Die der Administrator dieses Forums „Sprudel



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#101277
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(7) Tag 1

Du hast es geschafft, aufzustehen und deinen Tag zu beginnen.


Vielleicht fühlst du dich enthusiastisch, dass heute endlich mal etwas vorankommt, und sagst dir: "Das muss ich ausnutzen. Am besten, ich knöpfe mir heute mal die Küche gründlich vor."

NEIIIIIIIIIIIN!
Das wäre ein schwerer Fehler.

Mittlerweile ist wissenschaftlich erwiesen, dass die meisten Menschen eine Aufmerksamkeitsspanne von höchstens zehn Minuten haben. Auch wenn sie nicht unter ADS oder AD(h)S leiden. Das war auch für mich eine Überraschung. Es ist erstaunlich wenig.


Tatsächlich ist damit nicht gemeint, wie lange sie am Stück konzentriert arbeiten können, denn das können sie länger. Aber nach zehn Minuten lässt die Konzentration bereits nach. Wir arbeiten nicht mehr mit voller Leistung.
Zehn Minuten Konzentration und Anspannung am Stück sollten daher für den Anfang das Maximum an Arbeitsdauer sein, das du festlegst. Wenn du merkst, dass dir zehn Minuten noch zu viel sind, dann fang eben mit fünf Minuten an, oder mit zwei.

Wenn du zehn Minuten mit voller Konzentration arbeiten kannst, dann fünf Minuten Pause machst, und dann wieder zehn Minuten mit voller Konzentration arbeiten kannst, bist du produktiver, als wenn du 30 Minuten am Stück arbeitest. Dann hast du zwar zehn Minuten mehr gearbeitet, aber nach den zehn Minuten sank deine Leistungsfähigkeit auf die Hälfte, und nach weiteren zehn Minuten auf ein Viertel.

Betrachten wir deine Produktivität als erreichbare Punkte, dann hättest du somit in 30 Minuten ohne Pause 100+50+25 = 175 Produktivitätspunkte erreicht, aber in 20 Minuten MIT Pause 200 Produktivitätspunkte.

Noch deutlicher wird es in den nächsten zehn Minuten:


100+50+25+12,5 = das sind 187,5 "Produktivitätspunkte" in vierzig Minuten ohne Pause - mit stetig abnehmender Konzentration - also auch wachsender Genervtheit, Gereiztheit, Stress.
Mit Pausen:
10 Minuten arbeiten = 100 Punkte. 5 Minuten Pause. 10 Minuten arbeiten = 100 Punkte. 5 Minuten Pause. 10 Minuten arbeiten = 100 Punkte
Sind zusammen auch 40 Minuten, mit zwei Pausen, also "Nettoarbeitszeit" 30 Minuten. Und volle 300 "Produktivitätspunkte". Das ist fast die doppelte Leistung, mit 25% weniger Arbeit!

Ich hoffe, dir wird dadurch deutlich, dass es alles andere als eine Schande ist, sehr kleine "Arbeitseinheiten" mit sich zu vereinbaren. Deine Produktivität wird dadurch verbessert. Du erreichst mehr, nicht trotz Pausen, sondern gerade weil du Pausen machst. Wissenschaftlich erwiesen.

Plane also für den Anfang maximal in 10-Minuten-Blöcken, und dann mach mindestens (!) fünf Minuten Pause. Wenn dir fünf Minuten zu wenig erscheinen, mach zehn, fünfzehn oder auch eine Stunde Pause. Nur, was immer du mit dir vereinbarst - halte dich daran. Sowohl, was die Arbeitsdauer betrifft (10 Minuten, und nicht 15), als auch was die Pausendauer betrifft (z.B. 30 Minuten, und nicht 38).

Was kannst du in zehn Minuten abschließen?


z.B.

Jacken aufhängen


Das schmutzige Geschirr in die Küche tragen
Die CDs in ihre Hüllen

Was gibt’s dafür? Lege es VORHER fest.

Eine Viertelstunde Pause, da setz ich mich auf den Balkon und trinke eine Tasse Cappuccino.

Dann tun, wie vereinbart, und SOFORT belohnen.


