Drittes Buch.
Äußere Geschichte der Genossenschaft.
Ihre Ausbreitung.
Erster Abschnitt.
Die im Jahre 1866 abgetrennten Zweige zu Wien, Ödenburg und Würzburg.
Erstes Kapitel.
Die Niederlassung in Wien und ihre Trennung (1857 - 1866).
Am 30. Dezember 1856 wandte sich die Gräfin Flora v. Fries im Auftrage des Maria-Elisabethenvereins von Wien, dessen Vorsteherin sie war, an die Leitung des Mutterhauses Niederbronn mit der Bitte, einige Schwestern zu senden, welche sich in der Pfarrei Reindorf, einem damaligen Vorort von Wien 258), der Erziehung von Waisenkindern und der Krankenpflege widmen sollten. Durch die Schenkung eines im Braunhirschen Grund gelegenen Hauses (Nr. 61) war die Möglichkeit einer solchen Niederlassung gegeben. Kardinal Rauscher, der Oberhirte der Wiener Erzdiözese, genehmigte in einem an die Gräfin v. Fries gerichteten Handschreiben vom 28. März 1857, "daß ein Schwesternhaus der Töchter des göttlichen Erlösers zu Reindorf gegründet und die hierzu erforderlichen Mitglieder der genannten geistlichen Kongregation aus der Diözese Straßburg berufen werden". Er fügt bei: "Ich bitte übrigens Gott, daß dies Samenkorn reichliche Früchte tragen möge, und zwar um so mehr, da die große Bevölkerung der Pfarrei Reindorf an kirchlichen Anstalten so arm ist." 259)
In Niederbronn willfahrte man gerne dem Wunsche des Elisabethenvereins. Schwester Theophile Daur, aus Niederbronn gebürtig, eine sehr befähigte und tatkräftige Natur, kam im Laufe des Frühjahrs 1857 mit vier andern Schwestern als Oberin der neuzugründenden Filiale nach der Kaiserstadt 260).
Allein schon zu Anfang stellten sich Schwierigkeiten ein, da der Elisabethenverein die Schwestern ausschließlich seinen Zwecken dienstbar machen wollte. Schwester Theophile war aber nicht gewillt, dem Wirkungskreis der neuen Niederlassung so enge Schranken zu setzen. Resolut, wie sie war, ging sie gleich an die richtige Stelle, indem sie unterm 1. Oktober 1857 dem Herrn Kardinal die Bedingungen mitteilte, unter denen sie ihre Tätigkeit auszuüben gesonnen war: "Der fromme Maria-Elisabethenverein stellt uns die Zumutung, daß wir uns nur der Förderung des Zweckes dieses Vereins innerhalb des uns angewiesenen Hauses und vor allem der Obsorge über die uns übergebenen Mädchen widmen sollen. So sehr wir auch bereit sind, dieses zu tun, so müssen wir uns doch vorbehalten, daß wir frei und ohne erst eine Erlaubnis dieses Vereins einholen zu müssen, uns, sobald es die Umstände erlauben werden, dem Hauptzwecke unserer Kongregation widmen zu dürfen, nämlich der Krankenpflege in den Wohnungen der Kranken. Wir nehmen daher von dem Vereine nur jene Unterstützung in Anspruch, welche zum Unterhalte der in dem Hause verwendeten vier Schwestern, zur Erziehung der uns übergebenen Kinder und zur Pflege der uns vom Verein überwiesenen Armen nötig ist, und muten diesem Verein nicht zu, daß er auch jene Lasten, welche durch unsere Krankenpflege in den auswärtigen Wohnungen entstehen, tragen soll, rücksichtlich welcher wir auf die göttliche Vorsehung vertrauen und uns auch vorbehalten, die an uns gelangten Almosen, welche wir nicht vom Maria-Elisabethenverein bekommen, nach unserm Gutdünken zu frommen Zwecken verwenden zu dürfen."
Man versteht sehr gut, daß sich die Wiener Oberin gegen die Zumutung wehrte, bloß das willenlose Organ der Elisabethendamen zu sein, daß sie sich namentlich sträubte gegen das von diesen an die Schwestern erlassene Verbot der Hauskrankenpflege, die doch der Hauptzweck der Kongregation war. Sie setzte sich auch sogleich mit dem damaligen Pfarrer von Reindorf in Verbindung, der von ihrem Vorhaben, in seiner Pfarre die Hauskrankenpflege zu übernehmen, entzückt war, und sie sprach sich auch in einer persönlichen Vorstellung des längeren mit dem Kardinal aus. Anfangs empfing der Kirchenfürst sie ziemlich kühl. Doch hören wir Schwester Theophile selber ihre Erlebnisse schildern: "Ich ließ mich nicht abschrecken, und er wurde so väterlich und so gut und versprach mir, ganz meine Stütze zu sein, ich sollte nur in allen meinen Anliegen meine Zuflucht zu ihm nehmen. Er sagte mir, je mehr Kranke Sie hier besorgen, desto mehr Freude wird es mir machen, und mein sehnlichster Wunsch ist, daß Ihr kleines Haus, das Sie bewohnen, ein großes Kloster wird, daß viele, viele von Ihren Schwestern hier wirken können; den folgenden Tag ließ ich mich mit einer Schwester zum Herrn Statthalter führen, der so gern mit Franzosen zu tun hat. Ich sprach französisch mit ihm; er äußerte die größte Freude, französische Schwestern hier in Wien etabliert zu sehen, und sagte mir, er selbst wolle uns beim Kaiser ankündigen. Von dort ging ich zum Herrn Bezirksrat und zu den andern Obrigkeiten der Gemeinde unserer Pfarrei, von welchen wir mit der größten Freude empfangen wurden." 261)
Das Bedürfnis nach Schwestern, welche die ambulante Krankenpflege ausübten, war tatsächlich in Wien sehr dringend. Die vorhandenen Barmherzigen Schwestern genügten kaum für den Spitalkrankendienst. Mit scharfem Blick erkannte Schwester Theophile, daß einer selbständigen Niederlassung der Niederbronner Schwestern ein segensreicher Wirkungskreis auf dem Boden der Stadt Wien beschieden sei, wenn man die Tätigkeit der Schwestern nicht einschränkte, wie es sich die Elisabethendamen dachten. Da eine Einigung mit ihnen nicht erzielt werden konnte, die Generaloberin aber eine Rückkehr der ausgesandten Schwestern nicht wünschte, zogen sie aus dem vom Verein zur Verfügung gestellten Hause fort und mieteten sich vorläufig eine andere Wohnung in der Schwanengasse Nr. 61.
Es folgten nun schwere, entbehrungs- und arbeitsreiche Tage und Monate für die Schwestern. Aber die zähe Ausdauer der Oberin und die Opferfreudigkeit der Mitschwestern trugen ihre Früchte. Am 1. März 1858 erließ Schwester Theophile mit Gutheißung der geistlichen und weltlichen Behörden einen Aufruf zu Beiträgen für die Gründung einer neuen Wohltätigkeitsanstalt für die Erziehung und Verpflegung armer, verwaister und verlassener Kinder in dem Pfarrbezirk Reindorf. Im September desselben Jahres wurde diese Anstalt eröffnet. Die Anfänge waren schwer. Neue Schwestern kamen, um die Arbeitslast zu teilen und vor allem um das segensreiche Werk der Krankenpflege auszuüben. Am Anfang des Jahres 1859 wünschte der erzbischöfliche Sekretär Kornheisl, der von Anfang an das Unternehmen tatkräftig förderte, von Rom aus dem Werke Glück und Segen. "Sagen Sie", schreibt er der Oberin, "den neuangekommenen Schwestern, daß sie in Wien Wunder wirken müssen, sonst geht es nicht. Denn ohne Geld ein großes Waisenhaus errichten und mit einem Dutzend Schwestern die Krankenpflege in einer so großen Stadt unternehmem, heiße ich doch Wunder wirken."
