1 Familiennamen aus germanischen Sprachen Ulf Timmermann Friesische Familiennamen



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Rang Name Anzahl Anteil

(%)

Quelle Bedeutung des homophonen

App.

1 Silva 135 010 4,9830 Brombeerstrauch;

Dorn; Dornstrauch

2 Santos 86 813 3,2042

Pl. von santo ‘der Heilige’;

dia de Todos os

Santos ‘Allerheiligen’

10 Die Quellen wurden vorrangig mit Hilfe des Dicionário Onomástico Etimológico da Língua

Portuguesa von P. MACHADO (1987) ermittelt.

11 Nach Dicionário Editora de Português-Alemão.



9

10

Berufsname – Rufname – Herkunftsname –

Wohnstättenname – Übername – religiöser Bereich –

407


Familiennamen aus dem Portugiesischen in Deutschland

Rang Name Anzahl Anteil

(%)

Quelle Bedeutung des homophonen

App.

3 Ferreira 68 177 2,5163

4 Pereira 67 033 2,4741 Birnbaum

5 Costa 54 477 2,0107 Küste

6 Oliveira 52 356 1,9324 Olivenbaum

7 Rodrigues 49 474 1,8260

8 Martins 44 510 1,6428

9 Sousa 43 141 1,5923

10 Fernandes 40 834 1,5071

11 Gonçalves 38 647 1,4264

12 Lopes 35 536 1,3116

13 Almeida 33 745 1,2455

14 Ribeiro 33 532 1,2376 Flüsschen; Bach

15 Carvalho 33 121 1,2225 Eiche

16 Gomes 32 601 1,2033

17 Marques 32 053 1,1830

18 Pinto 29 913 1,1040 Küken

19 Alves 28 867 1,0654

20 Dias 25 767 0,9510

21 Teixeira 24 388 0,9001

22 Correia 22 761 0,8401 Riemen; Lasche;

Reifen; Band

23 Mendes 19 647 0,7251

24 Moreira 18 866 0,6963 Maulbeerbaum

25 Nunes 18 863 0,6962

26 Vieira 17 918 0,6613

27 Soares 17 837 0,6583

28 Monteiro 17 643 0,6512 Wildmeister; Förster;

Jäger

29 Cardoso 16 965 0,6262 Gebiet mit vielen



Disteln (Machado)

30 Duarte 16 674 0,6154

31 Coelho 16 305 0,6018 Kaninchen

32 Rocha 15 819 0,5839 Gestein; Fels

Mirjam Schmuck und Melanie Strauch

408


Rang Name Anzahl Anteil

(%)

Quelle Bedeutung des homophonen

App.

33 Neves 14 219 0,5248

wohl zu Senhora das

Neves für die Jungfrau

Maria

34 Jesus 14 180 0,5234



35 Cruz 14 092 0,5201 Kreuz; Leiden

36 Pires 13 936 0,5144

37 Cunha 13 853 0,5113 Keil

38 Reis 13 561 0,5005

Pl. von rei ‘König’;

dia dos Reis

‘Dreikönigstag’

39 Ramos 13 353 0,4928 Pl. von ramo

‘(Palmen-)Zweig’

40 Machado 12 882 0,4755

Axt; Beil

41 Fonseca 12 845 0,4741 Aus fonte seca

‘trockene Quelle’

42 Matos 12 299 0,4539 Pl. von mato ‘Busch

(-werk); Dickicht’

43 Simões 12 260 0,4525

44 Freitas 12 219 0,4510

45 Antunes 11 653 0,4301

46 Araújo 10 624 0,3921

47 Barbosa 10 418 0,3845

48 Lourenço 10 203 0,3766

49 Figueiredo 10 041 0,3706 ‘Feigengarten / -feld’

50 Tavares 9 844 0,3633

Die 200 am häufigsten getragenen Familiennamen Portugals machen zusammen

73,87 % vom Gesamt aller Festnetzanschlüsse (270 9392 Anschlüsse im März

2004) aus12. Der Familienname mit der höchsten Tokenfrequenz ist Silva mit

4,98 % Anteil am Gesamt der Anschlüssen, Santos folgt mit 3,2 % Anteil (Zum

12 Zum Vergleich: In Deutschland sind es 26,77 % (KOHLHEIM / KOHLHEIM 2000).

Tabelle 3: Die 50 häufigsten Familiennamen Portugals und ihre Quellen

409


Familiennamen aus dem Portugiesischen in Deutschland

Vergleich: Die Spitzenpositionen in Deutschland halten der Name Müller mit

1,58 % und Schmidt mit 1,14 %). Gleich auf den ersten Plätzen sind Familiennamen

nach Herkunft, Wohnstätte, Religion und Rufnamen vertreten. Der erste

Rufname mit patronymischem Suffix erscheint auf Rang 7 (Rodrigues), der erste

Übername (Correia) erst auf Rang 22. Varianten sind hier sehr selten, nur Batista