Kurz vor Ende der Balkonpause wieder von vorne überlegen: Will ich noch mal 10 Minuten, oder kann ich nicht mehr? Wenn ja: Was kann ich in 10 Minuten erledigen, und was bekomme ich dafür, wenn ich das jetzt mache?

Papiermüll einsammeln. Und zur Belohnung eine Folge meiner Serie gucken. Jepp, die dauert länger als ein paar Minuten. Egal. Wenn sie ausreicht, um dich zu motivieren, den Papiermüll einzusammeln, dann passt doch alles.

Serie ist um. Will ich noch mal 10 Minuten? Wenn ja: Was kann ich in 10 Minuten schaffen?

Das Leergut einsammeln und an die Tür stellen. Und zur Belohnung löse ich ein Kreuzworträtsel und esse einen Müsliriegel.

Das machst du solange weiter, bis du entweder merkst, dass du dich nicht mehr dazu aufraffen willst, weitere zehn Minuten zu handeln (Leistungslimit erreicht), oder längstens, bis der Feierabend erreicht ist (Selbstausbeutung verhindert). Noch mal in aller Deutlichkeit: Du musst NICHT unbedingt bis 18:00 durchhalten, wenn du schon vorher einen Punkt erreichst, an dem du nicht mehr kannst. Du sollst nur SPÄTESTENS um 18:00 aufhören. Wenn du um 10:00 nicht mehr kannst, dann ist das eben so. Mach dir nichts draus. Wie in den vorherigen Kapiteln schon festgestellt wurde, machst du so oder so nicht mehr, als du zu leisten bereit bist. Das einzige, was wir am Anfang verändern, ist die Reihenfolge: Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen - mit dem Ziel, dass du das Vergnügen dann anders wahrnehmen, und dich besser dabei erholen kannst. Denn es geht wie gesagt nicht um heute, sondern um morgen. Es geht auch nicht darum, möglichst viel auf einmal zu schaffen, sondern zu lernen, wie man nicht mehr gewohnheitsmäßig aufschiebt, sondern die Dinge rechtzeitig und in Ruhe erledigt.

Das Schöne an der Technik ist, dass jede dieser 10-Minuten-Arbeiten sofort einen Wert erhält. Falls du am Schluss in dein altes Muster zurückfallen solltest, mit dir unzufrieden zu sein, weil du nicht so viel geschafft hast, wie du gehofft hattest, entwertest du dir damit diese Leistungen nicht mehr, denn der "Wert" wurde bereits "ausgezahlt". So kannst du auch nicht mehr "versagen", weil du dich verschätzt oder übernommen hast.


Egal, ob es im Lauf des Tages zweimal geklappt hat, oder achtzehnmal, es war ja nie eine lange To-Do-Liste, sondern immer nur kurze, definitiv schaffbare Aufgaben, und der nächste Schritt besteht immer darin, sich zu fragen: "Schaffe ich nochmal zehn Minuten? - Ja, also auf geht's/Nein, denn ich kann nicht mehr/ Nein, denn gleich ist Feierabend."

(8) Tag 2 bis 14 - den Antrieb reprogrammieren

Du weißt, dass du festlegen musst, wann eine Aufgabe enden wird, bevor du mit ihr anfangen kannst. (Überschaubarkeit)


Du weißt, dass du nur solche Aufgaben wählen (bzw. sie so formulieren) solltest, die du sicher beenden kannst. (sicherer Erfolg)
Du weißt, dass es sich für dich in irgendeiner Form lohnen muss, die Aufgabe zu beenden. (positiver Verstärker)
Du weißt, dass die Aufgaben - egal ob es viele oder wenige, kleine oder große sind - heute sicher spätestens dann enden werden, wenn du Feierabend machst. (Schutz vor Selbstausbeutung)

Konzentrier dich nun wie am Tag 1 nur noch auf das Machbare. Verhandle Schritt für Schritt.

Was soll ich tun, wie lange soll das längstens dauern, und was bekomm ich dafür, wenn ich das mache?

Halte dich nicht mit Aufgaben auf, von denen du nicht zu 100% weißt, dass du sie wie vereinbart ausführen kannst.

Überlege dir, welchen Stein du aufhebst, und was du dafür bekommst, wenn du es tust. Dann hebe ihn auf - löse das Problem - und belohne dich dafür.
Wieder und wieder und wieder und wieder. Einmal, zehnmal, hundertmal, fünfhundertmal. Vierzehn Tage lang.

