Mira Lobe
1. Leben und Schaffen
„Dass Mira Lobe weder in der ‚Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur’ von Reiner Wild noch im Klassiker-Lexikon von Bettina Kümmerlin-Maibauer Erwähnung findet, steht sehr im Gegensatz nicht nur zu ihrer Bedeutung in Österreich, sondern auch zu ihrer internationalen Verbreitung. Beginnend mit ihrem ersten Werk, ‚Insu-Pu, die Insel der verlorenen Kinder‘, das 1948 gleichzeitig mit Ilse Aichingers, Die größere Hoffnung‘ entstand, hat sie die Konturen eines Kindheitsbildes der frühen Nachkriegszeit entworfen, das fortan für ihr eigenes Werk, aber auch für die Entwicklung der österreichischen KJL prägend geworden ist. Die Besonderheit dieses Werkes liegt unter anderem in der Gestaltung einer kindlichen Typologie in einer Gruppe von Kindern, bei der Mira Lobe einzelne Charaktere herausarbeitet, die gleichsam als kindliche Leitfiguren aufzufassen sind und in einer Vielzahl von nachfolgenden Werken der Autorin wiederkehren.“ [E. Seibert 2003]
Hilde Mirjam Rosenthal, genannt Mira, wurde 1913 in Görlitz als Tochter einer jüdischen Familie geboren. Ihr Vater, Wein- und Spirituosenproduzent, leitete den Synagogen-Chor und spielte Orgel in der protestantischen Kirche. Die Mutter war Mitglied einer literarischen Gesellschaft und war im Kunstverein tätig. Bereits in der Schule zeigte sich Mira als begabtes Kind, nach der Machtergreifung Hitlers konnte sie jedoch ihre Pläne, Germanistik und Kunstgeschichte zu studieren und Journalistin zu werden, nicht verwirklichen.
Als sie 1936 mit einem „Zertifikat“ das Deutsche Reich Richtung Palästina verließ, war sie dreiundzwanzig, hatte im heimatlichen Görlitz das Gymnasium absolviert und in Berlin die Textil- und Modeschule. Neben anderen Tätigkeiten war sie Hausgehilfin und Putzfrau. 1939 waren ihr Großmutter, Mutter und Schwester nachgereist. Der Kontakt mit der illegalen Kommunistischen Partei riss schon 1940 ab, als Mira den um fünfundzwanzig Jahre älteren Regisseur und Schauspieler am „Ohel“-Theater Friedrich Lobe heiratete. Er ermunterte seine Frau, die mittlerweile in einer Lithographieanstalt unter anderem Kinderbücher illustrierte, es doch selbst mit dem Schreiben zu probieren. Ihre ersten Schreibversuche datieren sich ab 1946/47; damals war ihre Tochter Claudia drei, mit dem Sohn Reinhardt war sie erst schwanger.
Bei ihrem ersten literarischen Versuch im Bereich der jüdischen Literatur, Schnej rejim jaz´u laderech (Zwei Freunde zogen des Weges) war der eigentliche Grund nicht literarische Ambition, sondern die Notwendigkeit des Broterwerbs: Mira Lobe war für das Konzept verantwortlich, Jeminah Tschernowitz schuf den Text. Bereits ein Jahr später kam ein Erfolg: 1948 erschien Insu-Pu, die Insel der verlorenen Kinder und die Rollen der beiden Mitarbeiterinnen vom vorherigen Buch tauschten sich aus. Die deutsche Textvorlage stammte diesmal bereits fast zur Gänze von Mira Lobe, Jeminah Tschernowitz übersetzte das Buch. [Vgl.: Haranth 2003]
Insu-Pu ist das einzige Werk Mira Lobes, das auch in Österreich veröffentlicht wurde, jedoch in einer veränderten Fassung, weil sie versuchte, den eretz-israelischen Abschnitt ihres Lebens und ihrer literarischen Karriere zu vergessen.
