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2.2.4 Die Nichtintentionalität der KE rekursive Algorithmen statt globaler Pläne: Die kulturelle Makroevolution folgt offenbar keinen globalen Plänen, so wie es alle (versteckt) teleologischen Theorien annehmen. Wer hat as alles gewollt? – die Bevölkerungsexplosion, die PKW-Flut, das Schwinden der Natur, etc. ... hat Marx das gewollt, was aus dem Kommunismus wurde, Einstein das, was aus der Atomenergie wurde, die Hippies das, was aus der sexuellen Befreiung wurde ?  niemand hat das so gewollt, und doch ist es geschehen, als Folge des iterierten Wirkens der darwinschen Algorithmen.

Die idealistischen Machbarkeits­paradigmen der Aufklärungsphilosophie, welche Kulturgeschichte unter gewisse globale Pläne subsumieren, sind als mehr oder weniger gescheitert anzusehen. Hier drei Beispiele: (1.) das wissenschaftlich-technische Machbarkeitsparadigma Francis Baconscher Provenienz. Die planvolle Verfügbarmachung der Natur durch Wissenschaft und Technik. Aber, kann eine technische Entwicklung rational genannt werden, die sukzessive unsere Umwelt zerstört? Sind technische Erfindungen wirklich zum Wohle der Menschheit produziert worden, oder sind es nicht vielmehr unkontrollierte technische Innovationen, durch anonyme Marktdynamik hervorgebracht, die fortwährend im Menschen neue Bedürfnisse und zugleich neue Gefahren erzeugen? (2.) Das humanistische Aufklärungsparadigma Kantischer, Lockescher oder Rousseauscher Provenienz. Die Emanzipation der Vernunft von Religion und Absolutismus. Die planvolle Gestaltung einer guten gerechten Gesellschaftsordnung durch Vernunft und Bildung. Aber: Kann eine Gesellschaft vernünftig genannt werden, in der Demokratie nur dort funktioniert, wo sie auf den Reichtum der Länder gegründet ist, während drei Viertel der Weltbevölkerung in Armut lebt? Eine Gesellschaft, die nie ihr Bevölkerungswachstum in Griff kriegt? Die die Ressourcen verprasst und somit auf Kosten aller zukünftigen Generationen lebt? Ist das heutige Massen-TV der Kulminationspunkt des kulturellen Bildungsauftrags? (3.) Die marxistische Geschichtsauffassung, die sich wohl am offen­sichtlichsten selbst widerlegt hat.

Basalla (1988) hat diese Nichtintentionalität anhand der technologische Evolution deutlich gemacht: sie ist von menschlichen Grundbedürfnissen nur wenig abhängig  es handelt sich vielmehr um die simultane Produktion von neuen Technologien und neuem Bedarf. Man nehme als Beispiel die Entwicklung des Autos. Um die Jahrhundertwende war das Automobil primär ein Spielzeug für Wohlhabende; wenig verbreitet verglichen zur Dampflok, Kutsche oder zum Dampfschiff. 1900 wurden in den USA etwa 4912 Autos produziert, davon 1681 Dampfautos, 1575 elektrische Autos, nur 936 Benzinautos. Warum haben sich die Bezinautos durchgesetzt? Zunächst hatten Benzinautos am Markt kaum einen Selektionsvorteil; sie waren teurer, mussten aber seltener aufgetankt werden und waren etwas schneller. Nach und nach stellt sich Gesellschaft und Wirtschaft immer mehr darauf ein. Das Auto wird zum Fortbewegungsmittel für längere Entfernungen, der LKW wird erfunden; ältere Fortbewegungsmittel verschwinden. Bald ist es ein massiver Selektionsnachteil für den, der kein Auto hat. Jetzt wird aus dem Luxus ein Notzustand. Die Technologie wandelt nicht einen Notzustand in Luxus um, sondern sie wandelt umgekehrt den ehemaligen Luxus in eine Not um.

