3 Arabische und persische Familiennamen
Zur Struktur klassischer arabischer Namen gibt es zahlreiche Arbeiten (AUDA
1987; CAETANI 1915; DIETRICH 1961; FISCHER 1995; GAFUROV 1987; HANKS
2003, S. XCIX– CII; SALAHUDDIN 1989; SCHIMMEL 1989, 1993; WILD 1982
u. a.).
Arabische Namen werden meist mit muslimischen Namen gleichgesetzt,
da diese stark religiös geprägt sind. Mit dem Islam sind arabische Namen und
Namenmuster auch in den persischen, turksprachigen, indischen, zentralasiatischen
und afrikanischen Raum gelangt. In der arabischen und persischen
Welt gibt es neben Muslimen, aber ebenso Christen, Juden und andere Religionsgruppen.
Das klassische arabische Namensystem besteht in der Regel aus fünf bis zu
sieben Elementen:
dem persönlichen oder Individualnamen ( • ism oder ´alam), einem Rufnamen
aus einer kleinen Gruppe von Namen aus dem Koran, auch vorislamischen
Namen, von historischen Gestalten, Tierbezeichnungen, mit und ohne Artikel
al, teilweise mit solchen Zusätzen wie ´abd ‘Sklave, Diener’ bzw. Allah
oder einem Gottesnamen (z. B. Muhammad, Ahmad, al-Hasan, Abdullah,
´Abd al-Karim, ´Ata Allah, Asad, Usama oder Fatima, Samra u. a.);
einem persönlichen ehrenvollen Beinamen ( • kunya oder agnomen), mit dem
Muslime angesprochen werden, wie z. B. abu (abou, bu, abo) ‘Vater’ und
umm ‘Mutter’ von ... (meist nach dem ältesten Sohn, aber auch Kinderlose
nach historischen Söhnen: Abu Talib ‘Vater von Talib’ oder Umm Abdullah
‘Mutter von Abdullah’);
einer patronymischen Namensform (Vaters-, Verwandtschaftsname) oder •
Generationsname (nasab), der die Abstammung meist über mehrere Ge-
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Neue Familiennamen in Deutschland seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts
nerationen anzeigt (Ahnenreihe), so z. B. Ibn (Bin, Ben) ´Umar ‘Sohn des
Umar’ oder bint, ibnat ´Abbas ‘Tochter von Abbas’; der zweite Name ist
der erste Name des Vaters, das dritte Element kann noch fünf und mehr
Teile enthalten, meist den ersten Namen des Großvaters väterlicherseits
(Namenketten); auch akhu ‘Bruder’ und ukht ‘Schwester’ (wenn diese bekannte
Persönlichkeiten sind) bzw. al ‘Familie’ (Al Sa’ud ‘Sa’uds Familie’)
erscheinen;
einer oder mehrerer Herkunftsbezeichnungen ( • nisba), die die Herkunft aus
einem Ort (mit der Endung -i bzw. bei Frauen -iyya) oder den Geburtsort
(zusätzlich mit dem arabischen Artikel al) anzeigen, so z. B. Muhammad
ad-Dimishqi al-Kufi ‘Muhammad aus Damaskus (Geburtsort), aber in Kufa
wohnend oder bekannt geworden’ bzw. Fatima al-Baghdadiyya ‘Fatima
aus Bagdad’;
einer Berufsbezeichnung ( • nisba) nach dem Beruf, Beschäftigung oder der
religiösen Haltung einer Person, wie z. B. al-Mauardi ‘der Rosenwasserhändler’,
al-Khaiiati ‘der Schneider’, al-Haddadi ‘der Schmied’, al-Hariri
‘der Seidenhändler’ und
einem Spitznamen ( • laqab, lakab) nach äußeren Merkmalen (al-Aswad ‘der
Schwarze’, at-Tawil ‘der Lange’, al-Kabir ‘der Große (Alte)’), nach Tieren
(al-Asad ‘der Löwe’, al-Haidar ‘der Löwe’, al-´Uqab ‘der Adler’), die
ebenso als persönliche Namen gebräuchlich sind, nach einer Begebenheit
oder einer Tätigkeit (an-Najjar ‘der Zimmermann’) oder nach edlen, ehrenvollen
Eigenschaften (al-Nasif ‘der Gerechte’, al-Siddiq ‘der Wahrheitsliebende’).
