Die Kongregation der Schwestern



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C. Rheinpfalz.


Diözese Speyer.

Bischof Nikolaus Weis von Speyer (1842 - 1869), der vertraute Freund des Straßburger Bischofs, hat von Anfang an das Gedeihen der Niederbronner Genossenschaft mit besonderem Interesse verfolgt. Ihr schnelles Wachstum hatte in manchen Kreisen der Pfalz den Wunsch erregt, ein ähnliches Mutterhaus in der Speyerer Diözese zu begründen. Da das Unternehmen nicht zustande kam, ließen sich viele gottbegeisterte junge Pfälzerinnen in Niederbronn aufnehmen. Als Bischof Nikolaus im September 1852 bei seinem Freunde Räß weilte und ihn auf seinen Firmungsreisen begleitete, besprach er mit diesem die Gründung einer Niederbronner Filiale in seinem Bistum 335). Schon am 9. November desselben Jahres traf Schwester M. Alphons mit drei ihrer Töchter in Speyer ein und führte sie in die kleine, innerhalb der Ringmauern des St. Magdalenenklosters gelegene Wohnung. Am selben Abend kam auch Bischof Räß über Karlsruhe nach Speyer, um seine angelegentliche Teilnahme an der neuen Gründung zu bekunden; es war die erste Tochter Niederbronns auf deutschem Boden. Der Vinzenzverein hatte bei der Berufung der Schwestern sich verpflichtet, ihnen Mietzins, Brennholz, Brot und einen monatlichen Beitrag von 15 Gulden zu liefern, für alles übrige sollten sie selbst aufkommen. Für die erste Einrichtung der Wohnung war eine Sammlung bei den Katholiken der Stadt veranstaltet worden. Der Vinzenzverein, der der staatlichen Behörde gegenüber als Dienstherr der Schwestern auftrat, zeigte dieser unter Vorweisung der nötigen Zeugnisse ihr Verweilen in der Stadt an und wurde in der nächsten Zeit in keiner Weise wegen der Berufung der Schwestern belästigt. Diese übernahmen fortan die Pflege und Überwachung der katholischen Armen und Kranken, mit denen sich bisher der Vinzenzverein und der mit ihm in Verbindung stehende Elisabethenverein abgegeben hatten. Im Jahre 1854 übertrug die Stadtverwaltung den Schwestern auch die Suppenanstalt für die armen katholischen Kinder der Stadt. Unter der tüchtigen Leitung der Schwester Justine, die als erste Oberin ihr namentlich im Anfang mühevolles Amt zehn Jahre lang treu und eifrig verwaltete, entfalteten die Schwestern eine von Katholiken und Protestanten in gleicher Weise gewürdigte segensreiche Tätigkeit auf dem Gebiete der Armen- und Krankenpflege.

So kam es, daß noch andere Pfarreien das lebhafte Verlangen nach der Einführung Niederbronner Schwestern hegten. Dem eifrigen Pfarrer Dr. Nardini von Pirmasens gelang es, in seiner Pfarrei am 9. Juni 1853 eine Niederlassung zu erhalten 336). Auch in Frankenthal und Dahn suchte man unsere Schwestern für die Armen- und Krankenpflege zu gewinnen, doch führten die Unterhandlungen hier zu keinem Ergebnis. Glücklicher war die Gemeinde Hambach, für welche der St. Johannisverein im Juli 1854 drei Niederbronner Schwestern gewann. Derselbe Verein zu Landstuhl berief durch den trefflichen Stadtpfarrer Matthias Weber Anfang Dezember 1854 ebenfalls einige Niederbronner Schwestern. Auch die Gemeinde Rülzheim, die sich zur Erlangung von Krankenschwestern vergebens an die Mutterhäuser der Barmherzigen Schwestern in München und Freiburg gewandt hatte, begehrte jetzt zu Niederbronn die Erfüllung ihrer Wünsche. Gerne sagte man hier Gewährung zu, und es war bereits festgesetzt, daß die Schwestern am 15. Juni 1855 ihren Einzug in die Pfarrei Rülzheim halten sollten.

