom
Typ Laine (laine ‘Welle, Woge’) vermehrt durchzusetzen. Etwa 80 % der so gebildeten
Namen ist in der Zeit von 1890 bis 1920 entstanden. Zu nennen sind
Namen wie Aalto ‘Welle’, Harju ‘Landrücken’ oder Laakso ‘Tal’. Die Mehrheit
dieser Namen bezieht sich auf konkrete Toponyme (23 %), mit 15 % folgen die
früheren Familiennamen wie etwa Oja (finnisch oja ‘Graben’). Hier gab es teils
auch Rückbildungen, wie der Name Koski aus früherem Koskinen zeigt. Auch
Übersetzungen aus dem Schwedischen sind in dieser Gruppe der Namenbildungen
zu finden, vgl. Vuori (finnisch vuori ‘Berg’) aus schwedisch Nål + berg.
Auch suffigierte eingliedrige Namen finden sich unter den neuen Namentypen,
bspw. Honkio (aus finnisch honka ‘Kiefer’), Vuorio (aus finnisch vuori
‘Fluss’) oder Haavio (zu finnisch haapa, Gen. haava ‘Espe’).
Faktisch haben sich die Familiennamen neuen Typs im Vergleich zu den historisch
gewachsenen Familiennamen Ostfinnlands typologisch kaum geändert.
Nach wie vor bilden die Namen, die sich auf die Bezeichnung des Hauses oder
Hofes bezogen, die größte Gruppe der Familiennamen. Neue Namenmotive tauchen
kaum auf und sind als Einzelfälle zu betrachten.
Im Gegensatz zu den alten Familiennamen kann aus den neu gebildeten Formen
kein eindeutiger Rückschluss auf mögliche historische Zusammenhänge gezogen
werden, da willkürliche Benennungen nach Wohlklang, Nameninhalt oder
abstrakten Benennungsmotiven nicht ausgeschlossen werden können.
8 Fazit
Das finnische Namensystem ist in seiner Entstehungsgeschichte zweigespalten:
den alten historisch gewachsenen Bei- und Familiennamen Ostfinnlands stehen
die erst im Zuge der Nationalbewegungen seit den 1840er Jahren entstandenen
Namen neuen Typs in Westfinnland gegenüber. Äußerlich sind die Namen nicht
zu unterscheiden, so dass anhand des ausgewerteten Materials nicht festgestellt
werden kann, welche Namen zu welcher der Namenschichten gehören. Struktu-
441
Die finnischen Familiennamen in Deutschland
rell und inhaltlich setzten sich die ostfinnischen Namenbildungstraditionen bis
zur 1926 gesetzlich verordneten Fixierung der Familiennamen fort. Auch die
finnischen Familiennamen in Deutschland spiegeln die wesentlichen Merkmale
des Namensystems wider: Die Wohnstättennamen, zumeist Bezeichnungen von
Einzelhöfen, dominieren in inhaltlicher Hinsicht. Strukturell überwiegen die suffigierten
Formen, wobei das Suffix -(i)nen am häufigsten vertreten ist.
Literatur
ANDERSSON, T. 1995: Namen in Skandinavien. In: E. Eichler u. a. (Hg.), Namenforschung. Ein
internationales Handbuch zur Onomastik. Berlin, New York (= HSK 11.1), S. 792–804.
BRENDLER, A.; S. BRENDLER (Hg.). 2007: Europäische Personennamensysteme. Ein Handbuch
von Abasisch bis Zentralladinisch. Hamburg (= Lehr- und Handbücher zur Onomastik 2).
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Vorträge des am Finnland-Institut in Deutschland, Berlin abgehaltenen Symposiums vom
17.–18. Mai 1996. Berlin.
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HAKULINEN, L. 1957: Handbuch der finnischen Sprache. Band I. Wiesbaden.