Dieses mehrteilige Namensystem ist im gesamten arabischsprachigen Raum
zu finden. Es kann von Land zu Land und je nach sozialer Stellung variieren. Die
Reihenfolge lautet in der Regel: (Kamal-ad-din) (Spitzname laqab) – Abu l-Hasan
ehrenvoller Beiname (kunya) – ´Ali persönlicher Name (ism) – Muhammad
ibn Ahmad patronymischer Name (nasab) – al-Bagdali Herkunfts- oder Berufsname
(nisba) – (Spitzname laqab). Ein Spitzname erscheint nicht immer. Höher
gestellte und berühmte Personen, wie Sultane, Kalifen u. ä., konnten zu ihren
Namen noch die ehrenden Zusätze ud-Din ‘des Glaubens’, al-Islam ‘des Islam’,
al-Mulk ‘des Königreiches’, al-Daula ‘des Landes, Staates’ u. ä. erhalten.
Im 20. Jahrhundert wurden auch in einigen westlich orientierten arabischen
Staaten vereinfachte Namensysteme bzw. moderne Familiennamen eingeführt.
Gabriele Rodríguez
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Die Namenketten wurden auf den persönlichen und in der Regel den patronymischen
Namen nasab (meist den letzten in einer Reihe) reduziert. Dies ist auch
schon früher bei berühmten historischen Persönlichkeiten zu beobachten, die
meist nur unter einem Namen bekannt wurden. So kennt man den persischen
Arzt, Physiker, Philosoph und Wissenschaftler Abu ´Ali al-Husayn ibn ´Abd Allah
ibn Sina (980 .1037) im europäischen Raum unter seinem lateinischen Namen
Avicenna bzw. arabisch Ibn Sina, im arabischen Raum als Ibn Sina (nasab) bzw.
im persischen Raum als Abu ´Ali Sina.
Durch den starken Einfluss des Islam wurde das arabische Namensystem auch
im persischen Raum (im Iran im 7. Jahrhundert), im indischen Raum, in Zentralasien,
in West- und Ostafrika (vor allem Nigeria, Tansania und Kenia) und im turksprachigen
Raum eingeführt. Die arabische Schrift wurde übernommen und den
entsprechenden Sprachen angepasst. Das Persische wird heute mit arabischen
und einigen zusätzlichen Sonderzeichen geschrieben. Andere Länder, wie z. B.
die Türkei 1928, ersetzten in der Neuzeit die bis dahin verwendete arabische
Schrift durch die lateinische. Arabische Namen mit regionalen Besonderheiten
findet man heute in der gesamten muslimisch geprägten Welt.
Im persischen und indischen Raum wurde das arabische Namensystem noch
durch zahlreiche persische Namen erweitert (z. B. Javed ‘ewig’, Jahan ‘Welt’,
Firdaus ‘Paradies, Himmel’), die damit bis heute erhalten geblieben sind. Einer
der bekanntesten Perser ist z. B. der Dichter Abu l-Kasim Mansur Firdausi (Abul
Qasim Mansur Firdausi) (934 –1020), bekannt unter seinem persischen Namen
Firdausi/Firdosi.