Die Schwestern aber brachten dieses Wunder fertig.
Schon nach kaum zwei Jahren hatten sie 150 Kinder in ihrem Waisenhause versammelt. Die alte Behausung war zu enge geworden; Schwester Theophile war es gelungen, zwei Häuser in der Kaiserstraße zu erwerben und für ihre Zwecke einzurichten 262). Es fehlte auch nicht an Neidern und Verleumdern, die den Stadtmagistrat gegen das neue, segensvolle Unternehmen mobil machten. Der Magistrat drohte der Oberin mit der Entziehung der Waisenkinder. Kurz entschlossen, forderte Schwester Theophile ihn auf, die Kinder zu holen. Da gab es einen allgemeinen Protest der interessierten Kreise, und der Magistrat bat, die Oberin möchte doch die Kinder behalten. Das war kein kleiner Sieg, und mit Stolz machte die Oberin dem Straßburger Bischof Räß davon Mitteilung 263). Sie berichtet ferner, daß der Krankendienst in Wien viel Arbeit mache. Wien sei eine verdorbene Stadt. Selten finde man einen Kranken, der die Sterbesakramente empfangen wolle; die Schwestern hätten in dieser Hinsicht viel zu beten und zu kämpfen; doch sei bis jetzt keiner von den ihrer Pflege anvertrauten Kranken ohne die Heilmittel der heiligen Kirche aus dem Leben geschieden. An Geldsorgen fehle es nicht; in den letzten zwei Jahren hätte sie 170000 Franken für Bauzwecke ausgegeben, doch seien davon bereits 110000 Franken bezahlt. Mit 400 Franken Schulden und Gottvertauen hätten sie angefangen. Gott werde weiter helfen.
Im Jahre 1863 konnte bereits eine Filialgründung zu Ödenburg in der ungarischen Diözese Raab vorgenommen werden. Mehr und mehr Schwestern mußten vom Mutterhause herüberkommen. Als Bischof Räß im Sommer desselben Jahres das Wiener Haus besuchte, konnte er der Mutter M. Alphons mitteilen, "daß dort die Schwestern einen sehr heilsamen und allgemein anerkannten Wirkungskreis haben. Es steht dort der Kongregation eine gesegnete Zukunft bevor. Der Kardinal, ein sehr einsichtsvoller, beobachtender, kalt beurteilender, aber entschiedener Mann, ist dem Werke außerordentlich zugetan, und nicht zwar sowohl in Worten als vielmehr tatkräftig". Das Haus sei aber bereits zu eng; die Oberin wolle das Nachbarhaus kaufen, er selbst, auch der Kardinal sei dafür. "Wenn in Österreich nachhaltig gewirkt werden soll, müssen viele dortige Schwestern Aufnahme finden. Allein der weite Weg und die Kosten schrecken ab. Mir scheint es daher unbedingt notwendig, an die Gründung eines dortigen Postulates zu denken. Es ist dieses um so mehr ratsam, weil dort alle Gutgesinnten, besonders Se. Eminenz und seine Umgebung, der festen Überzeugung sind, daß die Strömung von dem Mutterhause ausgehen und Leitung und Leben von dorther kommen und fortbestehen müssen." 264)
Der Gedanke, den Räß in Übereinstimmung mit Kardinal Rauscher faßte, nämlich dem Wiener Hause ein Postulat anzugliedern, ist ebenso natürlich als praktisch. Man konnte dadurch, daß man junge, zum Ordensberuf neigende Mädchen in Wien aufnahm, auf einen viel stärkeren Zuzug österreichischer Mitglieder rechnen. Die weite Reise nach dem fernen Frankreich schreckte manche Eltern ab, ihre Kinder dorthin zu senden. Ein kürzerer oder längerer Aufenthalt aber im Wiener Hause, der über die Fähigkeiten und Berufsmöglichkeiten inländischer Kandidatinnen ein sicheres Urteil ermöglichte, bevor sie das eigentliche Noviziatsjahr im Mutterhause antraten, erschien als das beste und einfachste Mittel, an Ort und Stelle selbst Kandidatinnen in größerer Zahl zu gewinnen.
Schwester Theophile dachte aber weiter. Sie träumte bereits, ehe der Kardinal noch an diese Möglichkeit dachte, von einem Wiener Noviziate. Als Räß Wien verlassen hatte, kaufte sie sofort das Nachbarhaus für 49500 Gulden. Woher das Geld nehmen? In letzter Stunde kam Hilfe. Die Gräfin Dietrichstein erbot sich, die Summe zu begleichen, nachdem die Oberin ihr erklärt hatte, daß Bischof Räß sich mit der Absicht trage, ein Noviziat zu errichten. Sie teilte es unterm 12. Juli Räß mit und fügte bei: "Heute habe ich dem Kardinal es gemeldet, er hat mich sehr ermuntert, das Haus gut zu einem Noviziat zu organisieren, und versprach mir noch namhafte Hilfe und Geld."
Damit war aber der erste Keim zur halb erfolgten Loslösung vom Mutterhause gelegt. Mit einem selbständigen Noviziat war die Einrichtung einer von Mutterhause in inneren Verwaltungssachen mehr oder weniger unabhängigen Provinz gegeben. Hatte die selbständigere Stellung einer Provinzialoberin für Schwester Theophile vielleicht eine besondere Anziehungskraft, daß sie den von Räß und dem Kardinal angeregten Gedanken eines Postulates aus eigener Machtvollkommenheit weiter auf das Noviziat ausdehnte? Im Mutterhause legte man ihr diese Absicht unter. Wie dem auch sei; auf jeden Fall führte die von diesem Zeitpunkt ab erörterte Noviziatsfrage zur Trennung vom Mutterhause. Dazu kam das wachsende Mißtrauen zwischen Schwester Theophile und der Generaloberin, das einerseits genährt wurde durch das geheime Drängen jener nach der Lösung des Noviziatsproblems, anderseits durch die großen, der Generaloberin mißfallenden Baupläne zur Vergrößerung des Wiener Hauses. Das Tempo der Wiener Oberin schien der ehrw. Mutter zu rasch, die Entwicklung des Hauses zu schnell und in Anbetracht der bedeutenden notwendigen Geldmittel zu gewagt.
Schwester Theophile wußte sich zu helfen. Anfang Februar 1864 wurde ihr gestattet, eine Sammlung zu veranstalten. Sie wandte sich mit folgendem gedruckten Aufruf an das gute Wiener Herz:
"Die Kongregation der Töchter des göttlicher Erlösers (Wien, Schottenfeld, Kaiserstraße Nr. 27) ist bei der rasch zunehmenden Zahl der armen Kinder und jener älteren, kränklichen Frauenspersonen aus besseren Ständen, welche in dem Pensionat der Kongregation gegen möglichst billige Entschädigung Unterkunft und Verpflegung erhalten, genötigt, statt der bisherigen Zimmerkapelle eine eigene Hauskapelle zu erbauen. Die Zahl der durch die Kongregation verpflegten Personen beträgt mit Einschluß der Ordensschwestern, welche sich der Krankenpflege widmen, in diesem Augenblicke nahe an zweihundert. Gibt Gott seine Gnade dazu, so wird der Bau bis zum kommenden Jahre vollendet sein, und dann werden nicht bloß die Bewohner des Pensionats, die verwaisten und armen Kinder und die im Krankendienst ermüdeten Ordensschwestern an dem Herzen des göttlichen Erlösers, der mitten unter ihnen wohnt, Trost, Kraft und heilige Liebe gewinnen, sondern auch Fremde, welchen bei besonderen Anlässen die Kapelle geöffnet wird, sich in den gottgeweihten Räumen erbauen.