zu Baptista sind unter den 200 häufigsten Namen zu finden.

Etwa 50 der 200 häufigsten portugiesischen Familiennamen stammen aus dem

Bereich der Natur (Vergleiche: Bei den deutschen Familiennamen sind es sieben

innerhalb der häufigsten 200 Familiennamen: Berg, Busch, Stein, Blum, Moser,



Lindner, Berger). Dazu gehören Baum- (Carvalho), Strauch- (Silva), Blumennamen

(Rosa) und Landschaftsbezeichnungen (Roque, Vale, Serra, Costa, Ribeiro,



Matos), unbelebte Naturobjekte (Godinho) und Wetterbegriffe (Saraiva). Es sind

insgesamt nur elf verschiedene Baumnamen, die für den Eindruck sorgen, der

prototypische portugiesische Familienname sei ein Baumname (Pereira Rang

4, Oliveira Rang 6, Carvalho Rang 15, Moreira Rang 24, Figueiredo Rang 49,



Lima Rang 55, Pinheiro Rang 60, Nogueira Rang 69, Loureiro Rang 92, Palma

Rang 156, Figueira Rang 167). Es ist also nicht ihre Typenfrequenz, die sie so

auffallen lässt, sondern die Anzahl ihrer Träger (Tokenfrequenz), die innerhalb

der 200 häufigsten portugiesischen Familiennamen 10,73 % beträgt. Es tauchen

viele Rufnamen ohne (António, Gil, Simão) und / oder mit Patronymsuffix -(e)s

(Martins, Rodrigues, Simões) auf. Die Familiennamen aus Rufnamen mit Suffix

werden aber sehr viel häufiger getragen. Auch Tiernamen sind mit Lobo, Raposo

und Carneiro vertreten. Aus dem religiösen Bereich stammen 14 Familiennamen

wie zum Beispiel Rosário, Assunção und Conceição. Familiennamen aus Ortsnamen

sind sehr häufig (unter etwa 74 Familiennamen aus Ortsnamen: Guimarães,



Magalhães, Braga, Oliveira, Figueira, Silva), opake Familiennamen sind kaum

vorzufinden. Charakteristisch für Portugals Familiennamen sind also Patronyme,

Herkunftsnamen nach Ortsnamen sowie Wohnstättennamen nach Natur- und

vor allem Baumbezeichnungen und als formale Erkennungszeichen die Suffixe

-eiro / a (Ribeiro, Ferreira) und das patronymische Suffix -(e)s (Rodrigues,

Martins).

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sind die Familiennamen aus

Namen oder Begriffen aus dem religiösen Bereich (Segenswünsche, syntaktische

Wendungen) bemerkenswert. Sie treten erst ab dem 16. Jh. auf. Den Brauch,

mit Eintritt ins klösterliche Leben den weltlichen Namen gegen einen religiösen

auszutauschen, hält VASCONCELOS für den Ursprung der Verbreitung dieser Be-

Mirjam Schmuck und Melanie Strauch

410


nennungsart auch im weltlichen Leben (VASCONCELOS 1928, S. 139). Hierzu gehören

unter anderem Eigennamen (S. Tomás de Aquino) oder generische Namen

von Heiligen (Reis), Anrufungen der Heiligen Jungfrau Maria (Maria das Neves,

do Carmo, da Conceição, da Graça, dos Anjos, da Luz, das Dores, da Rosa, dos

Santos, do Espírito(-)Santo, da Cruz, das Virtudes, do Rosário, dos Mártires,

usw.) oder Namen der Dreifaltigkeit (Deus, Cristo, Jesus, Espírito(-) Santo)