Früher gab es keine gesetzlichen Regelungen zur Namenführung. Jeder konnte
unter einem der fünf bis sieben Namen bekannt werden. Heute ist die Namengebung
in den meisten Ländern des arabischen und persischen Sprachraums
dagegen gesetzlich geregelt. Familiennamen wurden erst in der Neuzeit durch
französischen Einfluss z. B. in Nordafrika eingeführt. So ist z. B. in Ägypten das
Führen von drei Namen und eines zusätzlichen Familiennamens bzw. in Marokko
eines Familiennamens überhaupt vorgeschrieben. Und im Irak wird dem persönlichen
Namen noch ein Vaters- und ein Herkunftsname beigefügt. Bei angesehenen
Familien war es aber auch schon früher üblich, den Vatersnamen oder eine
Herkunftsbezeichnung als Familiennamen zu führen.
Menschen aus dem arabischen und persischen Sprachraum leben heute in
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Neue Familiennamen in Deutschland seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts
Deutschland in der Regel mit einem vereinfachten Namen. Ursprüngliche Namenketten
wurden verkürzt. Gewählt wurden als Familiennamen meist patronymische
Namen, aber auch Bei- und Spitznamen. In Deutschland gibt es heute
eine große Anzahl von arabischen Familiennamen mit dem arabischen Element
ibn/bin/ben ‘Sohn’ in der Regel groß geschrieben, mit und ohne Bindestrich (Ibn
Nourddine, Ibn-Salem, Bin-Aziz, Ben Abdallah, Ben Achmed, Ben Ahmed, Ben
Ali, Ben Asisa, Ben Aziza, Ben Bouazza, Ben Brahim, Ben Cheikh, Ben Hamza,
Ben Hassan, Ben Khaled, Ben Mohamed, Ben Moussa, Ben Slimane, Ben
Taleb, Ben Youssef, Ben-Ali, Ben-Mohamed, Ben-Sliman, Ben-Taleb), die je nach
Ausgangsland unterschiedlich geschrieben werden können: z. B. Ibn Musa oder
französisch geprägt Ben Moussa. Die Namensformen mit ben anstelle von ibn
findet man meist bei Bürgern aus Marokko, Tunesien, Algerien oder auch Syrien
und Libanon.
Das Arabische kennt kein o oder e. Aber zahlreiche Namen werden heute je
nach Aussprache auch mit o oder e ins Deutsche übertragen. So erscheint der
Name Muhammad ebenso in den Schreibformen Muhamed, Mohamed, Mohammed
und Mohammad.
Sehr zahlreich sind Familiennamen mit dem arabischen Artikel al (el) (häufig
nicht zu trennen vom arabischen Substantiv Al in der Bedeutung ‘Familie’ in
Dynastie-Bezeichnungen wie Al Saud, da in Namen ebenso groß geschrieben)
und einem (persönlichen) Namen (mit und ohne Bindestrich) in verschiedenen
Schreibvarianten (je nach Herkunftsland) oder auch einer Orts- oder Berufsbezeichnung:
z. B. Al Ahmad, Al Ali, Al Assad, Al Ghusain, Al Hüssein, Al Hussein,
Al Hasan, Al Hassan, Al Ismail, Al Mohamad, Al Mustafa, Al-Ahmed, Al-Ahmad,
Al-Ali, Al-Hassan, Al-Hussein, Al-Kassem, Al-Mansur, Al-Mahdi, Al-Kamel,
Al-Kadi, Al-Kasim, Al-Tawil, Al-Zein, Al-Arab, Al-Ansari, Al-Azawi, Al-Bayati,
Al-Ghazali, Al-Isfahani, El Ahmad, El Ahmed, El Ali, El Bakar, El Mansouri,
El Mahmoud, El Masri, El Mohamed, El-Abdula, El-Ahmad, El-Ahmed, El-Ali,
El-Amir, El-Arab, El-Bekri, El-Cheikh, El-Ghussein, El-Hadi, El-Hassan, El-Husain,
El-Hussein, El-Mohamad, El-Mohammad, El-Muhammad uvam. (klickTel
1998).