Es gibt zahlreiche und große Unterschiede zwischen der hebräischen Fassung, die 1947 veröffentlicht wurde (ursprünglich auf Deutsch geschrieben und ins Hebräische übersetzt) und dem Buch, das 1951 auf Deutsch erschien. Während sie im eretz-israelischen Buch I-Hajeladim (Die Kinderinsel) deutlich zwischen Gut und Böse, zwischen den Alliierten und den Deutschen, zwischen der Verantwortung der Deutschen und dem Versuch der Alliierten, die Welt vor dem Bösen zu retten, unterscheidet, verwandelt Lobe später in der Insu-Pu diese konkrete Geschichte in eine universale Geschichte, die in einer fiktiven Welt stattfindet, aus der auch der Jude verschwunden ist, den es in der ursprünglichen Geschichte I-Hajeladim (Die Kinderinsel) gab. In den folgenden Parallel-Texten ist der Unterschied offensichtlich. [Vgl.: Shavit 2003]
I-Hajeladim (Die Kinderinsel)
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Insu-Pu
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Eigentlich hat Thomas recht, vollkommen recht – fügte er hinzu und sagte – und warum wirklich sollen wir Kinder nicht nach Amerika fahren? Schau, Mutter: wenn wir dem Präsidenten der Vereinigten Staaten einen Brief schreiben und im Brief darum bitten, alle Eltern zu versammeln, deren Kinder ungestört in ihren Betten schlafen, und diese Eltern fügen alle jeweils nur ein Bett im Kinderzimmer hinzu, dann regelt sich die Angelegenheit auf jeden Fall! Und man kann auch schreiben und erklären – dass die Sache so nicht weitergehen kann – und dass die englischen Kinder endlich vor den nächtlichen Bombenangriffen zur Ruhe kommen müssen! …Was meinst du, Mama? (S. 12)
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Da aber hatte Stefan einen seiner großen Momente und nahm sich des jüngeren Bruders an. „Eigentlich hat Tom ganz recht“, sagte er. „Warum fahren wir nicht nach Terranien? Ich meine, wir Kinder, Mami! Wenn wir an den Präsidenten einen Brief schreiben und ihn bitten, eine Versammlung zu machen, eine Versammlung von allen terranischen Eltern, deren Kinder nachts ruhig schlafen können! Wenn er sie fragt, ob sie nicht noch ein paar Betten aufstellen könnten – jeder eines nur –, damit die hiesigen Kinder einmal wieder richtig zur Ruhe kommen! Wie fändest du das?“ Er sah seine Mutter gespannt an. Thomas hatte rote Ohren vor Eifer. Die Umsitzenden schwiegen trübe. Frau Bantock atmete heftig durch die Nase und sagte: „Gott, wie dumm so ein Kind redet!“ Aber da legte die Mutter ihre Hand sanft auf Stefans Schulter und antwortete: „Wenn du meinst, kannst du ja dem terranischen Präsidenten einen Brief schreiben.“ (S. 10)
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1950, nach vierzehn Jahren, verbracht in Israel, kehrte Mira Lobe nach Deutschland zurück. Anstatt Görlitz, das zwischen Polen und der damaligen DDR zweigeteilt war, zog sie Wien an. Es war in der in vier Sektoren geteilten Stadt nicht leicht, Arbeit zu finden; allmählich zeichnete sich jedoch eine solide Berufslaufbahn ab. Am „Neuen Theater in der Scala“ wurde ein Kinderstück von Mira Lobe inszeniert, Herr Hecht und der Geheimverein. In der UZ (Unsere Zeitung. Die billigste Kinderzeitung Österreichs, 1945 gegründet von der „Demokratischen Vereinigung Kinderland“, produziert im Globus-Haus II) erschienen einige Kurztexte, bebildert von einer neu gewonnenen Freundin, Susanne Weigel.
Mira Lobe schrieb in ihrem Aufnahmeantrag an das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Österreichs:
„Ich gestehe gerne, dass die mir völlig neue Zusammenarbeit mit dem Direktor und den Lektoren in weltanschaulicher Hinsicht viel gegeben hat und mir neue, sehr wertvolle Perspektiven in jeder Weise: pädagogisch, literarisch, politisch eröffnet. Da wir hoffen, in Wien bleiben zu können, bitte ich hiermit um die Aufnahme in die K. P. Ö.“ [M. Lobe 1950]
Trotzdem endete für Mira Lobe die Zusammenarbeit mit dem Globus Buchverlag so schnell, wie sie begonnen hatte: 1952 erschien ihr Buch Anni und der Film, die Geschichte eines Wiener Arbeiterkindes, das in die Filmwelt verschlagen wird und die Schattenseiten der Traumfabrik erlebt. Das Buch kam jedoch dem Direktor des Verlags zu wenig marxistisch vor. Ihr nächstes Buch Ohne Hanni geht es nicht wurde in München verlegt und später folgten noch drei weitere Bücher.
