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Kapitel IX Lene Mayer-Skumanz



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Kapitel IX

Lene Mayer-Skumanz



1. Leben und Schaffen

Ich bin in Wien geboren und aufgewachsen. Mein Vater war Schauspieler. Von ihm hab ich die Freude am Theater und am Menschenbeobachten geerbt. Von ihm habe ich auch gelernt, daß das Ernste im Komischen steckt und das Komische im Ernsten.“ (L. Mayer-Skumanz)


Lene Mayer-Skumanz, 1939 in Wien geboren, studierte Germanistik und Altphilologie. Sie arbeitete als Mittelschullehrerin und leitete die Kinderzeitschrift Weite Welt. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in Wien.
Ihr Werk umfasst Literatur verschiedener Genres: Erzählungen, Lyrik, Bild- und Detektivgeschichten, Erzählungen aus fernen Ländern und von Kindern unseres Landes, Legenden und biblische Erzählungen sowie Bilderbücher. Ihr großes Verdienst liegt sicherlich in der Schaffung einer neuen religiösen Kinderliteratur, die geprägt ist von einer Unmittelbarkeit der Sprache und einer Unaufdringlichkeit in der Botschaft. Sachliche Genauigkeit und Begeisterungsfähigkeit ergänzen einander in der Gestaltung jener Stoffe, die große Heilige zum Inhalt haben. Unter den vielen in- und ausländischen Auszeichnungen Lene Mayer-Skumanz´ finden sich auch der Katholische Kinderbuchpreis der deutschen Bischofskonferenz 1981 und der Catholic Book Award of USA and Canada für die Geschichten vom Bruder Franz.
Lene Mayer-Skumanz´ literarisches Spektrum beschränkt sich jedoch nicht auf die explizit religiöse Literatur, sondern ihr Engagement für den Menschen manifestiert sich auch in profanen Werken wie beispielsweise Gibt Florian auf (1981), einer gleichermaßen Familien- wie Schulgeschichte, in der der Konflikt zwischen möglicher Begabungsentfaltung und notwendiger schulischer Ausbildung verständnisvoll und humorvoll gelöst wird.
Lene Mayer-Skumanz schreibt Geschichten seit ihrer Jugend. Ihr Spektrum reicht von Abenteuer- und Gespenstererzählungen bis hin zu Liebes- und Konfliktgeschichten. Der Name Lene Mayer-Skumanz ist untrennbar mit religiöser Kinder- und Jugendliteratur verbunden. Ihr ist es gelungen, religiöse Befindlichkeiten und Botschaften sensibel, manchmal sehr subtil, über die Figuren und die Handlung zu transportieren. Viele ihrer Bücher sind daher nur auf den zweiten Blick mit dem Prädikat ‚religiös‘ zu versehen (Mein Onkel, der Zauberer, Der Unheimliche auf Zimmer 3, Das Lügennetz u. a.). Sie scheut sich nicht, religiöses Vokabular zu verwenden, aber immer sucht sie Bilder, die heutige Kinder verstehen können, niemals verfällt sie ins Moralisieren und Dogmatisieren, stets entwickelt sie das Handlungsgeschehen so, dass das christliche Weltbild, Glaubensinhalte und Glaubensfragen sowie Zweifel und Staunen lebensnah dazugehören. In Ein Löffel Honig zeigt sie Kinder und deren Familien, die sich auf die Erstkommunion vorbereiten, und macht deutlich, dass Glauben und Leben untrennbar miteinander verbunden sind. [Vgl.: M. Lainer, 1995]


1.1. Bücher von Lene Mayer-Skumanz mit religiöser Thematik

Meine Familie war der Kirche gegenüber distanziert, Religion war bei uns kein Thema, auch kein Thema zum Schimpfen. Ein einziges Mal erzählte meine Mutter mir eine Szene aus der Bibel, an einem Karsamstagabend. Wie die Magdalena – meine Namenspatronin – um den toten Jesus weinte und wie sie den lebendigen Jesus erkannte, als er sie bei ihrem Namen rief. Dies blieb für lange Zeit meine einzige religiöse Geschichte, und untrennbar damit verbunden blieb die Vermutung, daß Gott für Überraschungen gut ist.“ (L. Mayer-Skumanz)


In Erinnerung blieb Lene Mayer-Skumanz also, wie ihr die Mutter zu Ostern 1945 von Maria Magdalena, ihrer Namenspatronin, erzählte, der der Auferstandene erschien, und die sie in ihrem Buch Maria Magdalena, an dem sie zehn Jahre lang arbeitete, als Liebende darstellt. Mit dieser biblischen Erzählung wurde die Fünfjährige hellhörig und offen für Religiöses und gelangte zu einer lebensbegleitenden Erkenntnis: „Bei Gott muß man mit allem rechnen.“ (L. Mayer-Skumanz).