oder Anspielungen auf ihr Leben. Viele verbreitete Familiennamen wie Xavier,

Assis, Ba(p)tista, Madalena, welche wiederum von Namenzusätzen von Heiligen

stammen – S. Francisco Xavier, S. Francisco de Assis, S. João Batista, Maria



Magdalena – wurden ursprünglich nur für Personen benutzt, die auch jeweils den

Rufnamen Francisco, João oder Maria trugen. Dann aber verlieren die Bestimmungsteile

ihre Bedeutung als Namenzusätze der Heiligen und können schließlich

an jeden Rufnamen angefügt werden. Diese freie Verteilung begünstigt die

Lösung von Rufname und Namenzusatz voneinander, so dass der Zusatz wie ein

Familienname frei weitervererbt und beispielsweise marianische Namenzusätze

sogar mit männlichen Namen kombiniert werden können (João Conceição, João

Anjos Neves) und umgekehrt Namenzusätze männlicher Personen mit weiblichen

Rufnamen (Maria Helena Jesus Batista). Mit dem Verlust der ursprünglichen

Bedeutung als Heiligennamenzusatz war es in steigendem Maße möglich, das

Bindeglied de zwischen Rufname und Familienname zu unterdrücken, dennoch

kommt es heute noch sehr häufig vor. Geburtstag, besondere Verehrung oder

Wunsch nach Patenschaft einer/s Heiligen können zur Wahl eines religiös motivierten

Namenzusatzes führen. Manchmal erhielten Personen ihren Namen nach

der Kirche oder dem Kloster in ihrer Gemeinde. „At any rate, the devotional type

furnishes some of the most common and typical Portuguese names of our day

[zweithäufigster portugiesischer Familienname: Santos; M. S., M. S.], faithfully

reflecting the conservative, religious feelings of a large part of the population“

(MOSER 1960, S. 38).

Im Falle der portugiesischen Familiennamen wird von einem „eher armen

Namenschatz“ gesprochen (KREMER 1993, S. 521). Das liegt zum einen daran,

dass sich hier im Laufe der Zeit keine große Vielfalt an orthographischen,

lautlichen, morphologischen und lexikalischen Varianten entwickelte. Zum

anderen fallen sowohl die Verpflichtung zur Führung von Familiennamen und

deren erste grundlegende gesetzliche Reglementierung als auch die erste offizielle

Rechtschreibreform in Portugal auf den Anfang des 20. Jh. Die portugiesischen

Familiennamen werden von den 1911 in Kraft tretenden Schreib-

411

Familiennamen aus dem Portugiesischen in Deutschland



normen und von späteren Reformen erfasst und damit auch Spuren älterer

Schreibungen gelöscht13. Knapp die Hälfte der 200 häufigsten Familiennamen

in Portugal hat damit die appellativische Graphie, und graphische Dissoziationen

neben der Großschreibung werden im Unterschied zum Deutschen kaum

genutzt.

Die Lösung für die Herausforderung trotz seines begrenzten Familiennamenmaterials

die bestmögliche Differenzierung zu erreichen, findet das portugiesische

Familiennamensystem in der syntagmatischen Aneinanderreihung mehrerer

Familiennamen.

5 Der Gesamtname heute:

Struktur, Tradierung und Gebrauch

In Portugal enthalten sowohl der „Código do Registo Civil“ als auch der „Código

Civil“ Bestimmungen bezüglich des Namens14. Der portugiesische Gesamtname

darf sich aus maximal sechs Namenelementen und etwaigen Namenpartikeln

zusammensetzen (de / da Silva, do Carmo, dos Reis, Costa e Silva). Davon dürfen

höchstens zwei den Vornamen (erlaubt sind aber zusammengesetzte Formen

wie Maria de São José) und höchstens vier den Familiennamen bilden. Zusammengesetzte

Familiennamen (Castelo Branco, Espírito-Santo, Mil-Homens15)

werden als zwei Familiennamen gezählt (vgl. KREMER 1993, S. 520). Für Namenpartikeln

und Konjunktionen besteht keine gesetzliche Regelung (de, da,



das, do, dos und e), sie werden nicht als Nameneinheiten gezählt und dürfen

frei hinzu- oder weggenommen werden. Man darf sie den Familiennamen selbst

dann hinzufügen, wenn sie nicht Bestandteil der elterlichen Namen sind. Sie können

zwischen die Rufnamen (bei männlichen Vornamen allerdings sehr selten),

zwischen Rufnamen und Familiennamen und zwischen die Familiennamen ge-

13 Dennoch konnten sich einige wenige Formen den Rechtschreibreformen entziehen und bilden

Varianten, man findet Souza und Sousa, Cardozo und Cardoso, Queiroz und Queirós,

Vasconcellos und Vasconcelos, Rebello und Rebelo, Mello und Melo, Ennes und Enes, Athayde

und Ataíde, Freyre und Freire, Motta und Mota, Moraes und Morais, Corrêa und Correia.