Nimm dir nicht vor, dich ab jetzt vierzehn Tage lang nicht zu belügen, nicht zu betrügen, und dir deine Belohnungen nicht vorzuenthalten, sondern verhandle anfangs immer nur maximal die nächsten 10 Minuten, plus sofort anschließende Belohnung.

Diese vierzehn Tage sind eine grobe Orientierung, ab wann du spätestens eine signifikante Verbesserung deiner Lebensqualität bemerkt haben solltest. Wenn du 14 Tage lang so gelebt und gearbeitet hast, und sich in deiner Seele nichts zum Besseren verändert hat, hast du sehr wahrscheinlich Kernaspekte der Methode ignoriert.


14 Tage sind doch ein wirklich überschaubarer Zeitraum, in dem man es so tun kann. Was hast du zu verlieren? Es kostet dich doch nichts außer diese 14 Tage Geduld, und stell dir vor, was wäre, wenn es wirklich funktioniert? Du kannst sofort anfangen, jetzt gleich, nachdem du dieses Kapitel fertig gelesen hast.

Vereinbare eine kleine, für dich sicher schaffbare Aufgabe mit dir, und sage dir vorher, was du bekommen wirst, wenn du sie erledigt hast. Dann steh auf, tu es, belohne dich mit dem, was du dir vorher versprochen hast, und überlege dir die nächste Aufgabe.

Wie fühlt sich das an? Gut? Und geht’s dir noch gut? Ja? Dann mach’s gleich noch mal so. Nein? Dann hör auf. Spätestens zum vereinbarten Feierabend hör auch dann auf, wenn es dir noch gut geht, und du dich so fühlst, als könntest du noch weitermachen. Morgen kannst du dafür eher anfangen, oder den Feierabend neu festlegen, wenn du willst.

Wenn du nicht aufstehst, ist entweder die Aufgabe zu groß, oder die Belohnung zu klein. Die Aufgabe zu verkleinern, ist fast immer einfacher, als die Belohnung zu vergrößern.

Sage dir zum Beispiel: "Ich mache jetzt mein Bett, und dann trinke ich in Ruhe eine Tasse Kaffee."

Wenn du dich nun doch nicht dazu aufraffen kannst, reicht entweder die Aussicht auf die Tasse Kaffee nicht für dich aus, und du kannst hier die Belohnung vergrößern (z.B. "Tasse Kaffee und belegtes Brötchen"), oder die Aufgabe "Bett machen" ist für dich im Moment zu groß.


Und weißt du was? Das macht überhaupt nichts. Ja, auch wenn andere Leute kein Problem damit haben, ihr Bett zu machen. Es sieht dich doch niemand, niemand weiß von deinen Schwierigkeiten. Egal. Du bist nicht allein mit dem Problem, von dieser Aufgabe überfordert zu sein. Wenn du es wärst, wieso komme ich dann auf die Idee, dass dich diese Aufgabe überfordern könnte? Ganz einfach, weil ich Leuten begegnet bin, die damit überfordert waren, und es gab Zeiten, da war ich sogar selbst damit überfordert. Es war mir einfach zu viel auf einmal.

Darum kannst du diese Aufgabe verkleinern. Z.B. in "erst mal nur die Decke falten und das Kissen aufschütteln. Ob ich dann die Tagesdecke auflege, entscheide ich hinterher". Vielleicht ist dein Bett auch mit anderen Dingen belegt. Dann entscheide, ein einziges Teil davon abzutragen. Nur eins - und belohne dich sofort dafür. Mit deiner Tasse Kaffee, oder was auch immer du in dem Moment gern machen möchtest. Was du lieber machen würdest, anstatt dich deinem Bett zu widmen. Was du tun würdest, wenn die "Aufgabe Bett machen" und all die anderen Aufgaben nicht anstünden. Tu zuerst diesen einen, vereinbarten Handgriff, und danach tue das, was du sonst tun würdest, ohne den Handgriff zu tun.

Nachdem du deinen Kaffee getrunken hast, kannst du an den nächsten Stein denken, z.B.: "Ich sammle jetzt die Schmutzwäsche ein, und zur Belohnung löse ich ganz entspannt ein Kreuzworträtsel"

Wenn du die Schmutzwäsche eingesammelt, und dein Kreuzworträtsel gelöst hast, denkst du an den nächsten Stein: "Ich spüle das Geschirr, und dann schneide ich mir einen Apfel auf."