Auch Namen mit dem Zusatz Abu bzw. französisch Abou ‘Vater’ gibt es in
Deutschland: so z. B. Abu Baker, Abu El Hassan, Abu Khaled, Abu Mohammed,
Abu Pascha, Abu-Baker, Abu-El-Auf, Abu-El-Soud, Abu-Es-Soud, Abu-Zeid,
Abubaker, Abou Hassan, Abou Khaled, Abou-Bakr, Abou-El-Hasan, Abou-Taleb,
Abouali, Aboubakar und Abouhossein. All diese Namen erscheinen aber auch
Gabriele Rodríguez
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ohne die Elemente ibn, al, abu als Familiennamen (z. B. Ali, Ahmed, Mohamed,
Mohammed, Muhammed, Hussein, Hossein, Khalil, Mustafa, Aziz, Azizi, Osmani,
Arab, Tawil, Ghazali, Isfahan, Isfahani, Bukhari, Firdausi, Firdus, Ghassari
u. a.).
Eine einheitliche Schreibweise der Namen gibt es nicht. Sie lassen die Herkunft
und den meist englischen, französischen oder deutschen Einfluss in der
Übertragung der Namen erkennen. Auch die Schreibweise des Artikels oder der
Namenzusätze variiert. Diese werden groß und klein, mit oder ohne Bindestrich
geschrieben, obwohl bei arabischen Namen die Schreibweise al-… bzw. Abu
(ohne Bindestrich) üblich ist. Entsprechend groß ist die Anzahl unterschiedlicher
Familiennamen mit arabischem oder persischem Ursprung. Zu den häufigeren
Familiennamen gehören hier Ali und Mohamed, die im Vergleich aber zu den sehr
häufigen türkischen Familiennamen Yýlmaz oder Öztürk dagegen eher selten vorkommen
(vgl. die Karten 3 und 4). Familiennamen mit den weiblichen Zusätzen
bint ‘Tochter’ und umm ‘Mutter’ ließen sich in Deutschland nicht nachweisen.
Karte 3: Verbreitung des Namens Ali (Quelle: Geogen v3.0.2625 © 2005 –2007)
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Neue Familiennamen in Deutschland seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts
Karte 4: Verbreitung des Namens Mohamed (Quelle: Geogen v3.0.2625 © 2005 –2007)
4 Indische Familiennamen
Zu indischen Personennamen gibt es kaum umfassende Literatur. Einige wenige
Namenbücher (meist zu Rufnamen) und Spezialabhandlungen zu vedischen
Namen, Pali-Namen, Sanskrit-Namen, tamilischen Namen, dravidischen Namen
und Kashmir-Namen sind zu nennen (SCHMITT 1995; KRISHNAMURTI 1995; KACHRU
1995; KOUL 1994; MEHROTRA 1994; MIRANDA 2003).
Der indische Raum kann in zwei Sprachgebiete geteilt werden: die nordindischen
Staaten mit ihren indo-arischen Sprachen und den südindischen Raum
mit den dravidischen Sprachen. In den meisten nordindischen Staaten ist Hindi
offizielle Sprache. Daneben werden auch Gujarati, Panjabi, Urdu, Romani, Bengalisch,
Bihari, Maithili, Oriya, Nepali, Kashmiri, Lahnda, Sindhi u. a. Sprachen
gesprochen. Zur indo-arischen Gruppe gehört ebenso das Singhalesische. In den
südindischen Ländern werden die dravidischen Sprachen: Tamilisch, Malayalam,
Kannada und Telugu gesprochen.