14 Artikel 103 des CRC (Neufassung von 1995) enthält die Bestimmungen zur Zusammensetzung

des Namens, Artikel 1875 und 1876 CC zum Namen des Kindes und Artikel 1677 CC zur Zusammensetzung

der Familiennamen bei der Eheschließung.

15 ‘weißes Schloss’, ‘Heiliger Geist’, ‘tausend Männer’.

Mirjam Schmuck und Melanie Strauch

412


setzt werden. Entscheidend sind hier die (religiösen) Sitten und (familiäre oder

lokale) Traditionen, aber auch phonetische Gründe, etwa, um die Monotonie

einer Namenreihe zu unterbrechen, oder praktische Gesichtspunkte, beispielsweise,

um Ruf- und Familiennamen gegeneinander abzugrenzen.16 Möglich sind

unter anderem folgende Namengebungen: José do Patrocínio (Vorname) das

Neves da Costa e Silva (Familiennamen), Maria da Conceição (Vorname) Santos

Ferreira Carvalho Crepo (Familiennamen). Der zweite Vorname darf dem anderen

Geschlecht angehören, soweit dies üblich ist, zum Beispiel Maria Manuel

oder António Maria.

Bei der Heirat behalten Mann und Frau ihre Familiennamen, können ihnen

aber bis zu zwei der Familiennamen des Ehepartners hinzufügen, meist steht der

Familienname des Mannes am Ende des Gesamtnamens. Die Familiennamen des

Kindes werden aus denen der Mutter und des Vaters oder aus den Familiennamen

nur eines Elternteils ausgewählt oder aus denen, auf welche sie jeweils ein Recht

haben, so dass Zugriffe auf den Familiennamenbestand von Großeltern oder Paten

der Kinder keine Seltenheit sind. Die Familiennamen der Kinder sind damit

in der Regel weder voll mit den Familiennamen der Mutter noch mit denen des

Vaters identisch. Das Gesetz gibt bei der Namenbildung keiner der beiden Linien

einen Vorrang und schreibt auch keine Reihenfolge für die Familiennamen

vor. Mehrere Kinder derselben Eltern brauchen deshalb nicht dieselben Familiennamen

beziehungsweise dieselbe Reihenfolge oder Zahl der Familiennamen

oder dieselben Namenspartikeln zu erhalten. Es gibt keine Einwände gegen die

zweifache Annahme des gleichen Familiennamens, den gleichzeitig Vater und

Mutter tragen (Brito e Brito, Brito Brito). Trotz aller Freiheit bei der Wahl der

Familiennamen ist in Portugal doch folgendes Schema geläufig: Bei der Eheschließung

behält die Frau den letzten Familiennamen der Mutter und den letzten

Familiennamen des Vaters und fügt ihnen die zwei letzten Familiennamen ihres

Ehemannes hinzu. Bei den Kindern folgt dem Rufnamen des Kindes der Familienname

der Mutter, den diese von ihrem Vater weiterträgt, darauf folgen zwei

Familiennamen des Vaters, die dieser von seinem Vater weiterträgt, die gleichzeitig

auch die gemeinsamen Familiennamen der Eltern darstellen17. Einen einheit-

16 Nach VASCONCELOS wurde die Partikel de ursprünglich vor einem Familiennamen nach Herkunft

oder Wohnstätte, vor einem religiösen Familiennamen oder einer Verwandtschaftsangabe

benutzt. Die Partikel e bezeichnete die Verbindung zweier Familien durch Heirat miteinander

(VASCONCELOS 1928, S. 559–562).