Da traf am 15. Dezember 1854 bei der Verwaltung des Rülzheimer Armenhauses eine Ministerialverfügung aus München ein, die kurz und bündig, ohne nähere Begründung, verkündete, daß die Berufung der Ordenstöchter des Allerheiligsten Erlösers aus Niederbronn bei Straßburg zur Übernahme der Krankenpflege in Anstalten und Gemeinden der Pfalz nicht genehmigt werden könne, und daß hiernach die kgl. Regierung daselbst das weiter Geeignete zu verfügen habe 337). Diese Verfügung wurde gleichzeitig den Landkommissariaten zu Homburg, Neustadt und Pirmasens wegen der Niederbronner Filialen zu Landstuhl, Hambach und Pirmasens zugeschickt. Dem Wortlaute nach galt sie nur der Anstellung von Schwestern in Gemeinden und öffentlichen Anstalten, nicht aber für alle jene Fälle, wo die Schwestern von Privaten und Privatvereinen in den Dienst der Wohltätigkeit gestellt waren. Die pfälzische Regierung aber, dehnte die Ministerialentschließung auch auf diese Fälle aus und verbot den Schwestern den Aufenthalt in der Pfalz überhaupt. Am 28. Dezember wurde der Stadtpfarrer von Pirmasens durch den Landkommissar Beer benachrichtigt, daß im Sinne der Münchner Verfügung "die in allen Zweigen der Armenpflege seither verwendeten vier Schwestern ihre bisherige Amtstätigkeit einzustellen und in ihr Mutterhaus oder in ihre Heimat zurückzukehren haben". Noch rücksichtsloser ging der Landkommissar zu Homburg vor, welcher anordnete, daß die Schwestern zu Landstuhl innerhalb drei Tagen das Land zu verlassen hätten; die kräftige Einsprache des dortigen St. Johannisvereins hatte zur Folge, daß die Ausweisungsfrist auf acht Tage verlängert wurde, doch müßten die Schwestern sofort ihre Tätigkeit einstellen. Anerkennung verdient die Haltung des Neustadter Landkommissars Kurz, der erst am 7. Januar 1855 dem Bürgermeister und Pfarrer zu Hambach eröffnete, daß die dortigen Schwestern innerhalb drei Wochen die Gemeinde zu verlassen hätten.

Diese überraschend kommenden Maßnahmen erregten begreiflicherweise in den katholischen Bevölkerungskreisen der Pfalz peinliches Aufsehen und berechtigten Unwillen, um so mehr, als die Notlage der Gegenden, welche von der Maßnahme des Ministeriums betroffen waren, groß war. Die herrschende Volksstimmung gibt sich deutlich genug kund in einem Schreiben aus der Westpfalz, welches die "Deutsche Volkshalle" am 19. Januar 1855 veröffentlichte:

"Was wird mit unsern armen Niederbronner Schwestern? Wenn die "Volkshalle" unmittelbare Verbindung nach Bayern hat, so möchten wir sie gebeten haben, doch drüben zu sagen, daß wir armes, nacktes katholisches Volk nur um eine Gnade bitten, die Schwestern vom Allerheiligsten Heilande auf unsere Kosten halten zu dürfen. Wir wissen es ja, der Staat, und wenn er barmherzig wäre wie unser Herrgott, er kann uns nicht mehr helfen, und er tut's auch nicht. Wenn nicht Hungersnot und Pest hereinbrechen sollen, müssen wir selbst dazu tun. Wir verlangen also keine Staatsgenehmigung für fremde Orden; wir verlangen keine besonderen Rechte für katholische Klostergesellschaften; wir sind abgesagte Feinde des polizeilichen Gängelbandes; wir wollen selbst gehen lernen, wenn wir auch noch so oft stolpern. Also nur um eine Gnade bitten wir demütig: Man lasse uns Werke der katholischen Barmherzigkeit durch die Glieder eines religiösen Privatvereins ausüben, welcher, wenn auch über der Grenze drüben gegründet, doch jedenfalls nicht fremder ist als die schleswigholsteinischen lutherischen Geistlichen, welche man in der Pfalz angestellt hat. Gewiß, die Katholiken haben seit 50 Jahren schon viele bescheidene Bitten um Gewährung ihres guten Rechts in Deutschland gestellt. Aber bescheidener als diese Bitte des verhungernden Westrichs ist doch noch keine gewesen 338). Sie fürchten vielleicht, daß ich übertreibe, wenn ich vom verhungernden Westrich schreibe; aber gegen Tatsachen helfen alle Staatstabellen nichts. Es ist erwiesen, daß die Hauptnahrung einer Masse der Westricher Bevölkerung im vorigen Winter der Abfall der Kartoffelschalen in den Rumfabriken war, welche dieses teure Nahrungsmittel zu industriellen Zwecken verarbeiten. Anderswo bereiten sich die armen Leute Klöße aus Kleie und Rüben. Vor einigen Wochen ging ich im Schneegestöber über Feld. Eine ausgemergelte Gestalt in zerlumptem Anzuge begegnete mir und bat um ein Almosen. Es war ein junger Mann von etwa 30 Jahren, den offenbar der Mangel so heruntergebracht hatte. Ich frug ihn aus über seine Familie und seine Arbeit. 'Ich habe Besen gebunden, Herr', war die Antwort, 'und drüben im Dorfe verkauft. Acht Kreuzer (etwa zwei Groschen) habe ich erlöst. Ich gehe jetzt noch nüchtern nach Hause und nehme für mein Weib und mein krankes Kind beim Krämer ein halbes Pfund Kartoffelmehl mit. Es ist eigentlich nicht für die Menschen, sondern für das Vieh; aber wir haben heute nichts anderes zu essen als dies.' Sie sehen, ich darf es wiederholen, unser verhungernder Westrich braucht Barmherzigkeit. Wer wird so herzlos sein, ihm die Barmherzigen Schwestern zu entziehen?"