Obwohl sie aus einem liberalen Elternhaus kommt, wurde der Glaube für sie zu einem den Alltag tragenden Fundament, und sie versteht sich auch als christliche Autorin.

Es gibt nicht zwei Welten, sondern nur die eine, und in ihr wirken auch die göttlichen Kräfte.“ (L. Mayer-Skumanz).

Vom Wirken der göttlichen Kräfte auf der Welt, in der Schöpfung und zwischen den Menschen handeln die Texte von L. Mayer-Skumanz, deren Botschaft schlicht und einfach ist: Sie will Beispiele dafür geben, wie es möglich ist zu sagen: „Du, ich mag dich rundherum”. Diese Aussage ist einerseits Grundlage ihres Schreibens und zugleich das Ziel: Sie will ihre Leser/innen locken, sich von der Nächstenliebe anstecken zu lassen. Religion wohnt eine verändernde Kraft inne, die die zwischenmenschlichen Beziehungen ebenso erfasst wie die Verbundenheit mit der gesamten Schöpfung. Erzählungen wie Der Adventberg, Jakob und Katharina, „…wenn du meinst, lieber Gott“, Ein Kuchen für den lieben Gott und ganz besonders der Jugendroman Hanniel kommt in die Stadt verdeutlichen dies auf ganz eindringliche Weise.


Gott ist in den Darstellungen Lene Mayer-Skumanz´ nicht der alte graubärtige Mann, sondern ausgesprochen dynamisch, er wirkt jung, hat Humor und fühlt mit den Menschen mit. Er ist der personale Gott, der in Beziehung tritt mit seinen Geschöpfen, den man ansprechen kann, ja, mit dem man sogar schimpfen und hadern kann. Ob Julia, Tino, Jakob oder Xaverl, sie sprechen mit Gott wie mit einem Freund, und in Ein Löffel Honig lässt die Autorin den IBD-IBME, den Ich-bin-da, ich-bin-mit-euch, aus seiner Position des liebevollen Begleiters jedes Menschen zu Wort kommen.
Weil sich für L. Mayer-Skumanz die Welt nicht in Diesseits und Jenseits spalten lässt, können auch (Schutz-)Engel, Menschen, die noch nicht sterben können, weil sie noch etwas zu erledigen haben, oder Statuen, die lebendig werden, auftreten, ohne lächerlich oder kitschig zu wirken. Wenn der Schutzengel Hanniel in der Geschichte Hanniel kommt in die Stadt in die Gestalt des sterbenden Herrn Pospischil schlüpft, um den elfjährigen Christian auf den rechten Weg zu leiten, dann wird er zum Vorbild schlechthin. Der alte Mann ist der Inbegriff von Güte und Menschlichkeit und bewirkt einen Gesinnungswandel bei den Menschen, mit denen er in Beziehung tritt. Selbst in solch schwierigen Situationen wie Trennung und Scheidung zeigt die Autorin über die Figur des Engels den Weg: Nicht wer verurteilt, sondern wer annimmt, heilt gebrochene Menschen, hilft gesprungene Lebensentwürfe wieder zu leimen und macht Gott in der Welt sichtbar. Diese gemeinsame Geschichte von Christian und Hanniel entsteht nicht durch phantastische Verfremdung, sondern spielt in der Realität des täglichen Lebens. In seiner Doppelfunktion wird Hanniel zweifaches Symbol: als Engel im menschlichen Körper einerseits Zeichen der Liebe Gottes zu seinem Geschöpf, als Mensch Pospischil andererseits Empfänger und Vermittler eben dieser unabdingbaren Liebe Gottes. [Vgl.: Ch. Ellbogen 1991]
Vor gesellschaftlichen Problemen – Integration von Ausländern, Vereinsamung alter Menschen, Intoleranz und Vorurteile, Behinderung und Tod – hat sich L. Mayer-Skumanz nie gescheut, sie gaukelt uns keine heile Welt vor, aber sie bemüht sich in ihren Büchern um Konfliktlösungen, die Umkehr und einen neuen Anfang ermöglichen.
Biblische Gestalten sind für die Altphilologin, die die neutestamentlichen Texte alle im Original kennt und studiert hat, eine Herausforderung, denn sie will Kindern und Jugendlichen, die zumeist gar keine Hintergrundinformationen mehr kennen, diese überzeugend nahe bringen. Sie muss daher von Maria oder von Maria Magdalena so erzählen, dass die Leser/innen während der Lektüre mit ihnen vertraut werden. Lene Mayer-Skumanz arbeitet stark an den Quellentexten und bezieht auch Schriften, die nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurden, mit ein. [Vgl.: M. Lainer 1995]
Gleich ihr erstes Jugendbuch Ein Engel für Monika wurde mit dem Österreichischen Jugendbuchpreis (1965) ausgezeichnet.