Se. Eminenz, unser hochw. Herr Kardinal Fürst-Erzbischof, der großmütige Förderer aller edlen und frommen Werke, hat der Kapelle ein prachtvolles Altargemälde zugesagt und dessen Ausführung der Meisterhand des Herrn k. k. akademischen Professors Karl Wurzinger übertragen. Jede Gabe zur Bestreitung des kostspieligen Baues wird mit größtem Danke und mit größter Gewissenhaftigkeit zur Ehre Gottes und zum Heile der Seelen verwendet werden.
Wien, am Feste Mariä Lichtmeß 1864." 265)
Bereits am 18. Oktober desselben Jahres wurde die Kapelle des Neubaues durch den Kardinal selbst eingeweiht, der vor den zahlreichen Anwesenden eine Ansprache hielt.
Nach der Vollendung und zweckmäßigen Einrichtung des Neubaues faßte Kardinal Rauscher, offenbar von Schwester Theophile stark beeinflußt, den Plan eines eigenen Noviziates stärker ins Auge. Unterm 13. Februar 1865 ersuchte Se. Eminenz den Straßburger Bischof, "dem Wiener Hause die Errichtung eines Noviziates zu gestatten. Daß es im rechten Geiste geleitet wird, verbürgen die Eigenschaften der Oberin, und die ohnehin stattfindenden Visitationen geben der Generaloberin alle Gelegenheit, sich hiervon zu überzeugen. Der Zweck der Stiftung ist die Ehre Gottes und das Heil der Seelen, und er wird durch die Errichtung des Noviziates wirksam gefördert".
Räß benachrichtigte die Generaloberin sofort von dem Vorhaben des Kardinals. Nach reiflicher Rücksprache mit dem Kongregationsrat unterbreitete sie (6. April 1865) dem Bischof folgende Bedenken. "Der gute Ordensgeist, den man in den Schwestern von Niederbronn bewundert, ist eine Frucht des Noviziates. Ein getrenntes Noviziat wird trotz der Visitationen und Exerzitien 266) nicht dasselbe leisten; so wird der Einheitsgeist allmählich abnehmem und endlich, je nachdem Umstände eintreffen, die völlige Trennung von dem Zentralhause statthaben. Die Erfahrung lehrt, was solche Trennung in andern Kongregationen für bedauernswürdige Folgen hatte." Die Generaloberin hat das Recht und die Pflicht auf sich, die Schwestern in die Sukkursalhäuser und Wohltätigkeitsanstalten zu versenden. Damit sie diese Versendung zweckmäßig machen kann, muß sie eine genaue Kenntnis von dem Charakter und von den Eigenschaften der zu versendenden Schwestern haben. Wie kann sie aber diese Kenntnis von jenen haben, die nicht unter ihrer Leitung gebildet wurden? Wenn Bedenken gegen die weite Reise ins Mutterhaus geltend gemacht würden, so könne man wohl sagen, daß eine von Gott berufene Jungfrau sich durch die nötigen Auslagen nicht von ihrem Vorhaben abschrecken lasse. Zudem ständen auch die materiellen Interessen des Mutterhauses auf dem Spiel, da bei der sehr ungünstigen finanziellen Lage des Mutterhauses dieses fast ganz auf die von den Aspirantinnen mitgebrachten Aussteuersummen angewiesen sei. Zuletzt sei in den Konstitutionen vorgesehen, daß nur beim Mutterhaus ein Noviziat sein dürfe.
Die Generaloberin blieb aber nicht bei einem brieflichen Gedankenaustausch in der für die Kongregation so wichtigen Angelegenheiten stehen. Sie reiste noch im April nach Wien. Sie erstattete von hier aus (30. April 1865) dem Straßburger Oberhirten Bericht über das Ergebnis ihrer Reise. In anderthalbstündiger Unterredung besprach sie die Sache mit dem Kardinal. "Er war äußerst zuvorkommend und billigte alle meine Ansichten, die ich mit aller Entschlossenheit und ohne Furcht darlegte. Ich sah wohl ein, daß ich nicht absolut das Vorhaben des Noviziates absprechen dürfte, jedoch stellte ich meine Bedingungen so, daß es noch lange Zeit braucht, um es ins Werk zu setzen." Sie berichtet aber auch von Unstimmigkeiten, die zwischen ihr und der Wiener Oberin zutage traten. Es sei dieser unerträglich gewesen, daß die Novizenmeisterin von der Generaloberin ernannt würde. Sie sagte rund heraus, daß sie keine Schwester aus dem Mutterhause oder aus einem andern Hause annehme zur Bildung der Novizen, sie wolle ihre Schwestern selbst bilden.
Man ersieht hieraus, daß zwischen der Generaloberin und der Wiener Oberin Gegensätze bestanden, die für die Zukunft nichts Erfreuliches versprachen. Das größere Maß von Selbständigkeit, das sich aus den angedeuteten Wünschen der Schwester Theophile feststellen läßt, mußte einer Vorgesetzten von der Art der Mutter M. Alphons großes Mißbehagen bereiten. Doch würde man der Wiener Oberin Unrecht tun, wenn man behaupten wollte, sie hätte von vornherein eine Trennung in die Wege leiten wollen. Am 11. Dezember desselben Jahres hat der erzbischöfliche Sekretär Kornheisl in einem Schreiben an die Generaloberin ausdrücklich betont, daß Schwester Theophile sich entschieden dagegen verwahrt habe, und sie selbst bat um dieselbe Zeit (29. Dezember 1865) den Straßburger Bischof, er möge bei der ehrw. Mutter unter allen Umständen erreichen, daß eine Trennung vom Mutterhause nicht eintrete.
Wenn Mutter M. Alphons bei ihrer Unterredung mit dem Kardinal sich der Hoffnung hingegeben hatte, die ihr sehr unerwünschte Errichtung eines Noviziates auf unbestimmte Zeit hinausschieben zu können, so täuschte sie sich. Am 19. Dezember 1865 wiederholte der Wiener Kirchenfürst, den Schwester Theophile ganz für ihre Pläne gewonnen hatte, sein Begehren bei Bischof Räß. Seine Wünsche gehen aber schon viel weiter, er fordert die Errichtung eines auch vermögensrechtlich vom Mutterhaus unabhängigen Provinzialhauses. Indem er darauf hinweist, daß er die Frauen vom Guten Hirten 267) nur dadurch wider die damalige Regierung, den Landtag, das Abgeordnetenhaus und die Tagesblätter habe halten und retten können, daß er sie zu einer österreichischen Ordensprovinz vereinigt habe, verlangt er die gleiche Einrichtung auch für die Niederbronner Schwestern, "wenn sie die Hoffnungen erfüllen sollen, welche sie erweckt haben. Sie bedürfen dringend einer mit entsprechenden Vollmachten versehenen Provinzialoberin und eines dieser Oberin unterstehenden Noviziates. Dann wird es den Häusern von Wien und Ödenburg an Kandidatinnen nicht fehlen; die Ausstattung derselben wird den Grund zur Sicherstellung der zeitlichen Hilfsmittel legen, und auch neue Gründungen werden nicht auf sich warten lassen. Für die Zukunft der Genossenschaft in Österreich und den Fortbestand des guten Werkes zur Ehre Gottes und dem Heile der Seelen ist die ehrw. Schwester Theophile unentbehrlich. Der Generaloberin wird es natürlich freistehen, die Häuser in Österreich selbst oder durch eine Bevollmächtigte zu visitieren, und hält sie es für zeckmäßig, einen Priester aus dem Elsaß zur Leitung der geistlichen Übungen abzusenden, so wird dies kein Hindernis finden, auch nicht in ökonomischer Beziehung, denn es handelt sich dabei um keine bedeutende Summe. Doch ist es notwendig, daß die Selbständigkeit des Vermögens der Provinz gewahrt werde. Es ist recht und löblich, wenn die Töchter des Erlösers in Österreich und überall mit dem Mutterhause durch das Band der Liebe vereinigt bleiben und die Innigkeit ihrer Teilnahme sich auch durch Geldbeiträge bewährt; aber mit Recht sorgt jedes Haus zuerst für sich und seine eigenen Bedürfnisse und Erfordernisse der Liebeswerke, die es sich zur Aufgabe stellt". Der Kardinal ersucht daher noch einmal den Straßburger Bischof, "der frommen Genossenschaft jene Gliederung zu geben, welche durch die Ausbreitung derselben unentbehrlich geworden ist, und die Tätigkeit der ausgezeichneten Oberin von den Hemmnissen zu befreien, welche größeren Erfolgen im Wege stehen".