Die Pfarrer der von der Maßregelung betroffenen Gemeinden riefen unverzüglich den Beistand und die Hilfe ihres Bischofs an. Dieser griff denn auch sofort tatkräftig ein. Schon am 2. Januar 1855 richtete er an den König selbst ein eindringliches Schreiben, das von der Voraussetzung ausging, die pfälzischen Regierungsorgane hätten den Erlaß vom 15. Dezember des verflossenen Jahres irrig ausgelegt.

Der Bischof meinte: "Wenn die kgl. Staatsregierung auch Gründe haben mag, den Gemeinden und öffentlichen Anstalten der Pfalz die Wohltat des allgemein anerkannten, bewunderungswürdigen Wirkens der Töchter des Allerheiligsten Erlösers zu versagen, so dürfe doch wohl der fragliche allerhöchste Erlaß nicht so gedeutet werden, als sollte damit der Privatwohltätigkeit, wie sie sich in den St. Johannis-, St. Vinzentius- und St. Elisabethenvereinen auch im Bistum Speyer entfaltet, eine Schranke gesetzt werden, wodurch diese Privatvereine in einer Art beeinträchtigt würden, welche sonst andere Privatvereine und Gesellschaften nicht unterliegen. Denn so wie nach den bestehenden Gesetzen in der Pfalz jeder Untertan sich des Rechts erfreut, für sein Geschäft, sein Unternehmen, sein Handwerk sich jeglicher und aller Hilfsarbeiter zu bedienen, welche er für tauglich erachtet, insofern dieselben sich nur dem allgemeinen Polizeigesetze gemäß ausweisen und betragen, so dürfen doch auch wohl die christlichen Privatvereine, deren einziger Zweck ist, den Pflichten der Barmherzigkeit nachzukommen, das Recht in Anspruch nehmen, für die tagtäglich wachsenden Bedürfnisse der Kranken- und Armenpflege sich solcher Kräfte zu bedienen, welche, wie die Erfahrung seit Jahren gelehrt hat, und jetzt selbst die Hospitäler des orientalischen Kriegsschauplatzes lehren, vor allem, wenn nicht allein, tauglich sind, die Werke der Barmherzigkeit nach dem vollen Inhalte der christlichen Liebe zu erfüllen. Solche Kräfte bietet die Genossenschaft der Töchter des Allerheiligsten Erlösers zu Niederbronn zur Zeit für das Bistum allein dar, wie es sich namentlich in Rülzheim erwiesen hat. Der gesegnete Erfolg ihrer Berufung nach Speyer, Pirmasens, Landstuhl, Hambach hat auch bereits gezeigt, daß diese Wahl, wie sie eben eine notwendige war, auch eine glückliche gewesen, wie aus einzuholenden Berichten sich leicht und unzweifelhaft ergeben dürfte." Der Bischof schließt sein bewegliches Schreiben mit den Worten: "Die Besorgnis, es vor Gott nicht verantworten zu können, wenn ich in solcher Zeit des Elends und des Jammers nicht für diejenigen Mittel verteidigend einträte, welche wenigstens in meinem Bistum als die hervorragenden erscheinen, dem Übel zu steuern, das hat mich gedrängt, Ew. Kgl. Majestät mit der Bitte zu nahen, die Töchter des Allerheiligsten Erlösers nach wie vor im Dienste von Privatvereinen wirken zu lassen."