Ihre nächsten fünf Kinderbücher erschienen beim Schönbrunn Verlag: 1953 Der Tiergarten reißt aus, 1954 Der Bärenbund, 1955 Der Anderl und 1957 Bärli hupf, wobei das letzte am Buchmarkt am erfolgreichtsen war und eine Fortsetzung Bärli hupf weiter zur Folge hatte.
In den achtziger Jahren wurden alle diese Titel samt Insu-Pu bei anderen Verlagen neu aufgelegt, was der Beweis dafür ist, dass auch die neue Leser-Generation diese Bücher für attraktiv hielt. Ab diesen Werken begann die Zusammenarbeit mit Susi Weigel, die dann viele Jahre funktionierte. [Vgl.: Weigel 2003]
1957 griffen politische Ereignisse ins Leben und Schaffen von Mira Lobe ein. Es war die Zeit des Kalten Krieges und der Einfluss der Sowjet-Union in Österreich wurde von den Bürgern immer mehr abgelehnt. Nach dem Inkrafttreten des Staatsvertrages vom 15. Mai 1995 schrumpfte die KPÖ zur Kleinpartei.
„Viele Kommunisten, aufrechte Menschen, die für ihre Überzeugung gekämpft und gelitten hatten, sahen sich mehr und mehr um ihre Ideale, um ihren Lebensinhalt betrogen, sahen sich von skruppellosen Bonzen und schäbigen Opportunisten umgeben…. Die Ereiginsse in Ungarn im Oktober 1956 und die Reaktion der KPÖ zu dieser ‚Konterrevolution‘ provozierten schließlich den großen Bruch, die sei sie auch noch so schmerzliche Trennung – einen für die Partei so gewaltigen Aderlass, wie er sich erst 1968, anlässlich der Niederschlagung des Prager Frühlings, wiederholen sollte.“ [W. Harranth 2003]
Mira Lobe und ihr Mitarbeiter aus dem Schönbrunn Verlag, Chef Hans Goldschmidt, traten aus der Partei aus.
In dieser Situation, wo auch ihr Ehemann, Schauspieler Friedrich Lobe, dessen Szene, das Neue Theater in der Scala geschlossen wurde und der in Wien immer weniger Arbeit fand, wechselte die Familie Lobe den Wohnort: Friedrich Lobe nahm das Angebot eines Engagements in Berlin/DDR an und die ganze Familie folgte ihm. Dieser Ortswechsel war jedoch nicht nur kurzfristig, sondern auch deprimierend: Der Berliner Aufenthalt war nicht erfolgreich und dauerte nur ein Jahr. Im Berliner Kinderbuchverlag wurde 1958 ein einziges Buch von Mira Lobe veröffentlicht: Die Geschichte von Tapps; das war jedoch bereits nach der Rückkehr der Familie nach Wien.
Nach 1958 blieb Österreich für immer die Heimat Mira Lobes, ihr Mann starb jedoch kurz nachdem er Arbeit im Theater in der Josefstadt gefunden hatte. Mira Lobe begann in den Wiener Verlagen Jungbrunnen und Jugend & Volk ihre Bücher zu veröffentlichen. So z. B. entstand 1954 im erst genannten Verlag zusammen mit der Illustratorin Susi Weigel eine erfolgreiche Weihnachtsaktion um das Buch Hänschen klein. Die broschierten Ausgaben des Buches wurden an Kinder verschenkt, die sonst keinen Zugang zu Literatur hatten.