Wenn du den Apfel gegessen hast: "Ich gehe duschen, und zur Belohnung schaue ich meine Lieblingssendung."
und dann geht es immer so weiter. Eine Aufgabe nach der anderen, von denen jede einzelne so klein ist, dass du sie nicht mittendrin abbrechen würdest, weil du zu erschöpft bist, oder keine Zeit mehr hast.

"Ich sammle das Altpapier ein, und höre danach eine Viertelstunde Musik."


"Ich räume die Schuhe ins Schuhregal, und lese danach eine Viertelstunde mein neues Buch."
"Ich gehe jetzt gleich einkaufen, und gönne mir dafür ein paar leckere Weintrauben/eine neue Zeitschrift"
"Ich wasche eine Maschine Wäsche, und koche mir dafür eine Tasse Tee."

Das sind alles nur Beispiele für die Art und Weise, wie die Handlungsaufnahme mit sich selbst vereinbart wird.

Jetzt tun, sofort im Anschluss etwas Gutes dafür bekommen.

Wenn ihr es jetzt nicht tun könnt, oder wenn ihr das Gute, was es dafür geben soll, nicht sofort im Anschluss bekommen könnt, wählt etwas anderes.

Je kleiner die Aufgabe, desto wahrscheinlicher ist, dass ihr nicht daran scheitert, aufgebt, den Rückzug antretet und wieder in eurer Starre versinkt. Mikroaufgaben sind die kleinstmöglichen Aufgaben, die man abschließen kann, und das ist kein Nach- sondern ein großer Vorteil. Es ist überhaupt nicht "schwach", mit Handgriffen zu beginnen, denn Handgriffe bedeuten, dass ich meine Leistungs-Belohnung-Verhandlung an nur einem einzigen Tag dutzende Male üben kann, und gleichzeitig habe ich nur ein absolut minimales Risiko, bei auch nur einer einzigen dieser Mikrovereinbarungen mein Wort nicht zu halten, ich brauche für eine ganz, ganz kleine Handlung auch nur ganz, ganz wenig Motivation. Eine Handvoll Weintrauben oder ein paar Minuten YouTube, statt 10 Millionen Euro. Und ich muss nicht pfuschen/mogeln, um die Aufgabe schaffen zu können.

Wenn ICH definiere, dass meine Aufgabe jetzt darin besteht, diese Pizzaschachtel in den Papiermüll zu schmeißen, und das dann tue, ist meine Aufgabe korrekt abgeschlossen und ich kann mich dafür belohnen (positiv verstärken, loben, anerkennen, stolz auf mich sein - oder mich eben dinglich belohnen, wenn mir diese Form der Selbstwertschätzung noch zu schwer fällt). Wenn ich beschließe, dass ich EIN Teil Geschirr spüle, und dieses Teil dann wirklich gespült habe, kann ich mich zu Recht belohnen. Es ist egal, ob da noch zehn andere Papiermüllsachen liegen, oder noch hundert Teile Geschirr schmutzig sind, die entsorgt oder gespült werden müssten.


Andere Leute sehen das mit Sicherheit anders. Ihr seht es ja wahrscheinlich selbst gerade anders: Man muss doch Aufgaben abschließen. Das geht doch nicht, dass man nach zehn Teilen Geschirr einfach mit dem Spülen aufhört. Man muss einfach dazu in der Lage sein, dies und das durchzuziehen, und wenn man das nicht auf die Reihe kriegt, dann soll man sich halt nicht so anstellen, mal die Arschbacken zusammenkneifen und es einfach durchziehen. So wie alle anderen Leute. So wie normale Leute.
Pfiff.

Deine Vereinbarungen mit dir selbst korrekt einzuhalten ist für die Reprogrammierung deines Antriebs viel wichtiger, als all deine augenblicklichen "aber-ich-müsste-eigentlich-dringend-Aufgaben" möglichst schnell abzuschließen.
Hier geht es nicht darum, möglichst viel zu schaffen/zu erreichen, sondern aus einem Teufelskreis herauszukommen. Der Teufelskreis "Antriebslosigkeit" besteht aus den beiden Komponenten "Aufschieben und Selbstausbeutung". Du schaffst es nicht aus dem Teufelskreis hinaus, indem du dir ganz dolle vornimmst, ab morgen nicht mehr aufzuschieben, und du schaffst es nicht aus dem Teufelskreis hinaus, indem du dich "ein letztes Mal" selbst ausbeutest.