Noch an demselben Tage verständigte der Bischof den pfälzischen Regierungspräsidenten, Herrn v. Hohe, von diesen am Hofe erhobenen Vorstellungen mit der Bemerkung, "daß wenn irgendeine polizeiliche Maßregel gegen die Töchter des Allerheiligsten Erlösers platzgreifend gewesen, durch ein Benehmen mit der oberhirtlichen Stelle, mit deren Zustimmung die Schwestern aus dem Mutterhause in das Bistum entsendet wurden und unter deren Aufsicht sie bisher gewirkt haben, jede, auch die strengste Maßnahme in gemildeter Weise zur Ausführung hätte kommen können und dabei alle Mißverständnisse wären vermieden worden". Zugleich ersucht der Bischof, "jedes weitere Vorschreiten der äußeren Behörde auf dem bezeichneten Wege, zur Verhütung fernerer Verwicklungen, bis zur allerhöchsten Entscheidung einzustellen".

Auch im übrigen katholischen Deutschland rief die Maßnahme der pfälzischen Regierung großes Aufsehen hervor. Schon am 2. Januar hatte der päpstliche Nuntius zu München, Monsignore de Lucca, den Speyerer Oberhirten über die Angelegenheit befragt 339); Bischof Nikolaus bat auch ihn dringend, in der Sache seinen ganzen Einfluß geltend zu machen. Acht Tage später richtete Graf Arco-Balley, einer der trefflichsten Reichsräte von München, an den Bischof ein teilnahmsvolles Schreiben, in welchem er seine Dienste anbot. Bischof Nikolaus nahm diese freudig an. In dem Antwortschreiben vom 12. Januar 1855 faßt er den peinlichen Zwischenfall auch von einem allgemeinen kirchlichen Gesichtspunkte auf: "Da aber in dieser Maßregel, wie mir scheint, eine große Beeinträchtigung der katholischen Kirchenfreiheit und der persönlichen Freiheit liegt, so ist die vorliegende Ministerialentschließung auch ein Übel und ein Ärgernis für die Katholiken in Bayern und für die katholische Kirche und muß jeden betrüben und besorgt machen, der sich nicht gefühl- und kraftlos an die Staatsgewalt unbedingt hingeben will." Durch seinen Sekretär, den Geistlichen Rat Molitor, den bekannten Dichter und Schriftsteller 340), ließ er eine ausführliche Denkschrift ausarbeiten für den Fall, daß Herr Lassaulx in der Zweiten Kammer die Sache berühre.

Diese Denkschrift ist für die Geschichte der Niederbronner Kongregation in mannigfacher Beziehung beachtenswert; sie ist zugleich eine geistvolle Apologie derselben 341). Es heißt da: "In dem persönlichen Verkehr mit den Armen und Kranken in den Häusern liegt vor allem das Zeitgemäße, was diese Kongregation auszeichnet. Sie entspricht dadurch einem schreienden Bedürfnisse der Gegenwart, was zum wenigsten dem Vinzenzverein gegenüber nicht nachgewiesen zu werden braucht. Denn auch dieser hat es ja erkannt, daß die persönliche Berührung mit den Armen der Nerv der heutigen Armenpflege sei. Nimmt man noch dazu, daß diese Kongregation, geleitet von einer dazu offenbar providentiell erfahrenen, hochbegabten Oberin, die ganze jugendliche Kraft entwickelt, wie sie in der Geschichte der Kirche so oft neuerstehende Organe des religiösen Lebens geoffenbart haben, so darf es nicht wundernehmen, daß diese Töchter vom Allerheiligsten Heilande überall, wo sie erschienen sind, freudig begrüßt wurden und sich in wenigen Jahren seit 1849 durch das ganze weitausgedehnte Bistum Straßburg verbreiteten, wo sie bereits 1852 20 Häuser gegründet hatten. Zu dieser Verbreitung trägt außer der exemplarischen Disziplin und dem heroischen Eifer, welcher die Mitglieder beseelt, nicht wenig der bescheidene Anspruch bei, den die Schwestern in bezug auf Obdach und Unterhalt an die Gemeinden oder Privaten stellen, bei welchem sie Aufnahme finden. Die Töchter vom Allerheiligsten Heilande begnügen sich mit der dürftigsten Einrichtung und leben ärmer als die Ärmsten unter ihren Pflegebefohlenen und ermöglichen so an vielen Orten den Segen ihres Wirkens, der bei größeren Ansprüchen, die sie ganz wohl erheben könnten, ohne gegen die evangelischen Räte zu verstoßen, vielen armen Gemeinden versagt bliebe."