Viele technische Erfindungen waren ursprünglich zu einem ganz anderen Zweck gedacht als jenem, mittels dem sie dann von der Gesellschaft Besitz ergriffen haben. Edisons Phonograph war als Diktiergerät geplant und wurde erst von anderen zum kommerziellen Plattenspieler gemacht. Das Internet war ursprünglich als schneller Informationstransfer für Wissenschaftler gedacht. Durch die Entwicklung des Handys sterben langsam die öffentlichen Telefone aus. Auch die sozialen Konventionen des Ausmachens von Terminen und Treffpunkten ändern sich  weil es Handys gibt, müssen Termine nicht mehr so genau ausgemacht werden. Das Internetbanking macht die Bankangestellten überflüssig. Das Internet wird in Zukunft noch viel mehr an zwischenmenschlichem Kontakt überflüssig machen. Immer dasselbe Spiel: technische Entwicklungen haben weder vorausintendierte noch kalkulierte Folgen. Wie wir in Kap. xx eingehender herausarbeiten werden, ist der Hauptgrund der technologischen Evolution ist weniger Erfindungskraft als positive Selektion der Erfindungen. Dies ist der Grund, warum technologische Evolution rapid nur in gewissen geographischen Regionen, den europäisch vorderasiatischen Gesellschaften einsetzte, obwohl kein Unterschied im Intelligenzquotient vorliegt.



2.2.5 Das Scheitern alternativer Theorien: Einerseits scheitert also teleologische Kulturerklärungen sowie handlungsbasiert-intentionale Erklärungen. Andererseits gehorcht Kulturentwicklung keinen strikten anonymen Ent­wicklungsgesetzen, worin Geschichte durch Quasi-Naturgesetze bestimmt werden (vgl. Poppers Historizismuskritik). Kulturentwicklung ist voll von Zufällen, sowie Wirken des subjektiven Faktors (wie es die Marxisten nannten), deren Auswirkungen fast nie in der intendierten Weise geschieht, da es unübersehbar viele Überlagerungen gibt. Als einzige Möglichkeit, gerichtete Kulturentwicklung zu erklären, verbleibt die Evolutionstheorie. Sie liefert hier eine Alternative sowohl zu Teleologie & Handlungstheorie wie zu Determinismus: ihr zufolge wird Entwicklung weder durch globale Pläne bestimmt, noch durch anonyme Entwicklungsgesetze, die mit Naturnotwendigkeit ablaufen. Alles hängt vielmehr von den Selektionsparametern ab, und wenn sich diese ändern, ändert sich die Entwicklung. Es ist freilich fraglich, in welchem Maß die Menschheit ihre eigenen Selektionsparameter gezielt verändern kann.

In diesem Sinne nennt Klaus Eder die verallgemeinerte Evolutionstheorie einen radikalen Ansatz, der unter alle wenn auch impliziten teleologischen Geschichtsmodellen einen Schlussstrich zieht, aber gleichzeitig keine anonymen Geschichtsdeterminismen annimmt (417ff Handb. Kulturwiss). Eder hatte selbst lange im Programm der Habermas'schen Rekonstruktion des historischen Materialismus gearbeitet, welcher die Piaget-Kohlbergsche Stufenlehre der moralischen Entwicklung des Kindes von der ontogenetischen Ebene auf die phylogenetische Ebene übertragen hat. Doch dieses Modell, welches in Kap. xx näher besprochen wird, konnte der Kritik kaum standhalten, und Eder scheint sich in seinem Beitrag in der Tat auf eine Preisgabe jener teleologischen Komponenten, die in Habermas' Modell noch enthalten sind, hinzubewegen.

Es gibt auch nichtteleologische bzw. soziologische Ansätze, die keinerlei historische Entwicklungsprinzipien annehmen. Doch die rein soziologische Anätze sind andererseits, wie Buss (176) betont, kaum erklärungskräftig. Sowohl die Rollentheorie, wie die Lerntheorie und die sozial-kognitive Theorie erklären nicht, warum es gerade zu den und keinen anderen kulturellen Strukturen gekommen ist (Buss 185f). Wenn einerseits der Mensch völlig durch seine kulturelle Umwelt bestimmt wird, und andererseits Menschen in ihren Handlungen die kulturelle Umwelt erzeugen, und wenn dies alles ist, so ist dies im Grunde ein Erklärungszirkel, bzw. ein totaler Kurzschluss von Variation und Selektion. Es müsste dann letztlich zufällig sein, wie sich Kulturen entwickeln, weil es einerseits keine unabhängigen Variationen und andererseits keine unabhängigen Selektionen gibt.