Bald kam das erste preisgekrönte Buch für Mira Lobe: Titi im Urwald wurde sowohl mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis als auch mit dem Jugendbuchpreis der Stadt Wien ausgezeichnet. Im Verlag Jungbrunnen erschienen ein paar Jahre später zwei weitere Werke der Autorin, und zwar 1964 Bimbulli und 1965 Die Omama im Apfelbaum. Allmählich entwickelte sich auch eine Zusammenarbeit mit anderen IllustratorInnen wie Angelika Kaufmann, Winfried Opgenoorth, Christina Oppermann-Dimow u. a.
Die Omama im Apfelbaum gehört dem Genre nach zum Rang der phantastischen Geschichte. Mira Lobe trennt hier streng die Ebenen der Realität und der Irrealität voneinander. Andi, der Protagonist der Geschichte, gerät in eine phantastische Welt nur dann, wenn er eine durch den Tod verursachte „Lücke in seinem Familienleben“, die Absenz seiner Großmutter überwinden will. Die Krone eines Apfelbaumes, wo er sein Reich hat und mit der ausgedachten Oma diverse Abenteuer erlebt, ist ein Tor in die Welt der Phantasie. Die Phantasiewelt löst eine wirkliche ab, wenn sich Andi mit einer älteren Frau aus der Nachbarschaft befreundet, die vor kurzer Zeit eingezogen ist und die dank ihrer Wärme und Herzlichkeit seinem erträumten Ideal der Großmutter sehr ähnelt.
Eine realistische Erzählung mit einer interessanten Spannung zu phantastischen Elementen ist die aus dem Jahre 1974 stammende Geschichte Die Räuberbraut (Neuaufl. 1988), deren Protagonisten gegen Unrecht und Leid im Rahmen einer gesunden Umwelt kämpfen.
Zu den Werken der letzten Schaffensperiode der Autorin gehört die realistische Geschichte Die Sache mit dem Heinrich, deren Thema der Kindesmisshandlung einen der bedeutendsten Themenbereiche der Kinder- und Jugendliteratur der 90-er Jahr vorzeichnet.
Mira Lobe war bei ihren Kollegen und Kolleginnen beliebt. Viele Kinderbuchautoren und Autorinnen fanden bei ihr Rat, Hilfe, Zuspruch und Ermunterung. Allmählich bildete sich die „Gruppe“ – ein Ort der Begegnung und des Diskutierens – heraus.
„Die Gruppe ist zwar keine Institution im herkömmlichen Sinn, wurde aber für viele etablierte und neue AutorInnen, IllustratorInnen und LektorInnen eben deshalb so wichtig fürs Planen, Diskutieren und Arbeiten. Mira Lobe hat in diesem Kreis große Verdienste erworben.“ [W. Harranth 1993]
1980 wurde vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst erstmals der „Österreichische Würdigungspreis für Kinder- und Jugendliteratur“ verliehen – an Mira Lobe, die damit für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet wurde.
Renate Welsh äussete sich anlässlich des 80. Geburtstags der Autorin mit Ehrfurcht und Bewunderung:
„Für alle, die sie kennen, ob persönlich oder ,nur‘ aus ihren Büchern, ist Mira Lobe eine Institution, veilleicht gerade weil sie sich dagegen immer so heftig gewehrt hat, eine zu sein, aber mehr als das: eine Freundin. Sie ist einer der seltenen Glücksfälle, eine Schriftstellerin, die deckungsgleich ist, sie lebt, wie sie schreibt und schreibt, wie sie lebt, getragen von einer großen, oft wehen, fast immer humorvollen Hoffnung auf Menschlichkeit. Ich bin froh und dankbar, sie zu kennen, die ,echte Mira Lobe‘. Meine damals noch kleine Nichte hatte ganz recht mit dieser Bezeichnung. Mira Lobe ist echt.“ [R. Welsh 1993, S. III]
Die letzten Lebensjahre hinderte Mira Lobe am Schreiben eine schwere Krankheit. Sie äusserte Angst vor „in Wiederholungen ausgeschrieben zu haben“ und velangte „gegebenfalls ein rückhaltloses Alarmsignal“. [W. Harranth 2003]
Mira Lobe starb am 6. Februar 1995 in Wien.
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Anmerkung:
1 WEIGEL, Susanne: Verh. Mayr (1914–1990). Stammend aus Mähren, Studium an der Hochschule für angewandte Kunst und der Akademie der bildenden Künste in Wien, Grafikerin und Mitarbeiterin bei Trickfilm in Berlin, ab 1952 freie Grafikerin in Wien, ab den sechziger Jahren im Bludenz Verlag.