Von dem bisherigen Wirken der Schwestern in der Pfalz sagt Molitor ferner: "Vor einiger Zeit pflegten die Schwestern von Speyer in einer nahen Dorfgemeinde einen Kranken, der an einem furchtbaren Gesichtskrebse litt, so daß kein Krankenwärter mehr aufzutreiben war und die Schwestern selbst genötigt waren, alle 14 Tage zu wechseln, bis der Kranke durch den Tod erlöst wurde. Ebendenselben Mut der christlichen Nächstenliebe zeigten die Töchter vom Allerheiligsten Erlöser zu Pirmasens und zu Hambach, wo der Typhus ausgebrochen war. Das, was sie binnen wenigen Wochen in Landstuhl zuwege brachten, setzte die ganze Bevölkerung in Erstaunen. Denn sie stellten den Straßenbettel ganz ab und brachten die müßiggängerischen Armen zur Arbeit und begannen bereits einen entschiedenen wohltätigen Einfluß auf die Kinder der verkommenen niedern Klassen zu gewinnen. Daß bei solchem Wirken, bei solchem augenfälligen Segen auf allen Werken der Nächstenliebe, wobei sich die Schwestern beteiligten, die Nachricht von ihrer beschlossenen Ausweisung allgemein Erstaunen, Bestürzung, Mißmut und nicht geringe Aufregung hervorgerufen, ist wohl nicht zu verwundern. Die Armen fürchten, ihre Wohltäterinnen zu verlieren; die Reichen erkennen, daß die Schwestern ihnen unersetzbar sind für die Werke der Nächstenliebe, welche sie durch diese bisher ausüben ließen. Die unbefangenen Protestanten begreifen nicht, warum man ein so bescheidenes, nur Demut und Nächstenliebe atmendes Werk stören wolle; die Katholiken fühlen sich tief gekränkt in ihrem kirchlichen Leben, in der freien Bewegung und Entfaltung ihrer religiösen Bedürfnisse. Der Klerus, der im Begriffe stand, allenthalben solche Schwestern in den Gemeinden einzuführen, sieht sich des einzig ausreichenden Mittels beraubt, dem stündlich steigenden Elende zu steuern, während auf der andern Seite mit dem besten Willen von Staats wegen nichts geschehen kann, um dem Pauperismus zu steuern."

Wenn das Ministerium die Schwestern ausweise, weil es den Einfluß des "fremden Ordens" fürchte, so sei diese Maßregel gänzlich verfehlt: "Denn gerade sie muß fremde Sympathie rege machen, wenn das arme hungernde Volk und die Wohlhabenden, die gerne helfen wollten, aber nicht selber und nicht allein können, wenn der Klerus, dem der größte Teil der Last der Armut aufgebürdet ist, sieht, daß man die barmherzigen Hände entfernt, in welchen sich die Gaben verdoppelten, durch welche das kleinste Almosen ein gesegnetes wurde." Während man lutherischen, aus Schleswig-Holstein vertriebenen Geistlichen in der Pfalz Unterkommen gewähre, werden katholische Barmherzige Schwestern aus dem Nachbarlande verjagt. Und wer sind diese Schwestern? Einfache elsässer Bauernmädchen, die samt ihrer Oberin keine Silbe französisch sprechen und schon eine große Anzahl Deutsche, zumal aus der Pfalz, in ihre Kongregation aufgenommen haben. Und sie sollen dem bayrischen Staate gefährlich sein? Molitor weist dann darauf hin, daß in den Rheinlanden, in den Diözesen Mainz und Köln, eine Reihe von Orden und Krankenschwestern tätig sind, während die Pfalz leer sei. "Wie aber auch", schließt er seine Ausführungen, "die Entscheidung erfolgen möge in der vorliegenden Sache: eines steht fest und ist seiner Wichtigkeit wegen wohl zu erwägen. Der Konflikt ist seit ungefähr 14 Tagen ausgebrochen, und wir überzeugen uns, da wir Gelegenheit haben, die Stimmung der Pfalz genau kennenzulernen, von Tag zu Tag mehr, was wir anfangs selber nicht geahnt hätten. Nicht die Untertanentreue, nicht der im Jahre 1849 genugsam bewiesene Gehorsam des katholischen Volkes und Klerus, wohl aber das Vertrauen dieses Teiles der Bevölkerung steht auf dem Spiel. Wenn es geopfert wird, fragt es sich, ob es wieder zu gewinnen sein wird."