Worin sich die sozialkritischen Ansätze von den naturwissenschaftlichen immer unterscheiden wollen, war und ist, dass der subjektive Handlungsfaktor, die menschliche Intentionalität und Entscheidungsfreiheit berücksichtigt wird. Der subjektive Faktor wird jedoch auch in der VE vollberücksichtigt, aber eben nicht in Form von global-intentionalen und damit immer teleologisch-metaphysischen Entwicklungserklärungen, sondern in Form der Mikroperspektive individueller Variationen. Daher scheint die VE, wie wir in Kap. xx herausarbeiten werden, in der Tat der aussichtsreichste Kandidat für ein übergreifendes Paradigma Disziplinen lebender Systeme zu sein.


2.3 Was genau sind Meme?  Diskussion von Detailproblemen der Memetik
Sehr bald entwickelte sich aber auch eine intensive Kritik an der mem-basierten VE, und insbesondere an der Memetik. Dawkins selbst zog sich angesichts der Kritik von seinem Vorschlag zurück; in seiner 2. Auflage von "das egoistische Gen" (1994) bezeichnete er Meme nur als anregende Analogie, und 1987 (196) schieb er, man könne die Mem-Gen-Analogie leicht zu weit treiben, wenn man unvorsichtig sei (Aunger 3). In seinem Sammelband (2000) bezeichnet Aunger Memetik als ein stagnierendes Forschungsprogramm; Gardner (2000) nennt Memetik gar 'nicht mehr als eine problematische Terminologie" (Aunger 3). Im folgenden wollen wir die wichtigsten solcher Einwände sorgfältig besprechen.
2.3.1 Kritik an der Memetik als eigene Wissenschaft. Zunächst gibt es eine pauschale Kritik  nicht an Memen, sondern  an der Memetik als spezieller Wissenschaftszweig der Meme. Dieser Kritik schließe ich mich an. 'Memetik'  das hört sich so an, als ob Meme gewisse quasi-geisterhafte Entitäten wären, die sich gemäß eigenen Gesetzen in den Menschen festsetzen und weitervererbt werden, die von einer speziellen und bislang nicht dagewesenen Wissenschaft studiert werden müssten. Etliche Passagen Blackmores, aber auch leichtfertige Metaphern von Dawkins und Dennett suggerieren bei Memen das Bild von 'Viren des Geistes'. Dawkins verglich das Mem von Gott mit einem Virus des Geistes, einem Parasiten, der sich Menschen ins Gehirn setzt (310). Dennett bezeichnet Meme als Viren des Geistes, die in Schimpansen eingedrungen sind  so als hätten sie schon vorher irgendwo geisteshaft bzw. 'platonisch' existiert (473f), was Dennett vermutlich nicht glaubt. Er führt aber an, dass sich viele Gedanken einem geradezu aufdrängen und zitiert hier Mozart (481f). Es stimmt wohl, dass man nicht unbedingt 'Herr' seiner Gedanken sind  aber dies lässt auch mit dem kognitiven Unbewussten erklären (s. dazu Kap. xx), ohne so wie Platon einen ewigen Ideenhimmel anzunehmen, von dem aus die Ideen bzw. Meme irgendwann in unsere Köpfe einfliegen. Speziell Blackmore intensiviert die Vorstellung von Memen als Viren des Geistes. Blackmore hat auch im Bereich der Parapsychologie gearbeitet, und obwohl sie nirgends in ihren Schriften behauptet, dass Meme eine spirituelle naturalistisch unerklärbare Eigenexistenz führen, habe ich manchen gehört, der hier einen Verdacht geäußert hat. Tatsächlich haben einige Esoteriker, insbesondere Sheldrake (xx), behauptet, es gäbe ein kollektive Gedankenübertragung, und er nannte das biomorphe Resonanz. Er erwähnt ein Experiment, bei dem Studenten in Oxford etwas gelernt hatten, und in der Folge Studenten in Cambridge in demselben Test auch bessere Leistungen aufwiesen. Gäbe es tatsächlich so etwas wie kollektive Gedankenübertragung, sodass ich wenn ich etwa in eine Gruppe von Nazis gehe, mich deren Gedankenviren nach kurzer Zeit ebenfalls befallen, oder wenn ich in der Nähe eines genialen Physikers wohne, dann plötzlich meine physikalischen Fähigkeiten ebenfalls ansteigen  ja dann wäre die Ansicht von Memetik als eigene Wissenschaftsdisziplin natürlich berechtigt, und sie wäre dann eine Teildisziplin der Parapsychologie. Aber derartige spiritualistische Deutungen von Memen sind offenbar absurd und werden von seriösen Evolutionstheoretikern jedoch entschieden zurückgewiesen, da es nicht den geringsten empirischen Hinweis für solche spirituellen Phänomene gibt, und Sheldrake's Experiment wissenschaftlich nie reproduziert werden konnte.