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1921. In: E. M. Närhi (Hg.), Proceedings of the XVIIth International Congress of Onomastic
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PAIKKALA, S. 1997: The roots of the families called Kiviniemi. In: PITKÄNEN / KAIJA, S. 249–
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F. Debus (Hg.), Onomastik. Akten des 18. Internationalen Kongresses für Namenforschung
(Trier, 12.–17. April 1993). Band III: Namensoziologie. Tübingen (= Patronymica Romanica
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PITKÄNEN, R. L.; M. KAIJA (Hg.). 1997: You name it. Perspectives on onomastic research. Helsinki
(= Studia Fennica Linguistica 7).
VAHTOLA, J. 1997: The oldest Finnish personal names. In: PITKÄNEN / KAIJA, S. 268–273.
LÁSZLÓ VINCZE
Familiennamen aus dem Ungarischen
0 Vorwort
Der Übergang von der Einnamigkeit zur Zwei- beziehungsweise Mehrnamigkeit
gliedert sich im Ungarischen in mehrere Zeitabschnitte. In der ersten Periode
(vom 13. bis zum 14. Jh.) wurde die Zweinamigkeit vom Hochadel und dem
Kleinadel aus der Provinz, im 15. Jh., am Anfang der zweiten Periode (vom 15.
bis zum 18. Jh.) von den Stadtbürgern, den Leibeigenen und den Knechten angenommen.
Am Ende des 16. Jh.s wurde die Zweinamigkeit von den Eltern an die
Kinder meistens in allen Schichten der Gesellschaft weitergegeben. Die vorhandenen
Familiennamen sind teils nach dem Namengesetz Josephs II. von 1787,
teils nach dem Staatsgesetz von 1895 über die Eintragung der Personennamen ins
Personenstandsregister bis in die Schreibweise festgelegt und jeglichem Sprachwandel
entzogen. In der zweiten Hälfte des 18. Jh.s ist der jahrhundertelange
Festigungsprozess (Stabilisierungsprozess) der Familiennamen im Allgemeinen
zu Ende gegangen.
1 Geschichtliches (Gründe und Zeiten der Zuwanderung)
In der Zeit vom 14. bis zum 16. Jh. erlebten die Städte in Oberungarn und in der
Zips durch den bedeutenden Erzbergbau eine Blütezeit. Die Berg- und Handelsstädte
wurden stets reicher. Die Patrizier – die „Bürger“ – konnten immer mehr
Macht und Vermögen an sich reißen. Die erfolgreichen Kaufl eute (z.B. die Haller
aus Nürnberg, die Fugger aus Augsburg) gründeten in mehreren ungarischen
Städten Niederlassungen, sicherten sich Einkünfte aus den oberungarischen
Bergwerken und investierten in den Bergbau. Sie heirateten in einfl ussreiche ungarische
Patrizierfamilien ein und begründeten damit die ungarischen Zweige der
Familienlinien (ALMÁSI 1999, S. 14 –16; BALOGH 2006, S. 86 – 91). Der gesellschaftliche
und ökonomische Aufstieg führte sie bis an die Höfe von ungarischen
Königen, wo sie Spitzenpositionen mit hoher Verantwortung einnahmen.
443
Vom Anfang des 14. Jh.s bis zum Ende des 17. Jh. hatte Ungarn zu den süddeutschen
Städten intensive Handelsbeziehungen. Die Viehtreiber und die Waffenknechte
des ungarischen Hochadels und der Viehhändler trieben Schaf-, Rinder-,
Schweine- und Pferdeherden aus den Marktfl ecken und Gütern der Großgrundbesitzer
Ungarns auf die Märkte der deutschen, hauptsächlich süddeutschen,
Städte (Augsburg, Nürnberg, Regensburg) und versorgten sie mit Fleisch. Die
Handelsbeziehungen trugen zur Verbreitung einiger ungarischer Familiennamen
auf süddeutschem Sprachgebiet bei (MANHERZ 1998, S. 7–15).