Aus einem explizit christlichen Welt- und Menschenverständnis heraus gestaltet sich das Handeln des Protagonisten, und im Rückblick erweist sich das Buch auch als Zeichen für ein beginnendes Umdenken katholischen Weltverständnisses entsprechend dem Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils, ‚nach den Zeichen der Zeit zu suchen‘ und als Christ die Welt hier und heute mitzugestalten.



Prägend für ihr Schreiben ist es, unbekümmert um mögliches Außenseitertum in einer säkularisierten Gesellschaft, nach Antworten auf die Frage nach der literarischen und formalen Bewältigung des Uranliegens zu suchen, in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts von Gott und seinem Plan mit den Menschen zu erzählen. Texte von, über Gott laufen Gefahr, in vordergründiger Demut stecken zubleiben, in Verniedlichung oder Frömmelei abzugleiten. In die Gott-Mensch-Beziehung einzudringen, sie in ihrer Tiefe auszuloten, mit all den Freuden und Ängsten wiederzugeben, bedarf wohl einer besonderen Gestaltungsgabe und Gestaltungskraft.
Bei ihren religiösen Themenstellungen stellt sich L. Mayer-Skumanz der Konfrontation mit ‚heiklen‘ Fragen und geht in der Beantwortung gemäß ihrer Denkweise eigene Wege. So greift sie in Geschichten vom Bruder Franz (1981) das kirchengeschichtliche Problem der Kreuzzüge auf, findet hoffnungsvollen Trost auf die Frage, ob auch Katzen in den Himmel kommen in So gut möchte ich hören können (1989) oder lässt in Ein Löffel voll Honig (1995) die tiefe Verbundenheit zwischen Gott und den Menschen sichtbar werden. [Vgl.: H. H. Ewers/E. Seibert 1997]
Lene Mayer-Skumanz und ihre Religiosität sui generis am Beispiel des Buches Hanniel kommt in die Stadt
Christian, der Protagonist der Geschichte, ist ein kleiner Junge, dessen Vater seine Frau wegen einer neuen Freundin verlassen hat. Die mit existenziellen Problemen durchaus beschäftigte Mutter hat nun wenig Zeit und Verständnis für ihren Sohn. Das männliche Vorbild stellt für den Buben ein gewisser Herr Pospischil dar, ein alter Pensionist aus der Nachbarschaft, der in dieser Zeit für Christian als älterer Freund eine große Rolle spielt. Eines Tages stirbt aber Herr Pospischil bei einer Bergwanderung. Christians Schutzengel Hanniel tritt in die Gestalt des sterbenden Herrn Pospischil für die begrenzte Zeit eines Jahres ein, um den elfjährigen Christian auf den rechten Weg zu leiten.
Unbefangen, voll Spontaneität wirft Lene Mayer-Skumanz Glaubensfragen auf und lässt dabei verschüttete religiöse Dimensionen des Lebens sichtbar werden. Die Überzeugung vermitteln zu wollen, dass Gott der Zuvorkommende, der zuerst Liebende ist, bedarf der Einsicht, dass den jungen Leser/innen religiöse Erfahrungen nur in dem Maße möglich sind, als sie auf eigene Menschen- und Welterfahrungen in ihrem eigenen Umkreis zurückgreifen können.
So wie Lene Mayer-Skumanz Wege zu einer dialogfähigen Gottesbeziehung aufzeigen will, sprachlich dabei nach immer neuen Formen sucht, nicht einfach Tradiertes übernimmt, so fasst sie auch die jeweiligen Inhalte kritisch ins Auge und korrigiert dort bzw. bringt Originäres wieder in den Vordergrund, wo sie meint, ‚Verrücktes‘ zu entdecken. [Vgl.: Ch. Ellbogen 1991]
Hanniel bog in eine Seitenstraße ein und kam auf einen Platz, der den Namen des Erzengels Michael trug…. Da stand eine Kirche, deren Eingang durch einen prächtigen kleinen Vorbau betont war. Über diesem Portal standen Figuren aus Sandstein. […]

Nein!“ rief er.