Räß antwortete 268) dem Kardinal, daß er es ablehne, den Gang der Dinge irgendwie zu beeinflussen. Im Grunde war ja dessen Forderung gleichbedeutend mit einer Abtrennung. Diese war die bedauerliche Folge der Verschleppungspolitik der Mutter M. Alphons, welche bei ihrer Anwesenheit in Wien durch eine klügere Behandlung der Noviziatsfrage wohl einen günstigeren Ausgang hätte herbeiführen können. Am 16. März 1866 teilte Kardinal Rauscher der Schwester Theophile mit, daß er sich entschlossen habe, mehrfach geäußerten Wünschen entgegenzukommen und deshalb die Niederlassung der Niederbronner Schwestern zu einem selbständigen Mutterhause mit Noviziat erheben wolle.
Am 21. März 1866 schickte Schwester Theophile folgendes Schriftstück ins Mutterhaus:
"Wohlerhrw. Mutter! Ihnen herzlich dankend für alles empfangene Gute und uns immerwährend Ihrem Gebete empfehlend, tun wir Unterzeichnete Ihnen, wohlehrw. Mutter, kund, daß wir frei und unabänderlich entschlossen sind, von nun an dem Hause in Wien, welches Se. Eminenz zu einem Mutterhause erhoben, uns anzuschließen und bekennen uns hiermit als von dem Mutterhause Niederbronn getrennte Mitglieder." (Folgen die Unterschriften von 24 Schwestern.) Die Ödenburger Schwestern gaben die gleiche Erklärung mit ab.
Im Mutterhaus wirkte dieses Schreiben wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Daß es so war, hatte man nicht erwartet. Für Mutter M. Alphons war es ein harter Schlag. In einem Begleitschreiben hatte Schwester Theophile sie gebeten, unter keinen Umständen mehr nach Wien zu kommen oder eine andere Schwester zu schicken, denn die Trennung sei für immer beschlossen. Der Kardinal seinerseits hatte dem Mutterhause keine weiteren Mitteilungen gemacht. Die Generaloberin erhob in einem Schreiben an Se. Eminenz (26. März 1866) Einspruch gegen die von Schwester Theophile getroffenen Maßnahmen, und auch der alte Superior Reichard machte in einem fast gleichzeitig abgegangenen Brief (27. März 1866) bewegliche Vorstellungen über eine eingetretene traurige Tatsache. Wenn der Kardinal eine Kongregation habe gründen wollen, so sei das sein gutes Recht. Aber die Erhebung der Wiener Filiale zu einem Mutterhaus sei wider alles Recht erfolgt und sei nur durch Schwester Theophile inszeniert worden, die schon längere Zeit es an dem schuldigen Gehorsam und der schuldigen Ehrfurcht gegenüber ihrer Oberin habe fehlen lassen.
Bischof Räß bedauerte den Bruch auf das tiefste und teilte durchaus die Ansicht der Oberin im Mutterhause, "daß in Wien alles gegen die kirchliche Ordnung geschehen ist" 269). Eine am 11. Juli von der Generaloberin nach Rom gesandte Beschwerde hatte nur den Erfolg, daß dem Straßburger Bischof von Rom (19. November 1866) mitgeteilt wurde, er möge sich mit dem Erzbischof von Wien wegen des Provinzialhauses verständigen.
Es kam aber zu keiner Verständigung mehr. "Ich bedauere", so schrieb der Kardinal am 19. Februar 1867 an Bischof Räß, "den Riß, der in die Genossenschaft der Erlöserschwestern gekommen ist, und wünsche, daß die Oberin des Stammhauses ihre Aufgabe richtiger beurteilen lernt. Vorderhand läßt es sich nicht vermeiden, daß die Häuser im Elsaß, in Franken 270) und Österreich sich ohne Zusammenhang entwickeln. Lassen sich später Anknüpfungspunkte finden, so werde ich bereitwillig die Hand bieten." 271)
Es fanden sich jedoch keine Anknüpfungspunkte mehr. Die Wiener Genossenschaft entwickelte sich selbständig weiter. Beim Tode der Schwester Theophile (gest. 17. August 1888) zählte sie etwa 400 Mitglieder. Unter ihrer Nachfolgerin, Frau Generaloberin M. Generosa Erhard, nahm sie einen raschen Aufschwung. Als sie im Jahre 1907 die Feier des fünfzigjährigen Bestehens feiern konnte, zählte sie über 1200 Mitglieder 272); im Jahre 1914 war die Mitgliederzahl der Kongregation, welche fortan den Namen "Töchter des göttlichen Heilandes" trug, auf 1300 angewachsen 273).
Zweites Kapitel.
Das Haus in Ödenburg, Diözese Raab (1863 - 1866).
Im Frühling 1863 bat der Bischof der ungarischen Diözese Raab um vier Schwestern aus dem Wiener Hause für eine Niederlassung in der Stadt Ödenburg. Er stellte ihnen ein Haus in seinem bischöflichen Gute zur Verfügung mit der Bestimmung, junge Waisen und auch andere Kinder zu erziehen, zu unterrichten und sich auch um die Krankenpflege in der Stadt zu bekümmern. Bald mußten aber noch weitere Schwestern aus dem Mutterhause begehrt werden. An der Spitze der Ödenburger Niederlassung stand Schwester Basilisse. Die Oberaufsicht darüber wurde, wegen der allzu weiten Entfernung des Mutterhauses in Niederbronn, der Wiener Lokaloberin übertragen. Das Werk blühte rasch empor. Ende 1865 hatten in Ödenburg 12 Schwestern anstrengende Beschäftigung; 96 Waisenkinder befanden sich in ihrem Hause, auch ein anderes Waiseninstitut wurde ihnen übertragen, so daß um diese Zeit in der Diözese Raab 16 Schwestern weilten.