Seit dem 15. Jh. zieht es viele Studenten aus Siebenbürgen, Oberungarn,
Transdanubien, und vom Großen Ungarischen Tiefl and in die Universitäten der
deutschsprachigen Länder (im 15. Jh. nach Wien; im 16. Jh. nach Heidelberg,
Tübingen, Wittenberg; im 17. Jh. nach Jena, Leipzig, Marburg, Frankfurt an der
Oder, Rostock; im 18. Jh. nach Altdorf, Erlangen, Göttingen, Halle). Im 16. Jh.
haben besonders viele ihre Studien im Zentrum der Reformation an der Universität
Wittenberg absolviert und einige von ihnen sind sogar glühende Anhänger der
Reformation geworden. Nach der Heimkehr haben die ehemaligen Absolventen
der Universität Wittenberg die Reformation in Ungarn eingeführt und Luthers
Bibel bzw. andere religiöse Schriften von ihm, z.B. den „Kleinen Katechismus“,
ins Ungarische – ein Meilenstein in der Entwicklung einer ungarischen Literatursprache
– übersetzt. Durch die ungarischen Studenten, die an den Universitäten
der deutschsprachigen Länder studiert haben, haben sich einige Familiennamen
ungarischen Ursprungs auf deutschem Sprachgebiet verbreitet (TOLNAY 2004, S.
4 –10).
Mitgerissen von den Ideen der ungarischen bürgerlichen Revolution von 1848
wurden die Ungarndeutschen und viele nationalgesinnte Bürger aus den deutschsprachigen
Ländern zugleich Vorkämpfer der ungarischen Freiheit. Im Führungsstab
des ungarischen Freiheitskampfes von 1848–1849 begegnet man zahlreichen
Deutschen. Auch die ungarischen Freiheitskämpfer unterstützten die bürgerlichen
Revolutionen von 1848 in Europa (März 1848 in Wien und in Berlin) und nahmen
an ihnen aktiv teil. Nach Niederschlagung des Freiheitskampfes kamen Tausende
von Freiheitskämpfern in österreichische Gefängnisse (Kufstein, Olmütz,
Josefstadt, Theresienstadt, Königgrätz). Andere emigrierten nach Paris, London,
Brüssel, in die Schweiz, und in die USA (ALMÁSI 1999, S. 27–29).
Infolge der Agrarkrise und der unentwickelten heimischen Industrie wurden
die Einwohner der Österreichisch-Ungarischen Monarchie am Ende des 19. Jh.s
von einem Auswanderungsdrang ergriffen. Zwischen 1880 und 1899 verließen
László Vincze
444
eine halbe Million, zwischen 1899 und 1914 anderthalb Millionen Menschen das
Heimatland und fanden in den USA und in den westeuropäischen Ländern eine
neue Heimat und sicheren Unterhalt. Von diesen zwei Millionen Auswanderern
belief sich die Zahl der ungarischen Muttersprachler auf etwa 40 Prozent (VUILLEUMIER
1992).
Das Ende des Ersten Weltkrieges bedeutete die Aufl ösung der Österreichisch-
Ungarischen Monarchie und die darauffolgenden Grenzziehungen brachten
grundlegende territoriale Veränderungen. Vom westlichen Teil Ungarns kamen
3967 Quadratkilometer zu Österreich. Nach den Angaben der Volkszählung von
1981 lebt heute eine ungarische Bevölkerung von 4147 Personen in folgenden
Ortschaften Österreichs: dt. Unterwart (ung. Alsóõr), dt. Oberwart (ung. Felsõõr),
dt. Sziget in der Wart (ung. Õrsziget), dt. Mittelpullendorf (ung. Középpulya), dt.
Oberpullendorf (ung. Felsõpulya) (BEDÉCS 1991, S. 26 –30).
Wegen der zugespitzten politischen Lage nach dem 1. August 1919, dem Sturz
der Ungarischen Räterepublik, verließen 100 000 Menschen Ungarn. Die politischen
Flüchtlinge wurden von Sowjetrußland und von den westeuropäischen
Ländern (vor allem von Österreich) aufgenommen.