Am 18. Januar setzte der Speyerer Kirchenfürst alle Bischöfe des Königreichs Bayern von der Sachlage und den darüber bereits gepflogenen Verhandlungen in Kenntnis. Er stellte es ihrem Ermessen anheim, "ob und in welcher Weise die angeregte Prinzipienfrage, welche die Bestimmungen des Konkordats in den Artikeln VII und XVII wesentlich berührt und welche für die Entwicklung der Freiheit der Kirche wie für die Lösung der drohend-ernsten Frage des gesellschaftlichen Lebens der Gegenwart von der größten Bedeutung zu sein scheint, im Anschlusse an seine bisherigen Schritte als gemeinschaftliche Angelegenheit aufgenommen und behandelt werden dürfte, wenn seinen desfallsigen Vorstellungen kein Gehör gegeben werde".

Herr v. Hohe aber dachte nicht daran, den Erfolg der vom Bischof unternommenen Schritte abzuwarten. Bereits am 13. Januar teilte er diesem mit, daß bis spätestens am 5. Februar die Niederbronner Schwestern die Pfalz verlassen müßten, und daß er die betreffenden Landkommissariate davon verständigt hätte. Er ersuchte sogar den Bischof, "Die Schwestern, die bisher unter der Aufsicht des hochw. Bischofs standen, zum freiwilligen Abzuge gefälligst anweisen zu lassen, damit der Vollzug der Allerhöchsten Entschließung vom 15. vorigen Monats, der sich nicht aufschieben läßt, nicht unnütz erschwert werde". In der Verfügung des Präsidenten an die Landkommissare war bereits alles Nötige zur Ausweisung der Schwestern vorgesehen. Es hieß da: "Man ist sowohl von den Schwestern als auch von den betreffenden Vereinen, deren Existenz an eine die obrigkeitlichen Verfügungen respektierende Haltung geknüpft ist, überzeugt, daß der Abzug der Schwestern nach geschehener Aufforderung durch die Polzeibehörde aus freien Stücken erfolgen und daß der Behörde keinerlei Veranlassung werde gegeben werden, behufs des Vollzuges der höchsten Ministerialverfügung vom 15. vorigen Monats nach Zwangsmitteln greifen zu müssen. Sollte letzteres übrigens dennoch notwendig werden, so ist dabei mit möglichster Vermeidung alles öffentlichen Aufsehens zu verfahren und den Schwestern eine dem kirchlichen Kleide entsprechende anständige Bahandlung angedeihen zu lassen. Ihre Verbringung über die Grenze wird am besten in verschlossenen Wagen und in Begleitung eines Polizeibeamten geschehen können. Diejenigen dieser Ordenstöchter, welche etwa ihre Heimat in der Pfalz haben, sind in ihre pfälzische Heimat zu bringen, und es ist aufzuklären, auf wessen Anregung sie in das Kloster zu Niederbronn getreten sind und warum vor dem Eintritt in dasselbe keine Allerhöchste Genehmigung eingeholt wurde. Zugleich ist den beteiligten Vereinen das Befremden des unterfertigten Regierungspräsidiums darüber auszudrücken, daß sie diese Schwestern ins Land gerufen haben und dieselben ihre Wirksamkeit eröffnen ließen, ohne es nur der Mühe wert zu halten, der kgl. Regierung vorher darüber Anzeige zu erstatten und um die notwendige Erlaubnis dazu zu bitten." 342)