17 Beispiel: Vater: João Francisco (Rufnamen) Brandão (Familienname der Mutter) Rodrigues da

413

Familiennamen aus dem Portugiesischen in Deutschland



lichen Familiennamen für alle Familienmitglieder kennt das portugiesische Recht

also traditionell nicht und die Namengebung ist stark individualisiert. Deshalb ist

der Begriff „Familienname“ für die portugiesischen Nachnamen auch nicht unproblematisch.

Zwar wird aus einem geschlossenen Familiennameninventar gewählt,

aber die Freiheit in der Familiennamenzusammenstellung ermöglicht eine

größere Bewegung innerhalb des portugiesischen Familiennamenschatzes. Erhalt

oder Ausmerzung eines Familiennamens werden nicht durch die feste Tradierung

bestimmt, sondern hängen von der Wahl der Portugiesen ab. Im Gegensatz

zum Bindestrich in den deutschen Doppelnamen (Müller-Lüdenscheidt), welcher

deren feste Koppelung verdeutlicht, stehen die portugiesischen Familiennamenglieder

als Zeichen ihrer relativen Unfestigkeit unverbunden nebeneinander.

In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass die vielgliedrigen portugiesischen

Personengesamtnamen meist auf einen Ruf- und einen Familiennamen gekürzt

werden, wobei auch eventuell vorhandene Partikeln einfach weggelassen werden

können. Oft sind dies der erste Ruf- und der erste Familienname, die Wahl geschieht

jedoch nicht immer automatisch, nämlich dann nicht, wenn sie bewusst

auf die weniger gebräuchlichen Namenelemente fällt: Maria Teresa Pinto Basto

Gouveia ist bekannt als Teresa Gouveia, der Rufname Maria ist so vielen Frauen

und sogar Männern gemein, dass er kaum als distinktives Namenelement funktionieren

kann. Maria Luisa Segura da Cruz ist unter ihren mittleren Namenelementen

Luisa Segura bekannt, da diese viel eher als die so sehr verbreiteten

Namen Maria und da Cruz unterscheidend funktionieren können.

Bis in die heutige Zeit hat der Rufname in Portugal einen höheren Gebrauchswert

als der Familienname. Dem Höflichkeits-Lexomorphem folgt der

Rufname (gefolgt vom Verb in der dritten Person) auch bei nicht vertrauten

Personen und sozial unterschiedlich stehenden Personen, sowohl im mündlichen

als auch im schriftlichen Gebrauch: O senhor João hoje não vem?,

Faça favor de entrar, Dona Judite / menina Joana. Nur bei dem Mann kann

in Fällen ausgesuchter Höflichkeit dem senhor der Familienname folgen

(senhor da Silva), bei Frauen dagegen ist die Verwendung des Rufnamens obligatorisch.

Viele Listen sind alphabetisch nach dem Vornamen geordnet und



Silva (Familiennamen des Vaters) + Mutter: Judite (Rufname) Pinto (Familienname der Mutter)

Cardoso (Familienname des Vaters) Rodrigues da Silva (Familiennamen des Ehemannes)

= Tochter: Maria-Judite (Rufnamen) Cardoso (Familienname der Mutter) Rodrigues da Silva

(Familiennamen des Vaters).

Mirjam Schmuck und Melanie Strauch

414

Politiker, die unter ihrem Vornamen Wahlkampf betreiben, sind nichts Außergewöhnliches.



Eine Besonderheit in der portugiesischen Anrede ist, dass Ruf-

und / oder Familienname in der Anrede häufig gar nicht erwähnt werden. Man

wendet sich an seinen Gesprächspartner mit o /a senhor/a oder o/a menino/a,

in der Familie mit a mãe, o pai, a avó, a tia (meistens in der 3. Pers. Sg.;

die Anrede älterer Familienmitglieder in der 2. Pers. Sg. mit tu wird heute

erst ganz allmählich möglich) oder bei Personen mit Titel o/a Doutor/a, o/a



Engenheiro/a, o Marquês, a Marquesa; a Senhora Condessa não se lembra

de mim? ‘Erinnern Sie sich nicht an mich, Frau Baronin?’ (vgl. CUESTA / LUZ

1989, S. 485).