Kein Wunder, dass diese 'virenhafte' Metaphern von Memen berechtige Kritik ausgelöst haben. Meme sind keine speziellen physikalischen Entitäten, sondern alle Informationen, die im Laufe kultureller Entwicklung weitergegeben werden  sie können verschiedenste Formen annehmen, verschiedensten Bereichen zugehören, und auf verschiedenste Weise reproduziert werden. Dennett (1955 xx, Aunger) hat (trotz seiner verfänglichen Passagen) ebenfalls betont  er betont, dass Meme keine syntaktischen, sondern semantische Entitäten sind  d.h. keine speziellen Codegestalten wie in der Biologie die DNS, sondern kulturell tradierte Bedeutungen, die durch Zeichen verschiedenster Gestalt  Bilder, Laute, Schriftsprache, neuronale Strukturen  repräsentierbar sind; und daher könne es keine 'reduktionistische' Technik der Memanalyse geben. Insbesondere fällt daher die Untersuchung von 'Memen' in das Gebiet vieler Wissenschaften, von der Psychologie über die Sozialwissenschaft und Geschichte bis zur Kulturanthropologie. Zurecht kritisiert Bloch (Aunger 20), dass Kulturanthropologen – schon längst bevor das Wort 'Mem' aufkam – kulturelle Evolution studierten, und die neueren 'Memetiker' es verabsäumen, sich die bereits existierende reichhaltige Literatur hierzu anzusehen. In der Tat meine ich auch, die Analyse der 'Meme', also der kulturellen Evolution, existiert schon längst, und sie wird nie eine 'eigene' Wissenschaft sein, sondern immer in den eben genannten interdisziplinären Wissenschaftsbereich fallen. Neu daran ist  und das ist für die handlungszentrierte oder teleologische Kulturwissenschaft revolutionär genug  dass explizit von der VE Gebrauch gemacht wird, wenn kulturelle Evolution in einen der genannten Gebiete studiert wird.

Auf einen Slogan gebracht, vertrete ich also den Standpunkt Meme ja, Memetik nein  wobei das Hauptaugenmerk nicht einmal auf den Memen liegt, sondern auf der VE. Der zweite Pauschaleinwand gegen die Memetik ist, dass es ihr an empirisch-praktischen Anwendungen fehlt. Aunger bezweifelt, ob sich solche jemals einstellen werden (Aunger 230); Hull (xx) fordert uns stattdessen zur optimistischen Sichtweise auf, uns um Anwendungen der 'Memetik' zu bemühen (Hull xx), Aunger). Allerdings ist die Situation hier nicht so einfach  zahlreiche Fakten der kulturellen Evolution der Menschheit sind ja längst bekannt, und viele davon stützen sie VE, insofern die VE die beste Erklärung dafür zu gegen scheint, wenngleich die Erklärungen bislang lange nicht so gut sind wie jene, die wir in der biologischen Evolutionstheorie erläutert haben. Dies hängt damit zusammen, dass die Konzepte des Mems und der Memreproduktion relativ vage und abstrakt sind und sich daher nur sehr unscharfe Voraussagen oder Erklärungen ergeben. Dies steht nicht im Widerspruch damit, dass man die Evolution von Memen als abstrakte Reproduktoren theoretisch mit der gleichen mathematischen Präzision beschreiben kann wie die Populationsdynamik die Genevolution beschreibt  es ist nur viel unklarer, was ihnen empirisch entspricht.