Der Bischof weigerte sich natürlich, die Ausweisung der Schwestern zu unterstützen und gab dem Präsidenten zu verstehen, daß die Erregung im katholischen Volksteil noch wachse, wenn man die harten Maßregeln ausführe, ehe die Allerhöchste Entschließung erfolge. Er betont nochmals: "Ich glaube, wenn ich darauf hindeute, nicht befürchten zu müssen, daß gegen mich der Vorwurf erhoben werden könnte, als lege ich der von Gott gesetzten Obrigkeit gegenüber zuviel Gewicht auf die Volksmeinung, indem Bischof, Klerus und katholisches Volk in den jüngsten Zeiten der Verwirrung in vielfacher Weise, selbst auf Gefahr des Lebens hin, bewiesen haben, wie wenig sie dem göttlichen Gebote der Untertanenpflicht gegenüber auf die politische Meinung des Tages zu halten haben! Nichtsdestoweniger verdient aber im gegebenen Falle die Stimmung der katholischen Pfalz billige Berücksichtigung, nicht nur, weil sie sich in der zeitgemäßen Ausübung der christlichen Barmherzigkeit behindert fühlt, sondern auch, weil sie ihre bedauernswürdigen Armen einer Stütze beraubt sieht, welche, wie dies dem verehrlichen Präsidium wohlbekannt ist, unersetzlich sein wird."

Mittlerweile forderte das Staatsministerium des Innern die pfälzische Regierung auf, über die Sachlage eingehend Bericht zu erstatten. Die Schritte des Bischofs schienen nicht erfolglos bleiben zu sollen. Der Pfarrer von Hambach, der selbst nach München gereist war, um nötigenfalls die Bemühungen seines Oberhirten zu unterstützen, konnte am 21. Januar diesem melden, "daß sowohl der Minister des Innern als der des Kultus für die Sache sehr günstig gestimmt seien und ihre desfallsigen Erklärungen bereits dem König abgegeben haben, allein ebenso gewiß sei es auch, daß feindselige Einflüsse hinter dem Rücken der Minister sich bei Sr. Majestät dem König Geltung zu verschaffen suchen". Bereits begann die bayrische Presse die pfälzische Polizeimaßregel zu kritisieren. In einem sehr scharf gehaltenen Artikel fragte die "Augsburger Postzeitung": "Welche Gefahr in aller Welt liegt denn hier auf Verzug? Fürchtet man wirklich, daß das Herz des kgl. Pfalzgrafen durch die erneuerten Vorstellungen seiner Untertanen, die Bürgermeister und Pfarrer an der Spitze, könnte weich gemacht werden zu einem Akt, dessen Lohn die getrockneten Tränen des Elendes sind, welches kein Polizeibefehl bannen noch hinwegfegen kann?" 343)

An höchster Stelle in München sah man schließlich ein, daß man keinen Grund hätte, "mit den armen Töchtern des Allerheiligsten Erlösers wie mit Landstreicherinnen zu verfahren" 344). Auch hielten es die leitenden Stellen für ratsam, rechtzeitig zu verhindern, daß die Sache, die ohnehin viel unliebsames Aufsehen erregt hatte, in beiden Kammern der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt würde. Darum erfolgte schon am 29. Januar 1855 die Allerhöchste Entschließung: "Daß Se. Majestät der König die Belassung der Töchter des Allerheiligsten Erlösers von Niederbronn bei Straßburg in dem Regierungsbezirk der Pfalz unter dem Vorbehalte deren alsbaldiger Entfernung, sobald Gründe hierzu gegeben sein sollten, huldvollst zu gestatten, hierbei jedoch Allerhöchst kundzugeben geruht, daß die genannten Schwestern ohne vorherige Anfrage nicht hätten aufgenommen werden sollen." Begründet wurde die Belassung damit, "daß viele Ordensschwestern im Dienste der Wohltätigkeitsorgane ohne äußeren, gegliederten Zusammenhang mit dem Mutterhause zu Niederbronn als einzelne Individuen erscheinen und deshalb ausschließlich den fremdenpolizeilichen Vorschriften unterliegen. Sie dürfen sich nicht als Orden oder Kongregation festsetzen und Häuser gründen; sie sind als einfache Dienstleute ohne Anerkennung ihres klösterlichen Charakters zu betrachten".

Mit Genugtuung wurde diese kgl. Verfügung vom Volke und der Presse begrüßt. Das "Katholische Kirchen- und Schulblatt für das Elsaß" 345) stellte mit Freuden fest, "daß diesmal die herzlose Beamtenwelt an dem persönlichen Entschlusse des Landesherrn gescheitert ist". Noch in demselben Jahre zogen neue Schwestern in Rülzheim und Herxheim ein.