Sein großer Kollege Michael war als Sieger dargestellt. Unter seinen Füßen krümmte sich Luzifer …Was Hanniel betroffen machte, war ein seltsames Lächeln in Michaels steinernem Gesicht: ein leichtes, überlegenes, ein triumphierendes Lächeln. […]

Ein einmaliges Kunstwerk des Hochbarock!“ rief der Führer.

Nein!” rief der Hanniel. „Das ist kein Kunstwerk! Das ist bloß Propaganda!“

Was faseln Sie da herum?“ schrie der Führer, „…eines der bedeutendsten Kunstwerke aus der Zeit der Gegenreformation – das war die Zeit, in der die Katholiken mit kaiserlicher Rückenstützung die Protestanten endgültig abgeschmettert haben, …“ […]

Ich erkläre nur eben“, sagte Hanniel …„daß der Erzengel Michael in seiner Funktion mißverstanden und mißbraucht wird. Er ist für die Ordnung zuständig, er schützt und schirmt die Harmonie im All, darum bleibt ihm nichts anderes übrig, als seinem treulosen Kollegen entgegenzutreten. Aber er triumphiert nicht, verstehen Sie? Gott triumphiert nie!“ [Vgl.: L. Mayer-Skumanz. Hanniel kommt in die Stadt, 1989, S. 55ff.]


1.2. Der Wiener Autorenkreis ‚Die Gruppe‘

‚Die Gruppe‘, ein kollegiales Treffen der österreichischen Kinder- und Jugendbuchstriftsteller/innen, entstand im Jahr 1968, nach einer Wiener Kinderbuch-Preisverleihung für Käthe Recheis. Es handelte sich um keinen literarischen Verein mit festen Linien, sondern eher um einen Kreis der Kinderbuchleute, die mit ihren unregelmäßigen Zusammentreffen ihre gemeinsamen Intentionen erörtern wollten. Mitglieder der ‚Gruppe‘ wurden bald auch Vera Ferra-Mikura, Friedl Hofbauer, Mira Lobe, Christine Nöstlinger, Renate Welsh und Lene Mayer-Skumanz. Die Erzeugnisse der gemeinsamen Abende, an denen sich die Mitglieder der ‚Gruppe‘ den ‚Sprachspielereien und Blödeleien‘ widmeten, wurden zu einem gemeinsamen Buch zusammengefasst: zum Sprachbastelbuch.

„…nach einem Wiener Kinderbuchpreis für Käthe Recheis saßen wir noch ein bißchen beisammen, um die Käthe zu feiern: Mira Lobe, Ernst A. Ekker und ich. Wir plauderten, erzählten von unseren Arbeitsvorhaben, sinnierten und blödelten, es war richtig gemütlich, und Käthe meinte: ,Das sollten wir öfters haben – miteinander, nicht gegeneinander, beinahe ein Motto, nicht?‘ So entstand die Idee zu unserer ‚Gruppe‘, einem kollegialen Treffen der österreichischen Kinderbuchleute, und noch im selben Jahr saß eine vergnügte Runde in Käthes neuer Wiener Wohnung beisammen… Die ‚Gruppe‘ wurde zu einem Bestandteil unseres Lebens als SchriftstellerInnen und GrafikerInnen. Ein jedes von uns gab und nahm: Erfahrungen, Ratschläge, Ermutigungen zu neuen Ideen und Formen. Wir teilten unsere Erfahrungen im Umgang mit Verlagen und rückten gemeinsam manchen Tabus in der Kinderliteratur zu Leibe.“ [L. Mayer-Skumanz 2000]
Im Rahmen der ‚Wiener Gruppe‘ entwickelten sich persönliche Freundschaften zwischen AutorInnen; es leben jedoch nicht mehr alle: z. B. sind Mira Lobe im Jahre 1995, Vera Ferra-Mikura im Jahre 1997 verstorben. Die gute Seele der ‚Gruppe‘ ist Käthe Recheis:
Nicht alle Mitglieder dieser ersten Gruppierung leben noch – die Idee selber aber lebt zu Käthes großer Genugtuung in den ‚Federhasen‘ weiter, der Gruppe österreichischer Kinderbuchleute; diese treffen sich einmal im Monat, animiert von Winfried Opgenoorth, Christine Rettl und Gerda Anger-Schmidt. Es ist charakteristisch für Käthe, daß sie ein treuer, ‚Federhase‘ geworden ist!“ [Vgl.: Ebd. ]