2. Übersetzungen des Werkes von Mira Lobe ins Tschechische
In diesem Kapitel werde ich mich zwei Werken von Mira Lobe widmen, die auf Tschechisch erschienen sind. Das erste von ihnen ist die Geschichte Die Omama im Apfelbaum (Tsch. Babička v jabloni), das zweite ist das Buch Morgen komme ich in die Schule (Tsch. Zítra půjdu do školy).
Babička v jabloni (Die Omama im Apfelbaum)
Es handelt sich um eine Übersetzung von Anna Siebenscheinová aus dem Jahre 1972, (Verlag Albatros) mit den Illustrationen von Helena Rokytová. Das Original wurde im Verlag Jungbrunnen, Wien, 1965 veröffentlicht. Zum Vergleichen stand mir die 15. Auflage des Buches aus dem Jahre 1991 zur Verfügung.
Formal sehen die deutsche und die tschechische Version ähnlich aus, die Illustrationen in beiden sind schwarz-weiße Federzeichnungen, der Umschlag ist farbig, jedoch beinhaltet die tschechische Version darüber hinaus vier ganzseitige farbige Illustrationen. Zwei von ihnen sind der erträumten Omama gewidmet, zwei von ihnen dagegen der wirklichen Frau Fink. Das Format der tschechischen Übersetzung ist jedoch nicht A5, wie im Original, sondern quadratförmig, üblich in der tschechischen Kinderliteratur.
Die phantastische Geschichte über einen kleinen Jungen namens Andi, der traurig ist, weil er keine Oma hat, der sich eine neue im Apfelbaum zusammenträumt und letztendlich eine wirkliche durch einen Zufall kennen lernt, weist in der tschechischen Version keine inhaltlichen Veränderungen auf. Was in der Übersetzung unterschiedlich ist, betrifft nur das Folgende:
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Die deutschen Namen wurden für tschechische Äquivalente ausgetauscht.
Gleich am Anfang fällt dem Leser auf, dass der Name des Protagonisten in der tschechischen Übersetzung nicht Andi, sondern Ondra ist und sein Freund nicht Gerhard, sondern Michal heißt. Andis Schwester heißt auf tschechisch nicht Christel, sondern Kristýnka, der ältere Bruder nicht Jörg, wie im Original, sondern typisch tschechisch Jiří und sogar der Hund Bello ist der tschechische Bobík.
Auch ein Familienname ist anders. Die strenge Frau Säuberlich wurde auf Tschechisch durch die warmherzige paní Srdínková ersetzt. Frau Fink wurde dagegen ins tschechische wortgetreu als paní Pěnkavová übersetzt.
Anna Siebenscheinová hat genauso wie Mira Lobe mit den onomatopoetischen Bezeichnungen Bellerich, Zwitscheriche und Schwimmeriche sprachlich gebastelt. So entstanden im Tschechischen anstatt der Hund (pes) tschechisch Štěkálek, anstatt die Vögel (ptáci) tschechisch švitořilky und anstatt die Fische (ryby) tschechisch plovatilky.
2. Anders sind in der tschechischen Übersetzung orthographische Übungen, die Andi mit seiner Mutti schreiben muss, um seine Kenntnisse zu vervollkommnen. So wird Andi im Original vom älteren Bruder Jörg ausgelacht, weil man auf deutsch das Wort Kamel ohne „h“ schreibt, wobei Jiří in der tschechischen Version an Ondra verrät, dass er im Wort Eiche (tschechisch dub) anstatt „pé“ den Buchstaben „bé“ richtig schreiben sollte.
Nach dem langen „o“ wollte die Mutter mit Andi noch das lange „a“ üben und so entstand das bekannte, in manchen Lesebüchern veröffentlichte Nonsensgedicht:
„Es sprach der Aal
im Futteral:
Der Saal ist kahl.