Wir sind nicht andere Leute. Du bist du, und ich bin ich, jeder macht es so, wie er kann - und was, bitte, ist eigentlich "normal"? Was zählt, ist dass es funktioniert, und wenn es gut funktioniert - wenn es besser funktioniert als je zuvor, dann wird auch keiner meckern, wenn man es anders macht, als andere es machen würden. Es wird besser funktionieren als dein Teufelskreis. Nicht nur, weil es dir dann besser geht, sondern du wirst auch tatsächlich mehr schaffen können. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber nächste Woche, nächsten Monat, für den Rest deines Lebens. Die Antriebsreprogrammierung soll dir ja nicht nur dabei helfen, dein gegenwärtiges Problem unter Kontrolle zu bringen, sondern sie soll verhindern, dass dir das immer wieder passiert. Es ist ein Instrument, das helfen kann, die Qualität deines gesamten zukünftigen Lebens zu steigern. Diese 14 Tage sind also keine "Deadline für den Müll und die Vernachlässigung, die sich über Jahre angehäuft haben", sondern sie sind der Zeitraum, den du durchhalten musst, um deinem Gehirn beizubringen, dass es einen besseren Weg gibt, eine bessere Alternative, die es in Zukunft benutzen kann, um deine Probleme zu lösen.

Du kannst die Gesamtaufgabe nicht abschließen, wenn du in den nächsten zwei Wochen jeden Tag 30 Minuten lang daran arbeitest. Aber wo stündest du heute, wenn du es in der Vergangenheit geschafft hättest, jeden, wirklich jeden Tag 30 Minuten lang etwas zu tun?

Eine meiner unbeliebtesten Aufgaben ist Wäsche falten. Seit zwei Jahren habe ich immer wieder daran herumgefummelt, wie ich meine Wäsche am besten falten kann. Früher habe ich mir die Wäsche ins Obergeschoss getragen, und dann immer gemütlich vor dem Fernseher/PC-Stream gefaltet. Klappte gut, aber die Wäsche stand dann oft tagelang mitten im Wohnzimmer, und ihr Anblick nervte mich. Es nervte mich auch, dass ich körbeweise Wäsche rauf- und runtertragen musste, und es nervte mich, dass ich im Wohnzimmer alles freiräumen musste, um die Wäsche falten zu können - denn hier ist eigentlich kein geeigneter Wäsche-Faltplatz. Als dann die Kinderklamotten aus dem Zimmer des Großen in unseren Hauswirtschaftsraum wanderten (der Große hat dadurch rund vier Quadratmeter mehr Platz in seinem Zimmer), hatte das den Nebeneffekt, dass ich jetzt sämtliche Wäsche unnütz ins OG schaffe, und nicht nur die von uns Eltern. Außerdem bekam ich durch die Umgestaltung des Wäschezimmers drei große Freiflächen - eine für die ungefaltete Wäsche, eine für die gefaltete Wäsche, und einen Bereich, in dem ich die Wäsche falten kann - alles dicht beieinander, über dem Trockner, zwei Schritte neben den Kleiderschränken. Das sind ideale Bedingungen, und trotzdem blieb die Wäsche oft lange liegen, weil ich mich nur ganz schlecht dazu aufraffen konnte, die ganze Wäsche auf einmal zu falten - und in einem Vier-Personen-Haushalt mit kleinen Kindern, die gern in Matschepampe spielen, und sich sofort umziehen, wenn beim Händewaschen mal der Ärmel nass geworden ist, wächst der Berg rasend schnell, vor allem im Winter - es wurde also immer schwieriger, die Motivation dafür zu finden, mal anzufangen, und wenn der Berg wächst, braucht es ja auch (wie im Kapitel "Was dich antreibt" beschrieben) wieder noch mehr Motivation. Die für mich praktikable Lösung war, den Wäscheberg zuerst ohne "Falt-Absicht" durchzugehen: Handtücher und alles andere, was viel Volumen und wenig Arbeit macht, beiseite zu legen, Kleinteile wie Unterhosen, Socken und BHs in einen separaten Korb zu legen, und die Pullover/T-Shirts umzukrempeln und auf einen Haufen zu legen. Je nachdem, ob ich noch Zeit und Nerv habe, falte ich dann die voluminösen Sachen weg - weil ich aus Erfahrung weiß, dass mich der große Berg einschüchtert. Diese Teile sind leicht zu beseitigen und bringen mir einen schnellen, sichtbaren Erfolg. Die restlichen Teile falte ich in Dreierblöcken - jedes Mal, wenn ich den Raum betreten muss, nehme ich mir die paar Sekunden, und falte drei Stück. Und dann höre ich wieder auf.