Bei dem innigen Zusammenhange mit dem Wiener Hause war es klar, daß es auch in die mit der Wiener Noviziatsfrage verbundene Verwicklung mit hineingezogen wurde. Der Bischof Johann Simon von Raab handelte da ganz im Einverständnis mit dem Wiener Oberhirten. Am 30. Dezember 1865 unterbreitete er dem Straßburger Bischof folgende Wünsche:
„Damit die Kongregation, deren Zweck so löblich und nützlich ist, in Ungarn fortbestehen und sich ausbreiten kann, was sehr zu wünschen ist, scheinen mir zwei Sachen durchaus notwendig zu sein. Die erste ist, daß die Konstitutionen der Kongregation vom Heiligen Stuhle gutgeheißen oder wenigstens, wenn diese Gutheißung bisher noch nicht erlangt wurde, dieselben durch Ew. Gnaden bestätigt seien 274)unter deren Jurisdiktion Niederbronn, die Wiege der Kongregation, gestellt ist, und uns mitgeteilt werden, hauptsächlich mir als Bischof der Stadt Ödenburg. Ein anderer, nicht weniger notwendiger Punkt ist die Errichtung eines Noviziates in Wien, damit die Aspirantinnen nicht genötigt sind, bis nach Niederbronn ins Elsaß zu reisen, um dort ihr Noviziat durchzumachen. Ohne die Errichtung eines Noviziates in Wien ist nicht zu hoffen, daß aus Ungarn gebürtige Personen, die nur die Landessprache beherrschen und keine andern Sitten und Bräuche kennen als die unseres Landes, sich in die Kongregation aufnehmen lassen wollen." Die Eltern der etwa zum Eintritt geneigten Töchter fürchteten die weite Reise und scheuten die Unkosten. Die Errichtung eines Wiener Noviziates behebe alle diese Schwierigkeiten. "Daß das Gedeihen der Kongregation in Ungarn und die Möglichkeit für unsere Kinder, sich derselben anzuschließen, von dieser Bedingung abhängt, ist so klar, daß jede fernere Begründung überflüssig erscheint. Daher bitte ich Ew. Gnaden herzlichst, von Ihrer Gewalt Gebrauch zu machen, um baldigst die Errichtung eines Noviziates im Wiener Hause anzuordnen. Indem ich Ew. Gnaden diesen Vorschlag unterbreite, bin ich weit davon entfernt, eine Spaltung in der Kongregation veranlassen zu wollen oder die Ödenburger Schwestern von dem Niederbronner Hause zu trennen, welches die Mutter der Kongregation ist. Ich will, daß die Autorität der Generaloberin unversehrt bleibe, und ich begehre nichts und habe nichts anderes im Auge, als was für andere weitausgedehnte Genossenschaften Brauch ist: nämlich, daß unter der gesetzmäßigen Gewalt einer Generaloberin mehrere Provinzen gestiftet werden, welche durch enge Bande mit dem Mutterhause vereinigt bleiben." Zuletzt bittet er Bischof Räß, veranlassen zu wollen, daß die im Jahre 1863 in das Niederbronner Noviziat eingetretene Gräfin v. Pongracz, welche der ungarischen Sprache mächtig sei, als Lehrerin dem Ödenburger Hause überwiesen werde 275).
Auch in Ödenburg gingen die Dinge den gleichen Lauf wie in Wien. Gleichzeitig mit der Trennungserklärung der Schwester Theophile - am 21. März 1866 - traf im Mutterhause zu Niederbronn auch die Erklärung der Ödenburger Oberin, Schwester Basilisse Gürtler, ein, wonach sie mit 13 Schwestern sich entschlossen habe, "von nun an das Haus in Wien als unser Mutterhaus anzuerkennen und uns zugleich als getrennte Mitglieder des Mutterhauses von Niederbronn zu bekennen".
Es scheint aber, daß man in Ödenburg bald bedauerte, in die Trennung eingewilligt zu haben, wie aus einem Schreiben der Schwester Basilisse an die ehrw. Mutter erhellt (26. Januar 1867). Sie teilt ihr mit, daß sie in Raab bei dem Herrn Bischof war, der ihr mitteilte, daß sie wieder an das alte Mutterhaus angeschlossen würden; er hätte um die Zusendung der von Rom approbierten Regel gebeten. Er sagte auch, daß der Kardinal von Wien die Trennung des Wiener Hauses noch nicht endgültig ausgesprochen habe; er - der Bischof von Raab - hege die Hoffnung, daß auch Wien sich wieder anschließen werde. "Auch las er mir einen Brief von Schwester Theophile vor, welcher, ich bedauere es sagen zu müssen, voller Unwahrheiten war. Möchte sie doch zur Einsicht kommen, daß man nur mit der Wahrheit bei dem lieben Gott und den Menschen fortkommt." Danach muß der Bischof von Raab nicht ganz mit der völligen Trennung der Ödenburger Filiale von Niederbronn einverstanden gewesen sein. Im folgenden Jahre (1868) erhielt auch der neue Superior des Mutterhauses, Sattler, von zwei Niederbronner Schwestern aus einer neuen Niederlassung zu Budapest die Nachricht, daß der dortige Erzbischof - der damalige Raaber Oberhirte - den Wunsch ausgesprochen habe, daß die Ödenburger Schwestern sich wieder mit dem alten Mutterhause vereinigen möchten. Sattler schickte daher im Juli dem Erzbischof die neuen Konstitutionen der Genossenschaft, ohne jedoch von dorther eine weitere Äußerung in der Angelegenheit zu erhalten.
Das Ödenburger Haus seinerseits trennte sich bald von Wien und wurde selbständiges Mutterhaus 276). Es verdient aber bemerkt zu werden, daß hier der Wunsch noch lange rege blieb, wieder mit Niederbronn in Verbindung zu treten. Noch im Jahre 1888 trug man sich in Ödenburg ganz ernstlich mit diesem Gedanken. Schwester Albina, die ihre ewigen Gelübde noch in Niederbronn abgelegt hatte, war die Seele solcher Bestrebungen. Sie setzte sich im Einvernehmen mit der damaligen Generaloberin, welche nebst einer Mehrzahl von Schwestern die Wiedervereinigung mit Niederbronn wünschte, mit Superior Simonis in Verbindung, der sie im April 1888 zu einer Unterredung nach München bestellte. Schwester Albina und die damalige Generaloberin kamen nach München und drückten dem Superior persönlich den sehnlichsten Wunsch der Genossenschaft aus. Simonis befand sich in nicht geringer Verlegenheit. Er hielt es für geraten, persönlich mit dem Bischof von Raab Rücksprache zu nehmen und dessen Meinung zu hören. Anfang Mai reiste er hin, fand aber in der Sache wenig Entgegenkommen; der Bischof dachte nicht an eine Wiedervereinigung seiner Schwestern mit Niederbronn. Er brauche nötig Schulschwestern, und da die Schwestern sich fast ganz dem Jugendunterrichte widmen, seien sie dem ursprünglichen Zweck ganz entfremdet worden. So blieb alles beim alten, zum größten Leidwesen der an der Sache interessierten Ordensfrauen 277).
Drittes Kapitel.
Würzburg (1854 -1866).
Schon im zweiten Jahre des Bestehens der Kongregation meldeten sich überraschend viele Postulantinnen aus Würzburg und Umgebung im Mutterhaus zum Eintritt. Der Geistl. Rat Emele, ein würdiger und angesehener Priester der Stadt, war die Seele dieser Bewegung, und er trug sich schon im Jahre 1851 mit dem Plan, in seiner Heimatstadt eine Niederlassung der Niederbronner Töchter ins Leben zu rufen 278). Doch schenkte die Kongregationsleitung anfänglich diesem Ansinnen wenig Gehör, da man nicht gerne Schwestern ihre Heimatgegend als Wirkungskreis anwies. Schließlich unterstützte der Bischof von Würzburg - damals Georg Anton Stahl -das Ansinnen des Herrn Emele und empfahl in einem Schreiben an Bischof Räß diesem die Angelegenheit 279), indem er beifügte: "Ich kann dieses Unternehmen zugleich mit allen Gutdenkenden, die die Sache kennen, nur mit Freuden begrüßen und zweifle nicht, daß den Schwestern ein gesegneter und bald auch erweiterter Wirkungskreis sich öffnen wird." Auch der Würzburger Elisabethenverein wünschte dringend die Entsendung einiger Niederbronner Schwestern zur Ausübung der Krankenpflege und zur Leitung einer Anstalt für verwahrloste Mädchen.