Gabriele Rodríguez
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Indische Personennamen sind eng mit der Zugehörigkeit zu einer Kaste (jati)
bzw. Klasse (varna) verbunden. Es gibt vier soziale Klassen (varna): die der Priester
und Gelehrten (Brahmanen), die der Krieger, höheren Beamten, auch Könige
und Prinzen (Kshatriya), die der Händler, Kaufleute und Landwirte (Vaishya)
und die der Dienstleute, Handwerker und Landarbeiter (Shudra), die wiederum
in hunderte von Kasten (jati ‘Geburtsgruppe, Klan’) unterteilt werden. Die Kasten
(jatis) dienen nicht allein der beruflichen, sondern auch der sozialen und
ethnischen Zuordnung. Sie unterscheiden sich innerhalb Indiens je nach Region
erheblich. So gehören zur Gruppe der Krieger und Beamten (Kshatriya) u. a. die
Kaste Rajput, zur Klasse der Händler und Kaufleute (Vaishya) die Kasten Bania,
Vania, Arora, Khatri, Sood und Bhatia.
Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse (varna) konnte durch verschiedene
Endelemente ausgedrückt werden: z. B. -dasa ‘Diener’ (bei Dienstleuten),
-datta ‘Geschenk, Gabe’ (bei Händlern), -deva ‘Gott’ (bei Brahmanen), -gupta
‘Geheimnis’ (bei Händlern), -šarma ‘Freude’ (bei Brahmanen), -sena ‘Armee,
Militär’, -simha ‘Löwe, angesehene Person’ und -varma ‘Schutz’ (bei Kriegern),
die heute auch als eigenständige Nachnamen zu finden sind (Das, Datta, Deo,
Gupta, Sharma, Sen, Singh, Sinha und Varma). Andere Namenelemente, wie z. B.
èandra ‘Mond’, kumara ‘Sohn’, nath ‘Herr’, lal ‘Liebling, geliebt’, prasada ‘Geschenk’
und raja ‘König’, wurden klassenunabhängig verwendet und sind ebenso
als Nachnamen zu finden (Chand, Kumar, Nath, Lal, Prasad, Raj).
Aus Kastennamen und Unterkastennamen sind zahlreiche Familiennamen
entstanden (u. a. Arora, Bhatia, Khatri, Nair, Reddy, Sood, Ahuja, Batra, Chana,
Chawla, Dua, Gulati, Anand, Bahl, Bahri, Bhalla, Chopra, Dhawan, Kapoor,
Kohli, Sahni, Sethi, Sodhi, Suri, Bhatti, Bhatnagar, Dhillon, Sandhu, Siddhu
uvam.). Indische Familiennamen können aber auch auf den Namen eines Urahns
zurückgehen (z. B. Bhargav ‘Nachkomme des Bhrigu’ oder Lakhani ‘Nachkomme
des Lakh(man)’). Erkennbar sind diese Namen an ihren patronymischen
Endungen -ja und -ani. Auch Ortsnamen (z. B. Agarwal ‘aus Agar oder Agroha’,
Bhatnagar ‘aus Bhatnagar’, Irani ‘aus Iran’), Berufsbezeichnungen (Banik, Saha
‘Händler’, Ghandi ’Parfümverkäufer’, Jha, Pathak, Upadhyaya ‘Lehrer’, Joshi
‘Astrologe’, Modi ‘Lebensmittelhändler’, Kahali ‘Trommler’ oder Bhandari ‘Lagerverwalter’),
Ehrentitel (Bhatt, Nath, Pai, Prabhu ‘Herr’, Chakraborty ‘Herrscher’,
Deo ‘Gott, Herr’, Naik, Nair ‘Führer’, Rai, Raja, Rana, Rao ‘König’ und
Singh ‘Löwe, angesehene Person’), Beinamen für indische Götter (Kumar, Lal,
Mohan, Narayan, Ram und Basu), Namen von berühmten Weisen, Brahmanen
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Neue Familiennamen in Deutschland seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts
(z. B. Gotra, Vishamitra, Jamadagni, Bharadvaja, Gautama, Atri, Vasistha, Kashyapa
und Agastya) oder Tier- und Pflanzennamen (z. B. Popat ‘Papagei’ und
More ‘Pfau’) sind in Familiennamen zu finden.