2.3.2 Detailprobleme der Lokalisation und Identität von Memen: Zunächst stellt sich die Frage, was für Art von Entitäten Meme sind, und wo sie lokalisiert sind. Hierfür gibt es drei Auffassungen. Der einen Auffassung zufolge, der ich mich auch anschließe, sind Meme letztlich im Gehirn von Menschen lokalisiert, sozusagen als deren kulturell erworbene und tradierte Software. Meme wären demnach neuronale Strukturen, oder aber mentale Strukturen, je nachdem ob man Mentales auf Neuronales reduzieren möchte oder nicht  ich würde dazu tendieren, aber mir ist wichtig, das die VE und KE hier keine Vorentscheidung trifft. Diesen Standpunkt vertritt Dawkins (1982, 109; s. Blackmore 56), oder ebenso Gabora (1997), oder Delius (1989), der Meme als Konstellationen von Synapsen in neuronalen Gedächtnisnetzwerken auffasst. Der Vorteil dieser Auffassung liegt darin, dass dadurch eine klare Unterscheidung von Mem bzw. Memotyp einerseits und Phän bzw. Phänotyp möglich wird. Die Meme, die kulturellen Gedanken, Schriften, Fertigkeiten oder Verhaltensweisen unterliegen, wären demnach immer Gehirnstrukturen. Sie sind dasjenige, was direkt reproduziert wird. Die tatsächlichen Verhaltensweisen (s. Delius; Blackmore 58), die technischen bzw. kulturellen Produkte und ihre Verwendungsweisen, wären die Phänotypen der Kultur  dasjenige, was durch die Meme der Menschen in Interaktion mit einer bestimmten natürlichen und sozialen Umgebung bewirkt wird  analog wie die Phäne, die biologisch vererbten 'sichtbaren' Merkmale des Körpers, aus der Wirkung der Gene in Interaktion mit einer bestimmten Umgebung entstehen. Der Standpunkt löst zugleich das von Hull ('naked meme') aufgeworfene Problem, dass es im Bereich der KE keine klare Unterscheidung von 'Memetyp' und 'Phänotyp' gäbe. In diesem Sinn unterschied auch Cloak (1975) zwischen einer I-Kultur (Memen in den Köpfen) und M-Kultur (kulturelle Phänotypen wie soziale Organisationsformen usw.; s. Blackmore 56). Die Einsicht, dass nicht die Produkte allein, sondern immer die Produkte zusammen mit ihren Verwendungsweisen die Einheiten der kulturellen Selektion sind, ist speziell für die Evolution der Technik wichtig. In traditionellen Ansätzen wurde das technische artufakt als Einheit der technischen Evolution angesehen, aber so betrachtet kann technische 'Evolution' immer nur als Metapher verstanden werden, da sich technische Produkte nicht von selbst reproduzieren (s. Basalla 1988, 25f, 30). Davon abgesehen können unterschiedliche Verwendungsweisen desselben technischen Produkts für unterschiedliche technische Evolutionsverläufe verantwortlich sein, wie dies z.B. die Entwicklung des Automobils vom Luxusreisemittel zur wichtigsten Transportmittel zeigt (s. Kap. xx).