Die Benutzung des Definitartikels vor Personennamen regelt im Portugiesischen

Nähe und Distanz. Der Definitartikel steht im Portugiesischen immer

vor dem Personennamen, wenn über eine dritte Person gesprochen wird: a Filipa

(Rufname), o Silva (Familienname), o João Pinto (Rufname + Familienname)

und auch in der direkten Anrede mittels Eigenname (A Maria chegou cedo!). Nur

in sehr förmlichen Situationen wird der Artikel weggelassen. Vor den Anredeformeln

wie senhor/a, menina, Doutor, Engenheira, mãe ist er obligatorisch (vgl.

CUNHA / CINTRA 1997, S. 226).



6 Forschungsstand und Desiderate

Der portugiesischen Anthroponomastik bieten sich noch weite bisher nicht oder

kaum untersuchte Forschungsfelder. Der Großteil der Arbeiten zur Onomastik

beschäftigt sich mit der Toponymik und innerhalb der Anthroponomastik liegt

der Schwerpunkt auf den Rufnamen. In der Familiennamenforschung steht die

Etymologie der Familiennamen im Vordergrund, Arbeiten zur Entwicklung der

Familiennamen ab dem Mittelalter sind jedoch sehr spärlich.

Für eine Untersuchung zu Geschichte und Struktur der portugiesischen Familiennamen

(STRAUCH 2006) erstellte die portugiesische Telecom 2004 eine

Auflistung der 200 häufigsten Familiennamen in Portugal. Erstmals lag damit

eine repräsentative Zusammenstellung der aktuell verbreiteten Familiennamen

in Portugal vor.

Die „Antroponímia portuguesa“ von José LEITE DE VASCONCELOS (1928) ist

Portugals „erste umfassende wissenschaftliche und heute noch gültige, überaus

nützliche Abhandlung über Personennamen im Bereich der romanischen Spra-

415


Familiennamen aus dem Portugiesischen in Deutschland

chen“ (KREMER 1993, S. 518). Überhaupt scheint die Forschung hier, in der ersten

Hälfte des 20. Jh., lebendiger als in den Folgejahren. Die anthroponymischen

und toponymischen Lexika von NASCENTES 1952 und MACHADO 1984 sind für

den Namenforscher noch heute die Nachschlagewerke schlechthin und werden

für weitgehend zuverlässig gehalten.

Innerhalb des von Dieter KREMER geleiteten Projekts Patronymica Romanica

(PatRom) – Dictionnaire historique de l’anthroponymie romane arbeiten

Sprachwissenschaftler der ganzen Romania an der Erstellung eines Dictionnaire

historique des noms de famille romans, einem historischen Lexikon der

romanischen Familiennamen. Diesem Projekt sind methodologische Neuerungen

im Gebiet der romanischen Personennamenforschung und die Veröffentlichung

einer Reihe monographischer Werke zu verdanken. Diese legen

ihren Schwerpunkt auf die Erforschung der Entstehung und Entwicklung der

Familiennamen im mittelalterlichen Galizien, der Wiege der portugiesischen

Sprache (BOULLÓN AGRELO 1999), des frühen Namensystems Madeiras (NUNES

1999), beide aus der Reihe PatRom, und der Patronyme im Mittelalter Portugals

und Galiziens (DIÉGUEZ GONZÁLEZ 2000). Einen guten Überblick über die

Entwicklung des portugiesischen Personnennamensystems ab dem Mittelalter

gibt R. KEMMLER in seiner erst kürzlich erschienen Kurzdarstellung (KEMMLER

2007).


Insgesamt ist eine stärkere Beschäftigung der portugiesischen Forschung mit

der Entwicklung des portugiesischen Familiennamensystems von den Anfängen

bis heute hinsichtlich des Namengebrauchs und der Namenstruktur wünschenswert.

Obwohl man in der portugiesischen Familiennamenforschung zwar von der

Armut des portugiesischen Familiennamenschatzes spricht, gibt es keine Angaben

zu seiner tatsächlichen Größe. Es ließen sich damit Aussagen zu der Gewichtung

der 200 häufigsten Familiennamen des Landes im Verhältnis zu seinem gesamten

Familiennamenschatz treffen. Wenn in Portugal bereits über 73 % der Personen

einen der 200 häufigsten Familiennamen als letztes Familiennamenglied tragen,

wirft dies die Frage auf, ob das an der relativen Familiennamenarmut des portugiesischen

Familiennamensystems oder an den akzentuierten Präferenzen der

Portugiesen für bestimmte Familiennamen liegt und weiteres Material wenig genutzt

wird18.