In den südindischen Ländern kennt man in der Regel keine Familiennamen.
Dem persönlichen Namen wird hier meist der Name des Vaters und/oder des
Großvaters, manchmal auch der Geburtsort vorangestellt. Die Namen werden
häufig als Abkürzungen oder Initialen wiedergegeben: z. B. T. N. Sreekanthiah
steht für Tirihapura (Ortsname) Nanjund-ayya (Vatersname mit der männlichen
Namenendung -ayya, weibliche Namenendung lautet -amma) und Œrikantha-ayya
(persönlicher Name) oder der typische Telugu-Name P. V. Narasimha Rao besteht
aus Pamulaparti (Ortsname pamula parru ‘Sumpfland mit Schlangen’) Venkata
(persönlicher Name: Kurzform von Venkateœwara) Narasimha (‘Löwenmann’,
eine Inkarnation von Vishnu) und Rao (ein Titel raw aus dem Sanskrit-Wort rajan
‘König’, auch beliebte männliche Namensendung). In geschriebener Form wird
der Name des Vaters oder bei verheirateten Frauen der Name des Ehemannes
oft auch hintenangestellt. Die Namenkombination ähnelt dann einer Kombination
aus Vor- und Familienname. In Deutschland hat das häufig zur Folge, dass
der persönliche Name (Rufname) als Familienname geführt wird (z. B. Krishna,
Krishnan, Raja, Rajan, Srinivas, Srinivasan oder auch Joseph, Mathew und Leo).
Und der Vatersname wird dann folglich als Vorname geführt. Eine ähnliche Situation
findet man bei den Tamilen in Sri Lanka.
Man kann also für den indischen Raum heute zwei Personennamensysteme
unterscheiden. In Nordindien findet man vor allem eine Kombination aus dem
Personennamen, dem Familiennamen, dem Kastennamen oder einem Ehrentitel,
und in Südindien eine Kombination aus dem Herkunftsnamen bzw. Vatersnamen,
dem persönlichen Namen und/oder dem Kastennamen bzw. einem Titel. Für Tamilische
Personennamen ist der Vatersname bzw. der patronymische Name das
wichtigste Erkennungsmerkmal. Die Malayalam haben dagegen verschiedene
Variationsmöglichkeiten in den einzelnen Gruppen und Gemeinschaften. Der
Sohn kann den Vatersnamen und die Tochter den Mutternamen annehmen. Gehobene
Kreise fügen dem patronymischen Namen noch einen Ortsnamen hinzu.
Er steht vor oder nach dem persönlichen Namen (Ortsname – Personenname
– Kastenname: Takazi Œivaœankara Pillai oder Personenname – Ortsname:
Sukumar Azikod). Traditionelle Namen in Kannada bestehen aus Kasten- und
Verwandtschaftsnamen.
Gabriele Rodríguez
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Verwandtschaftsnamen findet man auch bei den Tamilen, Malayalam, Kodagu,
Tulu und Telugu, die durch die Elemente anna- ‘älterer Bruder’, akka- ‘ältere
Schwester’, appa- ‘Vater’, ayya- ‘Vater, Vaters Bruder, Vetter, Großvater’,
amma- ‘Mutter’, awwa- ‘Mutter, Mutters Schwester, Großmutter’ erkennbar
sind und gleichzeitig der geschlechtlichen Zuordnung dienen. Die Kasten folgen
immer den Verwandtschaftsbezeichnungen: A. G. Ramappa Gauda (Familienname
Ankad, Vatersname Gangappa, persönlicher Name Rama mit männlicher
Namenendung -appa und Kastenname gawda). Kastenelemente in Kannada lauten
-gauda, -nayak, -reddi, -œastri, -bhatta (Brahmanen), -œetti (Händler), -raw
(-murti zur Kennzeichnung des männlichen Geschlechts); bei den Tamilen:
-pillai, -mudaliyar, -odeyar, -nayakar, -gaundar (für nicht Brahmanen-Kasten),
-cettiyar (Händler), -ayyar, -ayyangar, -acariyar (Brahmanische Tempelpriester)
und ehrenvolle Suffixe -r, -ar, -ar; bei den Telugu: -reddi, -nayudu, -cawdari, -setti
(Händler), -raju (Krieger, Beamte), -pantulu, -œastri, -œarma, -acarya (Brahmanen)
und in Malayalam-Namen: -nayar, -menon, -kurup, -panikkar, -nambiyar,
-wariyar, -pillai (Nicht-Brahmanen), -nambudiri (Brahmanen). Die sozial niedrigsten
Kasten haben keine Endelemente (KRISHNAMURTI 1995, S. 668 – 669).