Zum letztenmal
grüß ich im Tal
den Pfahl aus Stahl.“ S. 37
Diesen Versen entspricht im Tschechischen das Nonsensgedicht über eine Pflanze, die ihre Hochzeit vergessen hat und dann sehr überrascht ist. Diese Übung widmet sich der im Tschechischen so heimtückischen Buchstabengruppe „mě“ und „mně“:
„Čekanka nerozuměla
anebo pozapomněla,
že svatba se konat měla
a čekáním oněměla.“ S. 28.
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Gespräch des neugierigen Büchermachers mit Mira Lobe
In der tschechischen Übersetzung vermisse ich das Gespräch des Büchermachers mit Mira Lobe über die Entstehung ihrer Geschichte. Es handelt sich um ein Gespräch, das nach einer Lesung der Autorin entstanden ist. Es befindet sich in der 15. Auflage des Buches aus dem Jahre 1991. Das Gespräch hatte wahrscheinlich im Jahre 1972, als Anna Siebenscheinová das Buch übersetzte, noch nicht stattgefunden.
Zítra půjdu do školy (Morgen komme ich in die Schule)
Die tschechiche Übersetzung des im Jahre 1979 im Verlag Jugend und Volk veröffentlichten Originals stammt aus dem Jahre 1987. Sie wurde von Hana Žantovská vorgenommen, illustriert hat Eva Mastníková.
Das Buch ist für die Leser im Alter von 5 Jahren bestimmt. Dieser Intention entsprechen das Format A4 des Buches, größere Schrift und viele farbige Illustrationen mit schlichtem Kommentar. Sie sind den Vorstellungen des Protagonisten Jonas Maxner gewidmet, wie er sich in seiner Phantasie seinen sich nähernden Pflichtschulgang voll von Erwartung entwirft. Seine Phantasiebilder entstehen durchs Erzählen verschiedener Personen aus seiner nächsten Umgebung: Er fragt z. B. seinen Großvater, die Tante Betty oder den Bäcker Moučka, wie es zu ihren Zeiten in der Schule ausgesehen hat. Seine Beunruhigung stillt erst die Lehrerin Truda Herberová, die Jonas vor dem Schulgebäude trifft und die ihm sein Klassenzimmer zeigt. Ab jetzt freut sich Jonas auf die Schule, was auch seine Eltern sehr beruhigt und freut. Das Happy-End ist vollkommen, wenn Jonas seine künftige Mitschülerin Sabina kennen lernt und so gleichzeitig auch seine erste Freundin findet.
Genauso wie im zuerst genannten Buch sind auch hier die Namen aus dem Deutschen ins Tschechische übersetzt oder dem tschechischen Milieu angepasst worden. So heißt der Protagonist Johannes Matzner auf Tschechisch Jonáš Maxner, sein Hund Schnuff ist auf Tschechisch Pit und Herr Mehlinger, der Bäcker, ist auf Tschechisch Herr Moučka. Manchmal wurde zu den Namen nur die Endung der tschechischen femininen Familiennamen zugefügt: Die Klassenlehrerin von Johannes heißt also Truda Herberová.
Die Illustrationen der tschechischen Fassung korrespondieren vollkommen mit den der Originalfassung. Ganzseitige Bildtafeln erinnern an das Genre des Bilderbuches, wo der sparsame Text am Rande den eigentlichen Kommentar zum Bild darstellt. Die tschechischen Illustrationen von Eva Mastníková sind ähnlich wie die der Originalfassung von Susi Weigel kolorierte Federzeichnungen. Vor allem in der letzten Bildtafel ist es Eva Mastníková gelungen, die ziemlich schläfrige Atmosphäre der damaligen sozialistischen tschechoslowakischen Schulen getreu zu schildern. Wo die Kinder auf der Illustration der Originalfassung während der Pause toben, schreien und sich rege und lebendig bewegen, sitzen Kinder der tschechischen Fassung brav und gehorsam in ihren Bänken und hören einer hübschen jungen Lehrerin zu. An der Wand hängt die Landkarte, auf der die ehemalige Tschechoslowakei abgebildet ist.
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Anmerkung:
Siebenscheinová, Anna. Ehefrau des Prof. Hugo Siebenschein, des Autors des Deutsch-tschechischen Wörterbuches. Sie hat an dem bisher besten tschechischen Übersetzungswörterbuch mitgearbeitet.
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