Andererseits kann Information auch außerhalb der Köpfe von Menschen abgespeichert werden, auf Bildern, in schriftlichen Dokumenten, ja sogar die operationale Ausübung einer Fertigkeit ist eine Informationsquelle, oder ein technisches Produkt, insofern daraus zu visuelle Imitation, oder im zweiten Fall durch 'reversal engeneering', eine entsprechende Instruktion zur Reproduktion der Fertigkeiten oder des Produktes gebildet werden kann. Das ist bei den Genen anders  diese werden immer nur im Organismus der Menschen repliziert bzw. rekombiniert. Dennett (1991, 1995) schlägt daher vor, Meme seinen beliebige Informationseinheiten, egal ob innerhalb oder außerhalb des Gehirns, und Durham (1991) vertritt dieselbe Auffassung an. Insbesondere möchte Blackmore (Becker 59) den Ort von Meme nicht auf das Gehirn beschränken  am Beispiel der 'Kürbiscremesuppe' könne alles, was der Imitation dienlich ist, ein Mem sein, ein Gedanke, ein papierenes Rezept, eine Instruktion im Internet, ein Videoband oder gar die Life-Darstellung eines Kürbiscremekochens, usw. Blackmore ist sich bewusst, dass dieser liberalen Mem-Auffassung als beliebige Informationseinheit die Unterscheidung von Memotyp und kulturellem Phänotyp zusammenbricht, aber sie nimmt dies in Kauf (Becker 58f). Gatherer (1998) meint sogar, dass ein behavioristischer Membegriff, der Meme mit physischen Produkten bzw. technischen Artefakten identifiziert, also mit den Phänotypen der, mit Löffel, Messern und Gabeln (statt mentalen Essvorschriften) , den Vorteil hätte, dass Meme konkret-operational definiert und direkt beobachtbar seien (Aunger 5ff). Aber diese operationalistische Sichtweise ist wissenschaftstheoretische veraltet, da theoretische, d.h. nicht direkt beobachtbare aber im Verein mit der Hintergrundtheorie empirisch gehaltvolle theoretische Begriffe ja in allen höherentwickelten Theorien, speziell solchen der Naturwissenschaften, vorkommen (Schurz Wth).

Ich werde von nun an annehmen, dass Meme Informationseinheiten im Gehirn sind, weil mir der Vorteil der klaren Memotyp – Genotyp – Unterscheidung zu überwiegen sein, und weil bei dieser Sichtweise auch die Mechanismen der Informationsübertragung von Mensch zu Mensch nicht mehr beliebig sondern eingeschränkt sind, sodass sie genauer studiert werden können. Auch deshalb, weil ich wie schon erläutert keinen Platonismus (im weiteren Wortsinn) vertrete, demzufolge es Bedeutungen unabhängig von Menschen oder anderen intelligenten Wesen, welche die zugrunde liegende Sprache beherrschen bzw. diese Bedeutungen entziffern können, immer schon gibt. Eine damit verwandte Vorstellung ist Poppers 'Welt 3', die Welt der objektiven Ideen  die nach Popper unabhängig von der Welt 2, der denkenden und empfindenen Subjekte, existiert  eine solche Unabhängigkeit existiert, wie ich meine, nur teilweise, aber nicht gänzlich (Poppers Welt 1 ist die physische Welt; xx). Damit ein Schriftstück oder ein technisches Gerät als Mem funktioniert, braucht es Subjekte, die es verstehen, aus ihm heraus die Bedeutung konstruieren können  Schriftstücke oder Geräte auf einem toten Planeten würden niemals von selbst anfangen, zu evolvieren. Was reproduziert und insbesondere selektiert wird, ist das ganze System der menschlichen Nutzungsweise eines technischen Gerätes, nicht nur das Gerät selbst  wir werden dies am Beispiel der technischen Evolution sehen: z.B. kannten die Mexikaner auch das Rad, aber nur als Spielzeug oder Nippgegenstand, aber nicht als technisches Fortbewegungsmittel, da die Unebenheiten des Bodens dem entgegenstanden.