18 Es würde sich dann um das gleiche Phänomen handeln, das in Portugal bei der Wahl der Rufnamen



zu beobachten ist. Im Gegensatz zu Deutschland, wo der Wunsch nach ausgefallenen,

Mirjam Schmuck und Melanie Strauch

416

Untersuchungen zu Zusammenhängen zwischen der portugiesischen Kulturgeschichte



und der Entwicklung der Familiennamen könnten Aussagen darüber

erlauben, auf welche Weise sich die Kultur auf Benennungsquellen und die

Häufigkeit der Nutzung bestimmter Quellen auswirkt. Haben sich in Portugal

weniger Berufsnamen aber mehr Natur- und Pflanzennamen in den Familiennamen

niedergeschlagen, weil es ein stark landwirtschaftlich geprägtes Land ist

und schlägt sich seine Küstenlage inhaltlich in den Familiennamen nieder? Auch

Studien zu lautlichen, wortgeographischen oder regionalen Unterschieden in der

Bildungsweise der portugiesischen Familiennamen stellen ein Desiderat der portugiesischen

Namenforschung dar.

Ein weites, aufgrund mangelnder Daten bisher noch unberücksichtigtes, Forschungsfeld

bilden die brasilianischen Familiennamen. Telefondaten sind in diesem

konkreten Fall mit großer Vorsicht zu betrachten. Nach Angaben des statistischen

Instituts Brasiliens (Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística)

besitzen nur knapp 80 % der brasilianischen Haushalte einen Telefonanschluss

(Stand 2007)19 für eine umfassende Untersuchung erscheinen die Telefondaten

daher nur bedingt geeignet, sie können aber durchaus wertvolle erste Hinweise

auf brasilianisch-portugiesische Unterschiede bei der Namenwahl liefern. Stichproben

anhand der Telecom-Daten zeigen gerade für den frequentesten Fall Silva

Unterschiede im Gebrauch des Artikels. Während in Portugal die artikellose Variante

deutlich dominiert (Silva 200 368 Telef. vs. da Silva 869 Telef.)20, sind in

Brasilien die Verhältnisse offenbar umgekehrt. Die Suche im Online-Telefonbuch

nach Silva in São Paulo ergibt 232 101 Treffer, hierunter sowohl Formen mit als

auch ohne Artikel. Bereits unter den ersten 50 Einträgen (Firmennamen wurden

nicht berücksichtigt), zeigt sich ein Übergewicht zugunsten der Variante da Silva

von 36 : 14. Weitere Unterschiede treten im Vergleich der graphischen Varianten

Sousa vs. Souza zutage. Erstere kann als typisch portugiesische Form angesehen

werden, da in Portugal 66 314 Telef. für Sousa nur 425 Telef. auf Souza

entgegenstehen. In Brasilien (São Paulo) überwiegt hingegen Souza mit 77 894

sich von der Umgebung abhebenden, Rufnamen überwiegt, gibt es in der Rufnamenwahl in

Portugal die deutliche Tendenz zur Anpassung, das bedeutet, zur Nachahmung der Rufnamen

in der näheren Umgebung.

19 Instituto Brasileiro de Geografi a e Estatística: http://www.ibge.gov.br/brasil_em_sintese/

default.htm (28. 06. 2009).

20 Als Treffer erscheinen alle Einträge, die den gesuchten Namen als ein Namenglied enthalten,

unabhängig von ihrer Position innerhalb des Gesamtnamens.

417

Familiennamen aus dem Portugiesischen in Deutschland



Telef. gegenüber Sousa mit 13 654 Telef. deutlich. Signifikante Unterschiede in

der Häufigkeit zeigen auch die Varianten Morais / Moraes. Erstere überwiegt in

Portugal (Morais 9 944 Telef. vs. Moraes 134 Telef.), letztere in Brasilien / São

Paulo (Moraes 10 918 Telef. vs. Morais 4 121 Telef.). Keine signifikanten Unterschiede

lassen sich dagegen für Cardoso / Cardozo, Freire /Freyre und Mota / Motta

feststellen. Eine eingehendere Untersuchung der Abweichungen dürfte äußerst

ertragreich sein. Nicht nur die portugiesischen, sondern insbesondere auch die

noch ganz und gar unerforschten brasilianischen Familiennamen bieten somit

zahlreiche Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen.


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