1.3. Schlusswort. Lene Mayer-Skumanz über ihre Arbeit des Schreibens

Anlässlich des 50. Geburtstags von Lene Mayer-Skumanz am 7. November 1989 sprach Schriftstellerkollegin Käthe Recheis mit ihr über die Arbeit des Schreibens für Kinder. Käthe Recheis hält beim Schaffen für Kinder die Einfachheit der Sprache für etwas sehr Wichtiges.

In diesem Zusammenhang teilte Lene Mayer-Skumanz ihrer Kollegin Käthe Recheis einige interessante Gedanken mit:
Eine einfache Sprache ist etwas, was man sich ganz hart erarbeiten muß. Wenn es nach meinen Wünschen ginge, sollte eine Geschichte ganz einfach, ganz schlicht und so selbstverständlich dastehen, daß man es sich gar nicht anders vorstellen kann. Aber bis es so weit ist, plage ich mich immer schrecklich.“
Auf die Frage, welche Themen, welche Aussagen ihr beim Schreiben der Geschichten wichtig sind, antwortete sie wie folgt:
Für mich sind ganz besonders die Beziehungsmöglichkeiten zwischen den Menschen wichtig. Ich möchte zeigen, wie Beziehungen entstehen, wodurch sie gefährdet werden, ich möchte Konflikte darstellen und vielleicht für das eine oder das andere Lösungsmöglichkeiten anbieten. Oft kann man aber keine Lösung finden. Das muß man sich auch ehrlich eingestehen. Dann geht es mir darum, wie man lernt, diese Konflikte auszuhalten – wie lernt man, mit Widersprüchen und Konflikten zu leben?“
Umfangreich hat sich die Autorin zum Thema Religion, vielleicht dem wichtigsten literarischen Stoff ihrer Werke geäußert:
Ein anderes Thema, das mich sehr interessiert, ist Religion – meine eigene christliche, aber auch andere Religionen. Im Grunde sind das ja auch Beziehungsgeschichten – Beziehung zur Gottheit auf den verschiedensten, vielfältigsten Ebenen.

Offen sein können – das ist für mich ein wichtiges Thema. Daran kann man ein Leben lang arbeiten. Wir sollten zeigen, wie wir uns fühlen, wie es uns ums Herz ist, was uns kränkt, was uns freut. […] Ich glaube, daß wir Menschen die Begabung haben, nicht nur Beziehungen zu anderen Menschen oder im religiösen Bereich zu Gott zu entwickeln, sondern zu allem Geschaffenen. Vielleicht ist es das Gefühl der Mitgeschöpflichkeit, in das wir Tiere, Pflanzen, Steine, ja auch Dinge mit einbeziehen können.“ [L. Mayer-Skumanz 1989]

2. Rezeption des Werkes von Lene Mayer-Skumanz ins Tschechische

In diesem Kapitel möchte ich das einzige Werk von Lene Mayer-Skumanz, das bisher ins Tschechische übersetzt wurde, mit der Originalfassung vergleichen.


wenn du meinst, lieber Gott kontra …když myslíš, milý bože
Bei meinem Vergleich standen mir die Ausgabe des im Jahr 1998 im Gabriel Verlag des K. Thienemanns Verlags, Stuttgart-Wien verlegten Buches, illustriert von Christina Oppermann-Dimow und die von Jana Kubíčková übersetzte und von Hana Unzeitigová illustrierte tschechische Version des Werkes aus dem Jahre 2002, veröffentlicht im Verlag Matice cyrilometodějská s. r. o. in Olomouc, zur Verfügung. Im Umschlag werden die Erzählungen mit dem religiösen Aspekt als Geschichten für Aufgeweckte, zum In-sich-Hineinhorchen vorgestellt. Das Werk wurde auf der Auswahlliste des Katholischen Kinderbuchpreises der Deutschen Bischofskonferenz angeführt, und für die Aktion ‚Kinderbücher für den Osten‘ wurde es in mehrere slawische Sprachen übersetzt. Außerdem gibt es eine Fernsehadaptation dieses Werkes.