Es hat allerdings eine überraschende Konsequenz, wenn man die Repros der KE auf Gehirnstrukturen einengt  die gegenüber der Biologie besondere Möglichkeit, Memexpressionen (nicht die Meme selbst) auch außerhalb menschlicher Gehirne zu speichern, hat zur Folge, dass die Memreproduktion sozusagen viele Menschengenerationen überspringen kann: wenn z.B. eine für viele Jahrhunderte lang in Vergessenheit geratene Schrift oder Theorie wiederentdeckt wird, weil das Schriftstück überlebt hat. Dies ist in der menschlichen Ideengeschichte schon oft vorgekommen. Die antiken Schriften wurden erst nach 1000 Jahren in das mittelalterliche Europa eingeführt und waren zwischenzeitlich im arabischen Raum übersetzt und schriftlich tradiert worden. Viele heutigen anthropologischen Funde, alte Schrifttafel, Alphabete und Rechensysteme, sind von dieser Art, wenngleich sie nur wissenschaftlich-historischen Erkenntniszwecken dienen und nicht von uns übernommen werden. (Beispiele??). Die Entsprechung davon im Bereich der Biologie wäre gegeben, wenn menschliche Gene sozusagen eingefroren oder in einem Computer abgespeichert werden könnten und dann nach vielen Jahrhunderten wieder aufgetaut oder einem Zellkern einprogrammiert werden könnten  vielleicht ist dies bald technisch möglich. Immerhin ist bei der künstlichen Befruchtung die Genreplikation bereits teilweise aus dem Organismus hinausgenommen worden  bereits heute lassen einige Menschen ihre Zellen, oder gar sich selbst, einfrieren, bei kalifornischen Firmen gegen viel Geld, in der Hoffnung, dass sie eines Tages wieder ohne Schaden aufgetaut werden können, wenn die Technik einmal so weit ist.

Meme, also Ideensysteme und Fertigkeiten, lassen sich kaum in irgendwelche kleinsten bedeutungstragenden Einheiten zerlegen. Natürlich sind Meme 'Informationseinheiten', aber damit sind nicht bloß Bits gemeint, und das Bit quantifiziert beliebige Information, auch genetische oder technische usw., bezeichnet aber nicht die semantische Art der Information. Im Bereich der Sprache wären die Memeinheiten etwa die bedeutungsvollen Worte des Lexikons, aber was sollten kleinste Einheiten von Fertigkeiten in der Technik, oder von Hypothesen in der Wissenschaft sein? Wenn Dennett oder Wilkins (1998a; BlackmoreBecker 60) das Mem als die kleinste kulturelle Informationseinheit bezeichnen, die kulturell vererbt wird mit, so bringt diese abstrakt-funktionale Definition wenig, denn es bleibt unklar, welcher Art diese Einheiten seien, sowie, wie und ob sie überhaupt abgrenzbar sind. Hier Einheiten abzugrenzen ist schwierig; und wenn überhaupt möglich, dann immer in Kontext eines bestimmten kognitiven Interesses. Andererseits haben wir bereits besprochen, dass auch die Identität von Genen schwierig ist (was auch Dawkins 60f, Hull/Aunger 47 und Dennett 491 betonen). Es gibt, wie wir sagten, zwei Genbegriffe: Erstens den molekularen  dafür gibt es beim Mem kein Gegenstück, weil wir jedenfalls derzeit noch keine kleinsten bedeutungsvollen Gehirneinheiten kennen; die Softwarestruktur des Gehirns und ihr Funktionieren ist weitgehend unbekannt. Zweitens den funktionalen Genbegriff, wo ein Gen dasjenige ist, was ein Phän bewirkt  dieser Genbegriff ist vage, aber hat natürliche seine Entsprechung im Membegriff als eine physikalisch weitgehend unbekannte Informationsstruktur im Gehirn, die für einen gewissen kulturellen Phänotyp kausal verantwortlich ist. Freilich ist der funktionale Membegriff noch wesentlich vager und unbekannter als der funktionale Genbegriff; aber die Schwierigkeiten sind vom selben Typ. Das ist aber kein Hinderungsgrund für die VE, denn wie Boyd/R betonen, müssen die informationalen Strukturen keine fixe 'Syntax' besitzen, so wie die DNS, wesentlich für die KE ist nur, dass Information übertragen wird  was wir sogleich näher ausführen werden.


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