Ihr meint, dass man so nicht fertig werden kann? Im Gegenteil. Gefühlt verbringe ich inzwischen kaum noch Zeit mit Wäschefalten, und meine Körbe sind fast immer so gut wie, oder sogar ganz leer. Damit will ich nicht sagen, dass jeder das so machen sollte (sehr wahrscheinlich können das sogar die wenigsten, aufgrund des Grundrisses ihrer Wohnungen), sondern, dass es für mich so - momentan - am besten funktioniert. Auch andere Methoden haben gut funktioniert, und dann traten Veränderungen ein, die bewirkten, dass es nicht mehr so gut funktionierte. Sobald der Wäscheberg wieder anwuchs, wusste ich, dass ich etwas verändern muss. Drei Teile sind derzeit das Limit, bis zu dem ich mich zuverlässig an die Vereinbarung halte. Fünf Teile sind mir schon zu viel, um es noch als "nebenbei" oder "das dauert ja nur ein paar Sekunden" empfinden zu können.

Dass da noch mehr Wäsche zu falten wäre, oder andere Dinge getan werden müssten, interessiert mich also in dem Moment nicht, und zwar, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich den ganzen Papiermüll zusammentragen kann, oder ob ich es schaffen werde, hundert Teile Geschirr zu spülen, oder all diese Wäsche zu falten. Sobald ein Risiko da ist, dass man scheitern könnte, ist die Aufgabe falsch formuliert. Zu groß.

Man will ja sein altes Muster durchbrechen, und dieses Muster besteht darin, sich immer erst dann zu belohnen, sich etwas zu gönnen, sich selbst zu loben oder anzuerkennen, stolz auf sich zu sein, oder sonst wie positiv zu verstärken, wenn "die Arbeit" fertig ist. Und "die Arbeit", das heißt in diesem Fall: "einfach alles, was gemacht werden müsste". In meinem Fall also der gesamte Wäscheberg. Aber weil ich festlege, dass "die Arbeit" aus drei Teilen Wäsche besteht, verdiene ich bereits eine Belohnung (in meinem Fall: nicht-dinglich - ich bin stolz auf mich), wenn ich diese drei Teile gefaltet habe.

Auch wenn ihr im Moment nicht findet, dass ihr eine Belohnung verdient, oder wenn ihr das Gefühl habt, dass euch das wertvolle Zeit kostet - gebt sie euch TROTZDEM.

Denkt an den Semmelweis-Reflex: Euer Gehirn lehnt reflexartig ab, eine Belohnung zu verdienen, weil ihr noch keine Erfahrung damit gemacht habt, eine Aufgabe anders abzuschließen als durch die vollständige Erledigung (also schon drei Teile als abgeschlossene Aufgabe wahrzunehmen, und nicht erst den gesamten Wäscheberg). Ihr könnt aber entscheiden, sie euch trotzdem zu gewähren, auch wenn ihr in dem Moment noch meint, dass das nicht gerechtfertigt sei, sich "komisch" oder "unverdient" anfühlt - egal! Das wird sich legen. Ihr werdet euch daran gewöhnen, d.h. eure Gehirne werden dann bald anfangen, schon auf solche Teilerfolgserlebnisse hin Dopamin auszuschütten, weil sie es gewohnt sein werden, dass schon nach dem Teilerfolg ein positiver Verstärker (eine Belohnung) erfolgt. D.h. ihr reprogrammiert euer Mindset, dass es sich bereits gut anfühlt, nur drei Teile zusammenzulegen, und nicht wie früher, dass es sich immer erst dann gut anfühlt, nachdem man ALLE Teile zusammengelegt hat.