Die indischen Personennamen haben ihren Ursprung im Sanskrit oder gehen
auf indo-iranische und dravidische Sprachen zurück. Die Muslime in Indien und
Pakistan führen Urdu-Namen perso-arabischer Prägung (Bajaj, Dalal, Jhaveri,
Majumdar, Malik, Shroff, Doshi, Sarkar und Sood). Es gibt aber auch christliche
Namensysteme mit europäischem Einfluss (portugiesische und englische Vor-
und Nachnamen). Ein alter indischer Nachname ist z. B. Mistry, der auf das portugiesische
mestre ‘Lehrer’ zurückgeht.
In Deutschland leben heute mindestens 34.328 Inder, 38.257 Pakistaner und
55.085 Personen aus Sri Lanka. Ihre Namen werden aus der Devanagari-Schrift
(Sanskrit, Hindi, Nepali), aus der Bengalischen und Tamilischen Schrift ins Deutsche
übertragen. Es gibt zahlreiche Namenvarianten. Da häufig kein Familienname
bekannt ist, wird ein Beiname/Vatersname oder Namenzusatz als Familienname
bestimmt. Dies kann auch Probleme mit sich bringen. So führt die Gruppe
der Sikhs den Namenzusatz Singh ‘Löwe’ bei Männern und Kaur ‚Prinzessin‘ bei
Frauen. In Deutschland wird dieser meist als Familienname geführt (z. B. Gurpinder
Singh), kommt aber ebenso als geschlechtsanzeigender Beivorname vor.
Und bei deutsch-indischen Ehepaaren wird häufig auch ein gemeinsamer Ehename
Singh geführt, d. h. eine deutsche Frau kann einen ursprünglich männlichen
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Neue Familiennamen in Deutschland seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts
Namenzusatz als Familiennamen führen. Für Inder wären dann auch Kombinationen
mit dem weiblichen Namenzusatz Kaur als weiblicher Zweitvorname und
Singh als Familienname sehr merkwürdig.
Häufig müssen Entscheidungen zur Führung eines ursprünglich indischen
Namenzusatzes, wie z. B. Singh, auch vor Gericht geklärt werden. So musste
ein Inder, der seit 1986 den Namen Singh als Familienname führte, nachdem
das Amtsgericht Münster, das Landgericht Münster und das Oberlandesgericht
Hamm 1996 Singh als Familiennamen ablehnten, vor dem Bundesverfassungsgericht
diesen als Familienname einklagen (www.bundesverfassungsgericht.de/
entscheidungen/rk20010411_1bvr164697.html).
Der Familienname Singh gehört heute in Deutschland mit mehr als 2.000 Namensträgern
zu den häufigen Familiennamen. Der Familienname Kaur ist dagegen
sehr selten (s. Karten 5 und 6).
Karte 5: Verbreitung des Namens Singh (Quelle: Geogen v3.0.2625 © 2005 –2007)
Gabriele Rodríguez
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Karte 6: Verbreitung des Namens Kaur (Quelle: Geogen v3.0.2625 © 2005 –2007)
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