In der Ministerialverfügung vom 29. Januar 1855 war die Wirksamkeit der Schwestern auf die ambulante Krankenpflege beschränkt worden; in ihren eigenen Häusern durften sie keine Krankenpflege betreiben. Diese einschränkende Bestimmung wurde in der Folgezeit nicht streng eingehalten, ohne daß die Regierung etwas dagegen zu erinnern hatte. Im Jahre 1868 gestattete sie sogar den Schwestern eine Kollekte zur Aufführung des Neubaus zum Armenkinderhaus in Speyer. Erst im Jahre 1879 fand es der damalige Regierungspräsident für gut, die Bestimmungen vom 29. Januar 1855 nochmals einzuschärfen 346). Als dann im Jahre 1887 der Neubau in der Engelsgasse aufgeführt wurde, in welchem alleinstehende weibliche Personen und ältere Dienstboten Aufnahme finden konnten, fragte das Bezirksamt Speyer unterm 6. Juni dieses Jahres an, wozu dieser Neubau diene, und wies erneut auf die Verfügung vom 12. März 1879 hin, "laut welcher die Ordensschwestern nur zur ambulanten, nicht aber zur Krankenpflege in ihrer Wohnung verwendet werden dürfen, wie ihnen überhaupt der Aufenthalt in Speyer nur mit dem Verbote einer förmlichen Niederlassung gestattet ist". Darauf erklärte unterm 12. Juni 1887 der Dompfarrer Münch, daß der Vinzenzverein nicht daran denke, ein Krankenhaus zu gründen; die Schwestern sind und bleiben bloß im Dienste des Vinzenzvereins; sie sind und bleiben ambulante Krankenpflegerinnen; an eine Niederlassung wird nicht gedacht.

Dieser der Staatsregierung gegenüber unsicheren Lage der Niederbronner Genossenschaft in der Pfalz wurde schließlich ein Ende gemacht. Unterm 9. November 1891 teilte das Bezirksamt dem Domkapitular Schwarz mit, daß nach der Ministerialentschließung vom 4. Oktober 1891 die Verhältnisse der Schwestern geregelt worden seien, und daß die Oberin von Speyer um die Genehmigung einer Niederlassung einkommen solle. Im Januar 1893 ging ein diesbezügliches Gesuch nach München ab. Am 28. Februar 1894 wurde ein Vertrag des Vinzenzvereins mit dem Kongregationshaus in München abgeschlossen. Danach bleiben die Schwestern im Dienste des Vinzenzvereins, der für den Unterhalt derselben sorgt. Die Häuser, Gärten, Mobilien sind Eigentum des Vereins, der sie den Schwestern zur Nutznießung überläßt. Legate und Schenkungen werden vom Kongregationshaus in München übernommen. Diesem Hause unterstehen seit dem Jahre 1892 von der kgl. Staatsregierung mit dem Mutterhaus in Oberbronn geschlossenen Vertrage alle Schwesternhäuser der Pfalz für alle äußeren, den Staat berührenden Angelegenheiten.

Die Speyerer Bischöfe bewahrten der Kongregation, die im Laufe der Jahre immer mehr Ausdehnung in ihrer Diözese gewann, stets ihre rege Sympathie. Im Jahre 1883 spendete ihr Bischof Joseph Georg v. Ehrler, der schon während seiner Münchner Dompredigerzeit den dortigen Schwestern ein aufrichtiger und stets hilfsbereiter Freund gewesen war, in einem Schreiben an den Heiligen Vater 347) reichliches Lob. Es heißt da: "In der Pflege der Kranken scheuen sie keine Mühe und suchen ihnen nach Kräften beizustehen; besonders aber achten sie sorgfältig auf das Heil ihrer Seelen, beten mit ihnen und ermahnen sie, die Krankheit christlich zu tragen. Was aber am wichtigsten ist: sie haben keine größere Sorge, als daß die Sterbenden mit den heiligen Sakramenten versehen werden. Nicht selten kommt es vor, daß Kranke, welche lange Zeit hindurch die Kirche und ihre Sakramente verachtet hatten, durch die Bemühungen der Schwestern dazu gebracht wurden, daß sie den Priester zu sich kommen ließen und mit Gott versöhnt aus diesem Leben schieden. So kann mit Recht gesagt werden, daß die Schwestern durch ihre Mühe und Sorge den Pfarrgeistlichen eine wertvolle Hilfe in der Seelsorge sind."

Doch widmen wir nunmehr den einzelnen Häusern unsere Aufmerksamkeit.


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