2.1. … wenn du meinst lieber Gott. Thematische und inhaltliche Analyse

Neunzehn Alltagsgeschichten sind durch die Figur des Protagonisten verbunden, den siebenjährigen Xaverl, der in meditativen Gesprächen mit Gott Antworten auf Fragen und unlösbare Probleme des Alltags sucht und manchmal nicht finden kann. Gott stellt für den Jungen nicht nur den allmächtigen Schöpfer der Menschen und der Welt dar, der Furcht erregende Gefühle in uns erweckt, sondern eher einen liebevollen Berater und Lehrer:


Und außer den Ohren hab ich dir noch Augen gegeben und eine Nase und Fingerspitzen und überhaupt sehr viel Haut. Das musst du alles verwenden.“ „Gut, wenn du meinst“, sagt Xaverl. „Dann geh ich jetzt und höre zu von Kopf bis Fuß. [L. Mayer-Skumanz 1998, S. 28]

Für Xaverl ist Gott Partner und Autorität – eine Autorität, die sich jedoch der Diskussion stellt. Und Xaverl ist kein autoritätshöriger Duckmäuser; angesichts der bei einem Kälteeinbruch im Mai verhungerten jungen Vögel hadert er mit Gott und stellt zornig die Frage:


Ich versteh nicht, wie sie Dich lieb nennen können. Du hast nicht genug Mücken gemacht, und dabei kannst Du doch alles …Ich versteh nicht, warum es so viel Trauriges gibt. So viel Leid. Warum Du das zuläßt.“ [Ebd. 1998, S. 29]
Konsequent räumt Lene Mayer-Skumanz mit der Vorstellung von einem verfügbaren ‚Lückenbüßer Gott‘ (Bonhoeffer) auf, und die alte Frage nach der Rechtfertigung Gottes für das Böse in der Welt findet auch hier keine Antwort:
Verstehen kannst du das nicht, Xaverl. Leiden und Trauern gehören zum Menschsein dazu. Wie Freude und Festefeiern.“

Ich will aber den Grund wissen, warum das so ist. Ich will dahinterkommen!“

Solange du auf der Welt bist und alles mit Menschenaugen siehst, wirst du nicht dahinterkommen, Xaverl.“

Gut, wenn du meinst. Dann gib mir deine Augen!“

Ich werde dir meine Augen geben – wenn es soweit ist.“ [Ebd. 1998, S. 31]
Gott besteht auf seinem Autoritätsanspruch, aber den Fragenden lässt er Möglichkeiten finden, in der Not erfinderisch zu werden. Unabänderliches zu ertragen und zu tragen, ist wohl ein Los des Menschen; die Pflicht, Veränderbares zu verändern, ist ihm damit nicht genommen.
Was können denn so kleine Vögel noch alles fressen?“ fragt Xaverl.

Du hast doch ein Buch über Tiere. Warum schaust du nicht nach?“ fragt Gott. [Ebd. 1998, S. 35]


Und Xaverl findet einen Weg.

Behutsam, in der Problematik maßgeschneidert für kleine Leser, greift Lene Mayer-Skumanz seine Frage auf, die zwar so alt wie die Menschheit selbst, spätestens nach Auschwitz aber nicht mehr verdrängbar ist. Gott ist tot, erklärten Philosophen, Literaten und Theologen – wenngleich auch aus verschiedenen Beweggründen.

Man stellte wohl die Frage, ‚warum Gott all das Leid zugelassen hat‘, aber man vergaß zu fragen, wie denn der Mensch die ihm von Gott gewählte Freiheit nutzte.

Gott ermuntert Xaverl zu einem selbstverantwortlichen Verhalten. Gott will kein zentralistischer Gott sein, er will den mündigen Menschen, der sein Handeln aus dem Grundprinzip des Subsidiarismus ableitet. [Vgl.: Ch. Ellbogen 1991]




2.2. Vergleich der Originalfassung mit der Übersetzung ins Tschechische

Bei diesem Vergleich fand ich nur wenige Unterschiede Es handelt sich um die tschechische Übersetzung der letzten deutschen Version des Originals.