Wenn wir die Arbeit erst dann enden ließen, wenn tatsächlich alles erledigt ist, was getan werden "müsste", wären wir bei einem so großen Berg von angestauten Aufgaben doch viel zu erschöpft, von Schmerzen geplagt, müde, ausgehungert, halb am verdursten...um noch die Belohnung, die wir uns dafür in Aussicht gestellt haben, genießen zu können. Statt nur einen Korb Wäsche zu bügeln und es dann für heute gut sein zu lassen, schlägt man sich damit die Nacht um die Ohren, um zehn Körbe zu bügeln, die sich über Monate aufgestaut haben. Im Anschluss fällt man völlig übermüdet ins Bett und pennt wenigstens noch ein paar Stündchen, bevor man wieder aufstehen und weiter ackern muss. Das führt dazu, dass wir das Bügeln mit Schmerzen und Erschöpfung verbinden, und mit der Erkenntnis, dass es sich ganz und gar nicht für uns lohnt, zu bügeln. Also schieben wir es erst recht vor uns her. Wir drücken uns davor, weil wir uns überfordert fühlen, weil wir Angst davor haben, und weil wir schon bei dem bloßen Gedanken ans Bügeln in Stress - oder sogar Panik - geraten. Wie im Kapitel "Was dich antreibt..." bereits erklärt wurde: Wir lernen durch Schmerzen. Nichts lässt uns so schnell und nachhaltig lernen wie Schmerzen. Wir meiden alles, was mit Schmerzen zusammenhängt. Wer also immer bis zum Schmerz arbeitet, der lernt, die Arbeit selbst zu meiden!
Es ist aber nicht die Aufgabe an sich, die so schlimm ist, sondern es ist unser verkorkster Arbeitsstil, vor dem uns graut. Statt alle paar Tage mal eine halbe Stunde gemütlich zu bügeln, lassen wir es monatelang schleifen, und erledigen dann alles im - schmerzhaften - Hauruck-Verfahren, wenn der Berg extrem groß geworden ist, und morgen Besuch kommt, der diese stoffgewordene Peinlichkeit auf keinen Fall sehen soll.

Wenn wir jeden Tag ein bisschen was von dem Berg abtragen, legen wir doch genau das Verhalten an den Tag, das wir uns für "danach" wünschen: Jeden Tag ein bisschen was zu tun, anstatt zwischen Nichtstun und Abrackern hin und her zu pendeln.


Deshalb ist es vollkommen unsinnig, sein Verhalten erst reprogrammieren zu wollen, nachdem man den Riesenberg abgetragen hat. Benutze den Berg, um zu üben! Benutze den Berg, um dich zu reprogrammieren. Das einzige, was du dafür "tun" musst, besteht eigentlich darin, etwas zu lassen. Lass es bleiben, immer alles komplett fertigstellen zu müssen, bevor du dich mal hinsetzen darfst. Du sollst Feierabend machen, und deinen Feierabend auch genießen. Du sollst ausgehen und Fußmassagen machen lassen und Tee trinken, deine Lieblingssendung gucken und mit deiner besten Freundin telefonieren, und auch sonst alles tun, was deine Lebensqualität steigert. Du hast eine sehr harte, sehr schwierige Aufgabe vor dir - da muss einfach eine wirklich herausragende "Bezahlung" herausspringen.

Ich mach normal keine Versprechungen, aber hier verspreche ich etwas: Du wirst verblüfft sein, wie weit du mit Mikrovereinbarungen in den nächsten vierzehn Tagen kommen wirst.



Was, Kalender umblättern, ein Teil bügeln, ein paar Taschentücher aufheben? Die hat sie wohl nicht mehr alle. So wird doch die Arbeit erst recht nie fertig, denkt ihr jetzt vielleicht.

Doch, sie wird fertig werden.