Die schwierigen Lebensverhältnisse zwischen den zwei Weltkriegen (zwischen
1921 und 1942) zwangen mehr als 52 000 Staatsbürger nach Frankreich,
Belgien, in die USA, nach Kanada oder in die südamerikanischen Länder zu emigrieren.
Im Laufe des Zweiten Weltkrieges, hauptsächlich im Jahre 1944, wurden aus
Ungarn zirka 570 000 Personen (Juden, Mitglieder der Unabhängigkeitsbewegung,
Widerstandskämpfer, Kommunisten) in die Konzentrationslager Deutschlands
(Auschwitz, Buchenwald, Sachsenhausen usw.) verschleppt. Am Ende des
Krieges wurden ungarische Truppenverbände nach Deutschland kommandiert.
Wegen der Kriegsgefahr (Bombardement, Kampfhandlungen) wurden Krankenhäuser,
Schulen, Fabriken, Betriebe mit der Zivilbevölkerung aus Ungarn nach
Deutschland evakuiert. Viele von ihnen sind nach dem Kriegsende nicht nach Ungarn
zurückgekehrt (z.B. wegen Eheschließung, des sicheren Unterhaltes usw.)
Die Beurteilung der Ungarndeutschen, die oft ungarische Namen angenommen
haben, nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die ihnen gegenüber angewendeten
Verfahren wurden grundsätzlich von der Stellungnahme der Großmächte
– in erster Linie der Sowjetunion – determiniert. Nach den Angaben einer ungarischen
Studie aus dem Jahre 1982 wurden im Jahre 1946 ca. 135 000, laut
eines in der Bundesrepublik Deutschland erschienenen Werkes 220 000 Personen
Familiennamen aus dem Ungarischen
445
in die amerikanische Besatzungszone Deutschlands ausgesiedelt. In den Jahren
1947–1948, während der zweiten Welle der Vertreibung, betrug die Zahl
derjenigen, die in die sowjetische Zone ausgewiesen wurden, ungefähr
50 000 – 60 000. Die Zielorte der Transporte waren zuerst Sammellager, danach
Städte und Gemeinden der Länder Deutschlands. Von Baden-Württemberg wurden
98 000, von Bayern 49 000, von Hessen 26 000, von Niedersachsen 2000,
von Nordrhein-Westfalen 2000, von Rheinland-Pfalz 1000 Ungarndeutsche aufgenommen
(FÜZES 1999, S. 11).
Als der ungarische Aufstand am 4. November 1956 von sowjetischen Truppen
niedergeschlagen wurde, fl ohen zirka 150 000 – 200 000 Flüchtlinge in die
westeuropäischen Länder, in die USA und nach Kanada. Sowohl in Österreich
als auch in der Bundesrepublik Deutschland haben je 30 000 – 35 000 Flüchtlinge
Zufl ucht gefunden (STORM 1998, S. 86).
Nach 1960 wurden durch die zwischen der ehemaligen DDR und der Ungarischen
Republik unterschriebenen Verträge über die freundschaftliche Zusammenarbeit
und Partnerschaft die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen
der zwei Länder intensiver. Viele Forscher durften in die DDR fahren und Erfahrungen
auf verschiedenen Fachgebieten sammeln. Die ungarischen Germanistikstudenten
konnten im Rahmen zwischenstaatlicher Vereinbarungen ganze
Semester an ostdeutschen Universitäten absolvieren. Zwischen 1967 und 1972
arbeiteten 16 000 ungarische Vertragsarbeiter in verschiedenen Fabriken und Betrieben
der DDR (z.B. in Arnstadt, Dresden, Ebersbach, Erfurt, Karl-Marx-Stadt
[Chemnitz], Sömmerda) (LINSENMANN 2006 – 2007, S. 38 – 39).
Nach statistischen Angaben von 1990 beläuft sich die Zahl der Ungarn in
Österreich auf 70 000, in Deutschland auf 50 000, in der Schweiz auf 10 000
(FODOR 2000, S. 879).
László Vincze
446
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