Unterschiedlich wurden einige Namen übersetzt. So trägt der Protagonist im Tschechischen nicht den Namen Xaverl, sondern Vítek, zwei seiner Freundinnen heißen nicht Lisi, sondern Líba, und nicht Heidi, sondern Veronika. Frau Grammelschneider hat den tschechischen Familiennamen Purkrábková.

Interessant ist es auch, wenn man die Übersetzung der expressiven Ausdrücke betrachtet. Onomatopoetische Wörter wie ‚Maulaufreißer‘ werden als ‚otevřhuba‘ und ‚Stänkerer‘ als ‚čmuchal‘ übersetzt. Für die Benennung ‚Rauhaardackel‘ hat sich die Übersetzerin nur des Terminus‘ ‚jezevčík‘ bedient.


Im Original wird häufiger Präsens verwendet, in der Übersetzung stehen die gleichen Sätze im Imperfekt. Die Sätze des Originals wirken so einfacher, eher bestimmt für ein jüngeres Lesealter der Kinder.
Das Stroh riecht faulig. Xaverl häuft es auf den Schubkarren. Vier Schubkarren voll stinkendem Stroh führt er weg. Dann kratzt er mit einem Spachtel den Dreck von Wänden und Boden. Frau Grammelschneider putzt das Fenster und wäscht die Tür. Die Hühner flattern aufgeregt umher, sie sind das Stallausmisten nicht gewohnt. Immer wieder hackt der schwarzweiße Hahn nach Xaverls Beinen. Xaverl schnauft und schwitzt, Frau Grammelschneider stöhnt und reibt sich den Rücken. S. 9.

sláma čpěla hnilobou. Vítek ji nakládal na trakař. Čtyři trakaře páchnoucí slámy vyvezl Vítek ven. Potom špachtlí seškraboval výkaly ze stěn a ze země. Paní Purkrábková vyčistila okno a dveře. Slepice, které nebyly na čištění kurníku zvyklé, vzrušeně poletovaly kolem a černobílý kohout se stále rozháněl, aby Vítka klovl do nohy. S. 5.


Imperative Sätze sind im Tschechischen besser ausgedrückt als im Deutschen. Infinitiver Imperativsatz wirkt sehr einfach, streng und unpersönlich:
Nicht abreißen!“, hat Xaverl gebeten. S. 47.

Nerozbíjejte ji,“ prosil Vítek. S. 34.


Die abschließende Passage habe ich deswegen ausgesucht, weil sie den für Lene Mayer-Skumanz typischen liebeswürdigen, sanften Humor versteckt, der auch in solchen Situationen zum Vorschein kommt, in denen z. B. Christine Nöstlinger beinahe eine ‚Krise der Familie‘ empfinden und charakterisieren würde:
Wir sind nicht böse aufeinander, wir haben nur eine kleine Meinungsverschiedenheit,“ brummt der Vater.

Wohin kommt man denn, wenn man nicht einmal mehr in Ruhe streiten darf,“ sagt die Mutter mit einem kleinen Schimmer ihres gewohnten Lachens in den Augen. „Verroll dich ins Bett, Xaverl, und zwar sofort!“ S. 36.

My na sebe nejsme zlí,“ bručí tatínek, „máme jen malou výměnu názorů.“

Jak to jenom přijde, že se člověk jednou za čas nemůže ani v klidu pohádat!“ dodává maminka s jiskřičkou obvyklého humoru v očích. „Utíkej do postele, Vítku, a to okamžitě!“ S. 24.


Vergleich der Illustrationen

Sowohl die Bilder des Originals von Christina Oppermann-Dimow als auch die der tschechischen Übersetzung von Hana Unzeitigová sind farbige einseitige Illustrationen, die mit dem kindlichen Lesealter gut korrespondieren. Wo die Bilder der tschechischen Fassung durch ihre kindlichen Züge der einfachen kontinuierlichen Umrahmungen und der ausgemalten farbigen Flächen einen unproblematisch positiven, ziemlich naiven Eindruck hervorrufen, verleihen die schraffierten Zeichnungen des Originals den dargestellten Motiven mehr Lebendigkeit und Authentizität. Darüber hinaus halte ich die graphische Ausschmückung der Initialen am Anfang jedes Kapitels für ästhetisch und künstlerisch wertvoll.



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