So wurde endlich am 11. Oktober 1854 die erste Niederlassung in Würzburg gegründet 280). Schwester Honorine wurde als Oberin mit einigen Schwestern nach der lieblichen Mainstadt geschickt. Ein kurz vorher verstorbenes Fräulein Franziska König hatte ihr in Würzburg gelegenes Haus samt Mobiliar testamentarisch der Kongregation verschrieben, mit der Klausel, daß, falls die Regierung die Schenkung nicht genehmige, der Herr Bischof Erbe sein und die geplante Wohltätigkeitsanstalt errichten solle. Die Generaloberin nahm die Schenkung nicht an und bat den Bischof, gleich an ihre Stelle zu treten. Die Regierung genehmigte die Schenkung, das ansehnliche Haus wurde für die Schwestern zweckmäßig instand gesetzt.
Das Unternehmen ließ sich bestens an. Die Tätigkeit der Schwestern, ihre Opferwilligkeit und ihr erbaulicher Lebenswandel fanden allgemeine Anerkennung und Bewunderung, auch bei Andersgläubigen. Diese Gefühle der Stadtbevölkerung kamen in großartiger Weise zum Ausdruck bei dem Begräbnisse zweier kurz hintereinander verstorbener Schwestern, die ihrem anstrengenden Krankenpflegeberuf früh zum Opfer gefallen waren. Alle Schichten der Einwohnerschaft waren in endlosem Leichenzuge beteiligt. Der allgemeine Wunsch, so meldet der Generalvikar Dr. Reißmann im Juli 1858, sei, daß sich die Schwestern in ihrer Aufopferung mehr mäßigen sollten. Das war ein schönes und verdientes Lob.
Auch an andern Orten der Würzburger Diözese bildeten sich blühende Niederlassungen der beliebten Genossenschaft. In Kissingen (1855), Volkach (1857), Dettelbach, Lohr (1858), Kitzingen, Heidingsfeld, Aschaffenburg, Arnstein (sämtlich 1860), Karlstadt (1861), Haßfurt (1863), Miltenberg, Ochsenfurt (1865). In allen diesen Niederlassungen wirkten die Schwestern segensreich. Hören wir aus der Zahl der vielen Anerkennungen nur die Stimme der Karlstadter Distriktsspitalverwaltung (22. Juni 1866): "Das Wirken dieser Schwestern ist ein wahrhaft religiöses und infolgedessen auch vom Segen des Himmels überschüttet. Die Schwestern haben durch ihr streng religiöses, anmutiges und der leidenden Menschheit aufopferndes Verhalten sich nicht nur die Hochachtung und das Zutrauen aller derer, die mit denselben in Berührung kommen, im höchsten Maße erworben, sondern auch bei der Karlstadter Verwaltung und allen weltlichen und geistlichen Behörden der größten Zufriedenheit verdient gemacht."
So schien das von Niederbronn aus gepflanzte Reis in den fränkischen Gauen einen fruchtbaren Boden gefunden zu haben. Aber früh schon zeigten sich Ansätze zu Schwierigkeiten, die sich allmählich zu einem starken Gegensatze zum Mutterhaus entwickeln sollten. Das Schicksal des Wiener Hauses wiederholte sich an Würzburg.
Man sah es von Anfang an in den leitenden geistlichen Kreisen ungern, daß die in den Niederlassungen des Würzburger Sprengels angestellten Schwestern alljährlich zu den im Mutterhause stattfindenden geistlichen Übungen reisen mußten.
Ein Schreiben des Würzburger Bischofs an den Straßburger Oberhirten (17. September 1864) gibt darüber wünschenswerten Aufschluß: "Wäre es nicht besser", heißt es da, "wenn überhaupt und für alle Zukunft für alle Schwestern im Bistum Würzburg die heiligen Exerzitien hier gegeben würden? Ich habe sie schon zweimal gehalten, ich bin gerne bereit, sie wieder zu halten, oder ich beauftrage hierzu einen geeigneten Priester und habe auch gar nichts dagegen, wenn die Frau Generaloberin selbst einen passenden Priester hierher senden und jedesmal selbst oder durch eine Vertreterin beiwohnen will. Das Bistum Würzburg hat ca. 60 Schwestern. Rechne ich nur 20 Gulden Reisegeld für jede, so macht das, wenn alle nach Niederbronn müssen, im Jahre ca. 1200 Gulden. Man ist im Bistum Würzburg da und dort unzufrieden mit dieser Ausgabe. Besonders unzufrieden hiermit ist Herr Crevenna, der große Wohltäter der hiesigen Schwestern. Man sieht auch das häufige Reisen der Schwestern auf den Eisenbahnen nicht gern, dessen Zerstreuungen man mit den geistlichen Exerzitien nicht recht vereinbar findet. So erlaube ich mir, lediglich um der Sache willen, für die ich seither gewiß aufrichtiges Wohlwollen bewiesen habe, dieses der Erwägung Ew. Bischöflichen Gnaden anheimzugeben. Ob aber dieser Sache gedient sein wird, wenn die Frau Generaloberin ein für allemal auf ihrer Ansicht beharrt? Ich habe Grund, sehr zu zweifeln, und meine, der oben angedeutete Ausweg könnte zum Ziele führen."
Die angeführten Bedenken des Würzburger Bischofs haben vieles für sich. Anderseits ist aber auch verständlich, daß es der Stifterin der erst im Werden begriffenen Kongregation am Herzen liegen mußte, den Geist der Kongregation zu festigen und das einheitliche Band, das alle Glieder der weitzerstreuten Klosterfamilie dauerhaft umschlingen sollte, nicht locker werden zu lassen. Die jährlich wiederkehrenden Exerzitien schienen ihr das beste Mittel hierzu. Bischof Räß riet ihr jedoch, dem Ansinnen des Würzburger Kirchenfürsten nachzugeben, indem er ihr schrieb (22. September 1864): "Die Geldfrage spielt in dem Benehmen der dortigen Verwaltung eine Hauptrolle. Die Auslagen wären freilich außerordentlich, wenn die Schwestern jedes Jahr alle zur Retraite einberufen würden. Diese Sache muß nach reifer Überlegung zum Abschluß gebracht werden."