Weil ihr nicht einfach nur Müll beseitigt, oder Sachen ausmistet oder ins Regal zurückstellt - sondern weil euer Gehirn derweil etwas Neues lernt. Einen neuen - nicht verkorksten - Arbeitsstil.
Weil ihr euch eure Kräfte einzuteilen lernt. Weil es anfängt Spaß zu machen, und ihr dadurch über euch hinauszuwachsen beginnt. Weil es nicht mehr in Angst, Stress und Schmerzen mündet, sondern in eine Steigerung eurer Lebensqualität, in einem verbesserten Selbstwertgefühl und mehr Selbstvertrauen. Die geübten Vereinbarungen bringen dich noch nicht ans Ziel, eine aufgeräumte Wohnung zu haben. Sie bringen dich an das Ziel, wieder Antrieb zu haben - den Antrieb, deine Wohnung aufräumen zu wollen. Und das Selbstvertrauen, dass du es diesmal schaffen wirst, und dass der Berg danach nicht wieder zurückkehren wird. Die tiefe innere Überzeugung, dass es sich für dich lohnt, die Wohnung aufzuräumen.

Wenn du das geschafft hast, wenn dein Gehirn das verstanden und gespeichert hat, DANN kommen die großen Veränderungen.

Dann führst nicht mehr länger erst mal einen Kampf gegen dich selbst, bevor du anfangen kannst, an den Kampf gegen dein Chaos zu denken. Dein innerer Widerwille, dich mit dem Chaos auseinandersetzen zu müssen, schrumpft. Es fällt dir immer leichter und leichter, Handlungen aufzunehmen. Es fällt dir leichter, morgens aufzustehen, es fällt dir leichter, deine Alltagslasten in Routinen zusammengefasst schnell nebenbei wegzuerledigen, es fällt dir leichter, Altlasten abzutragen, und Arbeiten energieeffizient zusammenzufassen. Viele kleine Sorgen ziehen dich nicht länger runter, weil sie dann verschwunden sein werden. Deine Energierückgewinnung verbessert sich, deine Leistungsbereitschaft steigert sich. DANN erhöht sich das Tempo, mit dem du vorankommen wirst - aber immer noch auf eine gesunde, langsam wachsende Art und Weise.

Nach einer Weile kommt man plötzlich ganz alleine auf die Idee, Arbeiten zu bündeln, ohne dass einen das gleich sehr viel mehr Energie kostet. Man traut sich auf einmal mehr als nur einen Handgriff auf einmal zu. "Ach, ich kann diese Zeitung, und diese und diese und diese zusammenklauben und entfernen" und "Ich kann all diese Schuhe in diesen Karton packen und alle zusammen entfernen" und "Ich kann diesen Haufen alte Tischdecken entfernen", und auf einmal geht es sehr viel schneller voran, ohne dass es mehr Überwindung, mehr Zeit oder mehr Kraft kostet.


Dann beginnt der optisch wahrnehmbare Erfolg, die sichtbare Veränderung und Verbesserung - und die gibt einem dann sogar noch mal mehr Mut und mehr Ansporn, weiterzukommen. Man kommt gar nicht mehr auf die Idee, dass man daran scheitern könnte, alle Schuhe auf einmal wegzupacken. Man weiß einfach, dass man es schafft.
Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wächst, man kann die eigene Leistungsfähigkeit besser einschätzen, man kann den tatsächlichen Zeitaufwand besser einschätzen, und man wird immer besser darin, die Aufgaben so zu formulieren, dass sie einerseits klein genug bleiben, um einen nicht zu überfordern oder zu stressen, und andererseits groß genug sind, um einen sichtbaren Effekt zu erzielen.

Am Ende werden vielleicht ein paar Kleinigkeiten übrig bleiben, mit denen man im Moment wirklich noch nicht umzugehen weiß. Okay, aber man kann das Zimmer wieder nutzen. Das meiste Geschirr ist sauber, die meiste Wäsche ist wieder gebügelt. Irgendwo im Haus geht es wieder weiter, und wenn man einmal komplett durch ist, kann man in einem Jahr oder in zweien wieder in den Karton mit den Sachen schauen, die damals Panik ausgelöst haben. Nur mal anschauen. Nur mal rausnehmen und durchgucken, ob jetzt vielleicht etwas dabei ist...und wenn nicht, dann eben wieder auf den Speicher damit. Es ist ja nur noch ein kleiner Karton, und kein ganzes vollgestopftes Haus mehr. Was soll´s. Damit kann man doch prima leben!



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