Daß dieser wünschenswerte Abschluß nicht zustande kam, liegt weniger an der Generaloberin als an dem Verhalten der Würzburger Lokaloberin. Man hatte im Mutterhaus die nicht ganz unbegründete Meinung, daß im Laufe der Jahre und mit der zunehmenden Bedeutung des Würzburger Hauses Schwester Honorine ihre Stellung selbstherrlicher gestalten wollte, als mit dem Geiste der Kongregationsstatuten vereinbar war. Als sie sich im Sommer desselben Jahres (1864) durch den Bischof bei der Generaloberin entschuldigen ließ, daß sie krankheitshalber den Herbstexerzitien im Mutterhaus nicht beiwohnen könne 281), maß man dieser Entschuldigung keinen rechten Glauben bei; man sah in diesem Verhalten die bestimmte Absicht der Würzburger Oberin, sich von dem Mutterhause fernhalten zu wollen. Auch für das folgende Jahr ließ sie sich abermals entschuldigen, was aber die Generaloberin als Ausflucht wieder nicht gelten ließ. Wenn sie so krank sei, daß sie die Reise nicht machen könne, erhielt sie zur Antwort 282), so sei sie auch nicht fähig, einem großen Hause vorzustehen. Diese Antwort, von der Schwester Honorine sofort dem Bischof Kenntnis gab, verstimmte den Würzburger Kirchenfürsten, der sogleich sich an das Mutterhaus wandte mit dem Bemerken, daß Schwester Honorine auf seinen und des Arztes Rat diesmal nicht an den Exerzitien teilnehme (7. August 1865). Gleichzeitig benachrichtigte er Bischof Räß (8. August 1864) von dem Sachverhalt mit dem Bemerken, daß er selbst für geistliche Übungen sorgen wolle. Räß möchte aber auf die Generaloberin einwirken, daß sie in Zukunft mit dem Würzburger Hause doch mit mehr Diskretion verfahre und den dortigen Verhältnissen besser Rechnung trage. Die Generaloberin sprach dann dem Würzburger Bischof ihr Bedauern aus, ihm mißfallen zu haben. Aber die Schwestern aus der Diözese Würzburg hätten ihr mitgeteilt, Schwester Honorine sei munter und gesund wie zuvor. Schon dreimal habe sie sich von den Exerzitien dispensiert. "Wie kann ich ihr Zutrauen schenken, wenn sie selbst keinen Gehorsam gegen die Regel und ihre Vorgesetzten hat? Welches Beispiel gibt sie der ganzen Kongregation durch ein solches Benehmen? Darf ich als Generaloberin dazu schweigen? Und ist es nicht an mir, zu sorgen, daß die Beobachtung der Regel aufrecht bleibe?" 283) Auch andere Klagen über Schwester Honorine erhebt sie in diesem Schreiben. Daß diese ihre Rechte über Gebühr ausdehnte, geht aus einem späteren Warnungsschreiben der Generaloberin hervor: Schwester Honorine habe ohne Erlaubnis der Obern Hilfsschwestern angenommen und zum Krankendienst verwendet 284).
All dieses Peinliche zeigt, daß sich allmählich zwischen der Würzburger Filiale und dem Mutterhaus Gegensätze gebildet hatten, die immer größer wurden. Man kann freilich auch den Eindruck nicht los werden, daß die Stifterin in ihrem Vorgehen von Anfang an eine größere Zurückhaltung vermissen läßt, und daß sie im Bewußtsein ihres strengen Rechtes den Dingen, die sich immer mehr zuspitzten, nicht mit der kühlen Überlegung gegenübertrat, die in schwierigen Lagen, vor allem, wo es sich andern Gewalten gegenüber um Machtfragen handelt, allein den guten Ausgang verbürgen.
Als Schwester Honorine einer Einladung für die Februarexerzitien 1866 auf Befehl des Bischofs wieder nicht Folge leistete, schickte die Generaloberin in der Karwoche desselben Jahres die Schwester Adelinde, damals Assistentin, nebst der Darmstädter Oberin Schwester Bonaventura nach Würzburg, um Schwester Honorine nach dem Mutterhause abzuholen. Sie fanden aber einen wenig ehrenvollen Empfang und zogen unverrichteter Dinge wieder fort. Der Bischof, durchaus auf Seiten der Würzburger Oberin stehend, war darob und weil er von der Generaloberin noch aufgefordert war 285), jene wegen ihrer Widerspenstigkeit zurechtzuweisen, sehr aufgebracht und ließ ein Schreiben nach Niederbronn ergehen, worin er in scharfen Worten gegen das dortige Vorgehen Einspruch erhob und mitteilte, daß er der Würzburger Oberin wieder verboten habe, zu den Frühjahrsexerzitien ins Mutterhaus zu reisen (7. Mai 1866)
Der Bischof von Straßburg war von diesem Schreiben auf das peinlichste berührt. Er säumte nicht, der Generaloberin seine Meinung in der traurigen Angelegenheit kundzutun (11. Mai 1866): "Da Ihnen im Briefe von Würzburg jeglicher Einfluß und Autorität auf die dortigen Schwestern abgesprochen wird, so sehe ich nicht ein, wie Sie dieselben unter diesen Verhältnissen dort lassen können. Sie haben sie dorthin geschickt unter der Bedingung, daß die Statuten der Kongregation beobachtet werden; für diese Beobachtung sind Sie vor Gott verantwortlich. Jeder Bischof hat das Recht, neue Orden in seiner Diözese zu gründen. Will er aber fremde Schwestern annehmen, so kann dies nicht anders geschehen, als wenigstens mit stillschweigender Verpflichtung, die Regeln dieses Ordens oder dieser Kongregation aufrechtzuerhalten. Sonst macht er die armen Schwestern von ihren speziellen Gelübden abtrünnig und führt sie ins Verderben. Über diese Beobachtung der Regeln zu wachen, hat jeder Bischof das Recht und die Pflicht, nicht aber von denselben permanent und grundsätzlich freizusprechen. Keine Ordensoberin wird und kann vor Gott und der Kirche in einer fremden Diözese sich dieses gefallen lassen, ohne ihr Gewissen zu beschweren."
Aber die Generaloberin brauchte den von ihren Bischof erteilten Rat nicht mehr zu befolgen. In Würzburg sorgte man dafür, daß seine Ausführung zum Teil überflüssig wurde. Was man dort schon lange erwogen hatte, wurde jetzt Tatsache. Die Würzburger Filiale wurde zum selbständigen Mutterhaus erklärt, nachdem die kgl. Regierung ihr unterm 6. Juni 1866 die Rechte einer religiösen und zivilrechtlichen Korporation erteilt hatte. Der Bischof berichtete die folgenschwere Tatsache der ehrw. Mutter in folgendem Schreiben:
"Wohlehrw. Generaloberin!
Seit längerer Zeit ist es hier der allgemeine Wunsch, es möge das hiesige Haus der Töchter vom göttlichen Erlöser zum Mutterhaus für die Diözese Würzburg erhoben und, wie bereits in Wien geschehen, der Verband mit Niederbronn aufgelöst werden. Diesem allgemeinen Wunsche gemäß hat der Magistrat der Stadt Würzburg, unterstützt von der hiesigen Kreisregierung und unter Zustimmung der bischöflichen Oberbehörde, mit der Bitte sich an Seine Majestät unsern allergnädigsten König gewendet, dem hiesigen Hause die Rechte einer religiösen und zivilrechtlichen Korporation zu verleihen und zu genehmigen, daß dieses Haus zum Mutterhause für die Diözese Würzburg erhoben werde. Das hohe Staatsministerium hat diese Bitte in liebevollster Weise unterstützt, und Se. Majestät haben geruht, die erbetene Genehmigung allergnädigst zu erteilen, und haben diese Genehmigung huldvollst ausgesprochen. Die Freude hierüber ist allgemein, weil das Haus sehr segensreich wirkt und nur auf diese Weise sein Fortbestand gesichert ist. Infolgedessen habe ich letzten Freitag, den 15. Juni, in der Ordinariatssitzung unter einhelliger Zustimmung aller geistlichen Räte, das hiesige Haus der Schwestern vom heiligen Erlöser als Mutterhaus für das Bistum Würzburg erklärt, habe die Schwester Honorine zur Oberin des Mutterhauses und zur Generaloberin aller Schwestern des Bistums ernannt und beschlossen, allen im Bistum Würzburg weilenden Schwestern dieses mitzuteilen mit dem Beifügen, daß jenen Schwestern, die nach Niederbronn zurückkehren wollen, kein Hindernis gelegt sei, für jene aber, die bei uns bleiben wollen, alles weitere werde kirchlich geordnet werden. Über das Ganze werde ich, sobald möglich, dem hochw. Herrn Bischof von Straßburg ausführlicher schreiben 286). Schwester Honorine wird also nicht nach Niederbronn kommen, und ich kann auch von dorther keine Zusendung einer Oberin oder anderer Schwestern mehr annehmen.
Mit aller Hochachtung
Ihrer Wohlehrwürden ergebener
Georg Anton, Bischof von Würzburg.
Würzburg, 18. Juni 1866."
Die Pfarrer der Orte, an denen sich Niederlassungen der Schwestern befanden, wurden durch ein vom 15. Juni datiertes Zirkular beauftragt, den Schwestern von der Lostrennung des Würzburger Hauses Mitteilung zu machen und sie zu verständigen, daß sie unbeschadet ihres Gewissens als Angehörige und Töchter des hiesigen Mutterhauses in der Diözese Würzburg verbleiben können, daß es jedoch der freien Entschließung jeder einzelnen überlassen bleibt, nach Niederbronn zurückzukehren, wenn sie sich aus irgendwelchem Grunde hierzu gedrungen fühlen sollte, und wird gewärtigt, daß jede Schwester ihren desfallsigen freien Entschluß innerhalb 14 Tagen dem betreffenden Pfarrer kundgebe. Ihrerseits versandte die Generaloberin an alle Filialhäuser des Würzburger Bistums ein Rundschreiben (20. Juni 1866), worin sie auf Grund des päpstlichen Bestätigungsdekretes vom 6. März 1866 die Schwestern auffordert, ins Mutterhaus zurückzukehren: "Ihr dürft keineswegs laut des obigen Dekrets unter einem andern Mutterhause und unter einer andern Generaloberin als unter der Generaloberin von Niederbronn stehen, der ihr Treue versprochen habt. Niemand kann und darf euch zurückhalten, weil der Heilige Stuhl gesprochen hat."
Die Mehrzahl der Schwestern folgte diesem Rufe; nur 16 zogen es vor, die neugeschaffene Lage der Dinge anzuerkennen und das Würzburger Haus als Mutterhaus zu betrachten.
Die Leitung des Mutterhauses Niederbronn, die sich wie im Wiener Fall wegen der durch den Würzburger Bischof vorgenommenen Trennung nach Rom gewandt hatte, erhielt den Bescheid, sich mit dem Würzburger Oberhirten zu verständigen. Bischof Räß wandte sich daraufhin an diesen (10. Januar 1867), bekennt aber, "in größter Verlegenheit" mit diesem Auftrag zu sein, weil er "nicht leicht die Einsicht gewinnen kann, wie die in der römischen Zuschrift besprochene Angelegenheit in das gewünschte Geleise zu bringen sei". Er könne zwar an dem Vorstand einer fremden Diözese nur mit Ratschlägen herantreten. Da aber ein ähnlicher Fall, wo ein Bischof die Mitglieder irgendeiner fremden Kongregation von dem Mutterhause losgetrennt habe, noch nicht vorgekommen sei, müsse er sich bei dem Würzburger Bischof selbst Rats erholen und nach seinen Wünschen fragen. "Denn", fährt er fort, "ginge Ew. Bischöfl. Gnaden Absicht entschieden dahin, das Würzburger Haus von dem Mutterhause abgesondert zu lassen, dann müßten die Schwestern einzeln und in völliger Freiheit verhört werden; und sollten sie sich dahin erklären, getrennt bleiben zu wollen, so wäre meine Aufgabe, besagte Anstalt betreffend, gelöst und meine Mission abgetan. Den betreffenden Schwestern bliebe dann in bezug auf das Mutterhaus nichts anderes übrig, als das Niederbronner Ordenskleid abzulegen oder gegen ein anderes zu vertauschen. Im entgegengesetzten Falle aber müßte ich die Bedingungen des Mutterhauses vernehmen und im Interesse der Sache, an und für sich allein schon, einzuwirken suchen."
Der Bischof von Würzburg erwiderte Räß (3. Februar 1867), "daß die Lösung des Verbandes mit Niederbronn ein Akt der Notwendigkeit gewesen und die Wiedervereinigung, sei es auch in Form eines Provinzialverbandes, eine Unmöglichkeit ist. Ich werde die Sache in Rom vorlegen". Die 16 Schwestern, die nach erfolgter Trennung und Zusicherung von Dispensen - wozu seine, des Bischofs, Quinquennalfakultäten ausreichen - sich für die Trennung ausgesprochen haben, konnten mit ausreichenden Gründen aus dem Hause von Niederbronn austreten. Schließlich bittet er Räß, der Generaloberin von Niederbronn zu befehlen, die Würzburger Schwestern nicht weiter zu beunruhigen, bis die Sache von Rom aus entschieden sei.
Aber eine Wiedervereinigung erfolgte nicht. Der Verlust von Würzburg traf die Stifterin noch härter als die Trennung Wiens. Wir haben oben gesehen, daß sie diesen Schlag nicht mehr überwand. Mit Würzburg und Wien gingen dem Mutterhaus 25 blühende Stationen verloren.
In weiteren kirchlichen Kreisen Deutschlands erregte das zu Wien und Würzburg Vorgefallene lebhaftes Interesse. Es verdient hier hervorgehoben zu werden, daß nicht alle Prälaten das Vorgehen jener Diözesanverwaltungen billigten. Bischof Ketteler von Mainz sprach sich dem Straßburger Bischof gegenüber dahin aus, "daß die auswärtigen Häuser mit dem Mutterhause in enger Verbindung bleiben müssen, da es sonst mit ihrem Leben aus wäre" 287).
Die Animosität des Würzburger Kirchenfürsten gegen das Mutterhaus in Niederbronn hielt nicht an. Es scheint, daß ihn nachträglich die schnelle Errichtung des Würzburger Mutterhauses reute 288). Vielleicht weil die stets von ihm beschützte Schwester Honorine seinen Erwartungen in der Folgezeit nicht entsprach. Sie verließ im Jahre 1880 die Würzburger Genossenschaft.
In diesem Zeitpunkte war man in der Genossenschaft nicht abgeneigt, den Anschluß an Niederbronn wiederzufinden, und Superior Simonis hegte die Hoffnung auf Wiedervereinigung. Aber der damalige Würzburger Bischof Franz Joseph v. Stein wies ihn auf die Unmöglichkeit einer solchen hin, weil die Regierung die Würzburger Genossenschaft als selbständige Kongregation anerkannt habe.
Bischof Antons Nachfolger, Valentin v. Reißmann (1870 - 1875), hatte wieder Beziehungen zu Niederbronn angeknüpft, indem er dem Mutterhaus gestattete, im Jahre 1872 zu Münnerstadt eine Filiale zu gründen. Bis 1874 wirkten dort zwei Schwestern in einem Eisenbahnarbeiterspital; nach dessen Auflösung übernahmen sie die Leitung der Kleinkinderbewahranstalt und die Ortskrankenpflege in Münnerstadt. Das dauerte bis 1878, wo man die segensreich wirkenden Schwestern 289) mit großem Bedauern scheiden sah, weil die Kreisregierung einen weiteren Aufenthalt nicht gestattete, da die Erlaubnis zur Niederlassung nur für die Dauer des Eisenbahnarbeiterspitals gegeben worden sei 290).
Auch die Würzburger Genossenschaft hat in der Folgezeit einen erfreulichen Aufschwung genommen. Im Jahre 1914 zählte sie über 1200 Schwestern in 200 Niederlassungen.
Zweiter Abschnitt.
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